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Streitwertberechnung – Widerruf einer Abmahnung und deren Entfernung aus der Personalakte

Landesarbeitsgericht Düsseldorf – Az.: 2 Ta 770/10 – Beschluss vom 11.04.2011

Auf die Beschwerde der Rechtsanwälte Dr. O. u.a. wird der Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 15.12.2010 wie folgt abgeändert:

Der Streitwert für das Verfahren wird auf 7.438,93 EUR, für den Vergleich auf 7.946,13 EUR festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe

I.

Der Kläger hatte mit der am 25.06.2007 beim Arbeitsgericht Oberhausen eingereichten Klage folgende Anträge gestellt:

„1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 04.06.2007 nicht aufgelöst worden ist,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 07.06.2007 hinaus fortbesteht;

3. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 23.04.2007 zu widerrufen und aus den Personalakten zu entfernen;

4. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Abrechnungen für die Monate Mai 2007 und Juni 2007 zu erteilen und sich die aus den Abrechnungen ergebenen Bruttobeträge an den Kläger zu zahlen;

5. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen, welches sich auf Führung und Leistung erstreckt.

Für den Fall, dass der Feststellungsantrag zu 1. abgewiesen wird, wird der Antrag gestellt,

6. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein endgültiges Zeugnis zu erteilen, welches sich auf Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses und Führung und Leistung erstreckt.“

Die Beklagte hatte das Arbeitsverhältnis des Klägers, der zu einem Monatslohn von 1.014,40 EUR beschäftigt war, während der Probezeit gekündigt.

Der Kläger hatte geltend gemacht, dass die Kündigung wegen Verstoßes gegen § 612 a BGB unwirksam sei.

Streitwertberechnung – Widerruf einer Abmahnung und deren Entfernung aus der Personalakte
Symbolfoto: Von Chinnapong/Shutterstock.com

Im Gütetermin vom 27.07.2007 haben die Parteien folgenden Vergleich geschlossen:

„1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher Kündigung der Beklagten innerhalb der Probezeit fristgemäß mit dem 08.06.2007 endete.

2. Die Beklagte erteilt dem Kläger ordnungsgemäße Abrechnung für die Zeit vom 01. bis 08.06.2007 und zahlt den sich hieraus ergebenden Betrag an den Kläger aus, soweit noch nicht geschehen.

3. Die Beklagte erteilt dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis.

4. Die dem Kläger erteilte Abmahnung vom 23.04.2007 ist gegenstandslos.

5. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.

6. Dieser Vergleich wird wirksam, falls er nicht durch schriftliche Anzeige beim Arbeitsgericht Oberhausen durch den Kläger bis zum 10.08.2007 widerrufen wird.“

Der Vergleich ist rechtskräftig geworden. Unter dem 28.08.2007 wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe in vollem Umfang mit Wirkung vom 27.06.2007 bewilligt.

Unter dem 15.12.2010 hat das Arbeitsgericht den Streitwert für das Verfahren auf 4.592,35 EUR festgesetzt und für den Vergleich auf 5.099,55 EUR. Dabei hat das Arbeitsgericht entgegen der Rechtsauffassung der Beschwerdeführer den Klageantrag zu 3. nur mit einem Monatsgehalt bewertet und für den Klageantrag zu 2. 200,00 EUR in Ansatz gebracht, da „dieser Antrag wegen sonstiger Unzulässigkeiten umgedeutet werden musste in einen Abrechnungsantrag“.

Die Beschwerdeführer sind der Auffassung, dass der Antrag zu 4. mit zwei Monatsgehältern zu bewerten sei ebenso wie der Antrag zu 3., da auch der Widerruf der Abmahnung vom 23.04.2007 verlangt worden sei.

II.

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers ist zulässig und begründet.

1. Die Beschwerde, die die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit der Bezeichnung „wir“ eingelegt haben, war ersichtlich nur für die Prozessbevollmächtigten eingelegt worden und nicht für den Kläger persönlich. Dies ergibt ohne Weiteres die Auslegung der Begründung. Das Arbeitsgericht hat darauf hingewiesen, dass für eine Beschwerde des Klägers persönlich kein Rechtsschutzbedürfnis bestehen könnte. Es ist nicht anzunehmen, dass eine derartige Beschwerde eingelegt werden sollte.

Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass auch der Beschwerdewert erreicht ist, da, wie die Verfahrensbevollmächtigten zuletzt unter Hinweis auf die Schriftsätze vom 10.12.2010 und 16.11.2010 verdeutlicht haben, nicht nur die Prozesskostenhilfeliquidation der Höhe nach in Frage steht, sondern auch noch die Ansetzung der Wahlanwaltsgebühren im Raume steht, da der Zeitpunkt des Nachprüfungsverfahrens über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe noch nicht abgelaufen ist. Bezüglich der Wahlanwaltsgebühren ist bei Gegenüberstellung des von den Beschwerdeführern beanspruchten Streitwerts und dem von dem Arbeitsgericht festgesetzten Streitwert der Beschwerdewert von 200,00 EUR unter Berücksichtigung der Gebühren nach § 13 RVG ohne Weiteres erreicht.

2. Die Beschwerde ist auch begründet.

Gemäß den §§ 39, 40 GKG sind für die Wertberechnung der jeweilige Streitgegenstand unter Berücksichtigung der Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet. Werden in demselben Verfahren mehrere Streitgegenstände geltend gemacht, so sind diese zusammenzurechnen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Im Streitfall ist das Arbeitsgericht zu Recht für den Klageantrag zu 1. von einem Streitwert von drei Monatsverdiensten ausweislich der Antragstellung ausgegangen und hat den Antrag zu 2. unberücksichtigt gelassen.

Allerdings hat das Arbeitsgericht zu Unrecht bei der Bewertung von Ziffer 3 des Klageantrags den Antrag auf „Widerruf“ der Abmahnung vom 23.04.2007 unberücksichtigt gelassen.

Bei der Bewertung von Anträgen bei der Streitwertberechnung kommt es weder auf die Erfolgsaussichten eines Antrages noch auf die Zulässigkeit und Bestimmtheit eines Antrages an. Es ist lediglich der wirtschaftliche Wert eines gestellten Antrages zu berücksichtigen.

Zuletzt war davon auszugehen, dass die Beklagte in dem Abmahnungsschreiben dem Kläger vorgeworfen hatte, dass er am 22.07.2007 unentschuldigt gefehlt hat. Den Widerruf dieser Behauptung aus der Abmahnung vom 23.04.2007 wollte der Kläger mit seinem Klageantrag aus der Welt schaffen. Mit einem derartigen Antrag macht der Kläger geltend, dass die in der Abmahnung enthaltenen Behauptungen unwahr sind und deshalb als unrichtige Tatsachenbehauptungen eine fortwährende Störung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts beinhalten. Deshalb beinhaltet ein derartiger Widerrufsantrag etwas anderes als den Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus den Personalakten, die sich lediglich auf den tatsächlichen Vorgang der Herausnahme aus den Personalakten erstreckt. Die Klage auf Entfernung der Abmahnung hindert den Arbeitgeber insbesondere nicht, neue Abmahnungen wegen desselben Sachverhalts auszusprechen, insbesondere wenn eine Entfernung etwa aus formellen Gründen erfolgt. Im Rahmen der von § 3 ZPO hat die Beschwerdekammer in der Entscheidung vom 20.05.2009 – 6 Ta 283/09 – deshalb eine Größenordnung von einem weiteren Monatsgehalt in Ansatz gebracht. Dies entspricht in etwa auch der Bewertung der früher zuständigen 17. Kammer des Landesarbeitsgerichts (Beschluss vom 06.10.2003 – 17 Ta 448/03 -), die für ein derartiges Widerrufsbegehren einen Wert von 1.000,00 EUR in Ansatz gebracht hat.

Zwar konnte der Beschwerdeführer das Abmahnungsschreiben nicht mehr vorlegen. Da er jedoch inhaltlich definiert hat, was Gegenstand des Abmahnungsschreibens war und dieser Inhalt nicht in Zweifel gestellt werden konnte, insbesondere auch im Hinblick auf den Inhalt des Vergleichs, war der Streitwert insoweit zusätzlich zu erhöhen.

Auch der Bewertung des Arbeitsgerichts hinsichtlich der Klageanträge zu 4. vermochte die Beschwerdekammer nicht zu erfolgen.

Schon oben wurde dargetan, dass es weder auf die Zulässigkeit noch auf die Erfolgsaussichten eines Antrages bei der Streitwertberechnung ankommt.

Der Kläger hat eine Stufenklage erhoben, mit der er zunächst die Abrechnungen für die Monate Mai und Juni 2007 geltend gemacht hat, sodann die Zahlung der sich daraus ergebenden Beträge. Bei einer derartigen Stufenklage ist gemäß § 44 GKG der höhere Anspruch maßgebend, da neben der Auskunft auch der unbezifferte Zahlungsanspruch rechtshängig wird. Das ist die beanspruchte Leistung, die nach den Erwartungen des Klägers bei Beginn der Instanz zu schätzen ist, selbst wenn der Anspruch noch nicht beziffert wurde (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 30. Aufl., § 3, Rdn. 141 Stichwort: Stufenklage). Da der Kläger Abrechnung und Zahlung seiner Vergütung auch für die Monate Mai und Juni begehrt hat, war insoweit der Monatsverdienst ebenfalls zugrundezulegen.

Die Beschwerdeführer haben für die Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses und die Erteilung eines Endzeugnisses die vom Kläger zugrundegelegten Werte von 1/3 und 1/2 eines Monatsgehalts zugrundegelegt. Diese Bewertung ist auf jeden Fall nicht zu hoch. Allerdings wäre insgesamt der Verfahrensstreitwert nur einheitlich festzustellen gewesen mit der Folge, dass auch der Vergleichswert diesem Wert entspricht. Dies folgt aus § 45 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 4 GKG.

Die Parteien haben mit der Vergleichsregelung eine inhaltliche Regelung über Ziffer 6. der Klageanträge getroffen. Dies führt dazu, dass der Hilfsantrag als Hauptantrag für das Verfahren zugrundezulegen ist mit der Konsequenz, dass ein Vergleichsmehrwert nicht zu berücksichtigen ist.

Es wäre demnach lediglich für das Verfahren und den Vergleich ein einheitlicher Streitwert von 7.946,13 EUR festzusetzen gewesen. Da der Beschwerdeführer jedoch eine niedrigere Streitwertfestsetzung beantragt hat, sieht sich die Beschwerdekammer nicht in der Lage, von diesem Antrag abzuweichen.

Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 32 Abs.1 RVG, § 68 Abs.1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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