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Scheinarbeitsvertrag mit gescannter Unterschrift des Geschäftsführers – Untreue

LAG Berlin-Brandenburg – Az.: 2 Sa 684/18 – Urteil vom 24.08.2018

1) Die Berufung der Widerbeklagten zu 1) und 2) gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 11.04.2018 – 24 Ca 4650/16 und 24 Ca 7892/17 – wird auf ihre Kosten bei einem Streitwert von 45.890,99 EUR in der 2. Instanz zurückgewiesen.

2) Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten noch um Rückzahlungen von Nettolohn und gezahlten Steuern und Sozialversicherungsbeträgen an den Insolvenzverwalter, den nunmehrigen Beklagten und Widerkläger. Der Widerkläger behauptet, dass der Kläger und Widerbeklagte zu 1) zusammen mit seiner Mutter, der Widerbeklagten zu 2) und ehemaligen Prokuristin der Gemeinschuldnerin, ein Arbeitsverhältnis nur zum Schein mit der gescannten Unterschrift des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin abgeschlossen hätten, um monatliche Zahlungen gegenüber der Lohnbuchhaltung rechtfertigen zu können.

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Teilurteil vom 11. April 2018 der Widerklage in vollem Umfang stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Widerkläger gegen die Widerbeklagten zu 1) und 2) einen Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1; 840 Abs. 1; 421 BGB habe. Die Widerbeklagten hätten der Gemeinschuldnerin durch eine rechtswidrige Pflichtverletzung einen Schaden zugefügt, in dem sie gemeinsam und ohne Wissen des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin einen Arbeitsvertrag erstellt und – ohne dass eine arbeitsvertragliche Verpflichtung der Gemeinschuldnerin bestand – über einen Zeitraum von 1 ½ Jahren monatliche Zahlungen an den Widerbeklagten zu 1) veranlasst bzw. entgegengenommen hätten.

Scheinarbeitsvertrag mit gescannter Unterschrift des Geschäftsführers - Untreue
(Symbolfoto: Pormezz /Shutterstock.com)

Nach der Überzeugung des Gerichts sei zwischen der Gemeinschuldnerin und dem Widerbeklagten zu 1) am 01. November 2012 ein Arbeitsvertrag nicht geschlossen worden. Der Widerkläger habe vorgetragen, dass ein Gespräch zur Begründung eines Anstellungsverhältnisses nicht geführt worden sei und der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin den Arbeitsvertrag weder unterzeichnet noch der Widerbeklagten zu 2) sein „o.k.“ gegeben habe, seine digitale Unterschrift unter den Vertrag zu setzen. Unabhängig davon, ob der Vortrag des Widerbeklagten zu 1) zum Zustandekommen des Vertrages hinreichend substantiiert sei, spreche jedoch bereits der Arbeitsvertrag selbst gegen den von ihm vorgetragenen Geschehensablauf. Die Unterschrift des Widerbeklagten zu 1) auf dem Vertrag, Bl. 24 d. A., sei identisch mit der Unterschrift auf anderen Schriftstücken, die in diesem Verfahren vom Widerkläger eingereicht worden seien, etwa den Unterschriften auf sämtlichen Rechnungen des Widerbeklagten zu 1) oder der „Cleanup Berlin“ an die Stenarts Ltd., vgl. beispielhaft die Rechnung vom 11. Mai 2012 in Kopie Bl. 637 d. A. und die Rechnung vom 07. November 2012 in Kopie Bl. 704 d. A., aber auch der Unterschrift unter dem Schriftsatz vom 27. September 2017 in Kopie Bl. 1291 d. A.. Bei der Unterschrift unter dem Arbeitsvertrag handele es sich offenbar auch hinsichtlich der Unterschrift des Widerbeklagten zu 1) um eine eingescannte Unterschrift – einen anderen Schluss lasse die Vielzahl der identisch aussehenden Unterschriften in der Akte nicht zu. Dies stehe im Widerspruch zum Vortrag des Widerbeklagten zu 1) zum Vertragsschluss. Er habe vorgetragen, dass er den Arbeitsvertrag im Meetingraum der Gemeinschuldnerin in der Bernburger Str. 30 – 31 im Beisein der Widerbeklagten zu 2) und des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin persönlich unterschrieben habe. Weiterhin spreche gegen den vom Widerbeklagten zu 1) vorgetragenen Geschehensablauf, dass das Vertragsdokument unter dem 10. Januar 2013 auf dem Server der Gemeinschuldnerin abgelegt sei. Dies sei nicht in Einklang zu bringen mit dem Vortrag, die Widerbeklagte zu 2) habe den Arbeitsvertrag am 01. November 2012 in Vorbereitung der Vertragsunterzeichnung auf dem Serverlaufwerk abgelegt.

Weiterhin habe der Widerbeklagte zu 1) auch keine Arbeitsproben oder sonstigen Anhaltspunkte vorgelegt, aus denen auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses bzw. von ihm erbrachte Leistungen für die Gemeinschuldnerin geschlossen werden könnte. Der Vortrag des Widerbeklagten zu 1) bleibe insofern pauschal und erschöpfe sich in der Nennung von buchhalterischen Tätigkeiten wie der Kontrolle von Eingangsrechnungen und Buchung laufender Geschäftsvorfälle, für die er jedoch keine Nachweise vorlege. Diese Tätigkeiten habe der Widerbeklagte zu 1) nach seinem Vortrag im Homeoffice erledigt. Es sei für das Gericht nicht nachzuvollziehen, weshalb beim vorgetragenen Bestehen des Arbeitsverhältnisses über 1 ½ Jahre und gerade bei einer Tätigkeit im Homeoffice, bei der besonders häufig Informationen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer etwa per E-Mail übermittelt und ausgetauscht würden, der Widerbeklagte zu 1) keinen Nachweis seiner Tätigkeit habe vorlegen können.

Die vom Widerbeklagten zu 1) eingereichten E-Mails könnten eine Arbeitsleistung für die Gemeinschuldnerin nicht belegen. Die E-Mail des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin vom 23. Mai 2013, die den Auftrag eines Kunden zum Gegenstand habe, richte sich an die Widerbeklagte zu 2) und sei anschließend an die private E-Mail-Adresse des Widerbeklagten zu 1) weitergeleitet worden. Ein Arbeitsauftrag an den Widerbeklagten zu 1) sei darin nicht zu sehen, zumal nicht vorgetragen sei, dass allein der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin auf das E-Mail-Konto …… Zugriff gehabt habe.

Gegen das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses spreche weiterhin, dass der Widerbeklagte zu 1) weder in der von der Widerbeklagten zu 2) geführten Mitarbeiterliste auftauche noch in der Urlaubsplanung für die Jahre 2013 und 2014.

Schließlich könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin von dem schriftlichen Arbeitsvertrag und den monatlichen Zahlungen der Gemeinschuldnerin Kenntnis gehabt habe. Zwar wäre angesichts des langen Zeitraums, über den die Zahlungen erfolgt seien, zu erwarten gewesen, dass der Geschäftsführer die angewiesenen Zahlungen gelegentlich überprüfte. Nach seinem Vortrag sei jedoch die Arbeitsaufteilung dergestalt gewesen, dass die Widerbeklagte zu 2) für die Anweisung der Gehälter zuständig gewesen sei und auch über Einzelprokura verfügt habe. Dafür, dass der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin keine Kenntnis von einem bestehenden Arbeitsverhältnis mit dem Widerbeklagten zu 1) hatte, spreche auch, dass die Widerbeklagte zu 2) ihn in der Mitarbeiterliste nicht mitaufgeführt habe. Allein die E-Mails vom 23. Mai 2013 und vom 19./20. März 2014 belegten die Kenntnis des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin nicht.

Wegen der weiteren konkreten Begründung des Arbeitsgerichts Berlin und des Vortrags der Parteien erster Instanz wird auf das Teilurteil vom 11. April 2018 (Bl. 1337 ff. d. A.) verwiesen.

Gegen dieses den Widerbeklagten am 23. April 2018 zugestellte Teilurteil richtet sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 23. Mai 2018 eingegangene und am Montag, dem 25. Juni 2018, begründete Berufung der Widerbeklagten. Sie meinen, dass die prozessuale Verfahrensweise des Arbeitsgerichts nicht im Einklang mit der Zivilprozessordnung stehe, da das Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. Februar 2018 ergangen sei. An diesem Tag sei jedoch kein Urteil ergangen und auch kein Verkündungstermin für den Fall des Widerrufs des an diesem Tag geschlossenen Vergleichs anberaumt worden. Es sei am 11. April 2018 eine Entscheidung mit einer anderen Kammerbesetzung verkündet worden als es diejenige am 14. Februar 2018 gewesen sei.

Auch materiell leide die erstinstanzliche Entscheidung an schwerwiegenden Mängeln und sei daher abzuändern. Das Gericht stütze seine Auffassung allein auf § 823 Abs. 1 BGB, obwohl § 823 Abs. 1 BGB nicht die Vermögensinteressen des Gläubigers schütze.

Ferner habe der Widerkläger die Voraussetzungen für eine rechtswidrige Pflichtverletzung der Widerbeklagten darzulegen und zu beweisen. Dies habe er nicht vermocht, jedenfalls seien die Behauptungen streitig. Das Gericht wollte offenbar im Rahmen von § 823 BGB eine primäre und sekundäre Beweislast annehmen. Dies sei fehlerhaft.

Es wäre Sache des Widerklägers im Einzelnen darzulegen und zu beweisen, dass der Widerbeklagte zu 1) keinen Arbeitsvertrag unterschrieben und keinerlei Arbeitsleistung erbracht hätte. Es sei auch nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der Widerkläger insoweit den Beweis nicht führen könnte. Abgesehen davon würden nun einmal die Beweislastregeln gelten. Wenn der Widerkläger etwas zu beweisen habe, es aber nicht beweisen könne, gelte der Beweis als nicht erbracht. Die Folge sei nicht, dass das Arbeitsgericht anscheinend meine, dass der (angeblich) nicht zu beweisende Vortrag des Widerklägers als richtig unterstellt werde.

Es sei auch nicht richtig, den schlichten Behauptungen des Widerklägers, der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin habe von diesem Arbeitsverhältnis nichts gewusst, einfach Glauben zu schenken.

Ein Arbeitgeber habe sein Unternehmen ordnungsgemäß zu organisieren. Bei einer GmbH sei der Geschäftsführer dafür verantwortlich. Er mag bestimmte Aufgaben anderen Mitarbeitern oder Dienstleistern übertragen. Dann müsse er aber im Einzelnen dazu vortragen, inwieweit eine Übertragung von Rechten und Pflichten auf andere vorgenommen worden sei. Im vorliegenden Fall wäre insbesondere dezidiert dazu Stellung zu nehmen, dass die Widerbeklagte zu 2) im Rahmen der ihr übertragenen Vertretungsmacht berechtigt gewesen sei, das Arbeitsverhältnis mit den vorhandenen Arbeitnehmern und insbesondere dem Widerbeklagten zu 1) abzuwickeln.

Darüber hinaus müsse vorgetragen werden, wie es sein könne, dass eine angeblich gescannte Unterschrift des Geschäftsführers, die angeblich unter den Vertrag gesetzt worden sei, existiere und wozu diese Unterschrift verwendet werden durfte und wozu nicht.

Entscheidend sei jedoch, dass selbst in einem Fall, in dem der Geschäftsführer einer GmbH bestimmte Aufgaben auf andere delegiere, er umfangreiche Kontroll- und Überwachungspflichten habe. Selbst wenn der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin – wohl zu seinem eigenen Schutz – behaupte, er habe von alledem nichts gewusst, könne er sich als Geschäftsführer einer GmbH darauf nicht berufen. Einem ordnungsgemäß handelnden Geschäftsführer müsse auffallen, dass auf den Gehaltslisten ein Mitarbeiter auftauche, der als solcher nicht geführt werden dürfte. Genauso müsste ein ordnungsgemäß handelnder Geschäftsführer die Kontobewegung des Kontos der GmbH überprüfen. Bei ordnungsgemäßem Handeln hätte er feststellen müssen, dass das Gehalt für den Kläger vom Konto der Gemeinschuldnerin gezahlt worden sei.

Darüber hinaus sei es die ureigenste Pflicht des Geschäftsführers einer GmbH, die Bücher zu führen und die Buchhaltung zu kontrollieren. Auch dabei müsse aufgefallen sein, dass dem Widerbeklagten zu 1) monatlich ein Gehalt gezahlt worden sei. Insoweit sei unstreitig, dass tatsächlich ein unterschriebener Arbeitsvertrag in den Geschäftsunterlagen der Gemeinschuldnerin vorhanden gewesen sei.

Gerügt werde letztlich auch die Entscheidung des Arbeitsgerichts insoweit, als es von einer gesamtschuldnerischen Haftung der Widerbeklagten zu 1) und 2) ausgehe. Zu einem Schadensersatzanspruch des Widerklägers gegenüber der Widerbeklagten zu 2) sei den Urteilsgründen praktisch nichts Nachvollziehbares zu entnehmen. Es werde lediglich angesprochen, dass die Widerbeklagte zu 2) Zahlungen auf Grundlage einer Bankvollmacht an den Widerbeklagten zu 1) veranlasst hätte. Darüber hinaus sei die Rede davon, dass die Widerbeklagten gemeinsam gehandelt hätten. Es sei nicht im Einzelnen nachvollziehbar, inwiefern genau die Widerbeklagte zu 2) gegen die ihr gegenüber der Gemeinschuldnerin obliegenden Pflichten verstoßen habe, geschweige denn, dass dazu handgreifliche Beweisangebote vorlägen. Die Widerbeklagte zu 2) sei von einem wirksamen Arbeitsverhältnis zwischen der Gemeinschuldnerin und dem Widerbeklagten zu 1) ausgegangen.

Die Widerbeklagten beantragen, das Teilurteil des Arbeitsgerichts Berlin, verkündet am 11. April 2018, Az. 24 Ca 4650/16 bzw. 24 Ca 7892/17, abzuändern und die Klage gegen die Widerbeklagten zu 1) und 2) abzuweisen; hilfsweise, das Teilurteil des Arbeitsgerichts Berlin, verkündet am 11. April 2018, Az. 24 Ca 4650/16 bzw. 24 Ca 7892/17, aufzuheben und an das Arbeitsgericht Berlin zurückzuverweisen.

Der Widerkläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Widerkläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Das Gericht hat die Vorsitzende der erstinstanzlichen Kammer um einen Vermerk gebeten, wann die Sache mit den ehrenamtlichen Richtern beraten wurde und wann diese den Urteilstenor unterschrieben hätten. Wegen des darauffolgenden Vermerks wird auf Bl. 1380 d. A. verwiesen. Der Vermerk ist den Parteien zur Kenntnis übersandt worden.

Entscheidungsgründe

I. Die gemäß §§ 8 Abs. 2; 64 Abs. 1, Abs. 2 b, Abs. 6; 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG; §§ 222 Abs. 2; 519; 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO zulässige Berufung ist insbesondere formgerecht und fristgemäß eingelegt und begründet worden.

II. In der Sache hat die Berufung der Widerbeklagten jedoch keinen Erfolg. Sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung im Kern zu Recht hat das Arbeitsgericht Berlin die Widerbeklagten als Gemeinschuldner zur Zahlung von Schadensersatz in unstreitiger Höhe verurteilt. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg folgt der Urteilsbegründung des Arbeitsgerichts Berlin gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG, dass zwischen dem Widerbeklagten zu 1) und der Widerbeklagten zu 2) ein Scheinarbeitsvertrag zu Lasten der Gemeinschuldnerin abgeschlossen worden ist, in dessen Rahmen die Überweisungen an den Kläger und Widerbeklagten zu 1) erfolgten. Dies ist zwar keine Rechtsgutverletzung im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB, wie die Widerbeklagten zu Recht rügen, aber eine Untreue der Widerbeklagten zu 2) im Sinne von § 266 Abs. 1 BGB unter Mithilfe bzw. Beihilfe des begünstigten Sohnes, des Widerbeklagten zu 1) (vgl. zum Scheinvertrag als Untreue nur LG Braunschweig, 22.02.2008 – 6 KLs 20/07 – BeckRs 2009, 29834), die gemäß § 823 Abs. 2 in Verbindung mit § 840 Abs. 1 in Verbindung mit § 421 BGB ebenso zum Schadensersatz an den Widerkläger führt. § 266 Abs. 1 StGB ist ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB (vgl. nur BGH 17.03.1987 VI ZR 282/85 – BGHZ 100, 190; Palandt/Sprau, BGB, 77. Aufl. 2018, § 823 Rz. 70 m. w. N.).

1. Das Urteil erster Instanz ist den Vorschriften der ZPO und des Arbeitsgerichtsgesetzes entsprechend ergangen. Insbesondere sind die gesetzlichen Richter im Sinne von Art. 101 Abs. 1 GG tätig geworden: Wie aus dem Vermerk der Vorsitzenden erster Instanz hervorgeht, hat das Gericht in der aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. Februar 2018 ersichtlichen Besetzung bereits an diesem Tag über die Sache beraten und für den Fall des Widerrufs entschieden. Dies geht aus den handschriftlichen Unterschriften der drei beteiligten Richter und dem Tenor sowie den handschriftlichen Verbesserungen Bl. 1336 A und 1336 B d. A. hervor. Das Gericht hat es lediglich versäumt, einen Verkündungstermin bereits für den Fall des Widerrufs des Vergleichs anzuberaumen. Dies hat es mit Beschluss vom 08. März 2018 nachgeholt (vgl. Bl. 1335 d. A.).

Verkündet worden ist dann das tenorierte und unterschriebene Urteil am 11. April 2018. Dies erfüllt den Tatbestand des § 60 Abs. 3 ArbGG. Zum Zeitpunkt der Verkündung lag das Urteil außerdem in vollständiger Form vor, wie sich aus dem Laufzettel Bl. 1350 A d. A. und dem Vermerk der Gerichtsbeschäftigten vom 11. April 2018 Bl. 1351 d. A. ergibt, so dass auch § 60 Abs. 4 ArbGG befolgt wurde.

2. Der Widerkläger hat gegen die Widerbeklagten zu 1) und 2) einen Anspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 266 Abs. 1 StGB bzw. in Verbindung mit § 27 StGB in Verbindung mit § 421 BGB auf Zahlung von Schadensersatz in unstreitiger Höhe, wie sich dies aus dem Tenor des erstinstanzlichen Urteils ergibt.

a)

Die Widerbeklagte zu 2) hat dadurch, dass sie sowohl als Prokuristin der Gemeinschuldnerin als auch als persönliche Vertraute des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin (vgl. dazu die von den Widerbeklagten selbst eingereichten Schreiben Anlage K 7, K 10, K 11) zusammen mit dem Sohn einen Scheinarbeitsvertrag unter Einführung einer gescannten Unterschrift des Geschäftsführers abgeschlossen und damit die Zahlungen an diesen veranlasst hat, mit der Beihilfe oder in Mittäterschaft ihres Sohnes die durch die Prokura eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, ebenso missbraucht wie die ihr kraft eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen.

b)

Trotz der Einstellung der Strafverfolgung gegen die Widerbeklagten ist die Kammer nicht gehindert, die Straftat der Widerbeklagten zu prüfen und als schadensersatzbegründende Schutznorm im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB anzunehmen. Ein Ergebnis eines Strafprozesses – der hier nicht einmal vorliegt – ist für den Arbeitsgerichtsprozess nicht bindend. Dies kann allenfalls dann der Fall sein, wenn ein Freispruch „wegen erwiesener Unschuld“ erfolgt und eine Verdachtskündigung ausgesprochen worden ist (vgl. nur BAG 20.08.1997 EzA § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; LAG Berlin-Brandenburg 10.08.2012 – 13 Sa 87/12; KR/Fischermeier, 10. Aufl. § 626 BGB Rz. 213 m. w. N.).

c)

Das Gericht ist nach dem Sachvortrag und dem Prozessvortrag der Parteien, nach dem Inhalt der Schriftsätze der Parteien und insbesondere der Anlagen gerade zum persönlichen Verhältnis der Widerbeklagten zu 2) zum Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin als auch der Schreiben zwischen dem Widerbeklagten zu 1) und der Widerbeklagten zu 2) (siehe Bl. 106 ff. d. A. Anlage B 5 und B 6) im Sinne einer persönlichen Gewissheit (vgl. dazu nur LAG Berlin-Brandenburg, 10.08.2012, a. a. O.; Zöller/Grieger, ZPO, § 286 Rz. 9) davon überzeugt, dass die Widerbeklagte zu 2) mit dem Widerbeklagten zu 1) einen Scheinarbeitsvertrag mit gescannten Unterschriften geschlossen habe, wodurch zu Lasten der Gemeinschuldnerin und zugunsten des Widerbeklagten zu 1), des Sohnes der Widerbeklagten zu 2), Arbeitsentgelte, Sozialversicherungsbeiträge und Steuern gezahlt wurden, ohne dass eine irgendwie geartete Tätigkeit dafür erfolgte. Insofern folgt das erkennende Gericht der erstinstanzlichen Entscheidung gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG und verweist insbesondere auf die Ausführungen Seite 9 ff. im erstinstanzlichen Urteil (Bl. 1345 bis 1346 d. A.), die oben im Tatbestand wiedergegeben wurden.

d)

Der Widerkläger hat den Schadensersatzanspruch gegen die Widerbeklagten auch in voller Höhe.

aa)

Zwar ist es nach der Rüge der Widerbeklagten in der Berufungsinstanz und dem gesamten Ablauf des Verhältnisses zwischen der Widerbeklagten zu 2) und dem Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin zutreffend, dass letzterer eine Kontrolle der Widerbeklagten zu 2) nahezu völlig unterlassen hat und durch die Zurverfügungstellung einer gescannten Unterschrift dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet hat.

bb)

Dennoch können sich die Widerbeklagten nicht auf dieses Mitverschulden des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin berufen, da sie vorsätzlich gehandelt haben und ihr Vorsatz auch die Schädigung umfasst hat, während der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin bzw. die Gemeinschuldnerin bei der Unterlassung von Sicherheitsvorkehrungen und Überprüfungen „nur“ fahrlässig gehandelt hat (vgl. dazu BAG 18.06.1970 – 1 AZR 520/69 – BAGE 22, 375; LAG Berlin-Brandenburg 10.08.2012, a. a. O.).

III. Die Widerbeklagten tragen daher die Kosten ihrer erfolglosen Berufung gemäß § 97 Abs. 1 ZPO bei einem Streitwert von 45.890,99 EUR in der zweiten Instanz.

IV. Für eine Zulassung der Revision bestand kein Anlass.

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