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Teilzeitbegehren während Elternzeit – entgegenstehende dringende betriebliche Gründe

ArbG Hamburg, Az.: 29 Ca 577/13, Urteil vom 08.05.2014

1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Antrag der Klägerin auf Reduzierung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit auf 20 Stunden ab dem 01.04.2014 bis zum 04.02.2016 zuzustimmen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Arbeitszeit der Klägerin vom 01.04.2014 bis zum 04.02.2016 auf Montag bis Freitag, 09:00 Uhr bis 13:00 Uhr festzulegen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.950,00 € festgesetzt.

5. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Teilzeittätigkeit während ihrer Elternzeit.

Teilzeitbegehren während Elternzeit - entgegenstehende dringende betriebliche Gründe
Symbolfoto: Von Elnur /Shutterstock.com

Die Beklagte betreibt einen Verlag. Die Klägerin trat auf der Basis des Anstellungsvertrages vom 01.03.2002 (Anlage K 1, Bl. 5 – 8 d. A.) am 15.03.2002 als Assistenz der Objektleitungen/Sachbearbeiterin im Neukundengeschäft im Bereich Corporate Publishing in die Dienste der Beklagten, wobei gemäß Ziff. 10 Abs. 4 des Vertrages ihre Betriebszugehörigkeit zur J. GmbH seit dem 01.08.1999 angerechnet wurde. Mit Ergänzungsvereinbarung vom 26.08.2003 (Anlage K 7, Bl. 34 d. A.) wurde der Klägerin auch das eigenständige Projektmanagement einzelner Corporate-Publishing-Publikationen übertragen. In diesem Zusammenhang war die Klägerin insbesondere Chefin vom Dienst für das H.-Magazin. Bei Vollzeittätigkeit im Umfang von 37,5 Stunden wöchentlich betrug ihr Bruttomonatsgehalt zuletzt € 3.650,00.

Am 26.01.2011 wurde die Klägerin zum ersten Mal Mutter, nahm im Anschluss Elternzeit und vereinbarte mit der Beklagten während der Elternzeit für die Zeit vom 16.04.2012 bis zum 25.01.2014 eine Teilzeittätigkeit im Umfang von 20 Stunden wöchentlich, verteilt auf die Wochentage Montag bis Freitag von 09:00 Uhr bis 13:00 Uhr mit einer Vergütung in Höhe von € 1.948,00 brutto monatlich (Anlage K 2, Bl. 9 f. d. A.).

Während der Laufzeit dieser Vereinbarung wurde die Klägerin unerwartet erneut schwanger, entband am 05.02.2013 und nahm ihre Tätigkeit für die Beklagte nach Ablauf der Mutterschutzfrist Anfang April 2013 nicht wieder auf. Sie nahm erneut Elternzeit bis zum 04.02.2016. Im Rahmen des diesbezüglichen Elternzeitantrages vom 29.11.1012 (Anlage K 11, Bl. 46 d. A.) teilte die Klägerin der Beklagten ferner mit, sie wolle ab März 2014 gern innerhalb der Elternzeit wieder in Teilzeit (20 – 25 Stunden/Woche) arbeiten.

Die Parteien erörterten den Teilzeitwunsch der Klägerin mündlich am 26.09.2013. Die Beklagte lehnte den Teilzeitwunsch der Klägerin ab und bestätigte dies schriftlich mit Schreiben vom 02.10.2013 (Anlage K 3, Bl. 11 d. A.). Mit Anwaltsschreiben vom 08.10.2013 (Anlage K 4, Bl. 12 d. A.) machte die Klägerin ihren Teilzeitanspruch für die Zeit ab März 2014 entsprechend der vorherigen Teilzeitregelung geltend. Mit Anwaltsschreiben vom 01.11.2013 (Anlage K 5, Bl. 13 f. d. A.) lehnte die Beklagte die Teilzeittätigkeit der Klägerin erneut ab und berief sich auf entgegenstehende dringende betriebliche Gründe mangels Beschäftigungsbedarfs. Mit Anwaltsschreiben vom 28.11.2013 (Anlage K 6, Bl. 15 d. A.) machte die Klägerin ihren Teilzeitanspruch erneut geltend. Da keine Reaktion der Beklagten mehr erfolgte, verfolgt sie ihren Anspruch nunmehr mit ihrer Klage vom 06.12.2013 für die Zeit vom 01.04.2014 bis zum 04.02.2016.

In einem Interview, das die Fachzeitschrift C. mit einem der Geschäftsführer der Beklagten, Herrn S., führte, heißt es in der Veröffentlichung vom 14.01.2014 (Anlage K 8, Bl. 35 – 37 d. A.) auf die Frage, wie sich das Neugeschäft in dem letzten halben Jahr entwickelt habe (Bl. 36 d. A.):

„Wir sind umsatzmäßig auch 2013 wieder gewachsen und konnten im letzten halben Jahr das Geschäft bei unseren Bestandskunden weiter ausbauen. Zudem haben wir mit dem Gewinn des B.-Magazins von T. erstmals einen Handelskunden und mit Z. einen großen Automobilzulieferer hinzugewonnen. Auch im Bereich Corporate Books waren wir für Kunden wie D., T1 und B1 sehr rege. Die Weichen für weiteres Wachstum in 2014 sind also gestellt.“

Herr S. führte in diesem Interview ferner aus, dass sich der Digital-Bereich sehr positiv entwickele und die Beklagte allein im vorherigen Halbjahr in diesem Bereich fünf neue Mitarbeiter eingestellt habe; der Anteil des digitalen Geschäfts liege mittlerweile bei rund 30 Prozent.

Im März 2013 suchte die Beklagte ausweislich der Stellenausschreibung im Rahmen ihres Internetauftritts vom 27.03.2014 (Anlage K 14, Bl. 61 d. A.) per sofort in Vollzeit einen Operation Manager (Hamburg) für Aufgaben, die mit der früheren Tätigkeit der Klägerin als Chefin vom Dienst vergleichbar sind. Diese Stelle hat die Beklagte mit Wirkung ab dem 01.05.2014 mit der Arbeitnehmerin B2 besetzt.

Das H.-Magazin betreut die Beklagte inzwischen nicht mehr.

Die Klägerin trägt vor, ihrem Teilzeitwunsch stünden keine dringenden betrieblichen Gründe entgegen. Sie habe neben dem H.-Magazin immer wieder andere Magazine und Zeitschriften anderer Kunden betreut. In den letzten Wochen ihrer Teilzeittätigkeit im Jahr 2012 habe sie bis zum Beginn des Mutterschutzes Unterstützungstätigkeiten für ihre Kollegen sowie Urlaubs- und Krankheitsvertretungen wahrgenommen. Das Verhalten der Beklagten verstoße gegen Treu und Glauben gemäß § 242 BGB, weil sie seit Ende November 2012 von dem erneuten Teilzeitwunsch der Klägerin gewusst habe und diesen im Rahmen der Personalfluktuation vor Neueinstellungen hätte berücksichtigen müssen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, dem Antrag der Klägerin auf Reduzierung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit auf 20 Stunden ab dem 01.04.2014 bis zum 04.02.2016 zuzustimmen,

2. für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1 die Beklagte zu verurteilen, die Arbeitszeit der Klägerin vom 01.04.2014 bis zum 04.02.2016 auf Montag bis Freitag, 09:00 Uhr bis 13:00 Uhr festzulegen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, die Klägerin habe zuletzt das H.-Magazin betreut. Nach dem Wegfall dieser Beschäftigungsmöglichkeit bestehe keine anderweitige Möglichkeit, die Klägerin zu beschäftigen. Die wirtschaftliche Situation und Auftragslage der Beklagten hätten sich seit April 2012 deutlich negativ verändert. Das spiegele sich vor allem auch in der Anzahl der noch in der Betriebsstätte H1 Weg in Hamburg tätigen Mitarbeiter/innen wider. Per Februar 2014 beschäftige die Beklagte dort noch 27 Arbeitnehmer/innen, davon zwei in Teilzeit. Mitte April 2012 seien es noch 39 Arbeitnehmer/innen gewesen, davon sechs in Teilzeit. Die Beklagte habe auch betriebsbedingte Kündigungen aussprechen müssen. Auch die Stelle, die die Klägerin bis Ende 2012 inne gehabt habe, sei nicht anderweitig besetzt worden.

Die Äußerungen des Mitgeschäftsführers S. in dem Interview gemäß Anlage K 8 stünden dieser Entwicklung nicht entgegen. In derartigen Interviews gehe es um das Hervorheben von Stärken zwecks Erzielung eines werbenden Effekts bei dem einen oder anderen Kunden. Anderenfalls verletze ein Geschäftsführer seine Amtspflichten. Die Beklagte habe im Jahr 2013 mehr Kunden bzw. Aufträge verloren als sie durch neu gewonnene Kunden / Aufträge habe kompensieren können. Ihre Umsatzrendite habe sich seit 2009 aufgrund des Geschäftsrückgangs halbiert. Die positive Entwicklung im Digitalbereich gehe zu Lasten des klassischen Verlagsgeschäfts, im Rahmen dessen die Klägerin tätig gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens beider Parteien und ihrer Beweisangebote wird gemäß §§ 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO, 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG ergänzend auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die zu Protokoll gegebenen Erklärungen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig und begründet.

1. Die Klage ist zulässig.

a) Die Klaganträge sind hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Den Anträgen ist im Einzelnen zu entnehmen, was genau von der Beklagten verlangt wird.

b) Für die Klageanträge besteht auch das erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis. Es ergibt sich regelmäßig schon daraus, dass der erhobenen Anspruch nicht erfüllt ist (BAG vom 15.12.2009 – 9 AZR 72/09, Rn. 25 bei juris).

Das Rechtsschutzbedürfnis besteht auch für den mittlerweile beendeten Zeitraum seit dem 01.04.2014 fort. Die hierfür verlangte Elternteilzeit kann wegen möglicher Ansprüche auf Annahmeverzugsvergütung noch finanzielle Auswirkungen haben (vgl. BAG a.a.O. m.w.N.).

 

2. Die Klage ist auch begründet.

a) Die Klägerin kann von der Beklagten gemäß § 15 Abs. 6 BEEG die Zustimmung zur Reduzierung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit auf 20 Stunden ab dem 01.04.2014 bis zum 04.02.2016 verlangen, denn die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 15 Abs. 6 und Abs. 7 BEEG sind erfüllt.

Die Klage ist nicht schon deswegen unbegründet, weil die Klägerin die rückwirkende Verringerung und Neuverteilung ihrer Arbeitszeit ab dem 01.04.2014 verlangt. Seit Inkrafttreten des § 311a BGB in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 (BGBl. I S. 3138) kommt auch die Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung in Betracht, mit der ein Vertragsangebot angenommen werden soll, dass rückwirkend auf eine Vertragsänderung zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt gerichtet ist. Die erstrebte Fiktion der Abgabe der Annahmeerklärung nach § 894 Satz 1 ZPO soll zum Abschluss eines Vertrags führen, der rückwirkend Rechte und Pflichten begründet (BAG a.a.O., Rn. 27 m.w.N.).

Die Klägerin befindet sich in der streitgegenständlichen Zeit in Elternzeit. Die Beklagte beschäftigt gemäß § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BEEG mehr als 15 Arbeitnehmer. Das Arbeitsverhältnis der Parteien besteht gemäß § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 BEEG in demselben Betrieb und Unternehmen in Hamburg ohne Unterbrechung länger als sechs Monate.

Die Klägerin begehrt die Reduzierung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit auf 20 Wochenstunden gemäß § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BEEG. Sie hat der Beklagten ihren Anspruch gemäß § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BEEG länger als sieben Wochen vor Beginn der gewünschten Arbeitszeitreduzierung schriftlich mitgeteilt. Das Schreiben vom 29.11.2012 war dafür noch nicht ausreichend, weil der exakte Umfang der Arbeitszeitreduzierung daraus noch nicht ersichtlich war, denn die Klägerin wünschte eine wöchentliche Arbeitszeit von „20 – 25 Stunden“. Eine ordnungsgemäße und rechtzeitige Mitteilung des Anspruchs erfolgte aber mit dem Anwaltsschreiben vom 08.10.2013 mit dem Verweis auf den Inhalt der vorherigen Teilzeitregelung sowie nochmals mit Anwaltsschreiben vom 28.11.2013. Die Beklagte hat die von der Klägerin beanspruchte Verringerung der Arbeitszeit mit ihrem Anwaltsschreiben vom 01.11.2013 und damit innerhalb von vier Wochen seit dem Anspruchsschreiben der Klägerin vom 08.10.2013 mit schriftlicher Begründung abgelehnt. Gemäß § 15 Abs. 7 Satz 5 BEEG konnte die Klägerin daher Klage vor dem Gerichten für Arbeitssachen erheben.

Dem Anspruch der Klägerin auf Reduzierung ihrer Arbeitszeit stehen keine dringenden betrieblichen Gründe gemäß § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG entgegen. Bei diesem Ablehnungsrecht des Arbeitgebers handelt es sich um eine negative Anspruchsvoraussetzung für den geltend gemachten Teilzeitanspruch. Die tatsächlichen Voraussetzungen für diese negative Anspruchsvoraussetzung hat der Arbeitgeber darzulegen und ggf. zu beweisen (BAG vom 15.04.2008 – 9 AZR 380/07, Rn. 26 bei juris m.w.N.). Dieser Darlegungslast hat die Beklagte nicht entsprochen.

Ein dem Teilzeitbegehren entgegenstehender dringender betrieblicher Grund liegt vor, wenn für die begehrte Teilzeittätigkeit während der Elternzeit kein entsprechender Beschäftigungsbedarf besteht (BAG a.a.O., Rn. 33 und 36 m.w.N.). Dass diese Voraussetzung vorliegt, ist dem Vortrag der Beklagten nicht mit hinreichender Substanz zu entnehmen.

Dem steht insbesondere der Beschäftigungsbedarf entgegen, der sich aus der im März 2014 erfolgten Stellenausschreibung (Anlage K 14, Bl. 61 d. A.) für eine Tätigkeit als Operation Manager (Hamburg) per sofort in Vollzeit ergeben hat. Die auf diesem Arbeitsplatz auszuübenden Tätigkeiten entsprechen unstreitig im Wesentlichen den früheren Tätigkeiten der Klägerin als Chefin vom Dienst in Bezug auf das H.-Magazin. Die Beklagte trägt auch selbst nicht vor, zumindest erfolglos versucht zu haben, den neben dem Teilzeitvolumen der Klägerin zur Auffüllung auf einen Vollzeitbedarf erforderlichen weiteren Teilzeitbedarf mit einer weiteren Arbeitskraft abzudecken, oder dass und weshalb dieser Arbeitsplatz nur mit einer Vollzeitkraft abgedeckt werden kann.

Dem vorstehenden Ergebnis steht zwar die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entgegen, der zufolge es für die Beurteilung der Frage, ob dem Teilzeitbegehren dringende betriebliche Gründe entgegenstehen, auf den Zeitpunkt der Ablehnung durch den Arbeitgeber ankomme (BAG vom 15.12.2009 – 9 AZR 72/09, Rn. 30 und 51 bei juris m.w.N.). Würde man dieser Rechtsprechung folgen, wäre die Stellenausschreibung im März 2014 irrelevant, denn die Beklagte hat das Teilzeitbegehren der Klägerin bereits mit Schreiben vom 01.11.2013 schriftlich abgelehnt.

Der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt folgt die Kammer aber nicht. Das Bundesarbeitsgericht hat sein Ergebnis zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt bisher nur thesenartig formuliert und dabei auf seine Rechtsprechung zum Teilzeitanspruch außerhalb der Elternzeit gemäß § 8 TzBfG verwiesen (BAG vom 15.12.2009 – 9 AZR 72/09, Rn. 51 mit Verweis auf das Urteil vom 24.06.2008 – 9 AZR 313/07, Rn. 24 bei juris). Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt im Rahmen des Teilzeitanspruchs außerhalb der Elternzeit gemäß § 8 TzBfG beruht aber maßgeblich auf Erwägungen, die nur im Rahmen des § 8 TzBfG, nicht hingegen im Rahmen des § 15 BEEG maßgeblich sind. Nach § 8 Abs. 6 TzBfG kann der Arbeitnehmer eine erneute Verringerung der Arbeitszeit frühestens nach Ablauf von zwei Jahren verlangen, nachdem der Arbeitgeber das vorherige Vertragsänderungsangebot berechtigt abgelehnt hat. Der Arbeitnehmer ist daran für zwei Jahre gebunden, auch wenn sich zwischenzeitlich die Voraussetzungen zu seinen Gunsten ändern. Das Gesetz will den Arbeitgeber nach einer berechtigten Ablehnung für zwei Jahre vor einer erneuten Überprüfung der betrieblichen Verhältnisse in Bezug auf den Arbeitszeitwunsch des Arbeitnehmers schützen. Dieses Ziel wäre nicht erreichbar, wenn man den Arbeitgeber während eines laufenden Verfahrens zu eben dieser Überprüfung anhalten würde (BAG vom 18.02.2003 – 9 AZR 356/02, Rn. 37 bei juris m.w.N.).

Eine Regelung wie § 8 Abs. 6 TzBfG enthält § 15 BEEG aber nicht. Ohne weitere zeitliche Eingrenzung regelt § 15 Abs. 6 BEEG lediglich, dass unter den Voraussetzungen des Abs. 7 während der Gesamtdauer der Elternzeit zweimal eine Verringerung der Arbeitszeit beansprucht werden kann. Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob dem Teilzeitbegehren während der Elternzeit dringende betriebliche Gründe entgegenstehen, ist deshalb nicht der Zeitpunkt der Ablehnung des Teilzeitbegehrens durch den Arbeitgeber, sondern der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung (ebenso Gaul in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 5. Aufl. 2012, § 15 BEEG Rn. 19, 28). Im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vom 08.05.2014 lag der Beschäftigungsbedarf auf der Grundlage der Stellenausschreibung aus März 2014 bereits vor.

Selbst wenn man den vorstehenden Ausführungen nicht folgt und mit dem Bundesarbeitsgericht für die Beurteilung der Frage, ob dem Teilzeitbegehren dringende betriebliche Gründe entgegenstehen, den Zeitpunkt der Ablehnung des Teilzeitbegehrens durch den Arbeitgeber für maßgeblich hält, ergibt sich im Ergebnis nichts anderes. Dem Vortrag der Beklagten ist nicht mit hinreichender Substanz zu entnehmen, dass am 01.11.2013 kein Beschäftigungsbedarf für die begehrte Teilzeittätigkeit der Klägerin ab dem 01.04.2014 prognostiziert werden konnte.

Für die Darlegung dringender betrieblicher Gründe muss der Arbeitgeber die zugrunde liegenden Tatsachen bezeichnen. Die Anforderungen unterscheiden sich insoweit nicht von denjenigen für den nach § 1 Abs. 2 KSchG gebotenen Vortrag zur Begründung einer betriebsbedingten Kündigung (BAG vom 05.06.2007 – 9 AZR 82/07, Rn. 53 bei juris). Die Ausgangssituationen sind vergleichbar. In beiden Varianten geht es um den unbestimmten Rechtsbegriff „dringende betriebliche“ Gründe bzw. Erfordernisse. Im Kündigungsrecht müssen sie einer dauerhaften Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen. Im Recht der Elternteilzeit müssen sie einer befristeten Beschäftigung mit der gewünschten verringerten Arbeitszeit entgegenstehen.

Berücksichtigungsfähig sind danach beispielhaft: Schließung des Betriebs/der Abteilung, Auflösung der Arbeitsgruppe, Verlagerung der Arbeiten auf Dritte und ähnliche Umstände. Dabei ist wie im Kündigungsrecht näher zu konkretisieren, aufgrund welcher Umstände kein betrieblicher Beschäftigungsbedarf besteht (BAG a.a.O., Rn. 54).

Abzustellen ist nur auf die Tätigkeit, die der Arbeitnehmer vor Beginn der Elternzeit auf seinem Arbeitsplatz ausgeübt hat. In die erforderliche Darlegung sind alle Aufgaben einzubeziehen, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aufgrund seines Weisungsrechts (§ 106 GewO) übertragen kann. Regelmäßig wird das erfordern, dass der Arbeitgeber seinen insoweit bestehenden Gesamtbedarf an Arbeitskapazität vorträgt und dem die tatsächliche Besetzungssituation gegenüberstellt. Insbesondere bei größeren Betrieben kann hierauf wegen der dynamischen Entwicklung im Personalbereich durch Fluktuation oder Inanspruchnahme von Elternzeit nicht verzichtet werden (BAG a.a.O.).

Bei Anwendung dieser Maßstäbe genügt der Vortrag der Beklagten nicht zur Darlegung dringender betrieblicher Gründe, die dem Teilzeitbegehren der Klägerin entgegenstehen sollen. Die Beklagte hat nicht ihren Gesamtbedarf an Arbeitszeitkapazität in Bezug auf diejenigen Aufgaben vorgetragen, die sie der Klägerin aufgrund ihres Weisungsrechts übertragen kann, und dem auch nicht die diesbezügliche tatsächliche Besetzungssituation gegenübergestellt. Sie hat lediglich einen Rückgang der Beschäftigtenzahl in ihrem Betrieb am H1 Weg in Hamburg dargelegt. Ob das auch mit einem entsprechenden tatsächlichen Rückgang des Arbeitsvolumens in Bezug auf Tätigkeiten einherging, die die Beklagte der Klägerin aufgrund ihres Weisungsrechts übertragen kann, ergibt sich daraus noch nicht ohne weiteres.

Anlass zu näherem Vortrag ergab sich zusätzlich aus den unstreitigen Äußerungen des Mitgeschäftsführers S. in dem Interview für die Fachzeitschrift C. gemäß der Veröffentlichung vom 14.01.2014. Der Beklagten ist zwar zuzugestehen, dass der Schwerpunkt der Äußerungen in einem derartigen Interview nicht in der Hervorhebung von Schwächen, sondern im Gegenteil in der Hervorhebung von Stärken liegen muss, wenn ein solches Interview aus der Sicht des Interviewten die beabsichtigten Wirkungen haben soll. Herr S. hat aber nicht nur den Hinzugewinn neuer Kunden angesprochen, sondern – insoweit im Gegensatz zu dem Prozessvortrag der Beklagten – erklärt, die Beklagte habe auch das Geschäft mit ihren Bestandkunden weiter ausbauen können.

b) Die Klägerin kann von der Beklagten auch die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit auf Montag bis Freitag von 09:00 Uhr bis 13:00 Uhr verlangen.

Die Verteilung der Arbeitszeit ist gemäß § 106 GewO nach billigem Ermessen näher zu bestimmen. Das hat die Beklagte nicht getan, weil sie die Teilzeittätigkeit der Klägerin grundsätzlich ablehnt. Gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 BGB ist die Verteilung der Arbeitszeit deshalb durch Urteil zu bestimmen. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Arbeitszeit der Klägerin schon während ihrer vorherigen Teilzeittätigkeit genauso verteilt war wie sie es jetzt verlangt. Dem Vortrag der Parteien ist nicht zu entnehmen, weshalb diese Arbeitszeitverteilung nunmehr nicht mehr der Billigkeit entsprechen könnte. Auch ansonsten sind keine diesbezüglichen Umstände ersichtlich.

II.

1. Als unterliegende Partei des Rechtsstreits hat die Beklagte gemäß §§ 91 ZPO, 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG dessen Kosten zu tragen.

2. Der Wert des Streitgegenstandes war gemäß §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 3 ZPO in Anlehnung an § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG in Höhe der dreijährigen Differenz zwischen dem Vollzeitgehalt und dem bei Verringerung der Arbeitszeit nach dem Wunsch der Klägerin einschlägigen Teilzeitgehalt, jedoch begrenzt auf den gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG für einen Beendigungsstreit maßgeblichen Vierteljahresverdienst bei Vollzeittätigkeit festzusetzen (vgl. LAG Hamburg vom 16.03.2011 – 7 Ta 4/11, Rn. 8 f. bei juris m.w.N.), mithin auf 3 x € 3.650,00 = € 10.950,00.

3. Für den Fall, dass sich eine etwaige Berufung nur auf einen geringfügigen Zeitraum mit einem Gegenstandswert von nicht mehr als € 600,00 bezieht, war die Berufung gemäß § 64 Abs. 3a ArbGG nicht gesondert zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG vorliegt. Im Übrigen ist die Berufung bereits aufgrund der gesetzlichen Regelung in § 64 Abs. 2b ArbGG zulässig.

 

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