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Scheinarbeitsvertrag – trotzdem Vergütungsanspruch?

Landesarbeitsgericht Sachsen – Az.: 2 Sa 175/20 – Urteil vom 08.01.2021

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 13.05.2020 – 7 Ca 318/20 – a b g e ä n d e r t :

Das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 04.03.2020 zum vorigen Aktenzeichen wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der durch die Säumnis der Beklagten im Termin vom 04.03.2020 entstandenen Kosten. Diese trägt die Beklagte.

Revision ist nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im zweiten Rechtszug unverändert darüber, ob der Kläger gegen die Beklagte für den Zeitraum von September bis Dezember 2019 einen – verzinslichen – Anspruch auf Arbeitsvergütung hat.

Ein unter dem 17.07.2019 unterzeichneter „Betriebsleitervertrag“ der Parteien sah den Beginn eines Arbeitsverhältnisses zwischen ihnen ab 01.08.2019 vor. Der Kläger sollte für die technische Betriebsleitung verantwortlich zeichnen. Für eine durchschnittliche Arbeitszeit von 20 Wochenstunden war ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 2.200,00 € verabredet.

Die Parteien waren befreundet. Der Kläger ist freier Architekt. Die Beklagte unterhält einen bauausführenden Handwerksbetrieb. Planungsleistungen erbringt sie nicht.

Hintergrund für den Abschluss des Vertrages war zum einen der Umstand, dass der Kläger seinerzeit formal eine Festanstellung nachweisen wollte, um dadurch das Sorge- und Umgangsrecht für seinen Sohn durchsetzen zu können. Er habe erklärt, gegenüber dem Jugendamt eine geregelte Arbeit nachweisen zu müssen.

Auf der anderen Seite sollte der Vertrag auch der Beklagten dienen, da sie zu der Zeit einen Konzessionsträger suchte, der in der Handwerksrolle eingetragen war und für sie tätig sein würde.

Auf dieser Grundlage erfolgten auch Abrechnungen der Brutto-/Nettobezüge.

Die Abrechnungen für September, Oktober und November 2019 weisen jeweils einen Nettoverdienst in Höhe von 1.524,42 € aus.

Der Kläger hat bei dem von ihm angegangenen Arbeitsgericht Dresden für September 2019 922,79 € netto, für Oktober und November 2019 je 1.524,42 € netto und für Dezember 2019 2.200,00 € brutto verfolgt.

Am 04.03.2020 erließ das Ausgangsgericht auf den dahingehenden Antrag Versäumnisurteil des Inhalts, wonach die Beklagte verurteilt wurde, an den Kläger 3.971,63 € netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.02.2020 zu bezahlen und die Beklagte weiter verurteilt wurde, an den Kläger 2.200,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 01.02.2020 zu bezahlen.

Gegen das ihr am 13.03.2020 zugestellte Versäumnisurteil hatte die Beklagte bereits am 05.03.2020 Einspruch eingelegt.

Der Kläger hat die Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils beantragt.

Die Beklagte hat dessen Aufhebung unter Klageabweisung beantragt.

Das Ausgangsgericht hat das Versäumnisurteil mit dem der Beklagten am 28.05.2020 zugestellten Urteil vom 13.05.2020 aufrechterhalten.

Die Beklagte hat gegen dieses Urteil am 29.06.2020, einem Montag, Berufung eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Frist zu deren Begründung bis 18.08.2020 am 13.08.2020 ausgeführt.

Der Vertrag, mit dem ein Handwerksmeister einem Handwerksbetrieb lediglich seinen Meistertitel zur Verfügung stellt, ohne dass er tatsächlich als technischer Betriebsleiter tätig werde, sei gemäß § 134 BGB wegen Umgehung des § 7 der Handwerksordnung nichtig.

Dies treffe hier zu. Denn zurzeit des Abschlusses des „Betriebsleitervertrages“ sei es für die Beklagte sowohl aus Gründen der Handwerksordnung als auch aus Gründen der Gewerbeordnung verpflichtend gewesen, wenigstens einen Maurermeister als leitenden Mitarbeiter einzustellen. Der Kläger in seiner Funktion als Architekt und Bauingenieur habe selbstverständlich den Anforderungen an einen Maurermeister entsprochen. Durch die Einstellung des Klägers als „Betriebsleiter“ habe gegenüber der Handwerkskammer wie auch gegenüber der Gewerbeaufsicht vorgetäuscht werden sollen, dass ein qualifizierter Handwerker eine leitende Funktion in ihrem – der Beklagten – Unternehmen ausübe.

Arbeitsleistungen habe der Kläger im Streitzeitraum nicht erbracht.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Ausgangsurteils, des Urteils des Arbeitsgerichts Dresden vom 13.05.2020 – 7 Ca 318/20 –, die Klage unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts Dresden vom 04.03.2020 zum selben Aktenzeichen abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Zurückweisung der Berufung.

Er – der Kläger – habe sowohl Architekten- und Bauingenieurleistungen als auch Beratungsleistungen erbracht. Er habe auch nach September 2019 weitere Tätigkeiten entfaltet und angeboten.

So habe er beispielsweise angeboten, für die Baustelle … die Ausführungsplanung zu erstellen. Eine Zusammenstellung der Prinzip-Zeichnungen sei bereits erfolgt gewesen. Eingebaute Details durch die Beklagte hätten als Detailzeichnungen in die Dokumentationsunterlagen noch eingearbeitet werden müssen. Dazu hätte die Beklagte entsprechende Details benennen müssen. Dies sei trotz mehrmaliger Nachfrage nicht erfolgt.

Auch sei ihm, dem Kläger, angetragen worden, bezüglich vom Vater des Inhabers der Beklagten ohne Baugenehmigung erstellter Unterstände entsprechende nachträgliche Bauanträge zu stellen. Er habe bereits angefangen, entsprechende Vorarbeiten zu erbringen. Der Inhaber der Beklagten habe dann festgestellt, dass keine „schlafenden Hunde“ geweckt werden sollten, und deshalb seien die Tätigkeiten eingestellt worden.

Für die Baustelle … habe er verschiedene Dinge organisiert und zugearbeitet, so z. B. eine Spezialmuffe organisiert, als ein Kabel beschädigt gewesen sei. Wegen des Zustands des Estrichs seien diverse Telefonate mit Prüfstatikern, Statikern, Betonwerken und Betonfachleuten vor Ort geführt worden. Es seien vorbereitende Gespräche mit dem Inhaber der Beklagten zum Bauherrengespräch geführt worden. Ihm, dem Kläger, sei dann untersagt worden, zum Bauherrengespräch mitzukommen.

Es seien weitere vier Objekte besichtigt worden, wo seitens der Beklagten nach Kauf entsprechende Planungen und Bauarbeiten vorgesehen gewesen seien.

Die Beklagte erwidert, dass die vom Kläger geschilderten Tätigkeiten dem Freizeitbereich zuzuordnen seien und auf Eigeninitiative beruhten.

Eine Büronutzung durch den Kläger sei lediglich in dessen Eigenschaft als freier Architekt und im Rahmen von Leistungen für sich selbst erfolgt. Bestenfalls habe der Kläger einmal Kontakt zu einem Sachverständigen hergestellt.

In der Berufungsverhandlung trägt die Beklagte unwidersprochen vor, dass die Abrechnungen lediglich zum Schein erfolgt seien, weil sie die Handelskammer habe sehen wollen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens beider Parteien wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Scheinarbeitsvertrag – trotzdem Vergütungsanspruch?
(Symbolfoto: Bartolomiej Pietrzyk/Shutterstock.com)

Die zulässige Berufung ist begründet. Der seinerseits zulässige Einspruch gegen das vorbezeichnete Versäumnisurteil ist seinerseits zulässig und begründet. Das Versäumnisurteil ist – unter Abweisung der Klage – aufzuheben (§ 343 Satz2 ZPO). Zwar ist die Klage ihrerseits wiederum und mit beiden Anträgen zulässig. Nicht hingegen ist sie begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte für den Streitzeitraum keinen Anspruch auf Arbeitsvergütung.

Ein Anspruch auf Zahlung von Vergütung folgt weder aus § 611 a Abs. 2 BGB noch aus § 615 Satz 1 i. V. m. § 611 a Abs. 2 BGB. Voraussetzung hierfür wäre Arbeitsleistung durch den Kläger für die Beklagte aus einem wirksamen Arbeitsvertrag oder wenigstens der Verzug der Beklagten mit der Annahme der ihr aufgrund wirksamen Arbeitsvertrages seitens des Klägers angebotenen Dienste.

Der unter dem 17.07.2019 geschlossene Arbeitsvertrag kommt hierfür nicht in Betracht.

Der Arbeitsvertrag ist als Scheingeschäft nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig. Dies ist der Fall, wenn zwischen den Parteien bei Vertragsschluss Einigkeit darüber besteht, dass das vereinbarte Entgelt ganz oder zumindest teilweise nicht als Gegenleistung für die Erbringung einer Arbeitsleistung, sondern aus anderen Gründen gezahlt werden soll und eine Pflicht zur Arbeitsleistung nicht begründet wird (BAG vom 14.10.2020 – 5 AZR 409/19 – Juris).

So war dies hier: Mit dem Arbeitsvertrag sollte die Beklagte lediglich in den Stand gesetzt werden, der Handwerkskammer gegenüber einen sog. Konzessionsträger (hier: die Person der klagenden Partei) zu präsentieren. Das vereinbarte Entgelt war mithin nicht für eine Arbeitsleistung gedacht, sondern für einen anderen – den genannten – Zweck.

Es ist auch nicht ansatzweise vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass der Kläger im arbeitsvertraglich abgemachten Umfang von 20 Wochenstunden die arbeitsvertraglich vorgesehene Betriebsleitertätigkeit ausgeübt oder wenigstens angeboten hätte. Sein dahingehendes Vorbringen ist nicht ansatzweise zeitlich quantifiziert und rechtfertigt schon deshalb nicht den Schluss auf erbrachte Arbeitsleistungen im vermeintlich geschuldeten Umfang. Das fehlende Vorbringen wird auch nicht durch die Vorlage von Bezügeabrechnungen gestützt, die – ebenso wie der Vertrag – lediglich zum Schein erstellt wurden und ersichtlich deshalb die abgerechneten und eingeklagten Beträge schließlich konsequenterweise auch nicht geflossen sind.

Sämtliche vom Kläger geschilderten Tätigkeiten sind im Übrigen nicht kongruent mit denen eines keine Planungsleistungen erbringenden lediglich bauausführenden Handwerksbetriebs, wie ihn die Beklagte unterhält. Sie waren auch nicht aufgrund des „Betriebsleitervertrages“ geschuldet, sondern rechnen in der Tat im Wesentlichen dem Leistungssegment eines Architekten zu.

Der Kläger hat nicht wenigstens Anspruch auf die als Vergütung vereinbarten Beträge dafür, dass er gegenüber der Handwerkskammer als Betriebsleiter auftreten sollte. Denn eine derartige Vereinbarung ist gemäß § 134 BGB nichtig (vgl. die von der Beklagten angezogene Entscheidung BAG vom 18.03.2009 – 5 AZR 355/08 – Juris).

Dem Kläger steht gegen die Beklagte die streitgegenständliche Forderung auch nicht wegen tatsächlicher Arbeit auf der Grundlage eines fehlerhaften Arbeitsvertrages zu (hierzu BAG vom 14.10.2020 a. a. O.). Denn dies hätte tatsächliche Arbeit in dem – wenn auch nicht wirksam – vereinbarten und entsprechend abgerechneten Umfang vorausgesetzt, woran es aber eben fehlt.

II.

Der Kläger hat aufgrund der Regelungen in § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil er unterlegen ist. Die durch die Säumnis im Termin vom 04.03.2020 veranlassten Kosten sind allerdings aufgrund der Regelung in § 344 ZPO der säumig gewesenen Beklagten aufzuerlegen, obzwar infolge ihres Einspruchs eine abändernde Entscheidung erlassen wird.

Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil es an Gründen hierfür fehlt.

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