Überstunden sind in der Arbeitswelt kaum noch wegzudenken – Doch welche Regeln gelten?
Durch einen Arbeitsvertrag gehen sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer gleichermaßen ein arbeitsvertragsrechtliches Verhältnis miteinander ein, welches auf dem Arbeitsvertrag beruht. Aus dem Arbeitsvertrag heraus ergehen auch die Rechte und Pflichten, welche beide Vertragsparteien einzuhalten haben. Hierbei handelt es sich sozusagen um die geschäftlichen Konditionen des Vertragsverhältnisses.
Damit es später keine Missverständnisse oder Unklarheiten gibt wird der Arbeitsvertrag entsprechend in schriftlicher Form festgehalten und beiderseitig unterzeichnet, wobei natürlich auch die Arbeitszeiten fixiert werden. In der gängigen Praxis jedoch erfordert so manch ein Beruf auch eine gewisse Bereitschaft des Arbeitnehmers zu Überstunden, was natürlich auch wiederum für den Arbeitnehmer eine wahre Vielzahl von Fragen mit sich bringt. Es gibt jedoch im Hinblick auf die Überstunden sehr genaue gesetzliche Regelungen, die jeder Arbeitnehmer kennen sollte, da so manch ein Arbeitgeber auf die juristische Unwissenheit des Arbeitnehmers baut.
✔ Das Wichtigste in Kürze
- Überstunden sind in der Arbeitswelt weit verbreitet und durch gesetzliche Regelungen definiert.
- Ein Arbeitsvertrag legt die Rechte und Pflichten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer fest, einschließlich der Arbeitszeiten.
- Es gibt genaue gesetzliche Regelungen bezüglich Überstunden, die Arbeitnehmer kennen sollten.
- Betriebsbedingte Gründe können eine Anordnung von Überstunden rechtfertigen, z.B. ein hoher Krankenstand im Unternehmen.
- Das Arbeitszeitgesetz regelt die Obergrenzen und Voraussetzungen für Überstunden.
- Bei Teilzeitarbeitnehmern kann sich aus regelmäßigen Überstunden ein Anspruch auf Vollzeitbeschäftigung ergeben.
- Es gibt keine spezifische gesetzliche Regelung zur Vergütung von Überstunden in Deutschland; arbeitsvertragliche Regelungen sind entscheidend.
Grundsätzlich ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag heraus die Verpflichtung des Arbeitnehmers, in einem ganz bestimmten Rahmen Überstunden zu leisten. In diesem Zusammenhang muss jedoch auch erwähnt werden, dass bei Weitem nicht jede Klausel in einem Arbeitsvertrag diesbezüglich auch wirklich rechtlich gültig ist.
Ist ein Arbeitgeber dazu berechtigt, nach Gutdünken dem Arbeitnehmer Überstunden anzuordnen?
Diese Frage lässt sich im Grunde genommen nicht so allgemeinhin pauschal beantworten, da es stets auf die Rahmenumstände des Berufs sowie auch des Arbeitsvertrages ankommt. Der Gesetzgeber besagt, dass ein Arbeitgeber in gewissen Ausnahmesituationen die entsprechenden Ableistung von Überstunden von dem Arbeitnehmer verlangen darf. Der Grund hierfür kann in dem Umstand liegen, dass gewisse Arbeiten in der Regelarbeitszeit des Arbeitnehmers schlicht und ergreifend nicht verrichtet werden können. Die von Juristen sehr gern zitierte Antwort „es kommt darauf an!“ muss daher an dieser Stelle ebenfalls bemüht werden.
Was genau sind Überstunden eigentlich?
Als Überstunden werden in rechtlicher Hinsicht diejenigen Arbeitszeiten verstanden, in welchen ein Arbeitnehmer über die vertraglich vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinaus für den Arbeitgeber arbeitstechnisch tätig ist. Finden sich in dem Arbeitsvertrag entsprechende Regelungen, so ist ein Arbeitnehmer auch zu der Verrichtung der entsprechenden Überstunden verpflichtet.
Selbst dann, wenn es keine entsprechenden Regelungen bezüglich der Überstunden in dem Arbeitsvertrag gibt, kann ein Arbeitnehmer zu der Verrichtung von Überstunden verpflichtet werden. Dies ist dann der Fall, wenn es für die Überstunden dringende betriebsbedingte Gründe gibt.
Der Gesetzgeber in Deutschland hat jedoch zu dem Schutz der Arbeitnehmer gesetzliche Regelungen geschaffen, an welche die Arbeitgeber im Zusammenhang mit Überstunden gebunden sind. So darf beispielsweise ein Arbeitgeber nicht ohne einen wichtigen zwingenden Grund entsprechende Überstunden anordnen. Überdies ist auch ein Arbeitgeber an die vorherrschenden geltenden Tarif- sowie Arbeitsvertragsregelungen nebst entsprechender Betriebsvereinbarungen gebunden. Finden sich in diesen Regelungen keinerlei verpflichtenden Klauseln für Überstunden, so darf der Arbeitgeber die Überstunden nicht einfach nach Gutdünken anordnen. Betriebsbedingte Gründe ermöglichen jedoch diese Anordnung. Als betriebsbedingte Gründe gelten dabei diejenigen Gründe, die einen Arbeitgeber völlig unerwartet und unvorbereitet treffen. In der gängigen Praxis ist ein hoher Personalkrankenstand ein regelrechtes Musterbeispiel für eine derartige Sondersituation.
Welche rechtliche Grundlage gibt es für Überstunden
Die Überstunden sind ein wesentlicher Bestandteil des Arbeitszeitgesetzes und werden durch dieses Gesetz auch klar geregelt. In dem Arbeitszeitgesetz ist somit festgelegt
- welche Obergrenzen für Überstunden gelten
- welche Voraussetzungen für Überstunden vorliegen müssen
- welche Abgeltungsformen es für die Überstunden gibt
Im Hinblick auf die Obergrenzen für Überstunden ist festgelegt, dass Arbeitnehmer an entsprechenden Werktagen regelmäßig nicht mehr als acht Stunden Arbeit für den Arbeitgeber zu verrichten haben. Sollte der Arbeitgeber für einen entsprechenden Freizeitausgleich Sorge tragen, so kann diese Obergrenze jedoch auch auf eine Arbeitszeit von zehn Stunden täglich ausgedehnt werden. Der Freizeitausgleich muss jedoch binnen einer Frist von sechs Monaten ermöglicht werden. Der § 3 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) ist hierfür maßgeblich. Im Volksmund ist diese Praxis auch als „Überstundenabbummeln“ bekannt.
Die Ruhepausen werden ausdrücklich nicht als Arbeitszeit gewertet.
Viele Arbeitnehmer, deren regelmäßige Arbeitszeit von Montag bis Freitag ausgestaltet ist, vergessen nur zu gern, dass in Deutschland der Samstag auch ein gesetzlicher Werktag ist. Dies hat durchaus Auswirkungen für Arbeitnehmer und dementsprechend können Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber dazu verpflichtet werden, an einem Samstag für das Unternehmen arbeitstechnisch tätig zu werden. Dies ergibt sich aus dem § 10 ArbZG.
Wie sieht es mit der Vergütung für Überstunden aus?
Arbeitnehmer sollten im Zusammenhang mit den Überstunden einen sehr genauen und prüfenden Blick auf die entsprechenden Klauseln in dem Arbeitsvertrag werfen. Insbesondere im Hinblick auf die Vergütung kann es durchaus ungültige Klauseln geben, die nicht von jedem Arbeitnehmer gleich direkt als solche erkannt werden. Ein regelrechtes Paradebeispiel für eine ungültige Überstundenvergütungsklausel ist die Formulierung, dass die Überstunden direkt durch die arbeitsvertragliche Vergütung als abgegolten gelten. Gem. § 307 Absatz 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) ist eine derartige Formulierung in einem Arbeitsvertrag unwirksam, was auch das BAB (Bundesarbeitsgericht mit Urteil (Aktenzeichen 5 AZR 517/09) mit seinem Urteil bestätigt hat. Das Bundesarbeitsgericht begründete sein Urteil damit, dass bei einer derartigen Formulierung das Transparenzgebot ausdrücklich verletzt wird.
Überstundenanordnungen sind überdies auch dann rechtlich unwirksam, wenn durch die Anordnung des Arbeitgebers
- der Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt wird
- der wesentliche Grundgedanke der bestehenden gesetzlichen Regelung nicht vereinbar ist mit den arbeitsvertraglichen Rechten sowie Pflichten des Arbeitnehmers
- der Zweck des Arbeitsvertrages gefährdet wird
- der Arbeitnehmer einer besonders schützenswerten Gruppe angehört (z. B. stillende Mütter oder Jugendliche)
Welche Überstundenregelungen gelten für Teilzeitbeschäftigte?
Ebenso wie bei Arbeitnehmern, die in Vollzeit bei einem Arbeitgeber beschäftigt sind, gilt für Teilzeitbeschäftigte, dass die jeweilige individuelle Situation im Zusammenhang mit Überstunden gesehen werden muss. Dies bedeutet, dass auch Teilzeitarbeitnehmer in bestimmten Fallsituationen zu der Leistung von Überstunden verpflichtet werden können. Der Arbeitgeber hat hierbei jedoch das Gebot der Verhältnismäßigkeit zu wahren.
Ein Arbeitgeber darf nicht eine geringere Anzahl von Mitarbeitern in seinem Betrieb einstellen und den anfallenden Arbeitsaufwand auf der Basis von Überstunden von dem beschäftigten Personal bewältigen lassen.
Bei Teilzeitarbeitnehmern ist überdies zu berücksichtigen, dass sich aus der regelmäßigen Verrichtung von Überstunden gem. Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm (Aktenzeichen 8 Sa 2046/05) ein Anspruch auf eine entsprechende Vollzeitbeschäftigung ergeben kann. Dies gilt jedoch nur dann, wenn zuvor eine anderweitig lautende Vereinbarung im Zusammenhang mit der Arbeitszeit getroffen wurde.
Werden Überstunden bezahlt?
Im Hinblick auf die Vergütung der Überstunden gibt es in Deutschland aktuell noch keine gesetzliche Grundlage, welche sich mit der Bezahlungshöhe oder der Verpflichtung zur Bezahlung beschäftigt. Dementsprechend sind die arbeitsvertraglichen Regelungen entscheidend. Das Arbeitsrecht besagt jedoch ausdrücklich, dass ein Vergütungsanspruch für die Verrichtung von Überstunden zugunsten des Arbeitnehmers bestehen kann. In diesem Zusammenhang muss der § 612 BGB näher in Betracht gezogen werden, da dieser Paragraf besagt, dass eine stillschweigende Vereinbarung von Überstundenvergütungen angenommen werden kann, wenn die Vergütungshöhe nicht genau bestimmt wurde. Die Überstundenhöhe wird in dem Paragraf als übliche Vergütung angesehen. In diesem Zusammenhang muss dann auch die sogenannte Beitragsbemessungsgrundlage berücksichtigt werden.
Was wird aus den Überstunden, wenn eine Kündigung ausgesprochen wird?
Sollte das Arbeitsverhältnis aus unterschiedlichen Gründen heraus beendet werden, beispielsweise durch einen Aufhebungsvertrag, so führen Arbeitnehmer sehr häufig die bereits geleisteten Überstunden als Argument für eine frühzeitigere Beendigung des Arbeitsverhältnisses heran. Mittels einer Ausgleichsquittung werden die Überstunden dann als Verzicht auf anderweitige Ansprüche aus der geleisteten Mehrarbeit heraus beendet.
Einige Arbeitgeber nutzen sehr gern ihre vermeintlich bestehende Vormachtstellung gegenüber dem Arbeitnehmer aus, um auf diese Weise Überstunden auf Zwang durchzusetzen. Nicht selten ist der Arbeitnehmer auf den Arbeitsplatz angewiesen und leistet aus einer gewissen Form der Furcht vor dem Arbeitsplatzverlust heraus die Überstunden, auch wenn diese ungerechtfertigt angeordnet wurden und somit jeglicher gesetzlichen Grundlage entbehren. Um diesen Missbrauch zu verhindern gibt es jedoch durchaus gesetzliche Regelungen, die ein juristischer Laie jedoch oftmals überhaupt nicht kennt. Wenn Sie sich seitens Ihres Arbeitgebers mit einer Vielzahl von Überstunden konfrontiert sehen und diese Überstunden etwaig überhaupt nicht abgegolten bekommen sollten Sie auf jeden Fall eine rechtsanwaltliche Beratung ins Auge fassen. Wir sind eine überaus erfahrene Rechtsanwaltskanzlei und verfügen über langjährige Kernkompetenz, sodass wir Sie sehr gern eingängig beraten können. Unser engagiertes Team übernimmt sehr gern auf Ihren Wunsch hin auch für Sie die Kommunikation mit Ihrem Arbeitgeber. Sie müssen uns einfach nur kontaktieren.