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Sittenwidriger Arbeitslohn – Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers

ArbG Neuruppin, Az.: 3 Ca 1764/09, Urteil vom 15.04.2010

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

3. Der Streitwert beträgt 28.022,96 €.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung von Lohndifferenzen wegen des Vorwurfes des Klägers, die Beklagte habe einen sittenwidrigen Lohn gezahlt.

Der am … geborene Kläger erlernte den Beruf eines Tierwirtes. Am 02.06.2005 wurde dem Kläger bescheinigt, dass er seine Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf Tierwirt bestanden hat. Am 21.04.2006 schloss der Kläger mit der Beklagten einen befristeten Arbeitsvertrag bis zum 30.03.2007, der durch weiteren Vertrag vom 30.03.2007 bis zum 29.03.2008 verlängert wurde, aber über den Beendigungszeitpunkt bis zum 30.06.2009 fortgeführt wurde.

Sittenwidriger Arbeitslohn - Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers
Symbolfoto: golubovystock/Bigstock

Als Arbeitsaufgabe vereinbarten die Parteien die Tätigkeit Tierwirt/Melker bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 48 Stunden und einem Stundenlohn in Höhe von 5,11 € brutto. Mit Zuschlägen für Sonn- und Feiertage erzielte der Kläger einen monatlichen Durchschnittsverdienst im Jahr 2009 in Höhe von 1.281,75 € brutto, was bei der vereinbarten Arbeitszeit einem Stundenlohn in Höhe von 6,16 € entspricht.

Die Parteien sind nicht tarifgebunden.

Mit Schreiben vom 21.12.2009, bei Gericht am 23.12.2009 eingegangen, erhob der Kläger Zahlungsklage mit dem Begehren, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 28.022,96 € zuzüglich Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Kläger ist der Auffassung, dass er bei Anwendung des Tarifvertrages für Land- und Forstwirtschaftliche Unternehmen im Land Brandenburg in die Lohngruppe 5 des Entgelttarifvertrages einzuordnen sei und dann einen Stundenlohn seit dem 01.10.2005 in Höhe von 8,36 €, ab dem 01.10.2006 in Höhe von 8,49 €, ab dem 01.07.2007 in Höhe von 8,58 €, ab dem 01.03.2008 in Höhe von 8,91 € und ab dem 01.02.2009 in Höhe von 9,20 € hätte beanspruchen können. Da die Beklagte lediglich einen Stundenlohn in Höhe von 5,11 € brutto gezahlt habe, habe sie sich lohnwucherisch verhalten, da sie nicht zumindest 2/3 des einschlägigen Tarifvertrages gezahlt habe. An die Stelle des tatsächlich vereinbarten Lohnes trete somit der angemessene Tariflohn. Mit der Klage begehre der Kläger die Differenz zwischen dem gezahlten und dem ihm nach Tarifvertrag zustehenden Lohn.

Der Kläger beantragte, die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 28.022,96 € zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Meinung, dass es Aufgabe des Kläger sei, zunächst nachzuweisen, dass neben dem Umstand, dass die Arbeitsvergütung angeblich nicht einmal 2/3 des üblichen gezahlten Tariflohnes entspricht, ein solcher Tariflohn tatsächlich auch in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblich ist. Im Land Brandenburg seien weder mehr als 50 % der Arbeitgeber im Wirtschaftsbereich Landwirtschaft tarifgebunden, noch werden von den organisierten Arbeitgebern mehr als 50 % der Arbeitnehmer in dem Gebiet Landwirtschaft beschäftigt. Auch lägen die sonstigen Voraussetzungen für Lohnwucher nicht vor. Der Kläger habe einen Arbeitsvertrag mit den ihm bekannten Vertragsbedingungen unterzeichnet, hierbei sei eine Schwächesituation des Klägers nicht ausgenutzt worden. Die Beklagte sei bei Abschluss des Vertrages davon ausgegangen, mit dem Kläger einen Vertrag zu durchaus üblichen Bedingungen im Land Brandenburg abgeschlossen zu haben. Es läge auch kein besonderes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Prozessparteien wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 28.022,96 € brutto als Lohndifferenz für die Zeit vom 22.04.2006 bis zum 30.06.2009 zu.

I.

Der in der Höhe nach unstreitige Anspruch kann vom Kläger nicht beansprucht werden, da er nicht nachgewiesen hat, dass es sich bei seiner Lohnvereinbarung um Lohnwucher entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes handelt.

Nach § 138 Abs. 2 BGB liegt Lohnwucher vor, wenn Arbeitsleistung und Verdienst in einem auffallenden Missverhältnis stehen und die Vergütungsvereinbarung unter Ausnutzung einer Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder einer erheblichen Willensschwäche zustande gekommen ist. Wann im Einzelfall von einem sittenwidrigen Lohnwucher ausgegangen werden kann, kann schwer generell festgestellt werden. Entscheidender Orientierungsmaßstab für die Prüfung, ob ein auffälliges Missverhältnis vorliegt, ist der Tariflohn und zwar ohne tarifliche Zusatzleistungen (vgl. Reinicke in NZA Sonderbeilage 3/2000 Seite 23 ff.).

Allerdings soll nach der Rechtsprechung nicht nur auf die Tariflöhne des jeweiligen Wirtschaftszweiges, sondern auch auf das allgemeine Lohnniveau im Wirtschaftsgebiet abgestellt werden (vgl. BAG vom 24.03.2004 AP BGB § 138 Nr. 59). In Bereichen, in denen keine einschlägigen Tarifverträge existieren, sind verwandte Tarifverträge als Vergleichsmaßstab heranzuziehen. Ab welchem Prozentsatz der üblichen Vergütung ein auffälliges Missverhältnis konstatiert werden muss, ist durch die Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt (vgl. BAG vom 23.05.2001 EzA BGB § 138 Nr. 29, hier wurden 70 % der üblichen Vergütung nicht als ein auffälliges Missverhältnis gesehen).

Der Kläger beruft sich mit seiner Klage auf den Entgelttarifvertrag für Arbeitnehmer in den Land- und Forstwirtschaftlichen Unternehmen des Landes Brandenburg, zuletzt geändert am 29.04.2008.

Dieser Tarifvertrag wurde abgeschlossen zwischen dem Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverband Brandenburg e. V., Dorfstraße 1 in 14512 Teltow/Ruhlsdorf und der IG Bauen-Agrar-Umwelt, Bundesvorstand, Olof-Palme-Str. 19 in 60439 Frankfurt/Main.

Dem Kläger ist zuzugestehen, dass sein Stundenlohn über den gesamten Zeitraum seiner Beschäftigung bei der Beklagten weniger als 2/3 der in dem oben genannten Tarifvertrag vereinbarten Stundensätze liegt und somit nach der gängigen Rechtsprechung des BAG und auch des BGH sittenwidrig und als Lohnwucher zu bezeichnen wäre. Allerdings kann von Lohnwucher erst dann gesprochen werden, wenn die Lohnvereinbarung weniger als 2/3 der im Wirtschaftsbereich üblichen Vergütung entspricht. Dazu wäre es erforderlich, dass der Kläger vorträgt, dass sein Lohn weniger als 2/3 der üblichen Vergütung im Land Brandenburg entspricht.

Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 22.04.2009 dazu ausgeführt, dass sich das auffällige Missverhältnis bestimmt nach dem objektiven Wert der Leistung des Arbeitnehmers. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist nicht der sog. Aneignungswert für den Unternehmer maßgebend. Ausgangspunkt der Wertbestimmung sind in der Regel die Tariflöhne des jeweiligen Wirtschaftszweigs. Sie drücken den objektiven Wert der Arbeitsleistung aus, wenn sie in dem betreffenden Wirtschaftsgebiet üblicherweise gezahlt werden. Entspricht der Tariflohn dagegen nicht der verkehrsüblichen Vergütung, sondern liegt diese unterhalb des Tariflohns, ist von dem allgemeinen Lohnniveau im Wirtschaftsgebiet auszugehen (Senat 24. März 2004 – 5 AZR 303/03 – BAGE 110, 79, 83; 23. Mai 2001 – 5 AZR 527/99 – zu II 2 a der Gründe, EzA BGB § 138 Nr. 29; 11. Januar 1973 – 5 AZR 321/72 – zu I 2 b der Gründe, AP GG Art. 3 Nr. 110). (vgl BAG vom 22.04.2009, 5 AZR 436/08, juris).

Den Nachweis, dass der von ihm in das Verfahren eingebrachte Tarifvertrag eine Vergütung regelt, die im Land Brandenburg üblich ist, hat der Kläger nicht erbracht. Das BAG hat in der obigen Entscheidung dazu erklärt, dass eine Üblichkeit der Tarifvergütung angenommen werden kann, wenn mehr als 50 % der Arbeitgeber eines Wirtschaftsgebiets tarifgebunden sind oder wenn die organisierten Arbeitgeber mehr als 50 % der Arbeitnehmer eines Wirtschaftsgebiets beschäftigen.

Diese Tatsache ist vom Kläger, der sich auf Lohnwucher beruft, zu beweisen, wobei ein Beweisangebot „Auskunft des Land- und Fortwirtschaftlichen Arbeitgeberverbandes“ nicht berücksichtigt werden kann, da es Sache der beweisbelasteten Partei ist, ihren Anspruch durch entsprechende Fakten zu belegen. Es mag Sache des Gerichtes sein ggf. ein Sachverständigengutachten einzuholen, Auskünfte jedenfalls nicht, dass ist Sache der Partei, die sich auf diese Auskünfte stützen will.

II.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 61 Abs. 1 ArbGG i. V. m 3 ZPO.

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