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Überstundenvergütung eines Omnibusfahrers – Beweislast

LAG Rheinland-Pfalz, Az: 5 Sa 432/14, Urteil vom 18.12.2014

1.   Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz -Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – vom 12. Juni 2014, Az. 7 Ca 60/14, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2.  Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Vergütung von Überstunden.

Überstundenvergütung BusfahrerDer 1959 geborene Kläger war vom 13.08.2012 bis zum 31.12.2012 bei der Beklagten als Omnibusfahrer zu einem Monatsgehalt von € 2.200,- brutto angestellt. Er beförderte Fahrgäste im Reise-, Schul- und Linienverkehr. Im schriftlichen Arbeitsvertrag war – auszugsweise – folgendes bestimmt:

㤠4 Entgelt

Der Mitarbeiter erhält ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von € 2.200,00 bei einer 5-Tage-Woche, entspricht 22 Arbeitstage im Monat (1 Arbeitstag entspricht mind. 10 tatsächlichen Stunden; siehe Anlage Tagessätze).

Für den Mitarbeiter wird ein Arbeitszeitkonto geführt. Der Mitarbeiter verpflichtet sich, die von ihm geleisteten Arbeitszeiten täglich genau zu dokumentieren und den monatlichen Nachweis zum Monatsende des jeweiligen Monats beim Arbeitgeber abzugeben.

Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses können Minusstunden mit Entgeltansprüchen verrechnet werden bzw. sind Minusstunden vom Arbeitnehmer zurückzuzahlen, soweit sie auf Veranlassung des Mitarbeiters entstanden sind.

Guthabenstunden werden grundsätzlich in Freizeit abgegolten. Ist dies z.B. wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr möglich, wird das Guthaben mit dem letzten maßgeblichen Entgelt des Mitarbeiters ausgezahlt.“

Die Anlage zum Arbeitsvertrag „Tages-Sätze für Linien- und Reisbusfahrer“ hat folgenden Wortlaut:

– Schulfahrten von morgens bis nachmittags ca. 14.00/15.00 Uhr – 0,5 Tage

– Normaler Arbeitstag/Tagesfahrt (ca. 6.00/7.00 Uhr – 17.00/18.00 Uhr) 1,0 Tag

– Tagesfahrten von morgens bis nachts (nach 22.00 Uhr) 1,0 Tag

–  Mehrtagesfahrten (Tage vor Ort) 1,0 Tag

– Nachtfahrten, Transferfahrten ins Ausland, die abends beginnen(z.B. Transfer in Skigebiete, nach Spanien, Kroatien, England etc.) 1,0 Tag

– Tagesfahrten von Fr./Sa. nachts – Sa./So. morgens (z.B. Paris) 1,5 Tage“

Die Beklagte vergütete dem Kläger im August 2012 15 Arbeitstage, von September bis Dezember 2012 jeweils 22 Arbeitstage. Nach Aufforderung zahlte sie ihm im Januar 2013 noch für zwei Tage Urlaubsabgeltung iHv. € 200,- und für zwei Guthabentage weitere € 200,-.

Der Kläger ist der Ansicht, § 4 des Arbeitsvertrags sei mit dem Arbeitszeitgesetz nicht vereinbar, weil ihm die Beklagte eine wöchentliche Arbeitszeit von 50 Stunden abverlangt habe. Deshalb habe er pro Woche von montags bis freitags mind. 2 Überstunden geleistet, so dass ihm insgesamt 40 Überstunden zu vergüten seien. Darüber hinaus habe er von montags bis freitags weitere 48,20 Überstunden wie folgt geleistet:

……………………….

Mit seiner am 24.01.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verlangte der Kläger erstinstanzlich für insgesamt 244,20 Überstunden mit einem Stundensatz von € 10,59 die Zahlung von € 2.586,08 brutto.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestands und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 12.06.2014 (dort Seite 2 bis 7) Bezug genommen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 2.586,08 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2013 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 12.06.2014 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe seiner Darlegungslast zur Leistung von Überstunden nicht genügt. Sein Vortrag sei unglaubwürdig und widerspreche jeglicher Lebenserfahrung. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 8 bis 11 des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Gegen das am 20.06.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 21.07.2014 (Mo) beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz teilweise Berufung eingelegt und diese mit am 18.08.2014 eingegangenem Schriftsatz begründet. Er reduziert die Klageforderung zweitinstanzlich auf € 2.419,29 brutto, weil er sich für 21 Tage eine Pausenzeit von jeweils 45 Minuten abziehen lässt, so dass er noch 228,45 Überstunden geltend macht.

Der Kläger ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe die Anforderungen an seine Darlegungslast im Überstundenprozess überdehnt und den Umfang der vergütungspflichtigen Arbeitszeit verkannt. Die Entscheidung des BAG vom 16.05.2012 (5 AZR 347/11) sei dahin zu interpretieren, dass der Arbeitgeber aufgrund seiner Aufzeichnungspflicht gem. § 21a Abs. 7 ArbZG sowie des Einsatzes eines elektronischen Fahrtenschreibers problemlos über Informationen für einen substantiierten Gegenvortrag verfüge. Er habe für die Fahrten im Linienverkehr die Abfahrts- und Ankunftszeiten im Rahmen der ihm erteilten Fahraufträge detailliert angegeben. Die Beklagte habe sinngemäß eingeräumt, dass sie keine Arbeitszeiten erfasst habe. Da sie seinen Vortrag nur pauschal bestritten habe, sei er als zugestanden anzusehen. Vergütungspflichtige Arbeitszeit liege nicht nur dann vor, wenn er seine Kernarbeit leiste. Der Arbeitgeber müsse nach der Rechtsprechung des BAG (19.09.2012 – 5 AZR 678/11) dem Arbeitnehmer vielmehr nicht nur die eigentliche Tätigkeit vergüten, sondern alle Tätigkeiten, die er ihm kraft seines Direktionsrechts abverlange. Damit unterfielen auch Lenkzeitunterbrechungen, Stand- und Wartezeiten dem Begriff der vergütungspflichtigen Arbeitszeit, weil sie von der Beklagten entsprechend angeordnet worden seien. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts habe er Fahrten im Reiseverkehr, die er von montags bis freitags durchgeführt habe, nicht doppelt gezählt. Vielmehr habe er die zehnstündigen Einsätze im Linienverkehr rechnerisch in Abzug gebracht. Soweit das Arbeitsgericht angenommen habe, dass sich bei den angeführten Fahrten im Reiseverkehr aus den angegebenen Fahrzielen nicht erschließe, dass er für die Touren die angegebenen Arbeitszeiten benötigt habe, sei zu berücksichtigen, dass er oftmals keine direkte Wegstrecke zurückgelegt, sondern zunächst gewisse Abholpunkte angesteuert habe, um die Fahrgäste aufzunehmen. Seine Darlegungslast im Hinblick auf die Fahrzeiten und die Fahrstrecken im Reiseverkehr dürfe nicht überdehnt werden, weil die Beklagte aufgrund ihrer Verpflichtung zur Aufzeichnung von Arbeitszeiten über die nötigen Informationen verfüge, um seinem Vortrag mit Substanz entgegenzutreten. Im Übrigen habe das Arbeitsgericht seine richterlichen Hinweispflichten verletzt. Es hätte ihn darauf hinweisen müssen, dass es seine Darlegungen für einzelne Fahrten im Reiseverkehr mangels Plausibilität für unzureichend erachte. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Inhalt des Schriftsatzes des Klägers vom 12.08.2014 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich, das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – vom 12.06.2014, Az. 7 Ca 60/14, teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 2.419,29 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.01.2013 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 21.09.2014, auf den Bezug genommen wird, als zutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.  Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und in ausreichender Weise begründet worden. Sie ist somit zulässig.

II.  In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Zahlungsklage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Vergütung von 228,45 Überstunden iHv. € 2.419,29 brutto, die er zweitinstanzlich noch geltend macht.

Verlangt der Arbeitnehmer aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung, tariflicher Verpflichtung des Arbeitgebers oder aus § 612 Abs. 1 BGB Arbeitsvergütung für Überstunden, hat er darzulegen und – im Bestreitensfall – zu beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat. Dabei genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, wenn er schriftsätzlich vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast substantiiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat, und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen – nicht – nachgekommen ist (vgl. BAG 10.04.2013 – 5 AZR 122/12 – Rn. 9; NZA 2013, 1100; BAG 16.05.2012 – 5 AZR 347/11 – Rn. 27 ff., NZA 2012, 939).

Diesen Anforderungen genügt der Sachvortrag des Klägers in der ersten Stufe. Der Kläger hat für die einzelnen Tage, für die er Überstundenvergütung geltend macht, angegeben, von wann bis wann er gearbeitet haben will. Mit dem Vortrag, zu bestimmten Zeiten gearbeitet zu haben, behauptet der Arbeitnehmer regelmäßig zugleich, während der genannten Zeiten die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbracht zu haben. Der Kläger hat zudem den Inhalt der erbrachten Arbeitsleistung dahingehend konkretisiert, dass er den Omnibus im Liniendienst nach Fahrplan und im Reiseverkehr zu bestimmten Zielen, die er im Einzelnen angeführt hat (z.B. Wien, München mit Ausflügen zum Kloster Andechs und zum Tegernsee, Dijon) gefahren hat.

Von der Substantiierung des Tatsachenvortrags zu trennen ist dessen Schlüssigkeit und Glaubwürdigkeit. Substantiiertes Lügen ändert nichts an der Substanz des Sachvortrags, sondern betrifft dessen Glaubwürdigkeit. Insoweit obliegt es den Tatsacheninstanzen, unbeschadet einer etwaigen Einlassung des Arbeitgebers im Rahmen des § 286 Abs. 1 ZPO die Glaubwürdigkeit des Sachvortrags des Arbeitnehmers zu beurteilen (so ausdrücklich: BAG 10.04.2013 – 5 AZR 122/12 – Rn. 11, aaO). Wenn ein Arbeitnehmer Überstundenvergütung geltend macht, hat er die der Begründung des Anspruchs dienenden tatsächlichen Umstände wahrheitsgemäß anzugeben und darf keine entscheidungserheblichen Tatsachen verschweigen, die seinen Anspruch in Frage stellen könnten. Das gilt mit Rücksicht auf die nach § 138 Abs. 1 ZPO bestehende prozessuale Wahrheitspflicht erst recht während eines laufenden Rechtsstreits.

Der Sachvortrag des Klägers zur Leistung von Überstunden ist nicht schlüssig und glaubwürdig. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Der Kläger missversteht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Darlegungs- und Beweislast im Überstundenprozess, wenn er meint, er könne – teilweise mehrstündige – Lenkzeitunterbrechungen im Liniendienst und im Reiseverkehr einfach verschweigen und sich darauf zurückziehen, die Beklagte müsse auf seinen unschlüssigen Vortrag substantiiert erwidern. Das Bundesarbeitsgericht hat in der vom Kläger mehrfach zitierten Entscheidung (BAG 16.05.2012 – 5 AZR 347/11 – Rn. 28, NZA 2012, 939) ausdrücklich aufgeführt, dass die dort aufgestellten Grundsätze nicht gleichsam schematisch angewendet werden dürfen, sondern stets der Berücksichtigung der im jeweiligen Streitfall zu verrichtenden Tätigkeit und der konkreten betrieblichen Abläufe bedürfen.

Bei der Arbeitstätigkeit eines Omnibusfahrers im Linien- und Reiseverkehr ist ohne weiteres erkennbar, dass die Bewertung, ob Lenkzeitunterbrechung arbeitszeitrechtliche Pausen darstellen, von Faktoren abhängt, die der Kläger wahrheitsgemäß darzulegen hat. Er hätte daher die Verhältnisse offen legen und so dem Gericht eine Überprüfung und rechtliche Bewertung ermöglichen müssen. Er durfte jedoch nicht einfach seine Sicht der Dinge zugrunde legen und – zum Teil mehrstündige – Lenkzeitunterbrechungen als vermeintlich arbeitszeitrechtlich nicht relevant verschweigen.

Den von der Beklagten bereits in erster Instanz vorgelegten Fahrplänen ist zu entnehmen, dass der Kläger im Linienverkehr innerhalb eines Arbeitstages erhebliche Lenkzeitunterbrechungen hatte. So lag bspw. laut Fahrplan nach der Ankunft in der Alfred-Delp-Schule (ADS) in Hargesheim eine erste Pause von 8:15 bis 11:15 Uhr und eine zweite Pause nach der Ankunft in Schweppenhausen von 14:23 bis 15:08 Uhr. Auf einer anderen Linie lag laut Fahrplan eine Pause von 08:45 bis 11:45 Uhr in Bad Sobernheim/Bhf., eine zweite Pause von 13:05 bis 14:05 Uhr in Seesbach und eine dritte Pause von 15:20 bis 16:40 Uhr erneut in Bad Sobernheim/Bhf. Auf einer weiteren Linie lag fahrplanmäßig eine Pause von 8:30 bis 11:15 Uhr an der ADS in Hargesheim, eine zweite von 13:45 bis 14:30 Uhr in Allenfeld/Ortsmitte und eine dritte Pause von 15:20 bis 16:10 Uhr in Kirn/Bhf. Es hätte zu einem wahrheitsgemäßen Sachvortrag gehört, diese Pausenzeiten darzulegen, um das angerufene Gericht in die Lage zu versetzen, zu prüfen, ob sie von der Beklagten – wie der Kläger meint – als Arbeitszeit zu vergüten sind. Der Kläger durfte sich nicht damit begnügen, nur den täglichen Arbeitsantritt und das Arbeitsende vorzutragen. Dies hat bereits das Arbeitsgericht zu Recht bemängelt.

Dasselbe gilt für die angeführten Fahrten im Reiseverkehr. Hier hat der Kläger zweitinstanzlich auf Befragen in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass er bspw. am 08.09.2012, einem Arbeitstag für den er 11 Überstunden geltend macht (Abfahrt 8:00 Uhr, Ankunft 19:00 Uhr), die Reisegäste mit dem Omnibus von einem Hotel in München zu einem Ausflug zum Kloster Andechs und anschließend zum Tegernsee befördert hat. Erfahrungsgemäß hielten sich die Gäste ca. 2 bis 3 Stunden im Kloster sowie weitere 3 bis 3 ½ Stunden am Tegernsee auf, um eine Bootsfahrt zu unternehmen. Auch hier hätte ein wahrheitsgemäßer Vortrag im Zivilprozess erfordert, diese Lenkzeitunterbrechungen vorzutragen.

Der Kläger hätte sich im Rahmen seiner Darlegungslast auch dazu erklären müssen, dass er nach dem Vortrag der Beklagten an folgenden Tagen frei hatte, um die erforderlichen Ruhezeiten für Fahrpersonal einzuhalten: am 19., 27., 28.08., am 01., 02., 12., 24.09., am 08. und 28.10., am 02., 04., 08., 09., 10., 11., 12., 26.11. sowie am 01. und 02.12.2012. Auf bloßes Nichtwissen konnte sich der Kläger nicht zurückziehen. Die Freizeitausgleichstage, die auf die Wochentage Montag bis Freitag fielen, dh. am 27. und 28.08., am 12. und 24.09., am 08.10., am 02., 08., 09., 12. und 26.11.2012 sind dem Kläger von der Beklagten vergütet worden. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger diese Vergütung (immerhin € 1.000,-) nicht von der Klageforderung abgezogen hat. Er weigerte sich auch insoweit, eine Prozesserklärung abzugeben.

Damit fehlt es insgesamt an einem schlüssigen Sachvortrag des Klägers. Dem Kläger musste gemäß § 139 Abs. 2 ZPO keine Gelegenheit gegeben werden, die erforderlichen Darlegungen nachzuholen. Bereits das Arbeitsgericht hat den Vortrag des Klägers für unschlüssig und unglaubwürdig erachtet. Das prozessuale Risiko, dass auch die Berufungskammer seinen Rechtsstandpunkt nicht teilt, es reiche für einen schlüssigen Sachvortrag aus, lediglich die Uhrzeit des Arbeitsantritts und des Arbeitsendes anzugeben, trägt der Kläger. In der mündlichen Verhandlung nahm er die ihm eingeräumte Gelegenheit nicht wahr, seinen Vortrag zu ergänzen.

Eine Veränderung der Darlegungslast folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte keine Arbeitszeitnachweise vorlegen kann. Zwar ist der Arbeitgeber nach § 21a Abs. 7 ArbZG verpflichtet, die Arbeitszeit seines Fahrpersonals aufzuzeichnen. Der Arbeitgeber muss die Aufzeichnung allerdings nicht persönlich vornehmen, er kann seine Arbeitnehmer anweisen, selbst die Aufzeichnungen vorzunehmen (BT-Drs. 16/1685, 18). Das ist im Streitfall erfolgt. Der Kläger war nach § 4 des Arbeitsvertrags verpflichtet, die von ihm geleisteten Arbeitszeiten täglich genau zu dokumentieren. Hinzu kommt, dass die in § 21a Abs. 7 ArbZG geregelte Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht nicht – zumindest nicht in erster Linie – der Absicherung von Überstundenvergütungsansprüchen des Fahrpersonals dient. Daher führt – sofern der Arbeitgeber seiner Aufzeichnungspflicht nicht nachgekommen ist, oder ihm aus anderen Gründen die Herausgabe der Aufzeichnungen unmöglich geworden ist – die Nichtherausgabe der Aufzeichnungen an den Arbeitnehmer nicht zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 17.03.2010 – 7 Sa 708/09 – Juris).

Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Beklagte nicht verpflichtet, ihm jede Lenkzeitunterbrechung als Arbeitszeit zu vergüten. Arbeitszeit iSd. Arbeitszeitgesetzes ist gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. Arbeitszeitrechtlich schließen sich daher Arbeitszeit und Ruhepause aus. Ist ein bestimmter Zeitabschnitt der Arbeitszeit iSd. § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG zuzuordnen, so kann es sich nicht um eine Ruhepause im Sinne dieses Gesetzes handeln. Gleiches gilt umgekehrt; eine Ruhepause iSd. § 4 ArbZG kann nicht gleichzeitig Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen Sinn sein (vgl. BAG 13.10.2009 – 9 AZR 139/08 – Rn. 31, AP ArbZG § 2 Nr. 4).

Ausgehend von diesen Grundsätzen handelt es sich bei den im Fahrplan festgelegten Lenkzeitunterbrechungen oder den im Voraus feststehenden Programmpunkten der Busfahrgäste im Reiseverkehr um Ruhepausen iSv. § 4 ArbZG. Die Beklagte ist deshalb nicht verpflichtet, dem Kläger im Linienverkehr die Ruhepausen zu vergüten, die bereits im Fahrplan festgelegt sind. Sie ist auch nicht verpflichtet, im Reiseverkehr, die Ruhepausen zu vergüten, die bspw. dadurch entstehen, dass die Fahrgäste im Tagesverlauf eine im Voraus feststehende Freizeitaktivität entfalten (z.B. dreistündige Bootsfahrt auf dem Tegernsee). Zum Begriff der Pause gehört, dass die Dauer der Arbeitsunterbrechung im Voraus feststeht. Ziel dieser Regelung ist es, sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich eine Ruhepause zur Verfügung hat, sich hierauf einstellen kann und diese nicht etwa durch kontinuierliche Weiterarbeit überlagert und „vergessen“ wird. Nicht erforderlich ist hingegen, dass eine exakte Zeit bestimmt ist. Die Vorgabe eines bestimmten zeitlichen Rahmens genügt. Unverzichtbar ist jedoch, dass jedenfalls bei Beginn der Pause deren Dauer bekannt sein muss (vgl. BAG 13.10.2009 – 9 AZR 139/08 – Rn. 47 mwN, aaO)

III.  Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

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