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Sitten- oder Treuwidrigkeit einer Probezeitkündigung – Darlegungs- und Beweislast

Das Arbeitsgericht Nordhausen hat in einem bemerkenswerten Urteil entschieden: Die Kündigung eines schwerbehinderten Produktionsmitarbeiters in der Probezeit war rechtmäßig, obwohl der Mann zuvor als Leiharbeiter im selben Unternehmen tätig war. Mit mutigen Argumenten versuchte der Kläger, das Fehlen eines Betriebsrats und einer Schwerbehindertenvertretung anzufechten, konnte jedoch die behaupteten Gremien nicht nachweisen. Dieses Urteil wirft ein Schlaglicht auf die schwierige rechtliche Lage von Arbeitnehmern mit besonderen Schutzinteressen in Firmen ohne formale Mitbestimmungsstrukturen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: ArbG Nordhausen
  • Datum: 11.01.2024
  • Aktenzeichen: 3 Ca 570/23
  • Verfahrensart: Arbeitsrechtlicher Streit (Kündigungsschutz)
  • Rechtsbereiche: Arbeitsrecht, Schwerbehindertenrecht
  • Beteiligte Parteien:
    • Kläger:
      • Seit dem 01.07.2023 als Mitarbeiter in der Produktion beschäftigt
      • Vorher 15 Monate bei einer Leiharbeitsfirma im Werk der Beklagten tätig
      • Schwerbehindert (Grad 70) mit den Merkzeichen G und T
      • Bestreitet die Wirksamkeit der Kündigung, da eine Beteiligung des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung angeblich nicht erfolgte
    • Beklagte:
      • Unternehmen in der Fernwärmetechnik mit Betriebsstätten in S… und R…
      • Kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 17.07.2023 zum 31.07.2023 fristgerecht
      • Verweist implizit darauf, dass die behauptete Beteiligung eines Betriebsrats und einer Schwerbehindertenvertretung in S… nicht wie vom Kläger dargestellt vorliegt
  • Um was ging es?
    • Sachverhalt:
      • Der Kläger wurde als Mitarbeiter bei der Beklagten eingestellt und arbeitete in der Produktion
      • Am 17.07.2023 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis, woraufhin der Kläger die Wirksamkeit der Kündigung anzweifelte
      • Als Begründung für seine Anfechtung führte er an, dass der Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung, deren Beteiligung erforderlich gewesen wäre, nicht ordnungsgemäß eingebunden waren
    • Kern des Rechtsstreits:
      • Es ging um die Frage, ob die Kündigung wirksam ist, wenn die Beteiligung des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung nicht erfolgt ist, wie es der Kläger geltend macht
  • Was wurde entschieden?
    • Entscheidung:
      • Die Klage wird abgewiesen
    • Folgen:
      • Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits
      • Der Streitwert wird auf 5.832,00 € festgesetzt

Sittenwidrige Kündigung in der Probezeit: Ein Fall für den Kündigungsschutz

Sitten- und Treuwidrigkeit bei der Probezeitkündigung berührt zentrale Fragen des Arbeitsrechts, etwa den Kündigungsschutz Probezeit und das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Entscheidende Aspekte sind dabei die Darlegungs- und Beweislast Probezeit sowie der Nachweis von Kündigungsgründen.

Ein konkretes Fallbeispiel verdeutlicht, wie die unrechtmäßige Kündigung Probezeit und damit verbundene Herausforderungen rechtlich bewertet werden.

Der Fall vor Gericht


Kündigung eines schwerbehinderten Mitarbeiters in der Probezeit rechtmäßig

Arbeitgeber übergibt einem schwerbehinderten Mitarbeiter die Kündigung in einem modernen Büro.Arbeitgeber übergibt einem schwerbehinderten Mitarbeiter die Kündigung in einem modernen Büro.
Rechtmäßigkeit der Probezeitkündigung schwerbehinderter Mitarbeiter | Symbolbild: Rechtmäßigkeit der Probezeitkündigung schwerbehinderter Mitarbeiter | Symbolbild: Ideogram gen.

Das Arbeitsgericht Nordhausen hat die Klage eines schwerbehinderten Mitarbeiters gegen seine Kündigung in der Probezeit abgewiesen. Der mit einem Grad der Behinderung von 70 schwerbehinderte Kläger war seit dem 1. Juli 2023 bei einem Fernwärmetechnik-Unternehmen in S… als Produktionsmitarbeiter beschäftigt, nachdem er zuvor 15 Monate als Leiharbeiter im selben Werk tätig war.

Fristgerechte Kündigung während der Probezeit

Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis am 17. Juli 2023 mit Wirkung zum 31. Juli 2023. Der Kläger wandte sich gegen diese Kündigung mit der Begründung, dass weder der Betriebsrat noch die Schwerbehindertenvertretung beteiligt worden seien. Er behauptete, dass sowohl am Standort S… als auch am Standort R… diese Gremien existierten und die beiden Betriebe einen Gesamtbetrieb bildeten.

Gerichtliche Beweisaufnahme widerlegt Existenz der Mitbestimmungsgremien

Das Gericht führte eine Beweisaufnahme durch und vernahm den Personalleiter der Beklagten als Zeugen. Dieser sagte glaubhaft aus, dass zum Zeitpunkt der Kündigung weder in S… noch in R… ein Betriebsrat oder eine Schwerbehindertenvertretung existierte. Die Amtszeit der früheren Schwerbehindertenvertretung in S… war bereits 2022 ausgelaufen. Das Gericht sah die Aussage des Personalleiters als glaubwürdig an, zumal der Kläger nicht in der Lage war, die von ihm behaupteten Mitglieder der Gremien namentlich zu benennen.

Rechtliche Bewertung der Kündigung

Das Gericht stellte fest, dass die Kündigung rechtmäßig war. Da das Arbeitsverhältnis erst seit dem 1. Juli 2023 bestand, fand das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung, weil die sechsmonatige Wartezeit nicht erfüllt war. Auch eine Zustimmung des Integrationsamtes war nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IX nicht erforderlich, da das Arbeitsverhältnis weniger als sechs Monate bestand.

Die Arbeitgeberin hielt mit der Kündigung zum 31. Juli 2023 die gesetzliche Kündigungsfrist von 14 Tagen während der Probezeit ein. Das Gericht fand keine Anhaltspunkte für eine Sitten- oder Treuwidrigkeit der Kündigung nach §§ 138 Abs. 1, 242 BGB, für die der Kläger die Beweislast getragen hätte. Die Frage, ob die Betriebe in R… und S… einen Gesamtbetrieb bildeten, war für die Entscheidung unerheblich, da in keinem der Betriebe die behaupteten Mitbestimmungsgremien existierten.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil verdeutlicht, dass auch schwerbehinderte Arbeitnehmer während der ersten 6 Monate des Arbeitsverhältnisses (Probezeit) grundsätzlich ohne Zustimmung des Integrationsamtes gekündigt werden können. Die vorherige Beschäftigung als Leiharbeiter wird dabei nicht zur Beschäftigungszeit hinzugerechnet. Während der Probezeit greift nur ein sehr eingeschränkter Kündigungsschutz über die zivilrechtlichen Generalklauseln, der lediglich vor sitten- und treuwidrigen Kündigungen schützt.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Als Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung haben Sie in den ersten 6 Monaten eines neuen Arbeitsverhältnisses keinen besonderen Kündigungsschutz – auch wenn Sie zuvor als Leiharbeiter im selben Betrieb tätig waren. Ihr Arbeitgeber muss in dieser Zeit weder das Integrationsamt einschalten noch besondere Gründe für die Kündigung nachweisen. Nur wenn die Kündigung offensichtlich willkürlich oder diskriminierend ist, können Sie sich dagegen wehren. Nach Ablauf der 6-monatigen Probezeit genießen Sie dann den vollen Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen.

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Rechtliche Klarheit bei Probezeitkündigungen schwerbehinderter Mitarbeiter

In Situationen, in denen während der Probezeit Kündigungen ausgesprochen werden und Herausforderungen im Bereich der Mitbestimmungsrechte auftreten, können viele Unsicherheiten entstehen. Insbesondere wenn Fragen zu vorhandenen Gremien und verfahrensrechtlichen Anforderungen im Raum stehen, ist es wichtig, den Sachverhalt differenziert zu betrachten und fundierte Einblicke in geltendes Recht zu gewinnen.

Unsere Kanzlei unterstützt Sie dabei, Ihre rechtliche Situation sachlich zu analysieren und die geltenden Bestimmungen präzise einzuordnen. Mit einem strukturierten Beratungsansatz und klaren Ausführungen zu Ihren Rechten und Pflichten erhalten Sie die nötige Orientierung, um fundierte Entscheidungen treffen zu können.

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Häufig gestellte Fragen zum Thema

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Welche besonderen Schutzrechte haben schwerbehinderte Arbeitnehmer während der Probezeit?

Schwerbehinderte Arbeitnehmer genießen auch während der Probezeit spezifische Schutzrechte, die sich aus dem Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) und der aktuellen Rechtsprechung ergeben.

Grundlegender Schutz

Der allgemeine Kündigungsschutz und die Zustimmungspflicht des Integrationsamts greifen in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses noch nicht. In dieser Zeit gilt die reguläre Kündigungsfrist von zwei Wochen.

Präventive Maßnahmen

Arbeitgeber sind verpflichtet, bei auftretenden Schwierigkeiten folgende Maßnahmen zu ergreifen:

  • Durchführung eines Präventionsverfahrens nach § 167 Abs. 1 SGB IX
  • Frühzeitige Einschaltung der Schwerbehindertenvertretung
  • Prüfung von Unterstützungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz

Diskriminierungsschutz und Sonderrechte

Ein umfassender Diskriminierungsschutz nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) besteht von Beginn an. Der Arbeitgeber muss vor einer Kündigung prüfen:

  • Ob eine anderweitige Beschäftigung möglich ist
  • Ob Arbeitsplatzanpassungen vorgenommen werden können
  • Ob die Kündigung nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht

Informationspflichten

Der Arbeitgeber hat innerhalb von vier Tagen die Pflicht:

  • Die Begründung des Arbeitsverhältnisses dem Integrationsamt anzuzeigen
  • Eine eventuelle Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu melden

Wenn eine Schwerbehinderung bei Ausspruch der Kündigung dem Arbeitgeber nicht bekannt war, muss der Arbeitnehmer diese innerhalb von drei Wochen mitteilen, um den besonderen Schutz zu erhalten.


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Ab wann gilt der besondere Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen?

Der besondere Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen beginnt nach Ablauf von sechs Monaten seit Bestehen des Arbeitsverhältnisses. Diese sechsmonatige Wartefrist entspricht der üblichen Probezeit im Arbeitsrecht.

Rechtslage während der ersten sechs Monate

In den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses können Sie als schwerbehinderter Mensch ohne Zustimmung des Integrationsamts gekündigt werden. Der Arbeitgeber muss jedoch die Kündigung innerhalb von vier Tagen dem Integrationsamt anzeigen.

Besonderheiten nach aktueller Rechtsprechung

Auch während der Probezeit müssen Arbeitgeber bei der Kündigung schwerbehinderter Menschen besondere Aspekte beachten:

  • Der Arbeitgeber muss die Schwerbehindertenvertretung vor der Kündigung anhören.
  • Bei auftretenden Schwierigkeiten muss der Arbeitgeber ein Präventionsverfahren durchführen.
  • Es muss geprüft werden, ob eine alternative Beschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz möglich ist.

Voraussetzungen für den Kündigungsschutz

Der besondere Kündigungsschutz gilt für Sie, wenn:

  • Ein Grad der Behinderung von mindestens 50 amtlich festgestellt wurde.
  • Eine Gleichstellung durch die Agentur für Arbeit vorliegt.
  • Die Schwerbehinderung zum Zeitpunkt der Kündigung nachgewiesen ist oder offenkundig vorliegt.

Wenn Sie von einer Kündigung betroffen sind, müssen Sie den Arbeitgeber spätestens innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung über Ihre Schwerbehinderung informieren.


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Welche Rolle spielen Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung bei Kündigungen?

Bei der Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers müssen sowohl der Betriebsrat als auch die Schwerbehindertenvertretung (SBV) zwingend beteiligt werden.

Beteiligung des Betriebsrats

Der Betriebsrat muss vor jeder Kündigung angehört werden. Dies gilt auch während der Probezeit und unabhängig von einer möglichen Schwerbehinderung. Eine ohne Betriebsratsanhörung ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

Rolle der Schwerbehindertenvertretung

Die SBV muss bei der Kündigung eines schwerbehinderten Beschäftigten unverzüglich und umfassend unterrichtet und angehört werden. Der Arbeitgeber muss der SBV:

  • Die Kündigungsgründe vollständig darlegen
  • Ausreichend Zeit zur Stellungnahme einräumen
  • Die endgültige Entscheidung mitteilen

Eine ohne Beteiligung der SBV ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

Ablauf des Beteiligungsverfahrens

Der Arbeitgeber kann die Beteiligungsverfahren von Betriebsrat und SBV parallel durchführen. Eine bestimmte Reihenfolge ist nicht vorgeschrieben, jedoch wird empfohlen, zunächst die SBV und dann den Betriebsrat zu beteiligen.

Besonderheiten in der Probezeit

Auch während der Probezeit müssen beide Gremien beteiligt werden. Wenn der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung keine Kenntnis von der Schwerbehinderung hatte und diese nicht offensichtlich war, muss die SBV nur dann beteiligt werden, wenn der Arbeitnehmer die Schwerbehinderung innerhalb von drei Wochen nach Kündigungszugang mitteilt.

Die Beteiligung beider Gremien ist von der Zustimmungspflicht des Integrationsamtes zu unterscheiden. Während in der Probezeit keine Zustimmung des Integrationsamtes erforderlich ist, bleiben die Beteiligungsrechte von Betriebsrat und SBV bestehen.


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Was bedeutet Sitten- und Treuwidrigkeit bei einer Kündigung?

Sittenwidrige Kündigung nach § 138 BGB

Eine sittenwidrige Kündigung liegt vor, wenn sie in extremer Weise gegen grundlegende Wertungen der Rechtsordnung verstößt. Der Maßstab ist das Anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden Menschen. Eine solche Kündigung ist von Anfang an nichtig, das heißt rechtlich unwirksam.

Wenn Sie eine Kündigung erhalten, kann diese als sittenwidrig eingestuft werden, wenn:

  • Sie sich einer versuchten sexuellen Nötigung durch den Arbeitgeber widersetzt haben
  • Die Kündigung aus reiner Rachsucht erfolgt
  • Sie gekündigt werden, weil Sie berechtigte Ansprüche geltend machen
  • Die Kündigung nach einem Arbeitsunfall erfolgt, den der Arbeitgeber bedingt vorsätzlich herbeigeführt hat

Treuwidrige Kündigung nach § 242 BGB

Eine treuwidrige Kündigung liegt vor, wenn der Arbeitgeber gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt. Dies ist weniger schwerwiegend als eine Sittenwidrigkeit, führt aber ebenfalls zur Unwirksamkeit der Kündigung.

Eine Kündigung gilt als treuwidrig, wenn:

  • Ein langjähriger Mitarbeiter wegen eines einmaligen, nicht schwerwiegenden Fehlers gekündigt wird
  • Eine Kündigung wegen eines Pflichtverstoßes erfolgt, der bereits abgemahnt wurde
  • Ein älterer Arbeitnehmer ohne sachlichen Grund durch einen jüngeren ersetzt werden soll
  • Die Kündigung auf willkürlichen oder sachfremden Motiven beruht

Besonderheiten bei Kleinbetrieben und in der Probezeit

Auch wenn das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet, müssen Arbeitgeber ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme wahren. Bei einer Kündigung in der Probezeit oder in Kleinbetrieben reicht jedoch bereits ein irgendwie einleuchtender Grund, der nicht vollständig verifizierbar sein muss.

Bei schwerbehinderten Beschäftigten gelten besondere Regeln: Auch in der Probezeit muss der Arbeitgeber vor einer Kündigung ein Präventionsverfahren durchführen und die Schwerbehindertenvertretung anhören. Eine Missachtung dieser Pflichten kann zur Unwirksamkeit der Kündigung führen.


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Welche Kündigungsfristen gelten in der Probezeit für schwerbehinderte Mitarbeiter?

In der Probezeit beträgt die gesetzliche Kündigungsfrist für schwerbehinderte Mitarbeiter zwei Wochen gemäß § 622 Abs. 3 BGB. Diese Frist gilt gleichermaßen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Besonderheiten der Probezeit

Die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses gelten als Probezeit im Sinne des Kündigungsschutzes. In dieser Zeit genießen schwerbehinderte Beschäftigte nicht die sonst übliche Mindestkündigungsfrist von vier Wochen nach § 169 SGB IX. Auch die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung ist in den ersten sechs Monaten nicht erforderlich.

Wichtige Verfahrensvorschriften

Trotz der erleichterten Kündigungsmöglichkeit müssen Arbeitgeber bei der Kündigung eines schwerbehinderten Mitarbeiters in der Probezeit folgende Pflichten beachten:

  • Die Schwerbehindertenvertretung muss vor der Kündigung angehört werden
  • Die Kündigung muss dem Integrationsamt innerhalb von vier Tagen nach Ausspruch angezeigt werden
  • Bei Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis sind Präventionsmaßnahmen nach § 167 Abs. 1 SGB IX einzuleiten

Aktuelle Rechtsprechung

Nach neuerer Rechtsprechung des EuGH und des Arbeitsgerichts Köln müssen Arbeitgeber auch während der Probezeit prüfen, ob der schwerbehinderte Mitarbeiter auf einem anderen geeigneten Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann. Eine Kündigung ohne vorherige Präventionsmaßnahmen kann als Benachteiligung wegen der Behinderung gewertet werden.


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Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar - Fachbegriffe aus dem Arbeitsrecht

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Sittenwidrigkeit

Eine Kündigung ist sittenwidrig, wenn sie gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dies ist in § 138 BGB geregelt. Eine sittenwidrige Kündigung ist von Anfang an nichtig und entfaltet keine rechtliche Wirkung. Die Schwelle zur Sittenwidrigkeit ist sehr hoch und wird nur in Ausnahmefällen angenommen.

Beispiel: Eine Kündigung erfolgt aus reiner Schikane oder Rache, etwa weil der Arbeitnehmer eine Beziehung mit dem Ex-Partner des Chefs eingegangen ist.


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Treuwidrigkeit

Treuwidriges Verhalten verstößt gegen den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB. Eine treuwidrige Kündigung liegt vor, wenn der Arbeitgeber sein Kündigungsrecht in einer Weise ausübt, die dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme im Arbeitsverhältnis zuwiderläuft.

Beispiel: Der Arbeitgeber kündigt, nachdem er den Arbeitnehmer zuvor ausdrücklich zum Umzug in eine andere Stadt bewegt hat.


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Darlegungs- und Beweislast

Bezeichnet die rechtliche Verpflichtung einer Partei, bestimmte Tatsachen vorzutragen (darlegen) und zu beweisen. Im Kündigungsschutzprozess muss grundsätzlich der Arbeitgeber die Kündigungsgründe darlegen und beweisen. Bei Sittenwidrigkeit oder Treuwidrigkeit liegt die Beweislast jedoch beim Arbeitnehmer.

Beispiel: Ein Arbeitnehmer muss konkret darlegen und beweisen, warum eine Kündigung sittenwidrig sein soll, etwa durch Vorlage von Zeugenaussagen oder Dokumenten.


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Kündigungsschutz Probezeit

Bezeichnet die besonderen rechtlichen Regelungen während der maximal 6-monatigen Probezeit. In dieser Zeit gilt ein vereinfachter Kündigungsschutz mit verkürzten Kündigungsfristen (§ 622 Abs. 3 BGB) und ohne Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes. Die Probezeit dient der gegenseitigen Erprobung.

Beispiel: Ein Arbeitgeber kann während der Probezeit mit einer Frist von 14 Tagen kündigen, ohne besondere Gründe angeben zu müssen.


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Gesamtbetrieb

Ein Zusammenschluss mehrerer Betriebe unter einheitlicher Leitung, bei dem wesentliche Fragen der Personalführung und -verwaltung zentral geregelt werden. Relevant für die betriebliche Mitbestimmung nach § 1 BetrVG, da bei Vorliegen eines Gesamtbetriebs ein gemeinsamer Betriebsrat zu wählen ist.

Beispiel: Zwei Produktionsstandorte eines Unternehmens mit gemeinsamer Personalverwaltung und einheitlichen Arbeitsabläufen.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Kündigungsschutzgesetz (KSchG) §1 Abs. 1: Dieses Gesetz regelt den allgemeinen Kündigungsschutz für Arbeitnehmer in Deutschland. Es besagt, dass Arbeitnehmer nach einer bestimmten Betriebszugehörigkeit, in der Regel sechs Monate, vor sozial ungerechtfertigten Kündigungen geschützt sind. Ziel ist es, Arbeitnehmer vor willkürlichen Entlassungen zu schützen und eine soziale Absicherung im Arbeitsverhältnis zu gewährleisten.

    Im vorliegenden Fall erfüllt der Kläger die sechsmonatige Wartezeit gemäß §1 Abs. 1 KSchG nicht, da sein Arbeitsverhältnis erst seit dem 01.07.2023 besteht. Daher greift das Kündigungsschutzgesetz nicht, was die Wirksamkeit der Kündigung unterstützt.

  • Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) §§ 80 ff.: Das BetrVG regelt die Rechte und Pflichten von Betriebsräten in Unternehmen. Es stellt sicher, dass der Betriebsrat bei wichtigen Personalentscheidungen, wie Kündigungen, ein Mitspracherecht hat und die Interessen der Belegschaft vertreten kann. Zudem umfasst es die Bildung und Arbeit von Vertretungen für schwerbehinderte Arbeitnehmer.

    Der Kläger argumentiert, dass in seinem Betrieb sowohl ein Betriebsrat als auch eine Schwerbehindertenvertretung existieren. Das Fehlen der Beteiligung dieser Gremien bei der Kündigung könnte die Rechtmäßigkeit der Entlassung beeinflussen. Allerdings stellte das Gericht fest, dass keine entsprechenden Vertretungen existierten, wodurch diese Regelungen im vorliegenden Fall keine Anwendung finden.

  • Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX): Das SGB IX beschäftigt sich mit der Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsleben. Es enthält Bestimmungen zum besonderen Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen, um deren Arbeitsplatzsicherheit zu erhöhen und Diskriminierung zu verhindern.

    Da der Kläger einen Grad der Behinderung von 70 aufweist, wären nach SGB IX besondere Schutzmechanismen bei Kündigungen relevant. Allerdings greift aufgrund der kurzen Beschäftigungsdauer und des fehlenden Anwendungsbereichs des KSchG dieser Schutz in diesem Fall nicht, wodurch der Kündigungsschutz gemäß SGB IX ebenfalls nicht wirksam wird.

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) §138 Abs. 1: Dieser Paragraph behandelt die Sittenwidrigkeit von Rechtsgeschäften. Ein Vertrag oder eine rechtliche Handlung, die gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. Dies dient dem Schutz vor unmoralischen oder unfairen Vertragsbedingungen und Handlungen.

    Der Kläger könnte argumentieren, dass die Kündigung sittenwidrig ist, wenn sie ohne Beteiligung der erforderlichen Vertretungen erfolgt. Das Gericht überprüfte jedoch, ob die Kündigung unter diesem Gesichtspunkt als sittenwidrig einzustufen ist, und entschied, dass die Voraussetzungen dafür im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind.

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) §242: Dieser Paragraph fordert die Leistung nach Treu und Glauben. Er verpflichtet die Vertragsparteien, sich loyal und fair zu verhalten und Missbräuche zu vermeiden. Dies gilt auch im Arbeitsrecht, wo Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf gegenseitiges Vertrauen bauen.

    Im vorliegenden Fall prüfte das Gericht, ob die Kündigung unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben erfolgt ist. Da keine Pflichtverletzungen oder unfairen Vorgehensweisen nachgewiesen werden konnten, bewertete das Gericht die Kündigung als im Einklang mit §242 BGB stehend.


Das vorliegende Urteil


ArbG Nordhausen – Az.: 3 Ca 570/23 – Urteil vom 11.01.2024


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