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Schuldanerkenntnisanfechtung wegen widerrechtlicher Drohung mit einer Kündigung

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 9 Sa 154/12 – Urteil vom 17.08.2012

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 13.01.2012, Az.: 2 Ca 127/11, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren darüber, ob der Beklagte zur Zahlung von 1.275,00 € nebst Zinsen verpflichtet ist.

Der Beklagte war bei der Klägerin bis zum 30.09.2010 als LKW-Fahrer beschäftigt. Unter dem 22.07.2010 trafen die Parteien folgende Vereinbarung:

„Vereinbarung

Zwischen der X & Y GmbH & Co. KG, nachfolgend (AG), und Herr D.,, wohnhaft D-Straße, D-Stadt, nachfolgend (AN), wird folgende Vereinbarung getroffen.

Für den nachfolgend näher bezeichneten Schaden übernimmt der AN 50% der entstandenen Kosten aus der Summe von mindestens 1.500 € bis maximal 3.000 € (Nachweis/Rechnung wird dem AN zugestellt) und zahlt diese in Absprache mit dem Arbeitgeber in monatlichen Raten zu je 75 €, bis der Aufwand vollständig beglichen ist.

Sollte ein Ausscheiden aus dem Unternehmen vor Rückzahlung des Gesamtbetrages erfolgen, ist der Restbetrag in einer Summe fällig. Vorsorglich der Absicherung des geschuldeten Betrages, tritt der AN seine jetzigen und zukünftigen Lohnansprüche an den AG ab. Der AN bestätigt verbindlich, dass er Unterhaltsleistungen an ein Kind in Höhe von 283 € monatlich zu zahlen hat. Dazu wurde der monatlich abzuführende Kostenaufwand an X & Y auf 75 € reduziert.

Schadensfall:

Kunde: Fa. A. in W.

Vorfall belegt mit Abmahnung vom 22.07.10.

Dem AN ist anhand des Vorfalls mindestens Fahrlässigkeit zu unterstellen, was alleine eine Kündigung gerechtfertigt hätte. Auf eindringlichen Wunsch des AN wurde das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt. Diesem hat der AG nur unter Annahme der Vereinbarung zugestimmt, wie auch dem Versprechen des AN, sich künftig voll und ganz auf seine Tätigkeit zu konzentrieren.

Mit meiner Unterschrift erkläre ich (AN) mein Einverständnis zu vg. Vereinbarung und bestätige, die Vereinbarung gemeinsam mit dem AG getroffen zu haben.“

Die Klägerin behielt in der Folge bei den monatlichen Lohnzahlungen jeweils 75,00 €, insgesamt 225,00 €, ein.

Hintergrund der Vereinbarung war, dass der Beklagte für den 21.06.2010 für eine Tour eingeteilt war, diese aber nicht durchführen konnte, da seine Frau erkrankt war und stationär behandelt werden musste und der Kläger sich um seine zwei Kinder im Alter von zwei und sechs Jahren kümmern musste. Am Abend des 20.06.2010 gegen 18.00 Uhr unterrichtete der Beklagte hierüber den Disponenten der Klägerin.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten, insbesondere auf das wechselseitigen Vortrags der Parteien erster Instanz, wird Bezug genommen auf das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 13.01.2012, Az: 2 Ca 127/11, (Bl. 25 ff. d. A.).

Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Der Klägerin stehe aufgrund der Vereinbarung vom 22.07.2010 kein Zahlungsanspruch gegen den Beklagten zu, da dieser die Vereinbarung mit seinem Klageerwiderungsschriftsatz vom 29.05.2011 (Bl. 12 d. A.) rechtswirksam angefochten und diese nach § 142 Abs. 1 BGB nichtig sei.

Für die konkludent und innerhalb der Frist des § 124 Abs. 1 BGB erklärte Anfechtung bestehe unter dem Gesichtspunkt der widerrechtlichen Drohung (§ 123 Abs. 1 BGB) auch ein Anfechtungsgrund. Aus der Vereinbarung selbst ergebe sich, dass die Klägerin dem Beklagten die Kündigung des Arbeitsverhältnisses angedroht habe. Auch sei dem Kläger der in Abs. 2 der Vereinbarung vom 22.07.2010 genannte Nachweis/Rechnung nicht vorgelegt worden.

Das genannte Urteil ist der Klägerin am 28.02.2012 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 28.03.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 12.04.2012, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 16.04.2012, begründet. Nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 51 ff. d. A.) macht die Klägerin im Wesentlichen geltend:

Die Vereinbarung der Parteien stelle kein konstitutives, sondern ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar. Der Klägerin stehe unabhängig von dieser Vereinbarung ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus § 280 BGB, § 823 Abs. 1 BGB zu. Ein Anfechtungsgrund bestehe nicht. Aus der Vereinbarung ergebe sich keine Kündigungsandrohung. Auch fehle es an der Verfolgung eines widerrechtlichen Zwecks bzw. einer widerrechtlichen Zweck-Mittel-Relation. Im Hinblick auf die Nichtvorlage einer Rechnung stehe dem Beklagten auch kein Zurückbehaltungsrecht zu. Durch die Zahlung von bereits 225,00 € habe der Beklagte die geltend gemachte Forderung dem Grunde nach anerkannt und könne sich nunmehr nicht mehr auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 13.01.2012, zugestellt am 28.02.2012, Aktenzeichen: 2 Ca 127/11, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.275,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab 15.12.2010 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung mit Schriftsatz vom 09.07.2012, auf den Bezug genommen wird (Bl. 72 ff. d. A.), als zutreffend.

EntscheiduSchuldanerkenntnisanfechtung wegen widerrechtlicher Drohung mit einer Kündigunggsgründe

I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet.

II. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Die Berufungskammer folgt den Gründen des angefochtenen Urteils und stellt dies hiermit fest. Das Berufungsvorbringen veranlasst lediglich folgende ergänzenden Ausführungen:

1. Zu Recht ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass dem Beklagten unter dem Gesichtspunkt der widerrechtlichen Drohung ein Anfechtungsgrund nach § 123 Abs. 1 BGB zur Seite stand. Das in Aussichtstellen einer Kündigung ist die Drohung mit einem empfindlichen Übel. Die Drohung mit einer Kündigung ist widerrechtlich i. S. d. § 123 Abs. 1 BGB, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte (vgl. etwa BAG 15.12.2005 – 6 AZR 197/05 – EzA § 123 BGB 2002 Nr. 6). Die Drohung kann auch durch ein schlüssiges Verhalten erfolgen.

Zutreffend hat das Arbeitsgericht darauf abgestellt, dass sich bereits aus der Vereinbarung selbst ergibt, dass der Beklagte durch die Drohung mit einer ansonsten auszusprechenden Kündigung zu deren Abschluss bewegt wurde. Dies ergibt sich aus dem vorletzten Absatz der Vereinbarung. Aus diesem folgt, dass die Klägerin eine Kündigung konkret in Aussicht gestellt hat und zur Abstandnahme hiervon nur unter der Voraussetzung bereit war, dass der Beklagte die genannte Vereinbarung unterzeichnet.

Die demnach gegebene Drohung war auch widerrechtlich. Ein verständiger Arbeitgeber durfte unter den gegebenen Umständen den Ausspruch einer Kündigung nicht ernsthaft in Betracht ziehen. Selbst wenn der Klägerin durch die Nichtausführung der für den 21.06.2010 für den Beklagten vorgesehenen Tour ein Schaden entstanden sein sollte, hat der Beklagte durch die Nichtwahrnehmung dieser Tour nicht schuldhaft arbeitsvertragliche Pflichten verletzt. Die Klägerin ist dem Sachvortrag des Beklagten in dessen Schriftsatz vom 29.05.2011 nicht entgegengetreten, sodass unstreitig ist, dass der Beklagte aufgrund einer familiären Notlage die geplante Tour nicht ausführen konnte und hierüber auch den Disponenten der Beklagten unterrichtet hat. Unter diesen Umständen hätte ein verständiger Arbeitgeber eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht ernsthaft in Betracht gezogen.

Zutreffend ist das Arbeitsgericht auch davon ausgegangen, dass im genannten Schriftsatz des Beklagten vom 29.05.2011 hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommen ist, dass der Beklagte die getroffene Vereinbarung wegen des auf ihn ausgeübten Zwangs nicht gelten lassen will.

2. Soweit die Klägerin der Ansicht ist, auch unabhängig von der genannten Vereinbarung stehe ihr ein Anspruch auf Schadensersatz in geltend gemachter Höhe zu, teilt die Berufungskammer diese Auffassung nicht. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten kommt nur dann in Betracht, wenn dieser schuldhaft arbeitsvertragliche Pflichten verletzt hätte. Aufgrund der genannten familiären Notsituation hat der Kläger arbeitsvertragliche Pflichten nicht schuldhaft verletzt.

II. Die Berufung der Klägerin war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kosten zurückzuweisen.

Ein Revisionszulassungsgrund besteht nicht.

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