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Schriftformklausel – Wettbewerbsverbot

Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 11 Sa 171/13 – Urteil vom 21.08.2013

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 10.01.2013 – 3 Ca 1632/12 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Karenzentschädigung.

Die Klägerin war bei der Beklagten bis zum 31.03.2012 als Fachärztin für Allgemeinmedizin auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 30.08.2006 tätig. Dieser Anstellungsvertrag enthält in § 13 ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nebst Verpflichtung zur Zahlung einer Karenzentschädigung und bestimmt in § 14, dass u.a. Änderungen des Arbeitsvertrages der Schriftform bedürfen und dieses auch für die Abänderung des Schriftformerfordernisses gilt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Anstellungsvertrages wird auf Bl. 3 ff. d. A. verwiesen.

Die Klägerin hat auf der Grundlage des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes die Karenzentschädigung für die Monate April bis Juni 2012 nebst Verzugszinsen eingeklagt. Das Arbeitsgericht hat mit Versäumnisurteil vom 13.12.2012 der Klage stattgegeben. Auf den Einspruch der Beklagten hat es mit Urteil vom 10.01.2013 (Bl. 61 ff. d. A.) das Versäumnisurteil aufrechterhalten. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe weder vor Beendigung des Dienstverhältnisses schriftlich auf das Wettbewerbsverbot verzichtet noch sei dieses Konkurrenzverbot wirksam mündlich aufgehoben worden. Es sei auch nicht treuwidrig, wenn sich die Klägerin auf das Schriftformerfordernis berufe, denn es diene der Rechtssicherheit des Nachweises. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Wettbewerbsverbots seien eingehalten, die Klägerin habe ihre Praxis außerhalb des vereinbarten Radius von 5 Kilometern um den Sitz der Beklagten eröffnet. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe, wegen der weiteren Einzelheiten des streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der Antragstellung erster Instanz wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Gegen das ihr am 04.02.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28.02.2013 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 06.05.2013 begründet.

Die Beklagte behauptet, die Parteien hätten das Wettbewerbsverbot einvernehmlich mündlich aufgehoben. Sie meint, dadurch sei zugleich die Schriftformklausel des Anstellungsvertrages abbedungen worden. Die doppelte Schriftformklausel sei zudem zu weit gefasst und somit gemäߧ 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Die Klägerin verhalte sich treuwidrig, wenn sie sich auf das Wettbewerbsverbot berufe.

Die Beklagte beantragt, unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils des Arbeitsgerichts Bonn, verkündet am 10.01.2013(Az. 3 Ca 1032/12) die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Eine mündliche Aufhebung der doppelten Schriftformklausel sei aus Rechtsgründen nicht möglich. Zudem könne sich die Beklagte als Verwenderin nicht auf eine Unwirksamkeit der Klausel berufen. Zu einer mündlichen Aufhebung des Wettbewerbsverbots sei es in den Gesprächen zwischen den Parteien nicht gekommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 06.05.2013 und 27.06.2013, die Sitzungsniederschrift vom 21.08.2013 und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, denn sie ist nach § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde ordnungsgemäß innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet.

II. Die Berufung ist in der Sache ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung, auf die Bezug genommen wird, der Klage stattgegeben. Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus § 13 Abs. 2 des Anstellungsvertrages vom 30.08.2006 einen Anspruch auf Karenzentschädigung für die Monate April bis Juni 2012 in rechnerisch unstreitiger Höhe von EUR brutto. Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus den §§ 286 Abs. 2, 288 Abs. 1 BGB. Die Angriffe in der Berufungsbegründung rechtfertigen keine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

1. Das Wettbewerbsverbot wurde nicht mündlich rechtswirksam zwischen den Parteien aufgehoben. Die Beklagte verkennt den Unterschied zwischen einfacher und doppelter Schriftformklausel. Während bei der einfachen Schriftformklausel, nach der Änderungen und Ergänzungen des Arbeitsvertrages – wie vorliegend die Aufhebung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes – der Schriftform bedürfen, das Schriftformerfordernis von den Vertragsparteien jederzeit formlos aufgehoben werden kann, selbst wenn die Vertragsparteien bei ihrer mündlichen Abrede an die Schriftform überhaupt nicht gedacht haben, gilt dies nicht für die doppelte Schriftformklausel. Sie kann regelmäßig nicht durch eine die Schriftform nicht wahrende Vereinbarung abbedungen werden. An der Verwendung gerade der doppelten Schriftformklausel wird deutlich, dass die Vertragsparteien auf die Wirksamkeit ihrer Schriftformklausel besonderen Wert legen. Ein Verstoß führt gemäߧ 125 Satz 2 BGB zur Nichtigkeit der Änderungsabrede (BAG, Urt. v. 20.05.2008 – 9 AZR 382/07 – m.w.N.).

2. Die Berufung der Klägerin auf die Formnichtigkeit der streitigen Aufhebung des Konkurrenzverbotes verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).

a) Die Berufung auf einen Formmangel kann zwar ausnahmsweise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen. Grundsätzlich ist die Einhaltung der vorgeschriebenen Form jedoch zu beachten, da ansonsten die Formvorschriften des bürgerlichen Rechts ausgehöhlt würden. Im Allgemeinen hat jede Partei die Rechtsnachteile zu tragen, die sich aus der Formnichtigkeit eines Rechtsgeschäftes ergeben. Das Berufen auf die Formnichtigkeit kann nach § 242 BGB unbeachtlich sein, wenn der Erklärungsgegner einen besonderen Grund hatte, auf die Gültigkeit der Erklärung trotz des Formmangels zu vertrauen und der Erklärende sich mit der Berufung auf den Formmangel zu seinem eigenen vorhergehenden Verhalten in Widerspruch setzt. Dies ist etwa der Fall, wenn der Erklärende seinen Willen mit ganz besonderer Verbindlichkeit und Endgültigkeit mehrfach zum Ausdruck bringt und damit einen besonderen Vertrauenstatbestand (vgl. : BAG, Urt. v. 16.09.2004 – 2 AZR 659/03 – m.w.N.). Zudem ist erforderlich, dass das Ergebnis des Formmangels für die betroffene Partei nicht nur hart, sondern schlechthin untragbar ist (BAG, Urt. v. 27.03.1987 – 7 AZR 527/85 m.w.N.).

b) Auch nach dem Beklagtenvortrag hat die Klägerin nicht hartnäckig auf die mündliche Aufhebung des Wettbewerbsverbots gedrängt. Es sei vielmehr die Beklagte gewesen, die in den Verhandlungen kommuniziert habe, dass sie auf das Wettbewerbsverbot verzichten könne. Die Beklagte hat lediglich in allgemeiner Form und ohne nähere zeitliche Einordnung behauptet, die Parteien hätten ausdrücklich vereinbart, eine schriftliche Verzichtserklärung hinsichtlich des Wettbewerbsverbots werde nicht benötigt. In welchem Gespräch dies in der unstreitigen Vielzahl von Gesprächen gewesen sein soll, bleibt offen. Die Beklagte selbst hat vorgetragen, dass die Aufhebung des Wettbewerbsverbots in Zusammenhang damit stand, dass eine Kooperation der Parteien nach dem Ende des Anstellungsverhältnisses angedacht war. Aus welchen sachlichen Gründen nach dem Scheitern der Kooperationspläne die Klägerin mit der Aufhebung des Wettbewerbsverbots nebst Karrenzentschädigung einverstanden gewesen sein soll, erschließt sich nicht. Die Beklagte hat daher nicht substantiiert aufgezeigt, warum sie trotz Nichteinhaltung der für beide Seiten erkennbaren Formvorschrift auf die Aufhebung des Wettbewerbsverbotes vertrauen durfte. Das Festhalten an dem Wettbewerbsverbot führt für sie auch nicht zu einem untragbaren Ergebnis. Sie erhält für die Karrenzentschädigung eine angemessene Gegenleistung in Form des Wettbewerbsschutzes. Dass es sich dabei nicht um eine untragbare Situation handelt zeigt sich an der von den Parteien selbst abgeschlossenen schriftlichen Vereinbarung vom 30.08.2006.

3. Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Unwirksamkeit der doppelten Schriftformklausel nach § 307 Abs. 1 BGB berufen.

Dass es sich bei der Schriftformklausel in dem Formulararbeitsvertrag um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.d. §§ 305 ff. BGB handelt, ist zwischen den Parteien unstreitig. Zwar wird die Klägerin als Vertragspartner der Beklagten durch die Schriftformklausel unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB benachteiligt, weil sie bei ihr den Eindruck erweckt, eine mündliche Abrede sei entgegen § 305 b BGB unwirksam (vgl. : BAG, Urt. v. 20.05.2008 – 9 AZR 382/07 – m.w.N.). Dies führt aber nur zur Unwirksamkeit der Regelung hinsichtlich des die Klägerin belastenden Teils. Hingegen bleibt der die Beklagte als Verwenderin belastende Teil von der Inhaltskontrolle unberührt. Die Inhaltskontrolle schafft lediglich einen Ausgleich für die einseitige Inanspruchnahme der Vertragsfreiheit durch den Klauselverwender. Sie dient aber nicht dem Schutz des Klauselverwenders vor den von ihm selbst eingeführten Formularbestimmungen. Der Verwender einer unwirksamen Klausel kann sich deshalb gegenüber dem Vertragspartner nicht auf die Unwirksamkeit berufen (BAG, Urt. v. 27.10.2005 – 8 AZR 3/05 -; LAG Köln Urt. v. 29.02.2012 – 9 Sa 1464/11 – jew. m.w.N.).

4. Dem Antrag der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung auf Schriftsatznachlass war nicht nachzugehen. Er rechtfertigt sich hinsichtlich der rechtlichen Erwägungen nicht aus § 139 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung beruht auf der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Ein gewissenhafter und kundiger Prozessbevollmächtigter hätte mit ihr rechnen müssen. Auch die Berufungsbeantwortung befasst sich ausdrücklich mit dem Unterschied zwischen einfacher und doppelter Schriftformklausel und dem mangelnden Verwenderschutz. Bezüglich des Tatsachenvortrags aus der Berufungsbeantwortung war kein Schriftsatznachlass gemäß § 283 Satz 1 ZPO zu gewähren, weil der Schriftsatz etwa sechs Wochen vor dem Termin der Beklagten zugegangen ist, auch auf Nachfrage nicht erkennbar war, was sie überhaupt konkret vorzutragen beabsichtigt und warum sie nicht zu einer Erklärung im Termin im Stande war.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

IV. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Entscheidung auf den Besonderheiten des Einzelfalles beruht und eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht Gegenstand der Entscheidung war.

 

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