Skip to content

Überstunden – Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers

Rechtliche Auseinandersetzung um Vergütungsansprüche

Die vorliegende rechtliche Auseinandersetzung hat ihren Ursprung in einem Streit um Vergütungsansprüche, die aus einem inzwischen beendeten Arbeitsverhältnis resultieren. Der Kläger, welcher in der Zeit vom 18. September 2020 bis zum 31. März 2022 bei der Beklagten als Lagermitarbeiter und Servicetechniker tätig war, beruft sich auf seinen Arbeitsvertrag vom 5. Mai 2020. Dieser Vertrag legt fest, dass der Kläger bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden eine Bruttomonatsvergütung von 2.500,00 Euro erhalten sollte. Das Hauptgeschäftsfeld des Unternehmens der Beklagten liegt in der Entfernung von Umweltbelastungen, speziell in den Bereichen Wasser, Luft und Boden.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 9 Sa 1231/22 >>>

Das Wichtigste in Kürze


  • Vergütungspflichtige Über- und Mehrarbeit sollte in Freizeit abgegolten werden oder, wenn dies nicht möglich ist, in Geld.
  • Der Kläger nutzte eine elektronische Arbeitszeiterfassung im Betrieb der Beklagten, die Anfang und Ende der täglichen Arbeitszeit, Pausen und andere relevante Daten erfasste.
  • Es gab eine Diskrepanz zwischen den geleisteten Überstunden des Klägers laut Arbeitszeiterfassung und den abgerechneten Stunden.
  • Das Arbeitsgericht wies die Klage des Klägers ab, da er nicht nachweisen konnte, dass er mehr Arbeitsstunden geleistet hatte als im Zeiterfassungssystem angegeben.
  • Der Kläger legte Berufung gegen das Urteil ein.
  • Die Beklagte legte detaillierte Monatsjournale aus der elektronischen Zeiterfassung vor und argumentierte, dass der Kläger weniger Überstunden geleistet hatte als ursprünglich abgerechnet.
  • Der Kläger konnte nicht konkret darlegen, warum die Daten aus der Arbeitszeiterfassung nicht korrekt sein sollten.

Vertragsdetails und Arbeitszeiterfassung

Überstunden – Darlegungs- und Beweislast
Streit um Vergütungsansprüche: Die Bedeutung klarer Arbeitsverträge und transparenter Zeiterfassung. (Symbolfoto: fizkes /Shutterstock.com)

Ein zentraler Punkt des Arbeitsvertrages, der für diesen Fall von besonderer Bedeutung ist, bezieht sich auf die Vergütung und die Regelung von Überstunden. Gemäß § 3 des Vertrages sollte die Vergütung des Klägers am Ende eines jeden Monats fällig und zahlbar sein. Weiterhin legt § 5 des Vertrages fest, dass vergütungspflichtige Über- und Mehrarbeit in erster Linie durch Freizeit ausgeglichen werden sollte. Nur wenn ein Freizeitausgleich aus besonderen Gründen nicht möglich ist, sollte eine monetäre Vergütung für die geleisteten Überstunden erfolgen.

Für die Erfassung der Arbeitszeit des Klägers wurde ein elektronisches System verwendet. Dieses System erfasste den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit, Pausenzeiten, Ist- und Soll-Arbeitszeiten sowie die täglichen und monatlichen Salden. Der Kläger nutzte für die Zeiterfassung eine persönliche Zeitkarte, die er an eine technische Vorrichtung, auch „Stempeluhr“ genannt, in der Lagerhalle hielt.

Urteilsfindung und Konsequenzen

Das Landesarbeitsgericht Hamm hat in seiner Entscheidung die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herford zurückgewiesen. Dies bedeutet, dass das ursprüngliche Urteil des Arbeitsgerichts Herford bestätigt wurde. Eine Revision des Urteils wurde nicht zugelassen, was die Endgültigkeit dieser Entscheidung unterstreicht.

Die Tragweite dieses Urteils ist insbesondere für Arbeitsverhältnisse von Bedeutung, in denen Überstundenregelungen und deren Vergütung im Mittelpunkt stehen. Es betont die Wichtigkeit klarer vertraglicher Regelungen und einer transparenten Arbeitszeiterfassung. Unternehmen sollten daher darauf achten, Arbeitsverträge präzise zu formulieren und sicherzustellen, dass sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer ihre Rechte und Pflichten kennen und einhalten.

Kernpunkte und Bedeutung des Falles

Der vorliegende Fall unterstreicht die Notwendigkeit klarer vertraglicher Regelungen im Arbeitsrecht, insbesondere im Hinblick auf die Vergütung von Überstunden. Er zeigt auch, wie wichtig eine transparente und nachvollziehbare Arbeitszeiterfassung ist, um spätere rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm bestätigt die Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts Herford und setzt damit einen wichtigen Akzent in der Rechtsprechung zu vergütungspflichtigen Überstunden und deren Abgeltung.

➨ Unklare Überstundenregelungen? Ihr Recht auf Vergütung!

In Arbeitsverhältnissen können Unstimmigkeiten bezüglich Überstunden und deren Vergütung zu erheblichen rechtlichen Auseinandersetzungen führen. Ein transparentes Arbeitszeiterfassungssystem und präzise vertragliche Regelungen sind essenziell, um solche Konflikte zu vermeiden. Als Fachanwalt für Arbeitsrecht biete ich Ihnen eine fundierte Ersteinschätzung zu Ihrem individuellen Fall und stehe Ihnen anschließend für eine umfassende Beratung zur Verfügung. Gemeinsam klären wir Ihre Ansprüche und finden den besten Weg, diese durchzusetzen. Nehmen Sie Kontakt auf und sichern Sie sich Ihre rechtmäßige Vergütung.

✉ jetzt anfragen!

Überstunden – Darlegungs- und Beweislast – kurz erklärt


Der Anspruch auf Vergütung von Überstunden setzt voraus, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder zumindest zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren. In einem Rechtsstreit über die Vergütung von Überstunden trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlich geleisteten Überstunden. Dies bedeutet, dass der Arbeitnehmer konkret darlegen und beweisen muss, wann und in welchem Umfang er Überstunden geleistet hat und dass diese vom Arbeitgeber in der oben genannten Weise anerkannt wurden. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat diese Grundsätze zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast entwickelt und bestätigt.


Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) – Az.: 9 Sa 1231/22 – Urteil vom 24.05.2023

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 17. November 2022 – 3 Ca 509/22 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche des Klägers aus einem inzwischen beendeten Arbeitsverhältnis.

Der Kläger war aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 5. Mai 2020 in der Zeit vom 18. September 2020 bis zum Ablauf des 31. März 2022 bei der Beklagten als Lagermitarbeiter und Servicetechniker angestellt. Die Bruttomonatsvergütung betrug bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden zuletzt 2.500,00 Euro.

Gegenstand des Unternehmens der Beklagten ist die Entfernung von Umweltbelastungen in den Bereichen Wasser, Luft und Boden (AG Bad Oeynhausen HRA XXXX).

Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 5. Mai 2020 lautet auszugsweise wie folgt:

„[…]

§ 3 Vergütung

1. Für die Tätigkeit erhält der Arbeitnehmer ein monatliches Bruttoentgelt von

EUR […]

fällig und zahlbar am Ende eines jeden Monats.

[…]

§ 5 Arbeitszeit/Überstunden/Sonderzeiten

[…]

4. Sollten vergütungspflichtige Über- und Mehrarbeit geleistet werden, sind derartige Leistungen in Freizeit abzugelten nach Vorgabe und Abstimmung mit der Firma. Ist Freizeitausgleich aus besonderen Gründen nicht möglich, werden Über- und Mehrarbeit in Geld abgegolten. […]

[…]“

Der Kläger nahm an der im Betrieb der Beklagten eingerichteten elektronischen Arbeitszeiterfassung teil. Im Rahmen der Zeiterfassung wurden unter anderem Anfang und Ende der täglichen Arbeitszeit, Pause, Ist- und Sollwerte sowie tage- und monatsbezogen die bestehenden Salden festgehalten. Die konkrete Zeiterfassung erfolgte im Falle des Klägers dergestalt, dass er jeweils seine persönliche Zeitkarte an die in der Lagerhalle angebrachte technische Vorrichtung („Stempeluhr“) hielt. Nach den im Rahmen des elektronischen Zeiterfassungssystems erstellten Monatsjournalen weist das Arbeitszeitkonto des Klägers für die Monate September 2020 bis zum Ablauf des 31. März 2022 – hier ausgewiesen in Industrieminuten – folgende Salden auf:

  • September 2020 -15,75
  • Oktober 2020 18,50
  • November 2020 12,00
  • Dezember 2020 -15,00
  • Januar 2021 -20,00
  • Februar 2021 -21,00
  • März 2021 -19,00
  • April 2021 -20,25
  • Mai 2021 18,00
  • Juni 2021 28,50
  • Juli 2021 28,25
  • August 2021 37,25
  • September 2021 34,75
  • Oktober 2021 21,00
  • November 2021 -09,25
  • Dezember 2021 30,50
  • Januar 2022 32,00
  • Februar 2022 04,00
  • März 2022 20,75

Mit der Vergütungsabrechnung für den Monat Februar 2022 rechnete die Beklagte unter anderem 50 Überstunden mit einem Stundenlohn in Höhe von jeweils 10,00 Euro brutto ab und zahlte den entsprechenden Nettobetrag an den Kläger aus. Mit der Abrechnung für den Monat März 2022 wurden weitere 100 Stunden mit einem Stundenlohn in Höhe von jeweils 10,00 Euro brutto abgerechnet. Der entsprechende Nettobetrag wurde an den Kläger ausgezahlt. Schließlich wurden mit einer Korrekturabrechnung für den Monat März 2022 im April 2022 weitere 149,50 Überstunden mit einem Bruttostundenlohn in Höhe von jeweils 10,00 Euro abgerechnet. Der entsprechende Nettobetrag wurde an den Kläger ausgezahlt. Insgesamt rechnete die Beklagte mithin für 299,50 Überstunden einen Gesamtbetrag in Höhe von 2.995,00 Euro brutto ab und zahlte den entsprechenden Nettobetrag an den Kläger aus.

Durch außergerichtliches Schreiben seiner späteren Prozessbevollmächtigten vom 27. Mai 2022 forderte der Kläger die Beklagte auf, bis zum Ablauf des 17. Juni 2022 für 299,50 Überstunden statt eines Stundenlohns in Höhe von 10,00 Euro brutto einen Stundenlohn in Höhe von 14,42 Euro brutto abzurechnen und den sich ergebenden Differenzbetrag in Höhe von insgesamt 1.323,79 Euro brutto an den Kläger zu zahlen. Dem kam die Beklagte nicht nach.

Mit Klageschrift vom 19. Juli 2022, beim Arbeitsgericht eingegangen am 20. Juli 2022 und der Beklagten zugestellt am 21. Juli 2022, hat der Kläger sein Zahlungsbegehren weiterverfolgt.

Der Kläger ist der Auffassung gewesen, dass er einen Anspruch auf Vergütung von insgesamt 299,50 Überstunden zu einem Stundenlohn in Höhe von 14,42 Euro brutto habe. Der Stundenlohn ergebe sich aus der Bruttomonatsvergütung in Höhe von zuletzt 2.500,00 Euro und einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden.

Der Kläger hat – soweit im Rahmen des Berufungsverfahrens noch von Bedeutung – beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.323,79 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. Juni 2022 zu zahlen.

Die Beklagte hat – soweit im Rahmen des Berufungsverfahrens noch von Bedeutung – beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, die Abrechnung von 299,50 Überstunden sei ebenso aufgrund eines Versehens erfolgt wie die Zugrundelegung des zugestanden unzutreffenden Stundenlohns in Höhe von 10,00 Euro brutto. Der Kläger habe insgesamt lediglich 183,75 Stunden als Überstunden geleistet. Dies ergebe sich aus den Daten der Arbeitszeiterfassung. Eine Mitarbeiterin habe versehentlich eine unzutreffende Anzahl der Stunden in eine Excel-Tabelle übertragen, welche Grundlage für die Entgeltabrechnung gewesen sei. Dementsprechend seien dann auch fehlerhaft 299,50 Stunden abgerechnet worden. Zugestanden werde, dass der Kläger einen Stundenlohn in Höhe von 14,42 Euro brutto beanspruchen könne. Insofern handele es sich um ein weiteres Versehen. Aus 183,75 Stunden entsprechend den Aufzeichnungen des Zeiterfassungssystems und einem Stundenlohn in Höhe von 14,42 Euro brutto ergebe sich ein Gesamtbetrag in Höhe von 2.649,67 Euro brutto. Die Beklagte meint, der klägerische Anspruch auf Überstundenvergütung sei damit nicht nur erfüllt, der Kläger sei vielmehr überzahlt. Denn er habe einen Betrag in Höhe von 2.995,00 Euro brutto erhalten.

Mit Urteil vom 17. November 2022, dem Kläger zugestellt am 25. November 2022, hat das Arbeitsgericht – soweit für das Berufungsverfahren relevant – die Klage abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat zur Begründung insbesondere ausgeführt, der Kläger habe nicht dargelegt, inwieweit er über die im Zeiterfassungssystem ausgewiesenen Stunden hinaus Arbeitsleistungen erbracht habe.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der von ihm eingelegten Berufung, welche mittels Berufungsschrift am 22. Dezember 2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und mit am 25. Januar 2022 eingegangenem Schriftsatz begründet worden ist.

Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, dass er eine Vergütung für 299,50 Überstunden verlangen könne. Die Aufzeichnungen aus dem Zeiterfassungssystem seien „manipuliert“. Im Übrigen habe die Beklagte nicht konkret dargelegt, weshalb und inwieweit es aufseiten der Beklagten im Rahmen der Abrechnung zu einem vermeintlichen, seinerseits bestrittenen Versehen kommen konnte.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 17. November 2022 – 3 Ca 509/22 – teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.323,79 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. Juni 2022 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint weiterhin, dass der Kläger überzahlt worden sei und lediglich eine Vergütung für geleistete 183,75 Stunden zu jeweils 14,42 Euro brutto habe beanspruchen können. Insofern seien die Ansprüche des Klägers mehr als erfüllt.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 519 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 66 Abs. 1 S. 1 und 2 ArbGG am 22. Dezember 2022 gegen das am 25. November 2022 zugestellte Urteil innerhalb der Monatsfrist form- und fristgerecht eingelegt, sowie innerhalb der Berufungsbegründungsfrist gemäß § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG ordnungsgemäß im Sinne der §§ 520 Abs. 3 ZPO, 64 Abs. 6 ArbGG am 25. Januar 2023 begründet worden.

II. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Denn die zulässige Klage ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zurecht abgewiesen.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte gemäß §§ 611 Abs. 1, 2. Hs., 611 a Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 3 Ziffer 1, 5 Ziffer 4 S. 2 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 5. Mai 2020 auf Zahlung eines Betrags in Höhe von 1.323,79 Euro brutto.

a) Die Arbeitgeberin ist gemäß § 611a Abs. 2 BGB zur Gewährung der vereinbarten Vergütung für die vereinbarte Arbeitsleistung verpflichtet. Legen die Parteien einen bestimmten zeitlichen Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung fest, betrifft die Entgeltzahlungspflicht zunächst (nur) die Vergütung der vereinbarten Normalarbeitszeit. Erbringt der Arbeitnehmer Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang, ist die Arbeitgeberin zu deren Vergütung nur verpflichtet, wenn sie die Leistung von Überstunden veranlasst hat oder sie ihr zumindest zuzurechnen ist. Insoweit trifft den Arbeitnehmer bzgl. der anspruchsbegründenden Umstände die Darlegungs- und Beweislast. Die Arbeitgeberin muss sich Leistung und Vergütung von Überstunden nicht aufdrängen lassen. Der Arbeitnehmer kann nicht durch überobligatorische Mehrarbeit seinen Vergütungsanspruch selbst bestimmen (vgl. BAG 4. Mai 2022 – 5 AZR 474/21; BAG 4. Mai 2022 – 5 AZR 359/21; BAG 10. April 2013 – 5 AZR 122/12). Für die arbeitgeberinnenseitige Veranlassung und Zurechnung als – neben der Überstundenleistung – weitere Voraussetzung eines Anspruchs auf Überstundenvergütung müssen Überstunden von der Arbeitgeberin angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sein (st. Rspr., vgl. BAG 4. Mai 2022 – 5 AZR 474/21; BAG 4. Mai 2022 – 5 AZR 359/21; BAG 10. April 2013 – 5 AZR 122/22). Auch für diese Voraussetzung trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BAG 4. Mai 2022 – 5 AZR 474/21; BAG 4. Mai 2022 – 5 AZR 359/21; BAG 25. März 2015 – 5 AZR 602/13; BAG 10. April 2013 – 5 AZR 122/22).

Erfolgt entsprechender Vortrag des Arbeitnehmers, muss die Arbeitgeberin im Rahmen einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast substantiiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten sie dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen nachgekommen oder nicht nachgekommen ist. Trägt sie nichts vor oder lässt sie sich nicht substantiiert ein, gelten die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Arbeitsstunden als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO; statt aller: BAG 26. Juni 2019 – 5 AZR 452/18).

Gelingt dem Arbeitnehmer im Falle substantiierten Bestreitens durch die Arbeitgeberin die abschließende Darlegung und der Beweis hingegen nicht, muss er das Risiko des Prozessverlustes tragen, wenn sich die sein Begehren tragenden Tatsachen nicht feststellen lassen. Denn die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen trägt, wer den Anspruch erhebt (BAG 18. April 2012 – 5 AZR 248/11; BAG 24. Oktober 2001 – 5 AZR 245/00; BGH 18. Mai 1999 – X ZR 158/97).

b) Der Kläger ist der ihm obliegenden Darlegungslast nicht nachgekommen. Er hat nicht ausreichend zu konkret geleisteten, über die Normalarbeitszeit und die von der Beklagten bereits vergütete Arbeitszeit hinausgehenden, weiteren Arbeitsstunden vorgetragen.

aa) Der Kläger war mit dem Inhalt der durch die Beklagte erteilten Abrechnungen bzgl. des zugrunde gelegten Stundenlohns in Höhe von 10,00 Euro brutto für die geleistete, über die vertragliche Arbeitszeit hinausgehenden Arbeitsstunden nicht einverstanden und hat weitere Forderungen erhoben sowie diese klageweise geltend gemacht. Dabei war es im Rahmen der abgestuften Darlegungslast – zunächst – ausreichend, dass der Kläger mit seiner insoweit schlüssigen Klage auf die von der Beklagten im Rahmen der Abrechnungen selbst zugrunde gelegten 299,50 Arbeitsstunden Bezug genommen und diese zur Grundlage seiner Forderungen gemacht hat.

bb) Die Beklagte hat im vorliegenden Rechtsstreit sodann, nachdem sie zunächst insgesamt im Rahmen dreier Abrechnungen 299,50 Überstunden zugrunde gelegt hatte, die Monatsjournale aus der elektronischen Zeiterfassung vorgelegt und damit inhaltlich übereinstimmend zu den Stundensalden für jeden einzelnen Monat von September 2020 bis einschließlich März 2022 vorgetragen. Dahinstehen kann, dass sich die Beklagte im Rahmen ihres Prozessvortrags und der insoweit schriftsätzlich erfolgten Saldierung aller Monate – aus ihrer Perspektive: ein weiteres Mal – um 18,5 Stunden zugunsten des Klägers verrechnet hat. Nach den durch die Beklagte für die einzelnen Monate richtig wiedergegebenen Werten entsprechend den vorgelegten Monatsjournalen hat der Kläger insgesamt 165,25 Überstunden (und nicht 183,75 Stunden) erbracht. Dies ergäbe bei einem zwischen den Parteien außer Streit zugrunde zu legenden Stundenlohn in Höhe von 14,42 Euro brutto einen Anspruch des Klägers auf Zahlung eines Betrags in Höhe von insgesamt 2.382,91 Euro brutto, während die Beklagte bereits 2.995,00 Euro brutto an den Kläger gezahlt hat.

cc) Diese den Zahlen nach gegebene Widersprüchlichkeit zwischen erteilten Abrechnungen einerseits und Auszügen aus dem Zeiterfassungssystem andererseits geht nicht zulasten der Beklagten. Insbesondere ist die Beklagte nicht an die im Rahmen der Abrechnungen von ihr zunächst selbst zugrunde gelegten Stundenzahlen gebunden.

(1) Eine Mitteilung über die Zusammensetzung der Vergütung eines Arbeitnehmers durch die Arbeitgeberin dient in der Regel allein dem Mitteilungs- und Erläuterungszweck. Der Wille, eine Rechtswirkung herbeizuführen, ist einer derartigen Mitteilung regelmäßig nicht zu entnehmen. Eine einmal in einer schriftlichen Vergütungsabrechnung der Arbeitgeberin ausgewiesene Vergütungsforderung ist jedoch vorerst streitlos gestellt (statt aller: BAG 28. Juli 2010 – 5 AZR 521/09).

Diese Grundsätze sind auf die Ausweisung von Guthabenstunden in einem von der Arbeitgeberin für den einzelnen Arbeitnehmer geführten Arbeitszeitkonto, das einen Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers nur in anderer Form ausdrückt, zu übertragen. Die vorbehaltlose Mitteilung einer Arbeitgeberin an den Arbeitnehmer über den Stand des Arbeitszeitkontos stellt dessen Saldo ebenso streitlos wie eine Vergütungsmitteilung eine Geldforderung. Dem steht nicht entgegen, dass Buchungen und Gutschriften auf einem Arbeitszeitkonto ebenfalls kein Anerkenntnis im Rechtssinne, d.h. keine rechtsgeschäftliche Erklärung, sondern lediglich Wissenserklärungen darstellen (BAG 23. September 2009 – 5 AZR 973/08; BAG 19. März 2008 – 5 AZR 328/07).

(2) Im Streitfall wollte die Beklagte mit den Vergütungsabrechnungen für die Monate Februar 2022 und März 2022 sowie die Korrekturabrechnung aus dem Monat April 2022 für den Monat März 2022 erkennbar keine Vertragsänderung herbeiführen. Es handelte sich um Abrechnungen, mit denen die Beklagte ihrer Verpflichtung gemäß § 108 Abs. 1 GewO nachgekommen und mit der der Inhalt der Abrechnungen zunächst streitlos gestellt worden sind.

Allerdings hatte die Beklagte die Möglichkeit, den Forderungen des Klägers im vorliegenden Rechtsstreit substantiiert entgegenzutreten und – mangels deren Rechtsverbindlichkeit – von den Vergütungsabrechnungen abweichende Berechnungsgrundlagen vorzutragen. Dies ist vorliegend geschehen, indem die Beklagte nicht nur die sehr detaillierten Monatsjournale aus der elektronischen Zeiterfassung inklusive Anfang und Ende der täglichen Arbeitszeit, Pause, Ist- und Sollwerten sowie Salden vorgelegt, sondern auch konkret und inhaltlich damit übereinstimmend zu den monatlichen Salden der Monate September 2020 bis einschließlich März 2022, d.h. während des gesamten Bestands des Arbeitsverhältnisses, vorgetragen hat. Die Beklagte hat unter Vorlage sämtlicher Monatsjournale aus der elektronischen Zeiterfassung für die Monate September 2020 bis einschließlich März 2022 im Einzelnen dargelegt, an welchen Tagen der Kläger nach ihrer Wahrnehmung genau wie lange gearbeitet hat. Nur weil weder Gehaltsabrechnungen noch Arbeitszeitkonten für sich genommen ein Anerkenntnis im rechtlichen Sinne darstellen, konnte die Beklagte prozessual im Rahmen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast den nach ihrem Vortrag fehlerhaften Vergütungsabrechnungen substantiiert entgegentreten und dies mit den Zahlen aus der Arbeitszeiterfassung untermauern.

dd) Der Kläger hätte nun aufgrund eigener Wahrnehmung die Möglichkeit gehabt, dem Vortrag der Beklagten wiederum seinerseits entgegenzutreten und konkret vorzutragen, an welchen Tagen er über den in den Monatsjournalen der elektronischen Zeiterfassung ausgewiesenen Umfang hinaus gearbeitet hat. Dem ist er jedoch in keiner Weise nachgekommen. Er hat sich darauf beschränkt, der Beklagten ohne für die Kammer erkennbaren Anhaltspunkt eine „Manipulation“ der Monatsjournale zu unterstellen. Der vom Kläger nach dem Eindruck der Kammer „ins Blaue hinein“ erhobene Vorwurf ändert an der Verteilung der Darlegungslast nichts. Vielmehr hätte der Kläger im Rahmen der prozessualen Wahrheitspflicht gemäß § 138 Abs. 1 ZPO zu seiner eigenen Wahrnehmung obliegenden weiteren vermeintlich geleisteten Arbeitsstunden substantiiert vortragen müssen.

Von Bedeutung ist insoweit, dass die Angaben der elektronischen Zeiterfassung – anders als diejenigen in Vergütungsabrechnungen – keine allein von der Beklagten selbst zusammengestellten und berechneten Daten darstellen, sondern vom Kläger selbst durch das tägliche Ein- und Ausstempeln generiert worden sind. Die konkrete Zeiterfassung erfolgte dergestalt, dass der Kläger jeweils seine persönliche Zeitkarte an die in der Lagerhalle angebrachte „Stempeluhr“ hielt und die ausgewiesenen Werte damit selbst generierte. Dem darlegungs- und beweispflichtigen Kläger wäre dementsprechend die nähere Darlegung, warum die von der Beklagten vorgetragenen Daten seiner Wahrnehmung nach nicht der Realität entsprechen und „manipuliert“ sein sollen und – vor allem – woran er dies erkannt haben will, nicht unmöglich oder unzumutbar gewesen (vgl. hierzu die st. Rspr.: BAG 4. Mai 2022 – 5 AZR 474/21 m.w.N.; vgl. auch BGH 18. Januar 2018 – I ZR 150/15). Vorliegend hätte es konkreten, substantiierten Vortrags des Klägers bedurft, statt der Beklagten ohne erkennbaren Anhaltspunkt eine „Manipulation“ der Monatsjournale aus der elektronischen Arbeitszeiterfassung zu unterstellen.

ee) Nicht entscheidungserheblich war schließlich der Vortrag der Beklagten, es sei auf ihrer Seite insbesondere durch eine zuständige Mitarbeiterin zu einem Versehen dahingehend gekommen, dass fehlerhaft ein Überstundensaldo im Umfang von 299,50 Stunden in eine Excel-Tabelle übertragen worden sein soll und dieser dann ebenfalls fehlerhaft mit 10,00 Euro brutto je Stunde abgerechnet worden ist. Dementsprechend ist auch das Bestreiten dieses Vortrags durch den Kläger nicht streitentscheidend.

Vor dem Hintergrund der konkreten Ausführungen der Beklagten zum Umfang der Arbeitszeitsalden entsprechend der Monatsjournale erachtet es die Kammer gemäß § 286 Abs. 1 ZPO zwar als nicht lebensfremd, dass es aufseiten der Beklagten im Rahmen der Abrechnung zu einem entsprechenden menschlichen Versehen gekommen sein mag (vgl. zur Glaubhaftigkeit von Parteivorbringen im Zusammenhang mit der Vergütung von Überstunden sehr deutlich: BAG 10. April 2013 – 5 AZR 122/12). Dies ist jedoch für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits letztlich deshalb ohne Belang, weil Grundlage der Vergütung des Klägers nicht die Frage ist, wem in welchem Umfang aufgrund welcher Umstände aufseiten der Beklagten ein Versehen unterlaufen ist. Grundlage eines Vergütungsanspruchs können immer nur die tatsächlich durch den Kläger geleisteten Stunden gewesen sein, so dass es sich entgegen der Auffassung des Klägers bei den Umständen der fehlerhaften Abrechnung aufseiten der Beklagten zwar um den Ursprung des vorliegenden Rechtsstreits gehandelt haben mag, dies aber keinen entscheidungserheblichen anspruchsbegründenden oder -verhindernden Aspekt betrifft.

Die Beklagte hat unter Bezug auf die Monatsjournale aus der elektronischen Zeiterfassung substantiiert zu den vom Kläger über die Normalarbeitszeit hinausgehenden Arbeitsstunden vorgetragen, ohne dass der Kläger diesem erst- und zweitinstanzlich irgendwie mit eigenem Vortrag zu den nach seiner Auffassung geleisteten Stunden entgegengetreten wäre.

2. Mangels Bestehen eines Hauptanspruchs bestand auch kein Zinsanspruch des Klägers.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO.

IV. Ein gesetzlich begründbarer Anlass zur Zulassung der Revision liegt nicht vor, § 72 Abs. 2 Ziffer 1 und 2 ArbGG.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Arbeitsrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Arbeitsrecht. Vom Arbeitsvertrag bis zur Kündigung. Nehmen Sie noch heute Kontakt zu uns auf.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Arbeitsrecht einfach erklärt

Weitere interessante arbeitsrechtliche Urteile

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!