Übersicht:
- Der Fall vor Gericht
- Streit um Anwaltskosten: Wenn ein Arbeitgeber mehrfach versucht, dieselbe Person zu kündigen
- Der Ausgangspunkt: Mehrere Kündigungsgründe, mehrere Verfahren
- Die Kernfrage: Zählt jeder Versuch einzeln oder alles als ein Paket?
- Die Entscheidung des Gerichts: Jeder Kündigungsgrund hat seinen eigenen Wert
- Warum das Gericht so entschied: Eine schrittweise Erklärung
- Das Ergebnis: Ein höherer Wert für den Vergleich
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was passiert, wenn der Betriebsrat meiner Kündigung nicht zustimmt?
- Warum haben Betriebsratsmitglieder einen besonderen Kündigungsschutz?
- Was ist ein Zustimmungsersetzungsverfahren und wie läuft es ab?
- Kann ein Arbeitgeber mehrere Kündigungsversuche aus verschiedenen Gründen starten?
- Welche Kosten können bei einem Kündigungsstreit entstehen und was ist der Streitwert?
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 2 BV 6/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Arbeitsgericht Mannheim
- Datum: 16.06.2023
- Aktenzeichen: 2 BV 6/22
- Verfahrensart: Beschlussverfahren
- Rechtsbereiche: Arbeitsrecht, Kostenrecht, Betriebsverfassungsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Die Arbeitgeberin, die die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur fristlosen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds beantragte.
- Beklagte: Der Betriebsrat, dessen Zustimmung zur Kündigung eines Mitglieds ersetzt werden sollte.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Eine Arbeitgeberin beantragte gerichtlich die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur fristlosen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds. Im Rahmen dieses Verfahrens wurden weitere, zuvor separat eingeleitete Zustimmungsersetzungsverfahren, die auf unterschiedlichen Kündigungsvorwürfen basierten, gemeinsam abgeschlossen („miterledigt“).
- Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Frage, wie der Wert der anwaltlichen Tätigkeit für die Gerichtsgebühren bemessen wird, wenn mehrere, ursprünglich separate Anträge auf Ersetzung der Zustimmung zur Kündigung eines Betriebsratsmitglieds später in einem Verfahren gemeinsam behandelt werden. Insbesondere war strittig, ob diese „miterledigten“ Verfahren für die Streitwertfestsetzung als eigenständige, werterhöhende Gegenstände zu berücksichtigen sind.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Arbeitsgericht Mannheim gab dem Antrag des Betriebsrats statt. Es setzte für jedes der in diesem Verfahren „miterledigten“ ursprünglichen Verfahren einen zusätzlichen Vergleichsmehrwert in Höhe eines vollen Vierteljahresverdienstes an.
- Begründung: Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass jeder Kündigungsvorwurf einen eigenständigen Sachverhalt darstellt, der zu einem separaten Zustimmungsersetzungsverfahren und einer möglichen gesonderten Kündigung führen kann. Die Arbeitgeberin kann separate Kündigungsgründe, die ihr zu unterschiedlichen Zeitpunkten bekannt wurden, nicht beliebig zu einem einzigen Verfahren bündeln. Die Annahme, dass bei mehreren Kündigungsanträgen eine „wirtschaftliche Identität“ bestehe, wurde abgelehnt, da sie der ständigen Rechtsprechung höherer Arbeitsgerichte widerspricht.
- Folgen: Die Entscheidung führte zu einem höheren Wert für die anwaltliche Tätigkeit, was sich auf die Höhe der Anwaltsgebühren auswirkte.
Der Fall vor Gericht
Streit um Anwaltskosten: Wenn ein Arbeitgeber mehrfach versucht, dieselbe Person zu kündigen
Jeder, der schon einmal einen Handwerker beauftragt hat, kennt das: Manchmal tauchen mehrere Probleme auf. Zuerst ist die Heizung kaputt, eine Woche später der Wasserhahn. Beides sind separate Aufträge und werden getrennt berechnet, auch wenn derselbe Handwerker kommt. Doch was passiert, wenn ein Arbeitgeber versucht, ein Betriebsratsmitglied aus mehreren, voneinander unabhängigen Gründen zu kündigen? Werden diese Versuche rechtlich wie separate Aufträge behandelt, die jeweils eigene Kosten verursachen? Genau diese Frage musste das Arbeitsgericht Mannheim klären. Es ging dabei nicht um die Kündigung selbst, sondern um die Berechnung der Anwaltsgebühren.
Der Ausgangspunkt: Mehrere Kündigungsgründe, mehrere Verfahren

Eine Arbeitgeberin wollte einem Mitglied des Betriebsrats fristlos kündigen. In Deutschland genießen Betriebsratsmitglieder einen besonderen Kündigungsschutz. Eine fristlose Kündigung ist nur möglich, wenn der Betriebsrat als Gremium zustimmt oder ein Gericht diese Zustimmung ersetzt. Man spricht hier von einem Zustimmungsersetzungsverfahren (ein spezielles Gerichtsverfahren, bei dem ein Richter anstelle des Betriebsrats die Erlaubnis zur Kündigung erteilt).
Wie kam es nun zum Streit? Die Arbeitgeberin hatte im Laufe der Zeit verschiedene, voneinander unabhängige Gründe gesammelt, die ihrer Meinung nach eine Kündigung rechtfertigten. Zuerst erfuhr sie von Vorfall A und leitete ein erstes Zustimmungsersetzungsverfahren ein. Später kam Vorfall B ans Licht, woraufhin sie ein zweites, separates Verfahren startete. Schließlich folgte Vorfall C mit einem dritten Verfahren. Jedes dieser Verfahren basierte also auf einem anderen Sachverhalt, der zu einem anderen Zeitpunkt bekannt wurde. Am Ende einigten sich die Arbeitgeberin und der Betriebsrat in einem gerichtlichen Vergleich (einer bindenden Vereinbarung, die einen Rechtsstreit beendet) darauf, alle offenen Punkte zu klären. In diesem Vergleich wurden also nicht nur das ursprüngliche Verfahren, sondern auch die beiden anderen, parallel laufenden Verfahren miterledigt.
Die Kernfrage: Zählt jeder Versuch einzeln oder alles als ein Paket?
Nach dem Vergleich entbrannte ein neuer Streit, diesmal über das Geld. Genauer gesagt über den Streitwert (der in Geld ausgedrückte Wert eines Rechtsstreits, der als Grundlage für die Berechnung der Gerichts- und Anwaltskosten dient). Je höher der Streitwert, desto höher die Gebühren für die Anwälte.
Die Sichtweise der Arbeitgeberin
Die Arbeitgeberin argumentierte, dass alle drei Verfahren letztlich nur ein einziges Ziel hatten: die Beendigung genau dieses einen Arbeitsverhältnisses. Man könne eine Person schließlich nur einmal entlassen. Daher seien die verschiedenen Kündigungsversuche wirtschaftlich identisch. Stellen Sie sich vor, Sie verklagen jemanden auf 100 Euro. Später verklagen Sie ihn wegen derselben 100 Euro noch einmal. Sie können die 100 Euro trotzdem nur einmal bekommen. Die Arbeitgeberin meinte, ihre Kündigungsversuche seien wie diese doppelte Klage – es gehe immer um dasselbe Ergebnis. Deshalb sollte der Streitwert nur einmal berechnet werden, so als hätte es nur ein einziges Verfahren gegeben.
Die Sichtweise des Betriebsrats
Der Betriebsrat sah das völlig anders. Er argumentierte, dass jedes der drei Verfahren auf einem eigenständigen Lebenssachverhalt beruhte. Es waren unterschiedliche Vorwürfe, die zu unterschiedlichen Zeiten aufkamen und jeweils ein eigenes, separates Gerichtsverfahren nach sich zogen. Jeder dieser Fälle hätte für sich allein verhandelt und entschieden werden können. Wenn man diese separaten Fälle nun in einem großen Vergleich miterledigt, dann muss auch der Wert jedes einzelnen Falls bei der Berechnung der Anwaltskosten berücksichtigt werden. Diesen zusätzlichen Wert nennt man Vergleichsmehrwert (der zusätzliche Streitwert, der dadurch entsteht, dass in einem Vergleich auch andere, bisher nicht Teil des Verfahrens gewesene Streitigkeiten beigelegt werden). Der Betriebsrat forderte also, dass der Streitwert der beiden miterledigten Verfahren zum ursprünglichen Streitwert addiert wird.
Die Entscheidung des Gerichts: Jeder Kündigungsgrund hat seinen eigenen Wert
Das Arbeitsgericht Mannheim folgte vollständig der Argumentation des Betriebsrats. Es entschied, dass für jedes der beiden zusätzlich beigelegten Verfahren ein eigener, voller Wert anzusetzen ist. Konkret bedeutet das: Der Gesamtstreitwert des Vergleichs wurde deutlich erhöht, was wiederum zu höheren Anwaltsgebühren führte. Aber wie kam das Gericht zu dieser Einschätzung?
Warum das Gericht so entschied: Eine schrittweise Erklärung
Die Richter zerlegten das Problem in mehrere logische Schritte, um zu ihrer Entscheidung zu gelangen. Um das zu verstehen, müssen wir uns ihre Gedankenkette genau ansehen.
Der Ausgangspunkt: Was ist ein Verfahren überhaupt „wert“?
Zuerst stellte das Gericht klar, wie der Wert eines solchen Zustimmungsersetzungsverfahrens grundsätzlich bemessen wird. Nach dem Gesetz orientiert man sich hier am Gehalt des betroffenen Arbeitnehmers. Der Wert eines Verfahrens, in dem es um eine Kündigung geht, wird pauschal mit dem Gehalt von drei Monaten festgesetzt. In diesem Fall war das also der Ausgangspunkt für jedes einzelne der drei Verfahren. Die Frage war nur: Darf man diese Werte zusammenzählen?
Die entscheidende Frist: Warum der Arbeitgeber nicht einfach abwarten kann
Ein zentraler Punkt in der Argumentation des Gerichts war eine wichtige Regel bei fristlosen Kündigungen: die Zweiwochenfrist des § 626 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Diese Vorschrift besagt, dass ein Arbeitgeber eine fristlose Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen aussprechen darf, nachdem er von dem wichtigen Kündigungsgrund erfahren hat.
Was bedeutet das konkret? Wenn die Arbeitgeberin am 1. März von Vorfall A erfährt, muss sie innerhalb von zwei Wochen handeln und das Zustimmungsverfahren beim Betriebsrat einleiten. Erfährt sie am 1. April von einem völlig neuen Vorfall B, beginnt für diesen neuen Grund eine neue Zweiwochenfrist. Sie kann also nicht einfach Gründe „sammeln“ und Monate später ein großes Kündigungspaket schnüren. Sie ist gesetzlich gezwungen, für jeden neuen Sachverhalt zeitnah ein neues Verfahren anzustoßen. Dieser Zwang, getrennt zu handeln, zeigt bereits, dass es sich um eigenständige Angelegenheiten handelt.
Jeder Fall für sich: Warum eine Kündigung die andere nicht ausschließt
Das Gericht widersprach auch der Idee der Arbeitgeberin, dass man ja ohnehin nur einmal kündigen könne. Juristisch betrachtet, ist das nicht ganz richtig. Die Arbeitgeberin hätte für jeden der drei Gründe eine gerichtliche Zustimmung zur Kündigung bekommen können. Angenommen, das Gericht hätte allen drei Anträgen stattgegeben. Dann hätte die Arbeitgeberin drei „Trümpfe“ in der Hand gehabt. Sie hätte dann auf Grundlage des ersten Gerichtsbeschlusses eine Kündigung aussprechen können. Wäre diese Kündigung später in einem anderen Prozess für unwirksam erklärt worden, hätte sie immer noch die zweite oder dritte Kündigung, basierend auf den anderen Gerichtsbeschlüssen, „nachschieben“ können.
Jedes erfolgreiche Zustimmungsersetzungsverfahren gibt dem Arbeitgeber also eine eigenständige, wertvolle Handlungsoption. Er muss diese Optionen zwar unverzüglich nach dem Gerichtsbeschluss nutzen, aber jede Option für sich erhöht seine Chancen, das Arbeitsverhältnis am Ende tatsächlich zu beenden. Daher hat jede dieser Optionen einen eigenen rechtlichen und wirtschaftlichen Wert.
Was wäre wenn? Warum die Realität zählt, nicht die Theorie
Die Richter räumten ein: Hätte die Arbeitgeberin von allen drei Kündigungsgründen von Anfang an gleichzeitig gewusst, hätte sie diese in einem einzigen Antrag bündeln können. Dann wäre der Streitwert tatsächlich nur einmal angefallen. Aber das war eben nicht der Fall. Die Realität war, dass die Gründe zeitversetzt bekannt wurden und die Arbeitgeberin durch die Zweiwochenfrist gezwungen war, separate Verfahren zu führen. Für die Kostenberechnung ist aber nicht eine theoretische, mögliche Situation entscheidend, sondern das, was tatsächlich passiert ist: Es gab drei separate, rechtshängige (also bei Gericht offiziell anhängige) Verfahren.
Das Ergebnis: Ein höherer Wert für den Vergleich
Zusammenfassend führte diese Logik zu dem Schluss des Gerichts: Da die Arbeitgeberin drei separate Verfahren angestoßen hatte, die auf unterschiedlichen Gründen basierten und jeweils eine eigenständige Chance zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses darstellten, hat auch jedes dieser Verfahren einen eigenen Wert. Wenn diese drei wertvollen Verfahren in einem einzigen Vergleich erledigt werden, müssen auch alle drei Werte addiert werden. Der Streitwert und damit die Anwaltskosten fielen dementsprechend höher aus, als von der Arbeitgeberin gewünscht.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt, dass Arbeitgeber bei mehreren Kündigungsversuchen gegen dieselbe Person mit erheblich höheren Anwaltskosten rechnen müssen, wenn sie die verschiedenen Gründe zeitversetzt entdecken und separate Verfahren einleiten müssen. Die Zweiwochenfrist für fristlose Kündigungen zwingt Arbeitgeber dazu, jeden neuen Kündigungsgrund sofort zu verfolgen, anstatt mehrere Gründe zu sammeln und gebündelt vorzugehen. Jedes separate Gerichtsverfahren wird bei der Kostenberechnung als eigenständiger Fall behandelt, auch wenn alle Verfahren später gemeinsam durch einen Vergleich beendet werden. Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass sie strategisch überdenken sollten, ob sie bei mehreren möglichen Kündigungsgründen wirklich jeden einzeln verfolgen wollen, da sich dadurch die Verfahrenskosten vervielfachen können.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was passiert, wenn der Betriebsrat meiner Kündigung nicht zustimmt?
Wenn der Betriebsrat einer beabsichtigten Kündigung nicht zustimmt oder dieser widerspricht, ist die Situation für Arbeitgeber und Arbeitnehmer von großer Bedeutung. Es ist wichtig zu verstehen, dass es hierbei unterschiedliche rechtliche Anforderungen gibt, je nachdem, ob die Kündigung die Anhörung des Betriebsrats erfordert (§ 102 Betriebsverfassungsgesetz – BetrVG) oder seine tatsächliche Zustimmung (§ 103 BetrVG).
Die sofortige Wirkung bei fehlender Zustimmung oder Widerspruch
Grundsätzlich gilt: Eine Kündigung, die der Arbeitgeber ausspricht, ohne den Betriebsrat vorher korrekt angehört zu haben oder ohne die gesetzlich erforderliche Zustimmung des Betriebsrats einzuholen, ist unwirksam.
- Anhörung und Widerspruch (§ 102 BetrVG): Vor jeder Kündigung muss der Arbeitgeber den Betriebsrat anhören und ihm die Gründe für die Kündigung mitteilen. Der Betriebsrat kann innerhalb einer bestimmten Frist (meist eine Woche bei ordentlichen Kündigungen, drei Tage bei außerordentlichen Kündigungen) seine Stellungnahme abgeben oder widersprechen. Wenn der Betriebsrat der Kündigung widerspricht und diesen Widerspruch schriftlich begründet, kann der Arbeitgeber die Kündigung zwar dennoch aussprechen. Allerdings hat ein solcher wirksamer Widerspruch zur Folge, dass der Arbeitnehmer nach einer Kündigungsschutzklage bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterbeschäftigt werden muss, wenn er dies beantragt. Die Chancen des Arbeitnehmers in einer Kündigungsschutzklage erhöhen sich durch einen begründeten Widerspruch des Betriebsrats deutlich.
- Zustimmungserfordernis (§ 103 BetrVG): In bestimmten, gesetzlich geregelten Fällen, wie zum Beispiel bei der Kündigung eines Betriebsratsmitglieds, ist nicht nur eine Anhörung, sondern die tatsächliche Zustimmung des Betriebsrats zwingend erforderlich. Verweigert der Betriebsrat in einem solchen Fall seine Zustimmung, darf der Arbeitgeber die Kündigung nicht aussprechen.
Der Weg des Arbeitgebers bei verweigerter Zustimmung
Sollte der Betriebsrat seine Zustimmung verweigern, obwohl diese gesetzlich zwingend erforderlich ist, oder widerspricht er der Kündigung nach § 102 BetrVG, hat der Arbeitgeber folgende Möglichkeiten:
- Zustimmungsersetzungsverfahren (bei § 103 BetrVG): Wenn die Zustimmung des Betriebsrats gesetzlich vorgeschrieben ist (z.B. bei Kündigung eines Betriebsratsmitglieds nach § 103 BetrVG) und diese verweigert wird, kann der Arbeitgeber die Kündigung nicht einfach aussprechen. Er muss stattdessen beim Arbeitsgericht beantragen, dass die Zustimmung des Betriebsrats gerichtlich ersetzt wird. Das Gericht prüft dann, ob die Gründe für die Kündigung gerechtfertigt sind und ob die Verweigerung der Zustimmung durch den Betriebsrat unbegründet war. Erst wenn das Gericht die Zustimmung ersetzt hat, darf der Arbeitgeber die Kündigung wirksam aussprechen.
Die Situation des Arbeitnehmers
Für Sie als Arbeitnehmer bedeutet die Weigerung des Betriebsrats, einer Kündigung zuzustimmen, oder dessen Widerspruch Folgendes:
- Fortbestand des Arbeitsverhältnisses: Solange die Kündigung wegen fehlender Zustimmung oder mangelhafter Anhörung unwirksam ist oder das Gericht die Zustimmung des Betriebsrats noch nicht ersetzt hat, besteht Ihr Arbeitsverhältnis weiter. Sie bleiben im Betrieb beschäftigt und haben Anspruch auf Ihr Gehalt.
- Kündigungsschutzklage: Spricht der Arbeitgeber die Kündigung dennoch aus, obwohl die Zustimmung des Betriebsrats fehlt oder die Anhörung fehlerhaft war, können Sie als Arbeitnehmer dagegen vorgehen. Die Kündigung ist dann in der Regel aus formellen Gründen unwirksam. Sie können innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreichen. Im Rahmen dieser Klage wird dann die Wirksamkeit der Kündigung umfassend geprüft, einschließlich der ordnungsgemäßen Beteiligung des Betriebsrats.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Die fehlende Zustimmung oder ein Widerspruch des Betriebsrats ist ein starkes Signal und kann die Wirksamkeit einer Kündigung erheblich beeinflussen. Für den Arbeitgeber bedeutet es einen erhöhten Aufwand und potenzielle Verzögerungen, während es für den Arbeitnehmer einen wichtigen Schutzmechanismus darstellt.
Warum haben Betriebsratsmitglieder einen besonderen Kündigungsschutz?
Betriebsratsmitglieder haben einen besonderen Kündigungsschutz, damit sie ihre Aufgaben unabhängig und ohne Angst vor negativen Konsequenzen durch den Arbeitgeber erfüllen können. Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Betriebsratsmitglied und vertreten die Interessen Ihrer Kollegen – zum Beispiel, wenn es um Arbeitszeiten, die Einführung neuer Techniken oder auch um Kündigungen geht. Diese Aufgaben können kritisch sein und bedeuten oft, dass Sie auch mal eine andere Meinung als der Arbeitgeber haben müssen.
Sicherung der Unabhängigkeit und Funktion des Betriebsrats
Der Gesetzgeber hat diesen besonderen Schutz im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und im Kündigungsschutzgesetz (KSchG) verankert, um zwei zentrale Ziele zu erreichen:
- Schutz der Unabhängigkeit: Betriebsratsmitglieder sollen ihre gesetzlich verankerten Pflichten und Rechte wahrnehmen können, ohne befürchten zu müssen, deswegen ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Dieser Schutz ist entscheidend, damit sie sich für die Belegschaft einsetzen können, auch wenn ihre Entscheidungen oder Meinungen dem Arbeitgeber nicht gefallen.
- Sicherung der Funktionsfähigkeit: Der Betriebsrat als Gremium kann seine wichtige Rolle nur erfüllen, wenn seine Mitglieder handlungsfähig sind und sich voll auf ihre Aufgaben konzentrieren können. Ohne diesen Schutz könnten Arbeitgeber versuchen, unliebsame Betriebsratsmitglieder durch Kündigungen loszuwerden, was die gesamte Arbeitnehmervertretung schwächen oder sogar lahmlegen würde.
Für Sie als Arbeitnehmer bedeutet dieser Schutz, dass Ihr Betriebsrat in der Lage ist, Ihre Interessen kraftvoll und entschlossen zu vertreten. Er kann sich für Ihre Rechte einsetzen und Missstände ansprechen, ohne dass die einzelnen Mitglieder befürchten müssen, dafür persönlich Nachteile zu erleiden.
In der Praxis bedeutet dieser Schutz, dass eine ordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds während seiner Amtszeit und für ein Jahr danach in der Regel nicht möglich ist. Selbst eine außerordentliche Kündigung (aus wichtigem Grund) ist nur unter sehr strengen Voraussetzungen und meist nur mit Zustimmung des Betriebsrats selbst oder einer gerichtlichen Ersetzung dieser Zustimmung möglich. Dieser hohe Schutz soll gewährleisten, dass Betriebsratsmitglieder ihre wichtigen Aufgaben für die Belegschaft frei von persönlichem Druck ausüben können.
Was ist ein Zustimmungsersetzungsverfahren und wie läuft es ab?
Das Zustimmungsersetzungsverfahren ist ein spezifischer gerichtlicher Weg, den ein Arbeitgeber beschreitet, wenn der Betriebsrat einer beabsichtigten Kündigung eines Arbeitnehmers nicht zustimmt. Es ist ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht, mit dem der Arbeitgeber versuchen kann, die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Kündigung durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzen zu lassen.
Warum ein Zustimmungsersetzungsverfahren notwendig wird
Das deutsche Arbeitsrecht sieht vor, dass der Betriebsrat vor jeder Kündigung angehört werden muss. Er kann dieser Kündigung zustimmen, Schweigen oder widersprechen. Wenn der Betriebsrat der Kündigung widerspricht oder die Zustimmung verweigert, darf der Arbeitgeber die Kündigung nicht sofort aussprechen, außer es handelt sich um eine außerordentliche Kündigung. Im Falle einer ordentlichen (fristgerechten) Kündigung, bei der der Betriebsrat die Zustimmung verweigert, ist der Arbeitgeber auf das Zustimmungsersetzungsverfahren angewiesen. Der Arbeitgeber muss die Zustimmung des Betriebsrats gerichtlich ersetzen lassen, um die Kündigung wirksam aussprechen zu können.
Der Ablauf des Verfahrens
- Antrag beim Arbeitsgericht: Der Arbeitgeber leitet das Verfahren ein, indem er einen Antrag beim zuständigen Arbeitsgericht stellt. In diesem Antrag fordert der Arbeitgeber das Gericht auf, die Zustimmung des Betriebsrats zur geplanten Kündigung zu ersetzen. Er muss dabei darlegen, warum die vom Betriebsrat verweigerten Gründe für die Nichtzustimmung nach seiner Auffassung nicht gerechtfertigt sind.
- Prüfung durch das Gericht: Das Arbeitsgericht prüft, ob die Kündigung nach dem Betriebsverfassungsgesetz tatsächlich die Zustimmung des Betriebsrats benötigt und ob die vom Betriebsrat vorgebrachten Gründe für die Verweigerung der Zustimmung rechtlich haltbar sind. Das Gericht hört sowohl den Arbeitgeber als auch den Betriebsrat an. Es geht dabei um die Frage, ob die Kündigung aus bestimmten Gründen, wie zum Beispiel betriebsbedingten, verhaltensbedingten oder personenbedingten Gründen, gerechtfertigt wäre und ob der Betriebsrat seine Zustimmung aus gesetzlich vorgeschriebenen Gründen verweigert hat.
- Entscheidung des Gerichts: Am Ende des Verfahrens entscheidet das Arbeitsgericht. Es gibt zwei mögliche Ausgänge:
- Die Zustimmung wird ersetzt: Wenn das Gericht die Gründe des Arbeitgebers für die Kündigung für ausreichend hält und die Verweigerung der Zustimmung durch den Betriebsrat für unbegründet erklärt, ersetzt es die Zustimmung des Betriebsrats. Dies bedeutet, dass die Kündigung nun ausgesprochen werden kann, auch wenn der Betriebsrat ursprünglich nicht zugestimmt hat.
- Der Antrag wird abgewiesen: Wenn das Gericht die Gründe des Betriebsrats für die Verweigerung der Zustimmung für berechtigt hält, weist es den Antrag des Arbeitgebers ab. In diesem Fall kann der Arbeitgeber die geplante Kündigung auf Basis der ursprünglich vorgebrachten Gründe nicht wirksam aussprechen.
Bedeutung der gerichtlichen Entscheidung
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts im Zustimmungsersetzungsverfahren ist von großer Bedeutung für die Wirksamkeit einer Kündigung. Erst wenn das Gericht die Zustimmung des Betriebsrats ersetzt hat, kann der Arbeitgeber die Kündigung wirksam gegenüber dem Arbeitnehmer erklären. Ohne eine solche gerichtliche Ersetzung ist die Kündigung, die der Betriebsrat abgelehnt hat, in der Regel unwirksam. Dieses Verfahren ist ein wichtiges Instrument, um den Kündigungsschutz der Arbeitnehmer und die Beteiligungsrechte des Betriebsrats auszubalancieren.
Kann ein Arbeitgeber mehrere Kündigungsversuche aus verschiedenen Gründen starten?
Ja, ein Arbeitgeber kann grundsätzlich mehrere Kündigungsversuche aus verschiedenen Gründen starten, auch wenn es dasselbe Arbeitsverhältnis betrifft. Jede Kündigung muss für sich genommen gültig sein und die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen.
Warum mehrere Kündigungsversuche möglich sind
Stellen Sie sich vor, es gibt verschiedene Vorfälle oder Pflichtverletzungen. Jede dieser Situationen kann einen eigenen, unabhängigen Kündigungsgrund darstellen. Wenn ein Arbeitgeber aufgrund eines bestimmten Vorfalls eine Kündigung ausspricht, diese aber aus formalen Gründen unwirksam ist oder vom Arbeitsgericht später für unwirksam erklärt wird, ist der Arbeitgeber nicht daran gehindert, eine neue Kündigung aus einem anderen Grund auszusprechen, sofern dieser Grund tatsächlich vorliegt und die Voraussetzungen erfüllt.
Kündigungsarten und deren Fristen
Gerade im Zusammenhang mit unterschiedlichen Kündigungsarten wird dies deutlich:
- Fristlose Kündigung (außerordentliche Kündigung): Für eine fristlose Kündigung ist ein wichtiger Grund erforderlich, der die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar macht. Ein Arbeitgeber muss eine fristlose Kündigung zudem innerhalb einer Frist von zwei Wochen aussprechen, nachdem er von dem kündigungsrelevanten Vorfall und der Person des Kündigungsberechtigten Kenntnis erlangt hat. Entsteht also ein neuer, schwerwiegender Vorfall, kann dieser eine neue Zweiwochenfrist für eine weitere fristlose Kündigung auslösen, selbst wenn eine vorherige Kündigung bereits angegriffen wurde oder unwirksam war.
- Ordentliche Kündigung: Eine ordentliche Kündigung erfolgt unter Einhaltung einer gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfrist. Sie kann ebenfalls auf verhaltensbedingten, personenbedingten oder betriebsbedingten Gründen beruhen. Die Gründe für eine ordentliche Kündigung sind oft nicht an so starre, kurze Fristen wie die Zweiwochenfrist bei der fristlosen Kündigung gebunden, sondern beziehen sich auf vergangenes Verhalten, Eigenschaften der Person oder betriebliche Notwendigkeiten.
Die Komplexität bei mehreren Versuchen
Für Sie als Arbeitnehmer bedeutet das, dass jede Kündigung, die der Arbeitgeber ausspricht, einzeln betrachtet und rechtlich geprüft wird. Auch wenn es um dasselbe Arbeitsverhältnis geht, handelt es sich bei jedem Kündigungsschreiben um eine separate Willenserklärung des Arbeitgebers, die auf einem eigenen Sachverhalt und eigenen Gründen beruht.
Wenn ein Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage einreicht und der Arbeitgeber während des laufenden Verfahrens eine weitere Kündigung ausspricht (egal ob aus demselben oder einem neuen Grund), kann dies zu mehreren gerichtlichen Verfahren führen, die parallel laufen oder nacheinander verhandelt werden. Jeder einzelne Kündigungsgrund muss vom Arbeitgeber nachgewiesen werden, und jede Kündigung muss die jeweiligen gesetzlichen Anforderungen (z.B. Anhörung des Betriebsrats, Einhaltung von Fristen) erfüllen. Dies verdeutlicht die Komplexität und die Notwendigkeit, jeden Kündigungsgrund und jeden Kündigungsversuch individuell zu beurteilen.
Welche Kosten können bei einem Kündigungsstreit entstehen und was ist der Streitwert?
Bei einem Kündigungsstreit können grundsätzlich zwei Arten von Kosten entstehen: Gerichtskosten und Anwaltskosten. Die Höhe beider Kostenarten hängt maßgeblich vom sogenannten Streitwert ab.
Was ist der Streitwert und wie wird er berechnet?
Der Streitwert ist der finanzielle Wert dessen, worum in einem Gerichtsverfahren gestritten wird. Er dient als Berechnungsgrundlage für die Gerichtsgebühren und die Anwaltsvergütung. Stellen Sie sich den Streitwert als eine Art fiktiven „Preisschild“ vor, der dem Gerichtsverfahren zugeordnet wird.
In einem Kündigungsstreit, also wenn Sie sich gegen eine Kündigung wehren, wird der Streitwert typischerweise nach einer festen Regel bemessen: Er beträgt in der Regel drei Bruttomonatsgehälter. Dies ist ein anerkannter Richtwert, der helfen soll, die Kosten in solchen Verfahren überschaubar zu halten und Parteien zu einem Vergleich zu bewegen, ohne dass der volle Betrag der möglichen Entschädigung vorab die Kosten massiv in die Höhe treibt.
Beispiel für die Streitwertberechnung:
Angenommen, Ihr Bruttomonatsgehalt beträgt 3.000 Euro.
Streitwert = 3 × Bruttomonatsgehalt
Streitwert = 3 × 3.000 Euro = 9.000 Euro
Dieser Wert von 9.000 Euro bildet dann die Grundlage für die Berechnung der Gerichtskosten und der Anwaltsgebühren nach den gesetzlichen Gebührentabellen.
Wie beeinflusst der Streitwert die Kosten?
Je höher der Streitwert ist, desto höher sind in der Regel die Gerichts- und Anwaltskosten. Es gibt gesetzlich festgelegte Tabellen, die die genaue Höhe dieser Gebühren in Abhängigkeit vom Streitwert bestimmen. Die Gebühren steigen nicht linear mit dem Streitwert, sondern oft degressiv, sodass der prozentuale Anteil der Kosten am Streitwert bei höheren Werten sinken kann.
- Gerichtskosten: Diese müssen an das Gericht gezahlt werden. Wer sie am Ende trägt, hängt vom Ausgang des Verfahrens ab. In der ersten Instanz des Arbeitsgerichtsverfahrens fallen die Gerichtskosten oft nur an, wenn kein Vergleich erzielt wird oder das Verfahren nicht durch eine Klagerücknahme endet.
- Anwaltskosten: Diese entstehen für die Vertretung durch einen Anwalt. Sie werden nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) berechnet und hängen ebenfalls vom Streitwert ab. Eine Besonderheit im Arbeitsrecht ist, dass in der ersten Instanz jede Partei ihre eigenen Anwaltskosten selbst trägt, unabhängig davon, ob sie den Prozess gewinnt oder verliert. Eine Erstattung der Anwaltskosten durch die Gegenseite findet in der ersten Instanz in der Regel nicht statt.
Der Vergleichsmehrwert als zusätzliche Kostenposition
Manchmal enden Kündigungsstreitigkeiten nicht mit einem Urteil, sondern mit einem Vergleich. Bei einem Vergleich einigen sich die Parteien auf eine Lösung, die über das ursprünglich streitgegenständliche Thema (hier: die Wirksamkeit der Kündigung) hinausgeht. Wenn in einem solchen Vergleich zusätzliche Punkte geregelt werden, die ursprünglich nicht Teil der Klage waren, entsteht ein sogenannter Vergleichsmehrwert.
Beispiele für solche zusätzlichen Punkte können sein:
- Die Zahlung einer zusätzlichen Abfindung über die durch den Kündigungsschutz allein zu erwartende hinaus.
- Die Ausstellung eines besonders wohlwollenden Arbeitszeugnisses.
- Die Freistellung von der Arbeitsleistung unter Fortzahlung des Gehalts.
- Die Nutzung eines Dienstwagens über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus.
Diese zusätzlichen Werte werden dem ursprünglichen Streitwert für die Berechnung der Anwaltsgebühren hinzugerechnet. Dies führt zu einer Erhöhung der Anwaltskosten, da der Anwalt für die umfassendere Einigung und die Aushandlung dieser zusätzlichen Punkte eine höhere Gebühr erhält. Für die Berechnung der Gerichtskosten hat der Vergleichsmehrwert in der Regel keine Auswirkung, da sich die Gerichtskosten nach dem ursprünglichen Klagegegenstand richten. Es ist also wichtig zu wissen, dass ein Vergleich, der für Sie vorteilhafte zusätzliche Regelungen enthält, auch zu höheren Anwaltskosten führen kann.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Zustimmungsersetzungsverfahren
Ein Zustimmungsersetzungsverfahren ist ein besonderes Gerichtsverfahren, das ein Arbeitgeber einleitet, wenn der Betriebsrat einer gesetzlich vorgeschriebenen Zustimmung zu einer Kündigung – etwa bei einem Betriebsratsmitglied – nicht zustimmt. In diesem Verfahren entscheidet das Arbeitsgericht, ob die Kündigung gerechtfertigt ist und somit die Zustimmung des Betriebsrats ersetzt werden kann. Erst wenn das Gericht die Zustimmung ersetzt hat, darf die Kündigung wirksam ausgesprochen werden. Dieses Verfahren dient dem Schutz des Betriebsratsmitglieds nach § 103 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).
Beispiel: Der Arbeitgeber will einem Betriebsratsmitglied kündigen, doch der Betriebsrat stimmt nicht zu. Nun stellt der Arbeitgeber einen Antrag beim Arbeitsgericht, damit dieses die Zustimmung ersetzt und die Kündigung doch möglich wird.
Streitwert
Der Streitwert ist der in Geld ausgedrückte Wert des Gegenstands, um den in einem Rechtsstreit gestritten wird. Er bildet die Grundlage für die Berechnung von Gerichts- und Anwaltskosten. Bei einer Kündigung wird der Streitwert typischerweise anhand des Bruttogehalts für drei Monate bestimmt. Je höher der Streitwert, desto höhere Gebühren fallen an. Der Streitwert ist also eine Art „Preisschild“ für das Verfahren, das den finanziellen Umfang des Rechtsstreits widerspiegelt.
Beispiel: Wenn ein Arbeitnehmer 3.000 Euro brutto im Monat verdient, beträgt der Streitwert für seine Kündigung meist 9.000 Euro (3 x Monatsgehalt).
Vergleichsmehrwert
Der Vergleichsmehrwert bezeichnet den zusätzlichen Streitwert, der dadurch entsteht, dass in einem gerichtlichen Vergleich mehrere Streitpunkte gleichzeitig beigelegt werden, einschließlich solcher, die ursächlich nicht Teil des ursprünglichen Verfahrens waren. Dieser Mehrwert führt zu einer Erhöhung der Anwaltsgebühren, da der Anwalt für die umfassendere Einigung einen höheren Aufwand hat. Vergleichsmehrwert entsteht also dadurch, dass der Vergleich „mehr wert“ ist als der ursprünglich streitige Gegenstand.
Beispiel: Schließen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Vergleich, der zusätzlich zur Klärung der Kündigung auch eine Abfindung und ein qualifiziertes Arbeitszeugnis regelt, erhöht dies den Vergleichsmehrwert.
Zweiwochenfrist nach § 626 BGB
Diese Frist legt fest, dass eine fristlose Kündigung wegen eines wichtigen Grundes innerhalb von zwei Wochen ausgesprochen werden muss, nachdem der Arbeitgeber von dem Kündigungsgrund und der betreffenden Person Kenntnis erlangt hat. Wenn neue Kündigungsgründe später bekannt werden, beginnt für jeden ein eigener Zweiwochenzeitraum. Die Frist soll sicherstellen, dass fristlose Kündigungen schnell und zeitnah ausgesprochen werden und nicht lange aufgespart oder „gesammelt“ werden.
Beispiel: Erkennt ein Arbeitgeber am 1. März einen Kündigungsgrund bei einem Mitarbeiter, muss er bis spätestens 15. März kündigen, sonst verfällt das Recht zur fristlosen Kündigung.
Rechtshängigkeit
Rechtshängigkeit beschreibt den Zeitpunkt, ab dem ein Rechtsstreit offiziell bei Gericht anhängig, also eröffnet ist. Ab diesem Moment ist der Streit Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens, und keine der Beteiligten kann willkürlich Fotos daran ändern oder abändern. Dies ist wichtig, weil z.B. an rechtshängigen Verfahren keine neuen Klagepunkte mehr einfach hinzugefügt oder entfernt werden können, ohne das Verfahren zu beeinflussen. In Kündigungsschutzverfahren gibt es für jede Klage einen eigenen anhängigen Rechtsstreit.
Beispiel: Wenn ein Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage einreicht, wird der Streit ab diesem Zeitpunkt „rechtshängig“ und das Gericht beginnt die Prüfung. Wenn dann später eine weitere Klage wegen eines anderen Kündigungsgrunds dazukommt, entsteht ein gesondertes rechtshängiges Verfahren.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 626 BGB (fristlose Kündigung aus wichtigem Grund): Diese Vorschrift regelt, dass eine fristlose Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des Kündigungsgrundes erfolgen darf. Die Frist begrenzt den Zeitraum, in dem der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat oder Gericht handeln muss. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht betonte, dass für jeden neuen Kündigungsgrund eine separate Zweiwochenfrist beginnt, was die Notwendigkeit mehrerer, eigenständiger Zustimmungsersetzungsverfahren begründet.
- § 15 Kündigungsschutzgesetz – KSchG (Kündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder): Betriebsratsmitglieder genießen einen besonderen Kündigungsschutz, der eine Zustimmung des Betriebsrats oder eine gerichtliche Zustimmungsersetzung voraussetzt. Ohne diese Zustimmung ist die Kündigung unwirksam. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die drei unterschiedlichen Kündigungsgründe lösten jeweils eigene Zustimmungsersetzungsverfahren aus, da für jeden Grund die Zustimmung ersetzt werden musste, was die Separate Behandlung rechtfertigt.
- § 103 BetrVG (Zustimmungsersetzungsverfahren): Bei fehlender Zustimmung des Betriebsrats kann ein Arbeitsgericht die Zustimmung zur Kündigung ersetzen, um die Wirksamkeit der Kündigung herzustellen. Dieses gerichtliche Verfahren ist für jeden Kündigungsgrund eigenständig durchzuführen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Jedes der drei Verfahren basiert auf einem eigenständigen gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahren, das separat bewertet und vergütet wird.
- Streitwertfestsetzung gem. RVG (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) und § 61 ArbGG: Die Höhe des Streitwerts, der die Grundlage für Anwalts- und Gerichtskosten bildet, wird bei Kündigungsschutzverfahren typischerweise anhand des dreimonatigen Gehalts bemessen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Da es sich um drei getrennte Verfahren handelt, wurde der Streitwert jeweils für jeden Vorgang mit drei Monatsgehältern angesetzt und im Vergleich addiert.
- Vergleichsmehrwert (gebührenrechtliches Konzept im RVG): Wenn in einem Vergleich mehrere Streitigkeiten zusammengefasst werden, erhöht sich der Streitwert um den sogenannten Vergleichsmehrwert, der den zusätzlichen wirtschaftlichen Wert der beilegten weiteren Streitigkeiten abbildet. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Aufrechnung aller drei Verfahren in einem Vergleich führte zu einer Erhöhung des Streitwerts, da alle eigenständigen Verfahren zusätzlich berücksichtigt wurden.
- Grundsatz der Realitätsorientierung im Kostenrecht: Für die Gebührenbemessung sind nicht theoretische Möglichkeiten, sondern die tatsächlich anhängigen und zu berücksichtigenden Verfahren maßgeblich. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht verwarf die Theorie der Arbeitgeberin, dass man alles nur als ein Verfahren betrachten könne, da tatsächlich drei eigenständige, rechtshängige Verfahren vorlagen.
Das vorliegende Urteil
ArbG Mannheim – Az.: 2 BV 6/22 – Beschluss vom 16.06.2023
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