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Schmerzensgeldanspruch bei Mobbing – Kausalität und Darlegungslast

Landesarbeitsgericht Niedersachsen – Az.: 11 Sa 361/18 – Urteil vom 14.05.2019

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 28.03.2018 – 2 Ca 371/17 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin macht in dem Rechtstreit einen Schmerzensgeldanspruch gegenüber ihrem Arbeitgeber geltend.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Osnabrück hat mit Urteil vom 28.03.2018 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Die Voraussetzungen für auf Mobbing gestützte Schmerzensgeldansprüche lägen nicht vor. Die rechtliche Besonderheit der als Mobbing bezeichneten tatsächlichen Erscheinungen liege darin, dass nicht jede einzelne, abgrenzbare Handlung, sondern die Zusammenfassung mehrerer Einzelakte in einem Prozess zu einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts oder der Gesundheit des betroffenen Arbeitnehmers führen könne. Rechtlich betrachtet gehe es damit um die Qualifizierung eines bestimmten Gesamtverhaltens als Verletzungshandlung im Rechtssinne. Dabei bedürfe es einer objektiven Betrachtungsweise. Weisungen, die sich im Rahmen des dem Arbeitgeber zustehenden Direktionsrechts bewegten und denen sich nicht eindeutig eine schikanöse Tendenz entnehmen lasse, dürften in seltensten Fällen eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstellen. An der verschiedene einzelne Handlungen zusammenfassenden Systematik könne es darüber hinaus fehlen, wenn ein Arbeitnehmer von verschiedenen Vorgesetzten in seiner Arbeitsleistung kritisiert oder schlecht beurteilt werde. Gleiches gelte, wenn zwischen den einzelnen Teilakten lange zeitliche Zwischenräume lägen.

Mobbe ein Mitarbeiter einen anderen Arbeitnehmer des Unternehmens, bestehe für den Arbeitgeber eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis, dem unangemessen behandelten Mitarbeiter zu schützen. Daneben hafte der Arbeitgeber nach § 278 BGB für schuldhaft begangene Rechtsverletzungen, die von ihm als Erfüllungsgehilfen eingesetzte Mitarbeiter oder Vorgesetzte begingen.

Bei der Frage des Verschuldens des Arbeitgebers sei auch zu beachten, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich die Möglichkeit habe, sich gegen unrechtmäßige Arbeitsanweisungen tatsächlich und rechtlich zur Wehr zu setzen.

Das tatsächliche Geschehen würdigt das Arbeitsgericht sodann wie folgt: Der Ausspruch einer Abmahnung sei in einem Arbeitsverhältnis grundsätzlich nichts Ungewöhnliches und nicht geeignet, Schadenersatzansprüche vor dem Hintergrund von Mobbingvorwürfen zu begründen. Form und Inhalt der Abmahnungen seien nicht ungewöhnlich. Die weiteren Behauptungen der Klägerin zu den Sachverhaltsnummern 3, 4, 5, 6, 7, 12 und 14 genügten nicht den Anforderungen an eine substantiierte Darlegung der behaupteten Mobbinghandlungen durch die Vorarbeiterin Frau P.. Die Behauptungen seien ohne jegliche zeitliche Angabe aufgestellt, so dass eine Beweisaufnahme ausscheide, da ansonsten durch die Zeugenvernehmung erst der Sachverhalt „ausgeforscht“ werden müsse. Der Vorfall zu Nr. 13 (Äußerung des Ehemanns der Vorarbeiterin P.sei rechtlich unerheblich. Ob die verbleibenden, konkret vorgetragenen Vorfälle zu den Nummern 8, 9, 10, 11 und 15 ausreichten, um einen „roten Faden“ im Rahmen eines Mobbingprozesses bejahen zu können, sei zu bezweifeln. Jedenfalls liege kein Verschulden der Beklagten vor. Unstreitig habe weder der gesetzliche Vertreter noch der personalverantwortliche Mitarbeiter selbst die Klägerin drangsaliert. Die Klägerin habe auch zumindest nicht ausreichend vorgetragen, dass sie ihre Vorgesetzten über ein entsprechendes Verhalten der Vorarbeiterin Frau P. informiert habe. Deswegen sei eine Haftung der Beklagten wegen fehlenden Verschuldens zu verneinen. Soweit die Klägerin in der Klageschrift behauptet habe, sich mehrfach wegen der Mobbingsituation an Herrn R. aus der Personalabteilung gewandt zu haben, sei der Vortrag derart pauschal, dass er als unerheblich gewertet werden müsse. Gleiches gelte für ihre Behauptung, sie habe Herrn Janknecht mehrmals auf ihre massiven Probleme mit Frau P. angesprochen.

Gegen dieses ihr am 16.04.2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25.04.2018 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist fristgemäß am 16.07.2018 begründet.

Schmerzensgeldanspruch bei Mobbing - Kausalität und Darlegungslast
(Symbolfoto: Just dance/Shutterstock.com)

Die Klägerin habe sich seit dem Jahr 2010 massivem Mobbing, insbesondere durch die Zeugin P. ausgesetzt gesehen. Auch der Umstand, dass Herr R. als Vorgesetzter mehrmals eine Kündigung angedroht habe, stelle eine Mobbinghandlung dar. Folge des Mobbings sei schließlich gewesen, dass die Klägerin eine schwere Depression bekam und sich vom 26.07. bis 12.10.2017 in stationäre Behandlung begeben musste. Die Klägerin hat dazu zwei ärztliche Berichte mit Datum 31.07. bzw. 18.10.2017 vorgelegt (Bl. 222 bis 231 d. A.).

Bis zum Beginn des massiven, kontinuierlichen Mobbings durch Frau P. sei die Klägerin gesund gewesen. Ab 2010 sei die Klägerin durch Frau P. beständig systematisch gemobbt worden, wie bereits ausgeführt und unter Beweis gestellt. Das Mobbing durch Frau P. habe kausal dazu geführt, dass die Klägerin schwere Depressionen bekommen habe und sich schließlich in stationäre Behandlung hätte begeben müssen. Die Beklagte als Arbeitgeberin habe trotz Kenntnis ihre Fürsorge- und Schutzpflichten gegenüber der Klägerin nachhaltig verletzt, indem sie hiergegen nicht eingeschritten sei. Die Beklagte sei einfach untätig geblieben.

Die beiden Abmahnungen des Jahres 2010 seien Beginn des systematischen Mobbings durch die Vorgesetzte Frau P. gewesen. Bezüglich der weiteren Vorgänge hätten die von der Klägerin benannten Zeugen gehört werden müssen. Das Arbeitsgericht habe die Anforderungen an eine substantiierte Darlegung überspannt. Zeitliche Angaben seien gemacht worden, wo dies möglich war. Ansonsten seien die Äußerungen durch Frau P. ständig, zuletzt täglich gefallen.

Unter Beibehaltung der Nummerierung im Tatbestand des angefochtenen Urteils trägt die Klägerin zu einzelnen Punkten ergänzend weiter vor wie folgt:

Ziffer 2) Abmahnung:

Es seien nach 15 Jahren beanstandungsfreier Tätigkeit an nur einem Tag zwei Abmahnungen erfolgt. Bezüglich der Station 1 und 2 habe die Klägerin nie irgendwelche Kritik oder Beschwerden von den Stationsschwestern erhalten. Laut Vertrag hätten der Klägerin 3 Stunden 45 Minuten für diese beiden Stationen zugestanden, es seien jedoch lediglich 3 Stunden 15 Minuten aufgeschrieben worden. Die Vorgesetzte P. habe ständig dafür gesorgt, dass die geleistete Arbeitszeit der Klägerin unrichtig erfasst werde. Die Klägerin beantragt insoweit Vorlage der Stundenzettel der Klägerin für den Zeitraum 2010 bis 2017 durch die Beklagte gemäß § 421 ZPO.

Ziffer 3):

Im Februar 2017 habe die Klägerin im Keller bei den Umkleidekabinen einer neuen Mitarbeiterin namens Patricia helfen wollen. Diese habe erklärt: „Nein, brauchst du nicht, ich habe sie schon einen Tag vorher geschrubbt, da wir die Dusche nur zweimal die Woche reinigen sollen.“

Zu Ziffer 4):

Seit 2011 reinige die Klägerin jeden Tag mittags den Eingangsbereich. Frau P. habe immer nur 15 Minuten aufgeschrieben. Laut Vorschriften seien es aber immer 30 Minuten. Dies müsse ebenfalls im Rapportschein dokumentiert sein.

Ziffer 5):

Am 05.07.2016 hätten die übermäßigen ständigen Kontrollen der Klägerin durch Frau P. begonnen. Eine Aussage wie: „Ich werde nur Deine Tätigkeiten kontrollieren, bis ich dir dein Leben zur Hölle gemacht habe“ , sei keineswegs zulässig. Auch wenn die Beklagte der beantragten Parteivernehmen der Klägerin widersprochen habe, sei die Klägerin hierzu nach höchstrichterlicher Rechtsprechung anzuhören.

Ziffer 6) und 7):

Nachdem Frau P. im Stationszimmer 1 und 2 ein Gespräch mit den Schwestern geführt und Unwahrheiten über die Klägerin verbreitet habe, habe die Klägerin bemerkt, dass ab dem Zeitpunkt ihre Arbeit intensiver kontrolliert worden sei. Die Schwestern hätten sich aber über die Arbeit der Klägerin nie beschwert.

Zu Ziffer 12):

Frau P. habe sich auch in das Leben der Klägerin eingemischt und dauernd Aussagen getätigt wie: „Du bist zu dünn, du hast nichts zu essen, deine Schuhe sind kaputt“. Solche Aussagen habe sie oft in einem 4-Augen-Gespräch getätigt.

Ziffer 14):

Als die Klägerin Frau P. gesagt habe, dass sie sie in Ruhe lassen solle, habe Frau P. gemeint: „Du kannst Dich beschweren so oft wie du willst, niemand wird dir glauben, da alle auf meiner Seite sind und ich die Vorarbeiterin bin.“

Zu Punkt 13):

Am 15.01.2017 habe Herr P.19:00 bis 20:00 Uhr der Klägerin das Wort „Schlampe“ zugerufen. Auch Herr P. arbeite bei der Beklagten. Zunächst aber im Krankenhaus. Die Richtigkeit der Aussage habe sich am nächsten Tag bestätigt, als die Klägerin Frau P. auf die Äußerung angesprochen habe und Herr P. geantwortet habe: „Leckt mich am Arsch beide.“

Zu Ziffer 8), 9) und 10):

Als die Klägerin am 22.08.2016 aus dem Urlaub wiedergekommen sei, habe sie festgestellt, dass ihre Kaffeetasse, Kaffee und der Käse gefehlt hätten. Als die Klägerin nachgefragt habe, wo die Sachen sind, habe Frau L. gesagt, Frau P.habe alles weggeschmissen. Frau P. habe der Klägerin dann auf einmal auch verboten, den Kühlschrank weiter zu nutzen.

Zu Ziffer 11):

Als die Klägerin am 18.11.2016 krank gewesen sei und die Krankmeldung bei Frau P. vorbeigebracht habe, habe diese die Geste des „Kopfabschneidens“ gemacht. Der Sohn der Klägerin habe die Klägerin begleitet und die Geste gesehen.

Zu Ziffer 15):

Am 03.04.2017 habe Frau P. zur Klägerin gesagt: „Du weißt schon, dass ich Sender bei dir zu Hause installiert habe, der eine Sender ist mit dem Krankenhaus und der andere mit meiner Wohnung verbunden.“ Am 21.04.2017 habe Frau P. zur Klägerin gemeint: „Hast du dich gestern Abend im Fernsehen gesehen? Hier, nimm diese CD, da bist du drauf.“ Diese CD sei kein Geschenkt und auch nicht verpackt, wie von der Gegenseite fälschlich vorgetragen. Daraufhin habe die Klägerin die CD an sich genommen, um später zu Hause nachzusehen, was darauf ist. Anschließend seien Frau P. mit Herrn R. auf die Station 1 und 2 gekommen und Herr R. habe die Klägerin mit den Worten nach Hause geschickt: „Du bekommst die Kündigung zugeschickt.“ Damit habe sich Herr R. direkt auf die Seite von Frau P. gestellt, statt mal nachzufragen, was vorgefallen sei.

Der Sohn der Klägerin habe Herrn J. zunächst eine E-Mail geschickt und ihn später auch persönlich angerufen, um mit ihm über den Vorfall zu reden. Es habe nur geheißen, er solle sich nicht einmischen.

Freiheit der Beweiswürdigung heiße nicht Freiheit in der Beweiserhebung. Bevor eine entscheidungserhebliche Frage streitig sei – hier einzelne Mobbinghandlungen – seien die hierfür angebotenen Beweise zu erheben.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des am 28.03.2018 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Osnabrück, 2 Ca 371/17, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe 10.000,00 EUR nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozenten über dem Basiszinssatz seit dem 24.11.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Das Arbeitsgericht habe die Klage zu Recht abgewiesen.

Bestritten werde, dass es ein massives kontinuierliches Mobbing seitens Frau P.  gegeben habe. Mit Nichtwissen werde bestritten, dass die Klägerin bis zum Beginn vermeidlicher Handlungen gesund gewesen sei. Bestritten werde, dass irgendeine Handlung der Zeugin P.  für eine Erkrankung der Klägerin kausal geworden sei. Im Übrigen handele es sich bei den Angaben im Entlassungsbericht zu angeblichen Mobbinghandlungen lediglich um eigene Angaben der Klägerin, die Seitens der Klinik in keiner Weise bestätigt worden seien. Allerdings werde festgestellt, dass die Klägerin unter wahnhaften Störungen leide und offenbar seit vielen Jahren von „Stimmen“ geleitet oder beeinflusst werde.

Abmahnungen vom 08. und 09.03.2010 lägen der Beklagten nicht vor. Die Klägerin möge klarstellen, ob es sich dabei um die Abmahnungssachverhalte der Abmahnung vom 18.03.2010 handeln solle. Jedenfalls seien diese von den Rechtsvorgängern der Beklagten erteilt worden.

Bestritten werde, dass die Zeugin P. die Klägerin angewiesen habe, Duschen auf den Stationen jeden Tag zu wischen und zu schrubben, obwohl dies von anderen Kollegen nur zweimal pro Woche verlangt worden sei.

Bestritten werde, dass der Klägerin angeblich für das Wischen der Halle des Eingangsbereichs zwei Stunden gutgeschrieben worden seien, während andere Mitarbeiter hierfür eine Gutschrift von drei Stunden erhalten hätten. In den seitens der Klägerin abzuarbeitenden 3,5 Stunden Reinigungstätigkeiten seien regelmäßig Reinigungsarbeiten von einer halben Stunde für den Eingangsbereich vorgesehen gewesen.

Bestritten werde, dass die Klägerin angeblich jeden Tag von der Zeugin P. über ihre Arbeit kontrolliert worden sei, während dies bei anderen Kolleginnen nicht der Fall gewesen sei. Bestritten werde auch, dass die Zeugin P. im Schwesternzimmer der Stationen 1 und 2 Unwahrheiten – welche auch immer – über die Klägerin erzählt haben solle.

Bestritten werde ferner, dass nach Rückkehr der Klägerin aus einem zweiwöchigen Urlaub – auch hier fehle eine zeitliche Eingrenzung – die Klägerin festgestellt haben wolle, dass ihre Kaffeetasse, ihr Kaffee und ihr Käse fehlten.

Bestritten werde weiter, dass am 18.11.2016 eine angebliche Geste des „Kopfabschneidens“ seitens der Zeugin P. gegenüber der Klägerin erfolgt sei.

Bestritten werde ferner, dass die Zeugin P. gegenüber der Klägerin jeden Tag provozierende Äußerungen getätigt habe.

Bestritten würden ferner die von der Klägerin behaupteten Äußerung des Ehemanns der Zeugin P.

Mit Nichtwissen werde weiter bestritten, dass die Zeugin P. angeblich gegenüber der Klägerin geäußert habe, dass sie sich so oft beschweren könne, wie sie wolle, niemand würde ihr glauben.

Insoweit werde bestritten, dass die Klägerin am 03.04.2017 angeblich geäußert haben soll: „Weißt du, dass ich Sender bei dir zu Hause installiert habe?“

Bestritten werde ferner, dass die Zeugin P. angeblich unter dem 21.04.2017 der Klägerin eine CD auf den Tisch gelegt habe mit der Bemerkung, sie sei auf dieser CD zu sehen. Bestritten werde schließlich, dass Herr R. angeblich dreimal erklärt haben solle, dass die Klägerin die Kündigung bekommen werde.

Einer Parteivernehmung der Klägerin werde nach wie vor widersprochen. Im Übrigen wäre bei einer etwaigen Anhörung der Klägerin ihr Krankheitsbild besonders zu berücksichtigen und ggfls. ein psychiatrischer Sachverständiger hinzuzuziehen. Aufgrund der klägerseits vorgelegten Attests bestünden im Übrigen Zweifel an der Prozessfähigkeit der Klägerin.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze wie die Protokollerklärung der Parteien Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung ist zulässig gemäß §§ 519, 520 ZPO, §§ 64, 66 ArbGG.

II.

Die Berufung unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen. Aus der Berufungsbegründung folgt im Ergebnis keine andere Beurteilung.

Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass nach den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Anspruchstellerin den Lebenssachverhalt in tatsächlicher Hinsicht so ausführlich zu beschreiben hat, dass – den Sachverhalt als wahr unterstellt – entsprechende Ansprüche durch das Gericht positiv festgestellt werden können. Zwar hat die Klägerin in der Berufung ihren Sachvortrag an mehreren Stellen ergänzt. Gleichwohl bleibt im Ergebnis das Problem, einen Krankheitsverlauf und dessen Ursachen über einen Zeitraum von zumindest 7 Jahren ausreichend klar feststellen zu können.

Das Arbeitsgericht hat weiter zutreffend vorangestellt, dass Mobbing selbst kein Rechtsbegriff und damit keine Anspruchsgrundlage ist. Rechtlich maßgeblich zu beantworten ist die Frage, ob in Folge des von der Klägerin als Mobbing bezeichneten Sachverhaltes ein Recht im Sinne des § 823 BGB, hier insbesondere die Gesundheit der Klägerin verletzt worden ist. Wesensmerkmal der als „Mobbing“ bezeichneten Form der Rechtsverletzung ist damit die systematische, sich aus vielen einzelnen Handlungen und Verhaltensweisen zusammensetzende Verletzung, wo bei den einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen für sich allein betrachtet oft keine rechtliche Bedeutung zukommt (vgl. etwa BAG 25.10.2007, 8 AZR 593/06).

Als wesentliche Schwierigkeit bei der rechtlichen Beurteilung von Mobbing-Handlungen erweist sich vor allem, ob sich ein ursächlicher Zusammenhang zwischen vorgetragenen Lebenssachverhalten und Verhaltensweisen und einer eingetretenen gesundheitlichen Beeinträchtigung, im Fall der Klägerin einer psychischen Erkrankung, herstellen lässt. An den Sachvortrag auf Klägerseite dürfen insoweit keine unerfüllbaren Anforderungen gestellt werden. Gegebenenfalls ist es – etwa wie bei einer krankheitsbedingten Kündigung – möglich, dass die Klägerin bestimmte medizinische Einschätzungen behauptet und insoweit ihre behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbindet.

Für die Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes gilt:

Medizinische Befunde liegen ausschließlich für die Zeit ab April 2017 und damit am Endpunkt des Geschehens vor. Festzustellen ist anhand dieser ärztlicher Befunde allerdings mit Eindeutigkeit eine erheblich psychische Erkrankung, insbesondere in Form einer schizodepressiven Störung. Frühere ärztliche Feststellungen, die etwa eine Entwicklung eines Krankheitsverlaufes belegen könnten, liegen nicht vor. Das bedeutet zugleich, dass die Ausgangsbehauptung der Klägerin, im Jahr 2010 sei sie noch gesund gewesen, nicht eindeutig bestätigen lässt. Psychische Erkrankungen können einerseits ganz unterschiedliche Auslöser haben, andererseits sich auch über einen längeren Zeitraum in Folge der Häufung verschiedener negativer Einflüsse entwickeln. So hat etwa die Klägerin vor etwa 10 Jahren ihre Mutter und – in relativ jungem Lebensalter – ihren Bruder durch Tod verloren. Allein der mögliche medizinische Einfluss dieser Ereignisse kann durch das Gericht allein in keiner Weise verlässlich – positiv oder negativ – beurteilt werden.

Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass jedenfalls die im Jahr 2010 erteilten Abmahnungen nach Form und Inhalt sachlich gehalten sind und in keiner Weise als ungewöhnliches, arbeitsrechtlich zu beanstandendes Verhalten seitens des Arbeitgebers zu beurteilen sind. Gegen inhaltlich unrichtige Abmahnungen steht der Arbeitnehmerin der Rechtsweg offen. Bei weiteren Vorfällen, die die Klägerin über den jahrelangen Zeitraum von 2010 bis etwa 2016 geschildert hat, ist zum einen eine genaue Datierung nicht möglich. Zum anderen ergibt sich daraus nicht, dass das Erfordernis eines systematischen Zusammenhangs als „Schikane-Maßnahme“ feststellbar ist. Dass es am Arbeitsplatz Konflikte gibt, gehört zum Arbeitsalltag. Es ist im Regelfall davon auszugehen, dass eine Arbeitnehmerin die sich daraus ergebenden psychischen Belastungen – ebenso wie etwa mit der Arbeit verbundene körperliche Belastungen – im Normalfall ohne gesundheitliche Probleme bewältigen kann. Für den gesamten Zeitraum für von den Jahren 2010 bis 2016 ließ sich anhand des Sachvortrages nach wie vor nicht feststellen, dass ein derartiges „normales“ Maß von Konflikten am Arbeitsplatz, insbesondere mit der Vorgesetzen Frau P. überschritten worden ist. Die von der Klägerin behauptete Äußerung des Herrn P. zeigt gerade, dass sich sein Missfallen gegen „beide“ und nicht speziell gegen die Klägerin richtete.

Was den Sachvortrag der Beklagten angeht, ist dieser bis in die Berufung davon gekennzeichnet, dass die von der Klägerin benannten Vorgänge schlicht bestritten werden. Dieses prozessuale Verhalten stößt zumindest an die Grenzen des § 138 Abs.2 ZPO, wonach sich jede Partei über die vom Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären hat. Etwa eine Überprüfung der Stundenzettel der Klägerin auf Richtigkeit hin hätte die Beklagte ohne weiteres leisten und dem Gericht vortragen können. Insgesamt vermittelt der Sachvortrag der Beklagten nicht den Eindruck, dass sie an der Aufklärung des Sachverhalts ernstliches Interesse habe. Gleichwohl genügt dies nicht, um den Sachvortrag der Klägerin als zugestanden anzusehen (§ 138 Abs.3 ZPO). Letztlich prozessentscheidend bleibt, dass die Darlegungen seitens der Klägerin zu lückenhaft geblieben sind.

Als maßgeblichen Einschnitt markiert die Klägerin die Entwicklung ab dem Monat Juli 2016. Bis zum Eintritt der langfristigen Arbeitsunfähigkeit der Klägerin im April 2017 sind dann nur noch etwa 9 Monate vergangen. Aus den vorgelegten ärztlichen Berichten lässt sich entnehmen, dass die Klägerin nach Selbstbeschreibung im Sommer 2017 bereits jahrelang unter psychischen Störungen gelitten hat, insbesondere Stimmen gehört hat, die ihr Angst machten. Dieser medizinische Befund wirft zugleich zwei Probleme auf. Zum einen bestehen damit ernstliche Anhaltspunkte, dass jedenfalls im Zeitraum Juli 2016 bis April 2017 die subjektiven Wahrnehmungen der Klägerin nicht unbedingt einem objektiven Geschehen entsprechen. Es muss insbesondere in Betracht gezogen werden, dass die Klägerin Äußerungen der Frau P. oder Situationen am Arbeitsplatz in überspitzer Bedeutung wahrgenommen hat. Ferner ist in dem ärztlichen Bericht vom 31.7.2018 (Seite 3) beschrieben die „Sorge um Informationsausbreitung über sie in der gesamten BRD“. Dies lässt den Vorfall mit der CD im April 2018 in anderem Licht erscheinen. Es mag durchaus sein, dass Frau P. mit den Ängsten der Klägerin unangemessen umgegangen ist. Die Frage einer Verursachung durch Frau P. ist hingegen – nach den vorliegenden Informationen – als medizinisch spekulativ zu bewerten.

Ein ausreichender „Tatsachenkern“ ist daher im Sachvortrag der Klägerin kaum abzugrenzen.

Zwar wäre es verfahrensrechtlich möglich, einzelne der von der Klägerin behaupteten Lebenssachverhalte, insbesondere aus dem letzten Jahr des Arbeitsverhältnisses, durch Zeugenbeweis näher aufzuklären. Da jedoch letztlich eine Gesamtbeurteilung des Sachverhaltes nicht ausreichend möglich ist, würde auch die mögliche Aufklärung einzelner Sachverhalte nicht genügen, um einen haftungsbegründenden Tatbestand zugunsten der Klägerin feststellen zu können.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

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