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Steuerzinsschaden wegen Altersteilzeit – Hinweispflicht des Arbeitgebers

LAG Berlin-Brandenburg – Az.: 10 Sa 1541/16 – Urteil vom 22.12.2016

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 1. September 2016 – 58 Ca 6876/16 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

III. Der Gebührenwert des Berufungsverfahrens wird auf 2.991,00 EUR festgesetzt.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten im Wege des Schadenersatzes die Erstattung von Zinsen, die das Finanzamt von ihr wegen der verspäteten Abgabe der Steuererklärungen 2008 bis 2010 verlangt.

Die Klägerin ist die Witwe des am 29. Dezember 2010 verstorbenen W. P.. W. P. war am 6. Oktober 1952 geboren und vom 3. Juli 1972 bis zu seinem Tod bei der Beklagten als Elektromechaniker und Signalmechaniker beschäftigt.

Am 11. Juli 2006 fand ein Gespräch zwischen Herrn P. und der Mitarbeiterin M. A. aus der Personalabteilung der Beklagten statt. Im Rahmen dieses Gespräches wurde ein vorformulierter „Arbeitsbogen Altersteilzeit“ ausgefüllt und von beiden unterzeichnet. Es wurde festgehalten, dass der Kläger Altersteilzeit im Blockmodell anstrebe, ein Zeitraum aber noch nicht festgelegt sei. Unter anderem ist in diesem Bogen ausgeführt:

Der monatliche Mindestnettobetrag wurde unter den aktuellen Gegebenheiten ermittelt. Nach derzeitigem Stand würde er monatlich 1.680,24 EUR betragen. In diesem Zusammenhang wird besonders auf Progressionsvorbehalt gemäß § 32 Einkommensteuergesetz hingewiesen.

Der Progressionsvorbehalt war und ist zwar in § 32 b EStG geregelt, aber jedenfalls bedeutet dieser, dass die steuerfreien Aufstockungsbeträge zur Altersteilzeitvergütung fiktiv dem Einkommen hinzugerechnet werden und sich dadurch der individuelle Steuersatz erhöhen kann, da mit einem höheren Einkommen der individuelle Steuersatz steigt.

Unter dem 28. November 2006 schlossen Herr W. P. und die Beklagte einen Altersteilzeitvertrag. Nach diesem sollte das Arbeitsverhältnis der Parteien vom 1. November 2007 bis zum 31. Oktober 2017 als Altersteilzeitverhältnis durchgeführt werden und zwar mit einer Arbeitsphase vom 1. November 2007 bis 31. Oktober 2012 und einer Freistellungsphase vom 1. November 2012 bis 31. Oktober 2017. Es wurden Aufstockungsleistungen der Beklagten in Höhe von 20% der dem Kläger zustehenden Bezüge zuzüglich des darauf entfallenden sozialversicherungspflichtigen Teils der von der Beklagten zu tragenden Umlage zur Zusatzversorgungseinrichtung, mindestens jedoch 83% des bisherigen Nettoentgelts vereinbart.

Nach dem Tod des Ehemannes der Klägerin hatte die Beklagte das Altersteilzeitverhältnis rückabgewickelt und einen Nachzahlungsbetrag von 30.861,37 EUR brutto ermittelt. Nach Abzug von 150,– EUR Einkommensteuern und den Sozialabgaben erhielt die Klägerin eine entsprechende Entgeltabrechnung und eine restliche Summe von 26.586,02 EUR netto. Der niedrige Steuersatz war dem Umstand geschuldet, das es sich um Arbeitslohn für mehrere Jahre handelte, der nach §§ 34, 24 Nr. 1 a EStG steuerlich privilegiert wird.

Die Beklagte hatte zur Altersteilzeitvergütung jeweils entsprechend den seinerzeit noch üblichen Monats-Lohnsteuertabellen die „normale“ Lohnsteuer auf den Arbeitslohn des W. P. an das Finanzamt abgeführt, ohne jedoch den Progressionsvorbehalt zu berücksichtigen.

Im November 2015 wurde die Klägerin vom Finanzamt für die Jahre 2008 bis 2010 zur Abgabe der Einkommensteuererklärungen aufgefordert und letztlich für nicht ausreichend gezahlte Steuern in den Jahren 2008 bis 2010 in Anspruch genommen.

  • Nach dem Einkommensteuerbescheid 2008 vom 15. Dezember 2015 sollte die Klägerin Einkommensteuer in Höhe von 2.879,00 EUR, Solidaritätszuschlag in Höhe von 170,77 EUR und Zinsen in Höhe von 969,00 EUR zahlen (0,5% je Verspätungsmonat auf die gerundete Steuersumme (68 Monate = 34%).
  • Nach dem Einkommensteuerbescheid 2009 vom 15. Dezember 2015 sollte die Klägerin Einkommensteuer in Höhe von 3.036,00 EUR, Solidaritätszuschlag in Höhe von 184,47 EUR und Zinsen in Höhe von 840,00 EUR zahlen (0,5% je Verspätungsmonat auf die gerundete Steuersumme (56 Monate = 28%).
  • Nach dem geänderten ursprünglich ebenfalls unter dem 15. Dezember 2015 erstellten Einkommensteuerbescheid 2010 vom 25. Januar 2016 sollte die Klägerin Einkommensteuer in Höhe von 5.260,00 EUR, Solidaritätszuschlag in Höhe von 305,30 EUR und Zinsen in Höhe von 1155,00 EUR zahlen (0,5% je Verspätungsmonat auf die gerundete Steuersumme (44 Monate = 22%).

Die Klägerin trägt vor, dass weder sie noch ihr verstorbener Ehemann zuvor jemals eine Steuererklärung abgegeben hätten, da sie neben dem lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohn des Ehemannes keine weiteren Einkünfte bezogen hätten. Die Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, alle anfallenden Steuern und Abgaben einzubehalten und abzuführen. Selbst wenn sie dazu nicht verpflichtet gewesen sein sollte, habe sie den Ehemann der Kläger aber bezüglich des Progressionsvorbehaltes unzureichend beraten. Es sei im dortigen Zusammenhang ausdrücklich noch auf einen „Mindestnettobetrag“ verwiesen worden. Einen expliziten Hinweis darauf, dass weitere Steuern zu entrichten seien, die von der Auszahlung der Nettobeträge in Abzug zu bringen seien, enthält der Arbeitsbogen nicht. Hierzu sei die Beklagte aber verpflichtet gewesen. Angesichts der Beschäftigungsdauer von 34 Jahren sei der Beklagten bekannt gewesen, dass der Kläger über keine weiteren Einkünfte verfüge und ein erhöhtes Informationsbedürfnis besitze. Der kurze schriftliche Hinweis auf den Progressionsvorbehalt sei nicht ausreichend gewesen. Die tarifvertraglichen Ausschlussfristen seien nicht einschlägig.

Die Beklagte erwidert, dass jeder Beschäftigte, der von Altersteilzeit Gebrauch gemacht habe, vor Unterzeichnung der entsprechenden Vereinbarung in einem Pflichtberatungsgespräch ausführlich über den Progressionsvorbehalt und die zu erwartenden steuerlichen Nachzahlungen informiert worden sei. Konkret habe die Mitarbeiterin Frau A. auf das Altersteilzeitentgelt von 50% und dessen Versteuerung nach der aktuellen Steuerklasse sowie den Aufstockungsbetrag von 33% hingewiesen. Frau A. habe dazu in jedem Beratungsgespräch, so auch beim Ehemann der Klägerin, ausführlich dargelegt, dass der Aufstockungsbetrag steuer- und sozialabgabenfrei sei, aber bei der Ermittlung des Steuersatzes berücksichtigt würde. Standardmäßig habe Frau A. zur Erläuterung ein Beispiel mit konkreten Zahlen zur Erläuterung des Progressionsvorbehaltes genutzt. Der Mindestnettolohn habe sich allein auf den sich nach dem monatlichen Lohnsteuerabzugsverfahren ergebenden Nettobetrag bezogen. Die Beklagte sei auch nicht an den Ehemann der Klägerin herangetreten, um ihn zum Abschluss des Altersteilzeitverhältnisses zu bewegen.

Mit Urteil vom 1. September 2016 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Jedem Arbeitnehmer sei bekannt, dass die Steuerpflicht gesetzlich geregelt sei. Dieser habe sich selbst nach der Besteuerung seines Arbeitslohnes zu erkundigen. Eine solche Nachfrage beim Finanzamt, einem Steuerberater oder einem Lohnsteuerhilfeverein sei auch zumutbar. Die sich aus dem Progressionsvorbehalt ergebende höhere Steuerpflicht werde nicht bei den monatlichen Berechnungen der Lohnsteuerpflicht, sondern erst bei der Steuererklärung nach Ablauf des Jahres berücksichtigt. Die Beklagte habe auch auf den Progressionsvorbehalt hingewiesen. Das sei ausreichend.

Gegen dieses den Klägerinvertretern am 6. September 2016 zugestellte Urteil legten diese am 13. September 2016 Berufung ein und begründeten diese am 4. November 2016.

Der Altersteilzeitvertrag besitze eine Schutzwirkung zugunsten Dritter. Denn es könne nicht als allgemein bekannt unterstellt werden, dass sogenannte Störfälle besondere Steuerpflichten auslösen würden. Auf die widersprüchlichen Angaben von Mindestnettolohn einerseits und der Übernahme der Beträge aus Zahlungsverpflichtungen andererseits im Arbeitsbogen sei das Arbeitsgericht nicht eingegangen. Der pauschale Hinweis auf den Progressionsvorbehalt sei angesichts des aufgrund der langjährigen Betriebszugehörigkeit ergebenden erhöhten Beratungsbedarfs unzureichend gewesen. Die behauptete umfangreiche Beratung habe die Beklagte nicht nachweisen können. Schließlich sei die Altersteilzeitvereinbarung auf die Initiative der Beklagten zurückgegangen. Denn es sei allgemein bekannt, dass Arbeitgeber dieses Ziel regelmäßig verfolgen würden.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 1. September 2016 – 58 Ca 6876/16 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 2.991,00 EUR nebst hieraus Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. April 2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte meint, dass die Ansprüche bereits nach § 20 Abs. 1 TV-N tariflich verfallen seien. Aber auch unabhängig davon bestehe der Anspruch nicht. Da grundsätzlich jede Partei sich selbst um ihre Angelegenheiten kümmern müsse, sei eine gesteigerte Hinweispflicht der Beklagten nicht anzunehmen. Wirtschaftliche Interessen seiner Arbeitnehmer müsse der Arbeitgeber außerhalb gesetzlicher Pflichten nicht wahren. Die Initiative zur Aufhebung sei hier auch nicht von der Beklagten ausgegangen. Aber die Beklagte habe den Ehemann der Klägerin auch entsprechend und hinreichend informiert und zwar im Arbeitsbogen und darüber hinaus mündlich.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründung der Klägerin vom 4. November 2016 und ihres Schriftsatzes vom 16. Dezember 2016, den vorgetragenen Inhalt der Berufungserwiderung der Beklagten vom 15. November 2016 sowie das Sitzungsprotokoll vom 22. Dezember 2016 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 Zivilprozessordnung (ZPO) eingelegt und begründet worden.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist aber nicht begründet.

II.

Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Im Ergebnis und auch in der Begründung ist keine andere Beurteilung als in erster Instanz gerechtfertigt. Das Landesarbeitsgericht folgt dem Arbeitsgericht Berlin hinsichtlich der Begründung und sieht insoweit gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG von einer nur wiederholenden Begründung ab. Die Angriffe der Berufung sind nicht geeignet, die Rechtslage anders zu beurteilen.

1.

Entgegen der in der Berufungsbegründung geäußerten Rechtsansicht der Klägerin gibt es keinen Rechtsgrundsatz, dass ein Arbeitgeber die Erben eines verstorbenen Arbeitnehmers auf irgendwelche Aspekte bezüglich der Einkommensteuererklärung hinweisen muss. Inhalt und Abgabe einer Einkommensteuererklärung gehören zu den Privatangelegenheiten von Arbeitnehmern, deren Ehegatten und Erben. Selbst bei Arbeitnehmern bestehen derartige Hinweis- und Aufklärungspflichten in aller Regel nicht, sondern beruhen allenfalls auf den besonderen Umständen des Einzelfalles und dem Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung (vgl. BAG, Urteil vom 23. September 2003 – 3 AZR 658/02). Auch wenn die Klägerin angemerkt hat, dass sie eine „unbeteiligte Dritte“ in dem Altersteilzeitverhältnis zwischen der Beklagten und ihrem verstorbenen Ehemann gewesen sei, ergibt sich daraus keine Handlungs- oder Aufklärungspflicht für die Beklagte. Denn steuerpflichtig war der Ehemann der Klägerin bzw. nach dessen Tod die Klägerin (§ 43 Satz 1 AO, § 1 Abs. 1 EStG). Daran ändert nichts, dass die Beklagte aufgrund der Vorschrift des § 39 Abs. 2 und 3 EStG für den Ehemann der Klägerin Abzugssteuern entrichten musste. Grundsätzlich besteht für den Arbeitgeber schon gegenüber den bei ihm beschäftigten Arbeitnehmern keine allgemeine Aufklärungs- und Hinweispflicht auf sämtliche für den Zweck des Arbeitsverhältnisses bedeutsamen Umstände (BAG, Urteil vom 22. Januar 2009 – 8 AZR 161/08). Das gilt erst recht für sogenannte Dritte, wie die Klägerin sich beschrieben hat.

2.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten den Verzugsschaden für die verspätet eingereichten Steuererklärungen 2008, 2009 und 2010. Für die Abgabe der Steuererklärungen der Jahre 2008 und 2009 war in jedem Fall noch der verstorbene Ehemann der Klägerin verantwortlich, für die für das Jahr 2010 die Klägerin. Die konkrete Pflicht, wegen des Progressionsvorbehaltes eine Steuererklärung abzugeben, ergibt sich aus § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG.

Gegenüber dem Ehemann der Klägerin bestand keine weitergehende Aufklärungspflicht bezüglich des Progressionsvorbehaltes als dass die Beklagte durch ihre Mitarbeiterin Frau A. darauf hingewiesen hat. Wie detailliert sie darauf hingewiesen hat, kann dahinstehen, denn jedenfalls fand sich in dem Arbeitsbogen vom 11. Juli 2006 ein entsprechender Hinweis. Diesen kann der verstorbene Ehemann der Klägerin

  • verstanden,
  • nicht verstanden oder
  • ignoriert

haben.

Wenn der Ehemann der Klägerin den Hinweis verstanden haben sollte, ergibt sich keine weitergehende Aufklärungspflicht der Beklagte.

Wenn der Ehemann der Klägerin den Hinweis ignoriert haben sollte, ergibt sich daraus auch keine weitergehende Hinweispflicht der Beklagten. Denn grundsätzlich hatte sich der Ehemann der Klägerin selbst um seine Angelegenheiten zu kümmern. Wenn aber der Ehemann der Klägerin sich nicht um seine Angelegenheiten gekümmert haben sollte, ist nicht ersichtlich, weshalb die Beklagte sich dann mehr als der Ehemann der Klägerin selbst um dessen Angelegenheiten kümmern müsste.

Wenn der Ehemann der Klägerin den Hinweis nicht verstanden haben sollte, hätte er bei der Beklagten oder einer anderen Stelle nachfragen können, was das bedeutet. Da keine Seite vorgetragen hat, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin bei der Beklagten nachgefragt hat, bleibt die Möglichkeit, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin sich bei einer anderen Stelle wie dem Personalrat, der Gewerkschaft, dem Finanzamt o.ä. erkundigt hat. Da der Vertragsschluss über die Altersteilzeit für den verstorbenen Ehemann der Klägerin erst mehr als vier Monate nach dem Beratungsgespräch erfolgte, gab es für die Beklagte auch keinerlei Anhaltspunkt, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin noch weiteren Beratungsbedarf haben könnte. Ein Informationsbedürfnis war für die Beklagte nicht ersichtlich (vgl. dazu BAG, Urteil vom 22. Januar 2009 – 8 AZR 161/08). Die Behauptung der Klägerin, dass der Abschluss des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses auf Veranlassung der Beklagten erfolgt sei, weil allgemein bekannt sei, dass das typischerweise so sei, war nach Ansicht der Kammer eine ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung. Jedenfalls hat die Klägerin keinerlei Tatsache oder auch nur einen auch ihr als Ehefrau bekannt gewordenen Sachverhalt vorgetragen, der diese Behauptung stützen würde. Deshalb sind auch unter diesem Aspekt keine gesteigerten Hinweispflichten der Beklagten anzunehmen (vgl. dazu BAG, Urteil vom 23. September 2003 – 3 AZR 658/02).

3.

Soweit die Klägerin unter Hinweis auf das Urteil des BAG vom 5. März 1981 (3 AZR 316/78) meint, dass der Altersteilzeitvertrag ein Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte sei und deshalb die Beklagte für den durch ihr Verschulden entstandenen Schaden einzustehen habe, übersieht die Klägerin, dass der geltend gemachte Schaden nicht durch ein Verschulden der Beklagten entstanden ist. Er ist allein durch die nicht rechtzeitige Abgabe der Steuererklärungen durch die Klägerin bzw. ihren verstorbenen Ehemann entstanden. Dafür waren jedoch allein der Ehemann der Klägerin bzw. die Klägerin verantwortlich. In diesem Zusammenhang gab es keinerlei Hinweis- oder Aufklärungspflichten der Beklagten, wie bereits oben ausgeführt worden ist.

4.

Soweit die Klägerin meint, dass der Ehemann der Klägerin mit dem Begriff „Mindestnettobetrag“ im Arbeitsbogen „in die Irre“ geführt worden sei, übersieht sie, dass nicht der Arbeitsbogen, sondern die Vereinbarung vom 28. November 2006 die Rechte und Pflichten während der Altersteilzeit regelte. Dass der Ehemann der Klägerin hierzu noch Beratungsbedarf angemeldet hätte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Eine konkrete Summe des Mindestnettobetrages ist dort nicht aufgeführt. Vielmehr wird auf § 5 Abs. 2 TV ATZ verwiesen, wo die einzelnen Vergütungsbestandteile zur Errechnung des Mindestnettobetrages aufgeführt sind.

Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass der Arbeitsbogen vom 11. Juli 2006 weiter maßgeblich gewesen wäre, ist dort der Betrag von 1.680,24 EUR „nach den aktuellen Gegebenheiten“ sowie „nach dem derzeitigen Stand“ und unter Hinweis auf den Progressionsvorbehalt genannt. An keiner Stelle, weder im Arbeitsbogen noch in der Vereinbarung vom 28. November 2006 hat die Beklagte die Übernahme der progressionsbedingten Mehrbelastung für den Ehemann der Klägerin zugesagt. Der zugesagte Mindestbetrag errechnet sich zwar anhand der gesetzlichen Abzüge. Für dessen Bemessung sind aber nur solche steuerlichen Lasten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, die gewöhnlich anfallen: Das sind die Lohnsteuern, die im Lohnsteuerabzugsverfahren vom Arbeitgeber abzuführen sind. Sonstige Steuern, welche die Höhe der monatlichen Abzüge vom Arbeitsentgelt unbeeinflusst lassen und sich erst bei der jährlichen Einkommenssteuerveranlagung auswirken, werden nicht erfasst (BAG, Urteil vom 25. Juni 2002 – 9 AZR 155/01).

5.

Der Klägerin ist zuzugeben, dass die steuerliche Handhabung im Allgemeinen und hier im Konkreten nicht einfach ist. In komplizierten vertraglichen, tariflichen und gesetzlichen Vorschriften finden sich für einen „Normalbürger“ kaum auffindbar der Progressionsvorbehalt mit dessen Folgen sowie die neu hinzugetretene Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung. Aus Sicht der Klägerin und vielleicht auch aus Sicht ihres verstorbenen Ehemannes war das viel zu kompliziert zu verstehen.

Allerdings begehrt die Klägerin eine diesbezügliche Beratung durch die Beklagte, wozu diese grundsätzlich nicht verpflichtet ist. Dass Ihr verstorbener Ehemann diese vor Vertragsschluss erbeten hätte, ist nicht ersichtlich, wie oben unter 2. ausgeführt. Wie ebenfalls dort ausgeführt, war für die Beklagte der Beratungsbedarf ohne entsprechende Nachfrage nicht ersichtlich. Deshalb kann die Klägerin auch nicht nach vielen Jahren nun die Beklagte dafür verantwortlich machen, dass ihr verstorbener Ehemann die entsprechenden Nachfragen nicht gestellt und den Vertrag im November 2006 – offenbar – ohne weitere Beratung unterzeichnet hat. Deshalb konnte die Berufung keinen Erfolg haben.

III.

Die Kostenentscheidung folgt § 64 Abs.6 ArbGG in Verbindung mit § 97 ZPO. Die Klägerin hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

Die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG kam nicht in Betracht, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen haben.

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