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Überstundenabgeltung – Geltung Verfallklausel

Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 8 Sa 657/20 – Urteil vom 06.05.2021

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 16.06.2020 – 4 Ca 4244/19 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Überstundenabgeltungsansprüche, einen Herausgabeanspruch und einen Auskunftsanspruch.

Der Kläger war von 2011 bis zum Ablauf des 31.12.2018 für die Beklagte als Kundenbetreuer und Chauffeur tätig. Die Beklagte betreut Patienten in verschiedenen Krankenhäusern, die der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit aufsuchte. Die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers betrug 150 Stunden pro Monat. Die anfallenden Fahrtzeiten wurden teilweise nur anteilig als vergütungspflichtige Arbeitszeit erfasst. Zuletzt verdiente der Kläger durchschnittlich 14,50 EUR brutto / Stunde. Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 11.04.2013 enthält darüber hinaus in § 12 folgende Regelung zur „Herausgabe von Unterlagen und Arbeitsmitteln“:

„(1) Der Arbeitnehmer hat auf Verlangen des Arbeitgebers sämtliche Arbeitsunterlagen, Arbeitsmittel und Arbeitsergebnisse, insbesondere sämtliche Patienten, Leistungsträger und Geschäftspartner betreffende Adress- und Telekommunikationsdaten, Dokumente, Urkunden, Aufzeichnungen, Notizen, Entwürfe etc. und/oder hiervon gefertigte Durchschriften oder Kopien, gleichgültig auf welchem Datenträger, unverzüglich an den Arbeitgeber zurückzugeben bzw. herauszugeben. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat er dies unaufgefordert zu tun.

(2) Dieselben Verpflichtungen gelten hinsichtlich sämtlicher weiterer Sachen und Gegenstände, die im Eigentum des Arbeitgebers stehen, wie beispielsweise Mitarbeiterausweis, sonstige Legitimationsdokumente, Schlüssel und Ähnliches.“

§ 15 regelt unter der Überschrift „Ausschlussfristen / Verfallklausel“:

„(1) Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden.

(2) Lehnt die in Anspruch genommene Vertragspartei den Anspruch ab oder erklärt sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.

(3) Ausgenommen von dem vorstehenden Ausschluss sind Ansprüche bei Haftung wegen Vorsatzes. Der Ausschluss gilt ebenfalls nicht für Schadensersatzansprüche aus Verkehrsunfällen oder aus mit Strafe bedrohten Handlungen sowie bei Körper- und Personenschäden.“

Der Kläger nahm in der Regel die Arbeit in der Niederlassung der Beklagten im U A auf. Unstreitig ist, dass der Kläger im Rahmen des Arbeitsverhältnisses Überstunden ableistete und diese gelegentlich auch vergütet wurden. Streitig ist jedoch der Umfang der nicht durch Freizeit oder Zahlung ausgeglichenen bzw. abgegoltenen Überstunden aus den Jahren 2016 bis 2018.

Der Kläger notierte im Rahmen des Arbeitsverhältnisses Patiententermine und Arbeitszeiten in einem Taschenkalender (Wert: 5,00 EUR bis 10,00 EUR.), der ihm von der Beklagten Ende 2017 oder Anfang 2018 übergeben wurde.

Die Beklagte übergab dem Kläger am 31.10.2018 die schriftliche Kündigung zum 31.12.2018. Dabei nahm sie den Taschenkalender 2018 an sich.

Mit der Klage hat der Kläger Herausgabe des Kalenders begehrt. Mit Hilfe des Kalenders möchte er die Klage im Übrigen weiter substantiieren. Auch die Beklagte führte Aufzeichnungen über die Arbeitszeit des Klägers, gab diese aber nicht an den Kläger heraus und erteilte ihm darüber auch keine Auskünfte. Der Kläger hat sich zur Begründung seiner Arbeitszeiten auf Tagesabrechnungen berufen, die zur Grundlage der Rechnungen der Beklagten an Patienten gemacht worden seien und aus denen sich seine Arbeitszeit ergeben soll.

Weiterhin hat der Kläger von der Beklagten Auskunft über seine Arbeitszeiten im Jahr 2018 begehrt. Auch die begehrte Auskunft dient dem Ziel, die Zahlungsklage zu substantiieren.

Der Kläger hat die streitgegenständlichen Ansprüche, einschließlich der bezifferten Überstundenforderung gegenüber der Beklagten erstmals mit seiner am 31.12.2019 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klageschrift, der Beklagten am 08.01.2020 zugestellt, schriftlich geltend gemacht.

Der Kläger hat behauptet, in den Jahren 2016 bis 2018 habe er insgesamt 1.797 Überstunden geleistet. Diese seien mit 18.690,00 EUR abzugelten. Zur näheren Begründung hat er sich auf eine als Anlage K 1 (Bl. 6 – 23) übermittelte Aufstellung bezogen. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die arbeitsvertragliche Verfallklausel sei unwirksam. Zudem habe die Beklagte Arbeitszeitaufzeichnungen geführt und die Überstunden damit letztlich anerkannt. Schließlich habe es eine mündliche Arbeitsanweisung gegeben, wonach er – der Kläger – immer mindestens 150 Überstunden vorhalten musste. Auch daraus folge ein Abgeltungsanspruch.

Der Kläger hat behauptet, der Taschenkalender 2018 sei ihm von der Beklagten geschenkt worden. Der Geschäftsführer habe ihm den Kalender Ende 2017 oder Anfang 2018 mit den Worten „Das ist Deiner“ übergeben. Dies sei gegen seinen Willen geschehen. Der Geschäftsführer habe ihm den Kalender aus der Hand gerissen. Dass es sich um ein Geschenk gehandelt habe, ergebe sich aus der Übergabe zur Weihnachtszeit und der Tatsache, dass auch die Kalender aus anderen Jahren von ihm nicht zurückgefordert worden seien. Auch von anderen Arbeitnehmern habe die Beklagte die Herausgabe der Taschenkalender nicht verlangt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe einen Auskunftsanspruch gegen die Beklagte über seine im Jahr 2018 insgesamt geleistete Arbeitszeit.

Aufgrund der Säumnis des Klägers im Gütetermin hat das Gericht die Klage durch Versäumnisurteil abgewiesen. Dagegen hat der Kläger fristgerecht Einspruch eingelegt.

Der Kläger hat sinngemäß beantragt,

1. das Versäumnisurteil vom 11.02.2020 aufzuheben,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 18.690,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn nicht ausgezahlte Arbeitszeit während der Dienstreisen zu Kunden zu zahlen,

4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn seine persönlichen Aufzeichnungen in Form eines Jahreskalenders über seine Arbeitseinsätze im Jahr 2018 herauszugeben,

5. die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft über die von ihm im Jahr 2018 geleisteten Arbeitsstunden vollständig zu erteilen,

6. die Beklagte zu verurteilen, die nach Auskunftserteilung zu beziffernden durch den Kläger im Jahr 2018 geleisteten Überstunden an ihn zu zahlen,

7. hilfsweise für den Fall der Abweisung des Antrags zu 4. die Beklagte zu verurteilen, die im Jahr 2017 durch den Kläger durchschnittlich geleisteten Überstunden auch für die Dauer seines aktiven Arbeitsverhältnisses im Jahr 2018 anzurechnen und an ihn zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,  das Versäumnisurteil vom 11.02.2020 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass jegliche Ansprüche des Klägers, sofern sie überhaupt bestanden hätten, jedenfalls aufgrund von § 15 des Arbeitsvertrags verfallen seien. Die Ausschlussfrist sei wirksam. Eine Arbeitsanweisung, wonach der Kläger 150 Überstunden habe „vorhalten“ müssen, habe es nicht gegeben. Außerdem habe der Kläger 2016 bis 2018 keinesfalls 1.797 Überstunden geleistet; die Stundenaufstellung des Klägers (Anlage K 1) sei falsch. Auch die Berechnung der Vergütung für die Fahrzeiten sei nicht zu beanstanden, da der Kläger überwiegend in Aachen gearbeitet habe.

Die Beklagte hat behauptet, bei dem Taschenkalender habe es sich um ein rückgabepflichtiges Arbeitsmittel und nicht um ein Geschenk gehandelt. Der Kläger habe den Kalender am 31.10.2019 freiwillig herausgegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf das Urteil (Bl. 92 – 106 d.A.) wird verwiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers, der seine erstinstanzlich streitgegenständlichen Anträge mit Ausnahme des Klageantrags zu 3. sowie den Hilfsantrag zu 7. modifiziert weiter geltend macht. Der Kläger listet nunmehr die von ihm behaupteten Überstunden monatsweise in den Jahren 2016 bis 2018 auf. Die taggenaue Auflistung ergebe sich aus der erstinstanzlich überreichten Anlage K 1. und den Originaltagesabrechnungen mit den Unterschriften der Kunden, die ihm in russischer Sprache vorlägen und übersetzt werden könnten. Die meisten Werte für 2018, vor allem ab Juni, seien Schätzungen, die er sich aus anderen Quellen habe mühsam zusammensuchen müssen, da die Beklagte den Taschenkalender nicht herausgegeben  und auch sonst keine Auskunft erteilt habe.

Die Werte aus den drei Jahren ergäben kumuliert 1.797 Überstunden. Von diesen sei der Anfangswert von 208 Überstunden aus dem Jahr 2015 abgezogen worden. Ferner seien die 300 über die 3 Jahre verteilt ausgezahlten Überstunden abgezogen worden. Dies ergebe 1.289 Überstunden zu je 14,50 EUR brutto, also 18.690,00 EUR.

Der Kläger ist weiter unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags der Auffassung, die geltend gemachte Überstundenvergütung sei nicht verfallen. Die Beklagte verstoße auch gegen Treu und Glauben, wenn sie sich auf die Verfallklausel berufe.

Sollte die Verfallklausel unwirksam sein, so stehe ihm jedenfalls die Vergütung dieser Überstunden nach dem jeweiligen Mindestlohn (2016: 8,50 EUR; 2017 und 2018 8,84 EUR) zu, mithin für das Jahr 2016 6.931,75 EUR für 815,5 Überstunden; 2017 5.858,71 EUR für 662,75 Überstunden und 2018 2.817,75 EUR für 318,75 Überstunden, also insgesamt 15.608,21 EUR.

Der Taschenkalender sei ihm geschenkt worden, darin hätten sich auch private Aufzeichnungen und eingesteckte private Briefe und andere Unterlagen befunden. Die Beklagte habe ihm den Kalender aus der Hand gerissen, daraus ergebe sich zumindest ein Anspruch aus §§ 861, 858 BGB.

Zu dem modifizierten Hilfsantrag zu 7. trägt der Kläger vor: Falls sich die Beklagte weigere, Informationen zur genauen Abrechnung der Überstunden für 2018 herauszugeben, solle der Schätzwert aus dem Vorjahr herangezogen werden. 2017 habe die Beklagte 662,75 nicht bezahlt. Im Durchschnitt ergebe das 55,23 Überstunden im Monat multipliziert mit 9,5 des aktiven Arbeitsverhältnisses bis 15.10.2018 ergäben gerundet 524,68 Überstunden. Demnach seien zu den aufgelisteten 318,75 Überstunden für 2018 noch 206 Überstunden hinzuzurechnen.

Vorsorglich bittet der Kläger um Zulassung der Revision, da eine Vielzahl von Arbeitnehmern von der Praxis der Beklagten betroffen sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil abzuändern und nach den Schlussanträgen zu erkennen zu 2., 4., 5., 6., sowie dem (modifizierten) Hilfsantrag zu 7.;

für den Fall der Abweisung des Antrags zu 4. die Beklagte zu verurteilen, die im Jahr 2017 durch den Kläger durchschnittlich geleisteten Überstunden als Schätzwert auch für die Dauer seines aktiven Arbeitsverhältnisses im Jahr 2018 anzusetzen, und an ihn den einhergehenden Überschuss über den Antrag 1. beantragte Summe zu zahlen, also 206 Stunden zu je 14,40 EUR, mithin 2.987,00 EUR .

Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags die erstinstanzliche Entscheidung. Sie bestreitet, dass der Kläger die von ihm  aufgelisteten Überstunden geleistet hat

Wegen der Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.  Die Entscheidung ergeht gemäß § 128 Abs.2 ZPO im Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung.

II.  Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht der geltend gemachte Überstundenvergütung (Antrag zu 2.) nicht zu, da dieser soweit ein solcher Anspruch überhaupt bestanden hat, verfallen ist. Damit scheidet zugleich der als Stufenklage (Anträge zu 5.) und 6.) hinsichtlich des Hauptanspruchs geltend gemachte Auskunftsanspruch des Klägers aus. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Herausgabe de „Jahreskalenders“ für das Jahr 2018 (Antrag zu 4.). Der dazu unter Ziffer 7. gestellte – in der Berufung modifizierte Antrag – Hilfsantrag ist unbegründet.

Das Berufungsgericht schließt sich der zutreffenden Begründung des Arbeitsgerichts an. Die Berufung der Beklagten enthält keine neuen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten.

1.  Dem Kläger steht der geltend gemachte Überstundenvergütung (Antrag zu 2.) nicht zu, da dieser soweit ein solcher Anspruch bestanden hat, gemäß § 15 Abs. 1 des Arbeitsvertrags verfallen ist. Danach sind “ Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden.“

a)  Der Kläger hat seine Vergütungsansprüche für die von ihm behaupteten Überstunden erst nach Ablauf der Dreimonatsfrist, die spätestens mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2018 begonnen hat, somit am 31.03.2019 abgelaufen ist, schriftlich geltend gemacht. Denn dies geschah unstreitig erstmals mit der am 31.12.2019 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klageschrift, die der Beklagten am 08.01.2020 zugestellt worden ist.

b)  Die Ausschlussfrist in § 15 Abs. 1 des Arbeitsvertrags vom 11.03.2013 ist Vertragsbestandteil geworden und nicht wegen einer unangemessenen Benachteiligung des Klägers gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB oder wegen Intransparenz gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB oder aus sonstigen Gründen unwirksam. Dies hat das Arbeitsgericht zu Recht festgestellt. Das Berufungsgericht folgt der zutreffenden Begründung des Arbeitsgerichts, mit der sich der Kläger nicht im Einzelnen auseinandergesetzt hat.

Die Regelung ist nicht überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB (vgl. dazu etwa BAG 19.03.2014 – 5 AZR 252/12 – mwN) denn die für Arbeitsverträge typische Klausel ist in einer eigenständigen Regelung unter einer aussagekräftigen Überschrift in den Arbeitsvertrag aufgenommen worden.

Die dreimonatige Geltendmachungsfrist hält sich in den insoweit vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten zeitlichen Grenzen (mindestens drei Monate für die Geltendmachung des Anspruchs: BAG 13.03.2013 – 5 AZR 954/11- mwN). Auch stellt die Klausel auf die Fälligkeit und nicht schon auf die Entstehung des Anspruchs ab (dazu BAG 19.02.2014 – 5 AZR 700/12). Die Obliegenheit zur Geltendmachung besteht schließlich nicht nur für den Kläger, sondern auch für die Beklagte (BAG 21.06.2011 – 9 AZR 203/10)

Nicht zu beanstanden ist, dass die Regelung eine „schriftliche“ Geltendmachung und nicht nur eine Geltendmachung in Textform verlangt. Zwar kann in Arbeitsverträgen, die ab dem 01.10.2016 geschlossen werden, gemäß § 309 Nr. 13 b) BGB für die Geltendmachung der Ansprüche nur Textform gefordert werden. Wird stattdessen das Wort „schriftlich“ verwendet, kann dies unter Umständen zur Intransparenz der Regelung führen. Gemäß der Übergangsregelung in Art. 229 § 37 EGBGB gilt diese Rechtsfolge jedoch nicht für bereits zuvor geschlossene Arbeitsverträge wie denjenigen des Klägers (BAG 24.09.2019 – 9 AZR 273/18).

Ferner ist die Regelung nicht dadurch unangemessen benachteiligend, dass die Klausel Ansprüche wegen grob fahrlässiger Pflichtverletzungen nicht aus ihrem Anwendungsbereich ausnimmt Dies rechtfertigen Besonderheiten des Arbeitsrechts (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB), insbesondere die Tatsache, dass diese Regelung sich typischerweise zugunsten des Arbeitnehmers auswirkt (BAG 22.10.2019 – 9 AZR 532/18).

Gleichfalls ist die Verfallfrist auch nicht deshalb unwirksam, weil Ansprüche aus Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen nicht ausdrücklich aus ihrem Geltungsbereich ausgenommen worden sind. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass bei Vertragsschluss Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung fanden (BAG 24.09.2019 – 9 AZR 273/18 – mwN).

Schließlich nicht zu beanstanden ist, dass die Klausel den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausdrücklich aus ihrem Geltungsbereich ausnimmt. Eine Intransparenz kann sich aus diesem Grund nur für Arbeitsverträge ergeben, die ab Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes (01.01.2015) geschlossen wurden (BAG 18.09.2018 – 9 AZR 162/18; BAG 24.09.2019 – 9 AZR 273/18).

c)  Zu Recht geht das Arbeitsgericht auch davon aus, dass der – von der Beklagten bestrittene – Vortrag des Klägers, er sei von der Beklagten tatsächlich gehalten gewesen, mindestens 150 Überstunden ständig „vorzuhalten“, unerheblich ist, da ein darauf basierender Zahlungsanspruch drei Monate später verfallen, d. h. ebenfalls mit Ablauf des 31.03.2019 verfallen wäre.

d)  Zu Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Beklagte die Ansprüche auch nicht dadurch unstreitig gestellt, dass sie Aufzeichnungen über die Arbeitszeit des Klägers geführt hat. Wegen der Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen.

Es trifft zwar zu, dass der Arbeitgeber mit der Erteilung einer Gehaltsabrechnung oder dem Auszug aus einem Arbeitszeitkonto Ansprüche unstreitig stellen kann mit der Folge, dass vereinbarte Verfallfristen für den Anspruch nicht mehr gelten. Dies setzt jedoch voraus, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vorbehaltlos den Stand seines Arbeitszeitkontos mitgeteilt hat (BAG 23.09.2015 – 5 AZR 767/13 – mwN).

Die Beklagte hat dem Kläger gerade keine Auskünfte über seine Arbeitszeiten erteilt, sondern ihre entsprechenden Aufzeichnungen bis heute „geheim gehalten“. Um ein echtes Arbeitszeitkonto handelte es sich bei den Aufzeichnungen der Beklagten, die diese zu Kontrollzwecken sowie zur gelegentlichen Auszahlung von Überstunden geführt haben will, daher nicht. Dass die Beklagte bestimmte von dem Kläger abgeleistete Arbeitszeiten streitlos stellen und auf die Einhaltung der Ausschlussfrist verzichten wollte, hat der Kläger auch in der Berufung nicht dargelegt.

e)  Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger nunmehr in der Berufungsbegründungsschrift eine Auflistung der – nach seiner Behauptung – von ihm monatlich in den Jahren 2016 bis 2018 geleisteten Überstunden vorlegt. Grundsätzlich kann sich die Beklagte gegen eine derart substantiierte Darlegung der geleisteten Überstunden, erst recht, wenn ihr – wie hier – die entsprechenden Aufzeichnungen vorliegen – dagegen allerdings nicht mit einem bloßen Bestreiten verteidigen, sondern müsste im Rahmen der abgestuften Darlegungslast dazu im Einzelnen Stellung nehmen (vgl. dazu etwa BAG 21.12.2016 – 5 AZR 362/16 – mwN). Dem steht hier jedoch entgegen, dass – wie bereits ausgeführt – die geltend gemachten Überstundenansprüche des Klägers verfallen sind.

f)  Die Beklagte verstößt, indem sie sich hinsichtlich der Überstundenvergütung auf die vertragliche Verfallfrist beruft auch nicht gegen Treu und Glauben.

Die Berufung auf eine Ausschlussfrist stellt dann eine gegen Treu und Glauben verstoßende und damit gemäß §§ 242, 134 BGB unzulässige Rechtsausübung dar, wenn die zum Verfall des Anspruchs führende Untätigkeit des Arbeitnehmers durch ein Verhalten des Arbeitgebers veranlasst worden ist. Der Arbeitgeber muss also den Arbeitnehmer an der Geltendmachung des Anspruchs bzw. der Einhaltung der Verfallfrist gehindert haben. Das wird angenommen, wenn der Arbeitgeber durch positives Tun oder durch pflichtwidriges Unterlassen dem Arbeitnehmer die Geltendmachung des Anspruchs oder die Einhaltung der Frist erschwert oder unmöglich gemacht hat bzw. an objektiven Maßstäben gemessen den Eindruck erweckt hat, der Arbeitnehmer könne darauf vertrauen, dass der Anspruch auch ohne Wahrung der Ausschlussfrist erfüllt werde(vgl. etwa BAG 05.06.1999 – 6 AZR 752/97).

Nach diesen Grundsätzen kann im Streitfall nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte treuwidrig gehandelt hat. Sie hat zwar dem Kläger die ihr vorliegenden Informationen über die vom Kläger im streitigen Zeitraum geleistete Arbeitszeit grundlos vorenthalten, zur Auskunft darüber wurde sie vom Kläger jedoch erst mit seiner Klageschrift, der Beklagten am 08.01.2020 zugegangen, also deutlich nach Ablauf der dreimonatigen Verfallfrist aufgefordert. Dass der Kläger vorher seine Überstundenvergütung gegenüber der Beklagten geltend gemacht hat oder diese ihn von der Geltendmachung abgehalten hat, hat der Kläger nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich. Demnach war der Kläger nicht gehindert, seine Vergütungsansprüche innerhalb der Verfallfristen einzufordern. Er verfügte dazu auch – wie er selbst vorträgt – über die notwendigen Unterlagen, nämlich die von den Kunden unterzeichneten Tagesabrechnungen.

g)  Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zahlung er Überstundenvergütung  in Höhe des Mindestlohns, den er in der Berufung mit 15.608,21 EUR beziffert. Richtig ist, dass die Verfallklausel nach § 15 des Arbeitsvertrages der Parteien erfasst  nur diejenigen Vergütungsansprüche erfasst, die oberhalb des seit dem 01.01.2015 geltenden Mindestlohns liegen. Denn nach § 3 Satz 1 MiLoG sind  Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen insoweit unwirksam.

Erreicht die vom Arbeitgeber tatsächlich gezahlte Vergütung den gesetzlichen Mindestlohn nicht, begründet dies von Gesetzes wegen einen Anspruch auf Differenzvergütung, wenn der Arbeitnehmer in der Abrechnungsperiode für die geleisteten Arbeitsstunden im Ergebnis nicht mindestens den in § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG vorgesehenen Bruttolohn erhält. Der Arbeitgeber hat den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erfüllt, wenn die für einen Kalendermonat gezahlte Bruttovergütung den Betrag erreicht, der sich aus der Multiplikation der Anzahl der in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit 8,50 Euro ergibt. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Arbeitgeber den Mindestlohn stets rechtzeitig leistet, auch verspätete Zahlungen können Erfüllungswirkung haben (BAG 25.05.2016 – 5 AZR 135/16; 26.06.2019 – 5 AZR 452/18 – mwN).

Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger- auch wenn sein Berufungsvortrag zu den von ihm geleisteten Überstunden als wahr unterstellt wird – nicht schlüssig vorgetragen, dass die Beklagte – auch unter Berücksichtigung der behaupteten Überstunden  aus den Jahren 2016, 2017 und 2018 – eine Vergütung unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns gezahlt hat.

Der Mindestbruttostundenlohn betrug im Jahr 2016 8,50 EUR und in den Jahren 2017 und 2018 8,84 EUR. Die Beklagte hat an den Kläger für 150 Monatsstunden  je 14,50 EUR brutto einen Monatslohn von 2.175 EUR gezahlt. Ausgehend von den vom Kläger aufgelisteten monatlichen Arbeitsstunden ergibt sich danach folgendes:

2016 sind mit dem Bruttomonatslohn von 2.175 EUR insgesamt  255,88 Arbeitsstunden nach dem Mindestlohn vergütet (2.175 : 8,50 EUR). Dementsprechende sind erst Überstunden von monatlich mehr als 106 Stunden (gerundet) nach dem Mindestlohn vergütungspflichtig. Der Kläger hat zwar in diesem Jahr nach seiner Auflistung in vier Monaten mehr als 106 Überstunden geleistet, insgesamt 154,25 Stunden. Von diesen Überstunden sind jedoch nach seinem eigenen Vortrag 300 von der Beklagten innerhalb der drei Jahre vergütete Überstunden sowie ein Anfangsbestand aus 2015 mit 208 Überstunden und – wie sich aus der Auflistung selbst ergibt – 64 Minusstunden in Abzug zu bringen.

2017 sind mit dem Bruttomonatslohn von 2.175 EUR insgesamt 246,04 Arbeitsstunden nach dem Mindestlohn vergütet (2.175 : 8,84 EUR). Dementsprechende sind erst Überstunden von monatlich mehr als 96 Stunden (gerundet) nach dem Mindestlohn vergütungspflichtig. Der Kläger hat in diesem Jahr nach seiner Auflistung in zwei Monaten mehr als 96 Überstunden geleistet, insgesamt insg. 7,5 Stunden. Auch diese Überstunden sind mit den – nach Vortrag des Klägers – von der Beklagten bezahlten 300 Überstunden bereits vergütet.

2018 ergibt sich – bei Zugrundelegung der vorherigen Berechnung aus der Auflistung keine von der Beklagten zu vergütende Überstunde.

2.  Zu Recht hat das Arbeitsgericht mangels Bestehen eines Hauptanspruchs auf Vergütung von Überstunden für den streitgegenständlichen Zeitraum 2016 bis 2018  auch die dazu darüber hinaus vom Kläger im Rahmen einer Stufenklage erhobene Auskunftsklage (Anträge zu 5. und 6.) abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen, mit denen sich der Kläger nicht auseinandergesetzt hat.

3.  Zu Recht hat das Arbeitsgericht schließlich festgestellt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Herausgabe de „Jahreskalenders“ für das Jahr 2018 hat. Der Kläger in der Berufung dazu keine neuen Tatsachen vorgetragen. Das Berufungsgericht geht mit dem Arbeitsgericht davon aus, dass der Kläger nicht schlüssig vorgetragen hat, dass es sich dabei um ein Geschenk der Beklagten und nicht stattdessen um ein rückgabepflichtiges Arbeitsmittel gehandelt hat. Wegen der weiteren Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen, mit der sich der Kläger nicht im Einzelnen auseinandergesetzt hat.

4.  Der in der Berufung modifizierte Hilfsantrag zu 7. ist soweit er nunmehr als ausreichend bestimmt und mithin zulässig anzusehen ist, jedenfalls unbegründet. Denn dem Kläger steht – wie bereits unter Ziffer 1. ausgeführt – kein Anspruch auf Überstundenvergütung für den streitgegenständlichen Zeitraum 2016 bis 2018 zu.

III.  Der Kläger hat die Kosten der erfolglosen Berufung zu tragen(§ 97 Abs. 1 ZPO).

IV.  Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen, da keiner der gesetzlichen Zulassungsgründe gemäß § 72 Abs.2 Nr.1 bis Nr.3 ArbGG vorliegt.

 

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