Übersicht:
- Der Fall vor Gericht
- Arbeitsgericht Gera: Verrechnung von Minusstunden auf Arbeitszeitkonto zulässig, Urlaub darf aber nicht angetastet werden (Az. 3 Ca 38/21)
- Ausgangslage: Streit um Arbeitszeitkonto, Lohnzahlung und Minusstunden
- Vertragliche Regelungen: Arbeitszeitkonto und Zeiterfassungssystem als AGB
- Streitpunkt: Verrechnung von Überstunden mit Minusstunden und Urlaub
- Arbeitsgericht Gera weist Klage ab: Kein Anspruch auf Nachzahlung
- Begründung: Wirksamkeit der Arbeitszeitkonto-Vereinbarung bestätigt
- Prüfung der Klauseln: Keine Intransparenz oder unangemessene Benachteiligung nach § 307 BGB
- Überschreitung der Minusstunden-Grenze: Kein Grund für Unwirksamkeit
- Unwirksame Klausel: Verrechnung von Minusstunden mit Urlaub unzulässig nach BUrlG
- Entscheidender Punkt: Falsche Klageart verhindert Erfolg trotz Urlaubsfehler
- Fazit: Arbeitszeitkonto grundsätzlich zulässig, aber Urlaubsschutz bleibt stark
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was genau ist ein Arbeitszeitkonto und wie funktioniert es grundsätzlich?
- Unter welchen Umständen dürfen Minusstunden auf einem Arbeitszeitkonto entstehen?
- Dürfen Überstunden grundsätzlich mit Minusstunden auf dem Arbeitszeitkonto verrechnet werden?
- Ist es erlaubt, dass der Arbeitgeber Urlaubstage zum Ausgleich von Minusstunden verwendet?
- Welche Rechte habe ich als Arbeitnehmer, wenn ich mit der Führung meines Arbeitszeitkontos nicht einverstanden bin?
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 3 Ca 38/21 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Arbeitsgericht Gera
- Datum: 29.03.2022
- Aktenzeichen: 3 Ca 38/21
- Verfahrensart: Klageverfahren
- Rechtsbereiche: Arbeitsrecht, AGB-Recht, Urlaubsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Ein ehemaliger Arbeitnehmer, der als Pulverer beschäftigt war. Er forderte die Bezahlung von Stunden, die seiner Meinung nach zu Unrecht mit Minusstunden verrechnet wurden, da er die Vereinbarung zum Arbeitszeitkonto für unwirksam hielt.
- Beklagte: Der ehemalige Arbeitgeber des Klägers. Das Unternehmen führte ein Arbeitszeitkonto und verrechnete am Ende des Arbeitsverhältnisses einen negativen Saldo unter anderem mit Urlaubsansprüchen des Arbeitnehmers.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Ein ehemaliger Arbeitnehmer forderte Zahlung für Stunden, die der Arbeitgeber mit Minusstunden auf einem Arbeitszeitkonto verrechnet hatte. Am Ende des Arbeitsverhältnisses hatte das Konto einen negativen Saldo, den der Arbeitgeber unter Einsatz von Urlaubsansprüchen ausglich.
- Kern des Rechtsstreits: Der zentrale Streitpunkt war, ob der Arbeitgeber Überstunden des Arbeitnehmers mit Minusstunden auf einem Arbeitszeitkonto verrechnen durfte. Es ging auch um die Frage, ob die Vereinbarungen zum Arbeitszeitkonto wirksam waren, insbesondere die Regelung zur Verrechnung von Minusstunden mit Urlaub.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Klage des Arbeitnehmers wurde vollständig abgewiesen.
- Begründung: Das Gericht sah die Vereinbarung zum Arbeitszeitkonto größtenteils als wirksam an. Eine Verrechnung von Minusstunden mit Urlaubsansprüchen hielt das Gericht zwar für unwirksam. Die Klage auf Zahlung für vermeintlich geleistete Stunden konnte aber keinen Erfolg haben, da der Arbeitnehmer nicht nachweisen konnte, dass er die Stunden tatsächlich gearbeitet hatte, und seine Klage nicht auf andere mögliche Anspruchsgrundlagen stützte.
- Folgen: Der Arbeitnehmer erhielt die geforderte Zahlung nicht. Er muss die Kosten des Rechtsstreits tragen.
Der Fall vor Gericht
Arbeitsgericht Gera: Verrechnung von Minusstunden auf Arbeitszeitkonto zulässig, Urlaub darf aber nicht angetastet werden (Az. 3 Ca 38/21)

Das Arbeitsgericht Gera hatte in einem Urteil vom 29. März 2022 darüber zu entscheiden, ob ein Arbeitgeber berechtigt war, die Arbeitsstunden eines Mitarbeiters über ein Arbeitszeitkonto zu führen, dabei entstandene Minusstunden mit geleisteten Überstunden zu verrechnen und sogar Urlaubsansprüche zum Ausgleich eines negativen Saldos heranzuziehen. Der betroffene Arbeitnehmer sah sich um seinen Lohn für geleistete Überstunden gebracht und klagte auf Nachzahlung, da er die Regelungen zum Arbeitszeitkonto für unwirksam hielt. Das Gericht wies die Klage jedoch ab, obwohl es eine zentrale Klausel zur Urlaubsverrechnung als unzulässig einstufte.
Ausgangslage: Streit um Arbeitszeitkonto, Lohnzahlung und Minusstunden
Ein Arbeitnehmer war vom 1. April 2019 bis zum 30. Juni 2020 als Pulverer bei seinem Arbeitgeber beschäftigt. Der Arbeitsvertrag sah eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 37,5 Stunden vor. Es wurde vereinbart, dass Mehrarbeitsstunden bis zu einer Grenze von 80 Stunden einem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben und zum Ausgleich von Minusstunden verwendet werden sollten. Der Stundenlohn stieg nach zwölf Monaten Beschäftigung auf 12,00 € brutto.
Zusätzlich zum Arbeitsvertrag unterschrieben beide Parteien eine vom Arbeitgeber vorformulierte „Vereinbarung über die Einführung eines Zutritts- und Zeiterfassungssystems“. Diese Vereinbarung enthielt detailliertere Regelungen zum Arbeitszeitkonto und stellte Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) dar. Sie legte fest, dass aus der Differenz zwischen der vereinbarten Sollarbeitszeit und der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit ein Saldo gebildet wird. Monatlich sollten maximal zehn Überstunden auf das Konto fließen. Das Konto durfte einen positiven Saldo von 80 Stunden und einen negativen Saldo von 20 Stunden unterjährig nicht über- bzw. unterschreiten.
Vertragliche Regelungen: Arbeitszeitkonto und Zeiterfassungssystem als AGB
Kern der Auseinandersetzung waren die Regelungen in dieser Zusatzvereinbarung, insbesondere die Handhabung des Arbeitszeitkontos. Die Vereinbarung funktionierte so, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer monatlich den Lohn für die vereinbarte durchschnittliche Arbeitszeit zahlte, unabhängig davon, wie viele Stunden tatsächlich gearbeitet wurden. Hatte der Arbeitnehmer weniger gearbeitet, wurde sein Arbeitszeitkonto mit Minusstunden belastet. Das Konto wies während des Beschäftigungszeitraums regelmäßig einen negativen Stand auf. Leistete der Arbeitnehmer in einem Monat Überstunden, wurden diese nicht direkt ausbezahlt, sondern dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben, um den negativen Saldo zu reduzieren. Diese Praxis der Verrechnung führte letztlich zum Streit.
Streitpunkt: Verrechnung von Überstunden mit Minusstunden und Urlaub
Der Arbeitnehmer war der Ansicht, dass der Arbeitgeber insgesamt 57,62 von ihm geleistete Überstunden zu Unrecht zur Reduzierung des negativen Saldos auf dem Arbeitszeitkonto verwendet hatte, anstatt sie zu bezahlen. Er argumentierte, die zugrundeliegende Vereinbarung über das Zeiterfassungssystem sei als AGB unwirksam. Speziell die Regelung zur Saldierung (Ziffer 2.3) sei unklar und benachteilige ihn unangemessen nach § 307 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Er kritisierte, dass die Klausel nicht danach unterscheide, warum Minusstunden entstanden seien – ob der Arbeitgeber keine Arbeit zugewiesen habe (Annahmeverzug) oder ob der Arbeitnehmer selbst seine Arbeitsleistung nicht angeboten habe.
Zum Ende des Arbeitsverhältnisses im Juni 2020 wies das Konto einen negativen Saldo von 31,68 Stunden auf. Der Arbeitgeber glich dieses Minus aus, indem er Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers verwendete, wie es eine Klausel in der Zusatzvereinbarung (Ziffer 2.3 Satz 6) vorsah: „Reichen die Stunden des Arbeitszeitkontos zum Ausgleich von Minderstunden nicht aus, erfolgt eine Anrechnung auf den Jahresurlaub.“
Der Arbeitnehmer forderte nach einer teilweisen Rücknahme seiner ursprünglichen Klage zuletzt die Zahlung von 647,02 € brutto nebst Zinsen. Dieser Betrag entsprach dem Wert der strittigen 57,62 Stunden bei einem angenommenen Stundenlohn von 11,22 € brutto. Der Arbeitgeber hingegen beantragte die vollständige Abweisung der Klage.
Arbeitsgericht Gera weist Klage ab: Kein Anspruch auf Nachzahlung
Das Arbeitsgericht Gera folgte der Argumentation des Arbeitgebers und wies die Klage des Arbeitnehmers vollständig ab. Der Arbeitnehmer hat demnach keinen Anspruch auf die Bezahlung der Stunden, die der Arbeitgeber zur Reduzierung des negativen Saldos auf dem Arbeitszeitkonto verwendet hatte.
Begründung: Wirksamkeit der Arbeitszeitkonto-Vereinbarung bestätigt
Das Gericht prüfte zunächst die grundsätzliche Wirksamkeit der Regelungen zum Arbeitszeitkonto. Es stellte fest, dass die Kombination aus § 3 des Arbeitsvertrages und der zusätzlichen „Vereinbarung über die Einführung eines Zutritts- und Zeiterfassungssystems“ eine wirksame Grundlage für die Führung des Arbeitszeitkontos bildet. Die Vereinbarung zur Flexibilisierung der Arbeitszeit durch ein solches Konto sei arbeitsrechtlich zulässig.
Prüfung der Klauseln: Keine Intransparenz oder unangemessene Benachteiligung nach § 307 BGB
Da die Zusatzvereinbarung vom Arbeitgeber gestellt wurde, unterzog das Gericht sie einer AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB. Entgegen der Auffassung des Arbeitnehmers bewertete das Gericht die zentrale Regelung zur Saldierung (Ziffer 2.3) nicht als intransparent im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Zwar differenziere die Klausel tatsächlich nicht nach der Ursache der Minusstunden. Dies sei aber kein Mangel an Klarheit, sondern entspreche gerade dem Zweck eines Arbeitszeitkontos: die Arbeitszeit über einen längeren Zeitraum flexibel zu gestalten und Schwankungen durch den Ausgleich von Plus- und Minusstunden aufzufangen.
Auch eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB konnte das Gericht nicht erkennen. Es sei im Arbeitsrecht üblich und zulässig, dass Ansprüche auf Vergütung von Überstunden durch Freizeitausgleich erfüllt werden. Das Arbeitszeitkonto stelle im Kern einen Mechanismus für einen solchen Ausgleich dar. Ein entscheidender Aspekt war für das Gericht, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer stets die regelmäßige Vergütung für die vereinbarte durchschnittliche Arbeitszeit gezahlt hatte, auch wenn weniger gearbeitet wurde. Der Arbeitgeber sei damit quasi in Vorleistung getreten, was die Verrechnung von später geleisteten Überstunden mit den entstandenen Minusstunden rechtfertige.
Überschreitung der Minusstunden-Grenze: Kein Grund für Unwirksamkeit
Das Gericht räumte ein, dass der Arbeitgeber gegen die eigene Regelung verstoßen hatte, indem der negative Saldo des Arbeitszeitkontos die vertraglich vereinbarte Grenze von 20 Minusstunden (unterjährig) mehrfach überschritten hatte (der Saldo lag zeitweise bei ca. -51 bis -31 Stunden). Dieser Verstoß führe jedoch nicht automatisch zur Unwirksamkeit der gesamten Arbeitszeitkontoregelung. Eine Vertragspartei verliere nicht das Recht, sich auf eine an sich wirksame Klausel zu berufen, nur weil sie deren Grenzen einmal überschritten habe.
Darüber hinaus habe sich dieser Verstoß gegen die Saldogrenze im konkreten Fall nicht nachteilig auf den hier geltend gemachten Anspruch des Arbeitnehmers ausgewirkt. Da der Arbeitnehmer auf Nachzahlung für geleistete Überstunden klagte und der Arbeitgeber ihm bereits die reguläre Vergütung (auch für Zeiten ohne ausreichende Arbeitsleistung) gezahlt hatte, entstand dem Arbeitnehmer durch die übermäßige Belastung des Kontos allein kein zusätzlicher Zahlungsanspruch für die strittigen Stunden.
Unwirksame Klausel: Verrechnung von Minusstunden mit Urlaub unzulässig nach BUrlG
Einen wichtigen Punkt beanstandete das Gericht jedoch deutlich: Die Regelung in Ziffer 2.3 Satz 6 der Zusatzvereinbarung, wonach Minusstunden mit dem Jahresurlaub verrechnet werden können, wenn das Arbeitszeitkonto nicht ausreicht, ist unwirksam. Diese Klausel verstößt gegen zwingende Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG). Nach § 13 Abs. 1 BUrlG kann von den Regelungen des Gesetzes in Arbeitsverträgen grundsätzlich nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden.
Das Gericht betonte, dass der Urlaubsanspruch primär der Erholung dient und in Natur zu gewähren ist. Eine Verrechnung von Urlaubsansprüchen mit negativen Zeitguthaben auf einem Arbeitszeitkonto sei vom Gesetz nicht vorgesehen und unterlaufe den Schutzzweck des Urlaubsrechts. Der Arbeitgeber war also nicht berechtigt, die am Ende des Arbeitsverhältnisses bestehenden -31,68 Minusstunden durch Kürzung des Urlaubsanspruchs auszugleichen.
Entscheidender Punkt: Falsche Klageart verhindert Erfolg trotz Urlaubsfehler
Obwohl die Verrechnung der Minusstunden mit dem Urlaub unzulässig war, führte dies nicht zum Erfolg der Klage des Arbeitnehmers. Der Grund dafür lag in der Art des Anspruchs, den der Arbeitnehmer geltend gemacht hatte. Er klagte auf Vergütung für angeblich geleistete Arbeit (die 57,62 Überstunden). Er hätte jedoch nachweisen müssen, dass er diese Stunden tatsächlich gearbeitet hat und sie ihm zu Unrecht vorenthalten wurden. Insbesondere hätte er darlegen müssen, dass er im letzten Monat (Juni 2020) Arbeit im Umfang der 31,68 Minusstunden geleistet hätte, die dann unrechtmäßig zur Saldierung herangezogen wurden. Diesen Nachweis blieb er schuldig.
Das Gericht stellte klar, dass der Arbeitnehmer nicht die richtigen Ansprüche geltend gemacht hatte. Hätte er argumentiert, dass die Minusstunden entstanden sind, weil der Arbeitgeber ihm keine Arbeit zugewiesen hat (obwohl er arbeitsfähig und -bereit war), hätte er möglicherweise einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn nach § 615 BGB gehabt. Dies ist jedoch ein anderer Anspruch mit anderen Voraussetzungen als die Klage auf Lohn für geleistete Arbeit.
Ebenso hätte der Arbeitnehmer, da die Verrechnung mit dem Urlaub unzulässig war, einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung für die zu Unrecht verrechneten Urlaubstage geltend machen können (§ 7 Abs. 4 BUrlG), da das Arbeitsverhältnis beendet war. Auch diesen Anspruch verfolgte er mit seiner Klage nicht. Da der Arbeitnehmer weder die Leistung der eingeklagten Stunden nachweisen konnte noch seine Klage auf die passenden rechtlichen Grundlagen (Annahmeverzugslohn oder Urlaubsabgeltung) stützte, musste die Klage auf Zahlung von Arbeitslohn abgewiesen werden, auch wenn die Urlaubsverrechnung rechtswidrig war.
Fazit: Arbeitszeitkonto grundsätzlich zulässig, aber Urlaubsschutz bleibt stark
Das Urteil des Arbeitsgerichts Gera bestätigt die grundsätzliche Zulässigkeit von Arbeitszeitkonten zur Flexibilisierung der Arbeitszeit, auch wenn diese Regelungen als AGB einer strengen Kontrolle unterliegen. Die Verrechnung von Überstunden mit Minusstunden ist dabei ein zentraler Bestandteil und im Grundsatz nicht zu beanstanden, solange der Arbeitnehmer seine regelmäßige Vergütung erhält. Das Gericht stellt jedoch auch klar, dass der gesetzliche Urlaubsanspruch einen hohen Schutz genießt und nicht zur Disposition des Arbeitgebers steht, um negative Zeitkonten auszugleichen. Eine Verrechnung von Minusstunden mit Urlaub ist unzulässig. Arbeitnehmer, die sich gegen solche Praktiken wehren wollen, müssen jedoch darauf achten, die korrekten Ansprüche (z.B. Annahmeverzugslohn oder Urlaubsabgeltung) geltend zu machen und die entsprechenden Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen. Die Kosten des Rechtsstreits wurden dem Arbeitnehmer auferlegt.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht, dass Arbeitszeitkonten zur Verrechnung von Überstunden mit Minusstunden grundsätzlich zulässig sind, solange die regelmäßige Vergütung gezahlt wird und die Regelungen transparent sind. Eine zentrale Erkenntnis ist jedoch, dass gesetzlicher Urlaub nicht zur Kompensation von Minusstunden herangezogen werden darf, da dies gegen das Bundesurlaubsgesetz verstößt. Für Arbeitnehmer ist besonders wichtig zu verstehen, dass sie bei rechtlichen Auseinandersetzungen präzise den richtigen Anspruch (wie Annahmeverzugslohn oder Urlaubsabgeltung statt Überstundenvergütung) geltend machen müssen, um erfolgreich zu sein.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was genau ist ein Arbeitszeitkonto und wie funktioniert es grundsätzlich?
Stellen Sie sich ein Arbeitszeitkonto vor wie ein Sparbuch für Ihre Arbeitszeit. Es ist ein System, das in vielen Unternehmen verwendet wird, um die tatsächlich geleistete Arbeitszeit Ihrer Mitarbeiter mit der Zeit zu vergleichen, die vertraglich als Arbeitspflicht vereinbart ist (der sogenannten Soll-Arbeitszeit).
Was erfasst ein Arbeitszeitkonto?
Ein Arbeitszeitkonto erfasst die Differenz zwischen Ihrer geplanten oder geschuldeten Arbeitszeit und der Zeit, die Sie tatsächlich arbeiten.
- Wenn Sie an einem Tag oder in einer Woche mehr Stunden arbeiten als Ihr Vertrag oder eine andere Vereinbarung vorsieht, entsteht ein Zeitguthaben. Man spricht dann oft von „Plusstunden“ oder „Überstunden“ auf dem Konto. Diese Stunden werden auf Ihrem Konto addiert.
- Wenn Sie an einem Tag oder in einer Woche weniger Stunden arbeiten als vorgesehen (und dies im Rahmen der vereinbarten Regeln zulässig ist), entsteht ein Zeitsoll. Man spricht dann oft von „Minusstunden“. Diese Stunden werden von Ihrem Konto abgezogen.
Wie wirkt sich das auf den Lohn aus?
Ein entscheidender Punkt bei einem Arbeitszeitkonto ist: Ihr regelmäßiges Gehalt oder Ihr fester Stundenlohn wird in der Regel unabhängig davon gezahlt, wie viele Plus- oder Minusstunden Sie gerade auf dem Konto haben. Sie erhalten also Ihren Lohn für die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit (z.B. 40 Stunden pro Woche), auch wenn Sie in einer Woche tatsächlich nur 35 oder 45 Stunden gearbeitet haben. Die Schwankungen bei der tatsächlich gearbeiteten Zeit werden auf dem Zeitkonto erfasst und sollen zu einem späteren Zeitpunkt ausgeglichen werden, zum Beispiel durch Freizeitausgleich.
Für Sie bedeutet das, dass Ihr monatliches Einkommen meist konstant bleibt, selbst wenn Ihre Arbeitszeit kurzfristig schwankt.
Wo wird ein Arbeitszeitkonto vereinbart?
Ein Arbeitszeitkonto kann nicht einfach vom Arbeitgeber eingeführt werden. Es bedarf einer rechtlichen Grundlage. Diese findet sich typischerweise in einer der folgenden Vereinbarungen:
- In Ihrem Arbeitsvertrag selbst.
- In einem Tarifvertrag, der für Ihr Arbeitsverhältnis gilt.
- In einer Betriebsvereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat Ihres Unternehmens.
In diesen Vereinbarungen sind die genauen Regeln für das Arbeitszeitkonto festgelegt, zum Beispiel:
- Wie die Arbeitszeit erfasst wird.
- Wie hoch das maximale Zeitguthaben (Plusstunden) oder das maximale Zeitsoll (Minusstunden) sein darf.
- Innerhalb welcher Frist Plus- oder Minusstunden ausgeglichen werden müssen.
- Unter welchen Bedingungen Plusstunden eventuell ausgezahlt werden.
Das Arbeitszeitkonto dient also dazu, die Arbeitszeit flexibel zu gestalten und Über- oder Unterzeiten nicht sofort über den Lohn, sondern über ein Zeitkonto zu verrechnen und später auszugleichen.
Unter welchen Umständen dürfen Minusstunden auf einem Arbeitszeitkonto entstehen?
Auf einem Arbeitszeitkonto dürfen Minusstunden nur unter bestimmten Bedingungen entstehen. Der grundlegende Gedanke ist, dass der Arbeitgeber das Risiko trägt, wenn es keine Arbeit gibt. Juristisch nennt man das das Annahmerisiko. Das bedeutet: Wenn der Arbeitgeber Ihnen Arbeit anbieten müsste, es aber aus Gründen, die der Arbeitgeber zu verantworten hat, keine Arbeit gibt (z.B. Auftragsmangel, kaputte Maschinen, organisatorische Probleme), dann dürfen Ihnen für diese Zeit grundsätzlich keine Minusstunden entstehen. Der Arbeitgeber muss Sie in dieser Zeit trotzdem bezahlen, auch wenn Sie nicht arbeiten.
Wann Minusstunden in der Regel erlaubt sind
Minusstunden auf dem Arbeitszeitkonto sind typischerweise dann zulässig, wenn Sie als Arbeitnehmer die niedrigere Arbeitszeit selbst veranlasst haben. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn:
- Sie sich innerhalb eines vereinbarten Arbeitszeitrahmens bewusst dafür entscheiden, weniger als die vertragliche Vollarbeitszeit zu arbeiten, um diese Stunden später nachzuholen (Flexibilität durch Gleitzeit oder Arbeitszeitkonten). Dies muss aber klar vereinbart sein, oft im Arbeitsvertrag, einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung.
- Sie unbezahlten Urlaub nehmen.
- Sie zu spät zur Arbeit kommen (sofern nicht anders geregelt).
- Sie eine vom Arbeitgeber angebotene und mögliche Arbeitsleistung nicht erbringen möchten, obwohl Arbeit vorhanden wäre.
Wichtig ist hierbei immer, dass die Möglichkeit, die volle Arbeitszeit zu leisten, vom Arbeitgeber gegeben war und Sie selbst entschieden haben, dies nicht zu tun.
Was gilt bei fehlender Arbeit (Annahmerisiko des Arbeitgebers)?
Wenn der Arbeitgeber aus betrieblichen Gründen, wie Auftragsmangel, Materialknappheit, Betriebsstörungen oder ähnlichem, keine Arbeit für Sie hat, dürfen Ihnen keine Minusstunden auf dem Arbeitszeitkonto belastet werden. Dies fällt unter das bereits erwähnte Annahmerisiko des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber muss Sie in solchen Fällen weiterbezahlen, obwohl keine Arbeitsleistung erbracht wurde. Arbeitszeitkonten dürfen nicht dazu missbraucht werden, dieses Betriebsrisiko auf den Arbeitnehmer abzuwälzen.
Die Bedeutung von Vereinbarungen
Ob und in welchem Umfang Minusstunden aufgebaut werden dürfen, hängt stark von den Regelungen in Ihrem Arbeitsvertrag, einem geltenden Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung ab. Diese Dokumente legen den Rahmen für das Arbeitszeitkonto fest, zum Beispiel:
- Wie viele Plus- oder Minusstunden maximal angespart werden dürfen.
- In welchem Zeitraum Minusstunden ausgeglichen werden müssen.
- Unter welchen genauen Bedingungen Minusstunden entstehen können.
Allerdings können auch solche Vereinbarungen die gesetzlichen Grundprinzipien, wie das Annahmerisiko des Arbeitgebers, nicht einfach außer Kraft setzen. Eine Vereinbarung, die pauschal Minusstunden für Zeiten ohne Arbeit aufgrund von Auftragsmangel vorsieht, wäre in der Regel unwirksam, da sie das Betriebsrisiko rechtswidrig auf den Arbeitnehmer überträgt.
Für Sie bedeutet das: Prüfen Sie Ihre individuellen Vereinbarungen, aber wissen Sie auch, dass bestimmte gesetzliche Rechte, wie der Schutz vor der Überwälzung des Arbeitgeberrisikos, auch durch Verträge nicht ohne Weiteres ausgehebelt werden können.
Dürfen Überstunden grundsätzlich mit Minusstunden auf dem Arbeitszeitkonto verrechnet werden?
Stellen Sie sich vor, Sie haben auf Ihrem Arbeitszeitkonto sowohl Plusstunden (Überstunden) als auch Minusstunden angesammelt. Viele Arbeitnehmer fragen sich, ob der Arbeitgeber die Überstunden einfach nutzen darf, um die Minusstunden auszugleichen, statt die Überstunden auszuzahlen oder Freizeitausgleich zu gewähren.
Die kurze Antwort lautet: Eine Verrechnung von Überstunden mit Minusstunden ist nicht automatisch zulässig. Sie ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich.
Überstunden sind zusätzliche Arbeitszeit, die über die reguläre vertragliche Arbeitszeit hinausgeht und vom Arbeitgeber angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt wurde. Sie sind grundsätzlich zu vergüten oder durch Freizeit auszugleichen, es sei denn, es gibt eine klare Vereinbarung dazu, wie damit umgegangen wird.
Minusstunden entstehen, wenn ein Arbeitnehmer weniger gearbeitet hat, als es seine vertragliche Sollarbeitszeit vorschreibt. Ob Minusstunden überhaupt anfallen dürfen und unter welchen Umständen, hängt ebenfalls von Vereinbarungen ab.
Wann eine Verrechnung möglich ist
Eine Verrechnung von Überstunden mit Minusstunden ist in der Regel nur dann erlaubt, wenn es dafür eine klare vertragliche Grundlage gibt. Das kann in Ihrem Arbeitsvertrag, einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung geregelt sein.
Eine solche Vereinbarung kann zum Beispiel vorsehen, dass sowohl Plus- als auch Minusstunden auf einem Arbeitszeitkonto gesammelt werden und dieses Konto dann ausgeglichen wird. Das ist typisch für sogenannte Arbeitszeitkonten oder Gleitzeitmodelle.
Wichtig ist: Die Regeln für das Sammeln und den Ausgleich von Plus- und Minusstunden müssen transparent und verständlich sein.
Voraussetzungen für die Minusstunden
Damit Minusstunden überhaupt entstehen und verrechnet werden können, dürfen sie in der Regel nicht durch Umstände verursacht worden sein, die in der Verantwortung des Arbeitgebers liegen. Wenn der Arbeitgeber zum Beispiel nicht genügend Arbeit hat und Sie deshalb nach Hause schickt, dürfen Ihnen dafür normalerweise keine Minusstunden berechnet werden, die dann mit Ihren Überstunden verrechnet werden könnten.
Minusstunden dürfen in der Regel nur dann verrechnet werden, wenn sie:
- auf Ihren Wunsch entstanden sind (z.B. weil Sie früher gehen wollten und das mit dem Arbeitgeber so vereinbart haben),
- im Rahmen eines vereinbarten flexiblen Arbeitszeitmodells entstanden sind, bei dem Sie die Lage Ihrer Arbeitszeit mitgestalten können,
- oder aufgrund anderer Umstände entstanden sind, die nicht dem Risikobereich des Arbeitgebers zuzuordnen sind und für die es eine klare Vereinbarung gibt.
Grenzen der Verrechnung
Auch wenn es eine Vereinbarung zur Verrechnung gibt, gibt es Grenzen.
- Die Vereinbarung muss klar und eindeutig sein.
- Die Verrechnung muss für Sie als Arbeitnehmer zumutbar sein. Das bedeutet, dass nicht unbegrenzt Minusstunden angesammelt werden dürfen, die dann „ewig“ mit zukünftigen Überstunden verrechnet werden müssten. Oft sind Höchstgrenzen für Plus- und Minusstunden auf dem Arbeitszeitkonto vereinbart.
- Die Vereinbarung darf Sie nicht unangemessen benachteiligen.
Kurz gesagt: Eine automatische Verrechnung Ihrer Überstunden mit Minusstunden ist nicht der Regelfall. Sie hängt entscheidend davon ab, ob es eine gültige Vereinbarung zwischen Ihnen und Ihrem Arbeitgeber gibt und unter welchen Bedingungen die Minusstunden überhaupt entstanden sind.
Ist es erlaubt, dass der Arbeitgeber Urlaubstage zum Ausgleich von Minusstunden verwendet?
Grundsätzlich gilt: Es ist nicht zulässig, dass Ihr Arbeitgeber Urlaubstage heranzieht, um damit Minusstunden auf Ihrem Arbeitszeitkonto auszugleichen.
Der Grund dafür ist der klare Zweck von Urlaub: Laut Gesetz dient Urlaub Ihrer persönlichen Erholung. Sie sollen sich in dieser Zeit von der Arbeit erholen und neue Kraft schöpfen können. Dieser Zweck steht im Vordergrund.
Wenn Urlaubstage dazu verwendet würden, ein Defizit an Arbeitszeit (Minusstunden) auszugleichen, würde der Urlaub seinen eigentlichen Zweck verfehlen. Er würde nicht mehr der Erholung dienen, sondern als eine Art Ausgleichszahlung für nicht geleistete Arbeit fungieren. Dies widerspricht der gesetzlichen Regelung zum Erholungsurlaub.
Was bedeutet das für Sie als Arbeitnehmer?
Ihr Arbeitgeber kann nicht einseitig festlegen, dass angesammelte Minusstunden mit Ihrem gesetzlichen Urlaubsanspruch verrechnet werden. Auch eine Anweisung dazu ist in der Regel unwirksam. Ihr Urlaubsanspruch bleibt bestehen, auch wenn Sie Minusstunden haben.
Gibt es Ausnahmen?
Die Anrechnung von Urlaub auf Minusstunden ist nur in sehr engen Ausnahmefällen möglich, die ausdrücklich vereinbart sein müssen. Dies könnte beispielsweise in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung geregelt sein, wobei auch hier die Grenzen des Urlaubsrechts beachtet werden müssen. Eine einfache mündliche oder schriftliche individuelle Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die den gesetzlichen Urlaubsanspruch aushöhlt, ist meist unwirksam.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Urlaub ist für die Erholung da, nicht für den Ausgleich von Arbeitszeitdefiziten.
Welche Rechte habe ich als Arbeitnehmer, wenn ich mit der Führung meines Arbeitszeitkontos nicht einverstanden bin?
Wenn Sie Zweifel an der Richtigkeit der Stunden in Ihrem Arbeitszeitkonto haben oder das Gefühl haben, benachteiligt zu sein, ist es verständlich, dass Sie das klären möchten. Ihr Arbeitgeber ist grundsätzlich verpflichtet, die Arbeitszeit korrekt zu erfassen. Sie haben verschiedene Möglichkeiten, um Ihren Bedenken nachzugehen und eine Klärung herbeizuführen.
Ein erster wichtiger Schritt ist die Einsicht in die Unterlagen. Sie können Ihren Arbeitgeber bitten, Ihnen die Aufzeichnungen zu zeigen, die zur Berechnung Ihres Arbeitszeitkontos verwendet wurden. Das ermöglicht Ihnen, nachzuvollziehen, wie Ihre Stunden erfasst und verrechnet wurden, und zu prüfen, wo Ihrer Meinung nach die Abweichungen liegen.
Danach ist das Gespräch mit dem Arbeitgeber oft der nächste Weg. Sprechen Sie Ihre Bedenken offen an. Erklären Sie, warum Sie mit dem Konto nicht einverstanden sind und auf welchen Daten Ihre Ansicht basiert. Manchmal lassen sich Unstimmigkeiten durch ein klärendes Gespräch und die gemeinsame Überprüfung der Daten schnell beheben.
Gibt es in Ihrem Unternehmen einen Betriebsrat, kann dieser ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Der Betriebsrat hat unter Umständen das Recht, die Einhaltung von Arbeitszeitregelungen und Betriebsvereinbarungen zu überwachen. Sie können sich an den Betriebsrat wenden und ihn um Unterstützung bitten. Der Betriebsrat kann das Thema beim Arbeitgeber ansprechen und versuchen, im Rahmen seiner Möglichkeiten zu vermitteln.
Um Ihre Position zu stärken, ist es sehr ratsam, eigene Aufzeichnungen über Ihre Arbeitszeit zu führen. Notieren Sie sich Beginn und Ende Ihrer täglichen Arbeitszeit sowie Ihre Pausen. Diese eigenen Notizen können als wichtige Belege dienen, wenn es darum geht, Abweichungen im Arbeitszeitkonto nachzuweisen. Je sorgfältiger Ihre eigenen Aufzeichnungen sind, desto besser können Sie diese nutzen, um Ihre Sichtweise darzulegen.
Falls alle Klärungsversuche und Gespräche mit dem Arbeitgeber nicht erfolgreich sind und die Differenzen im Arbeitszeitkonto bestehen bleiben, kann es erforderlich sein, die Angelegenheit formeller zu klären. In schwerwiegenden Fällen, in denen es zum Beispiel um die korrekte Bezahlung von Überstunden geht, die im Konto nicht erfasst sind, kann eine rechtliche Klärung vor dem Arbeitsgericht ein möglicher Weg sein. Das Arbeitsgericht kann die vorgelegten Aufzeichnungen und Argumente prüfen und eine Entscheidung über die korrekte Höhe des Arbeitszeitkontos oder damit zusammenhängende Ansprüche treffen. Dies ist jedoch in der Regel der letzte Schritt, wenn eine außergerichtliche Einigung nicht möglich ist.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Arbeitszeitkonto
Ein Arbeitszeitkonto ist ein System, das die tatsächlich geleistete Arbeitszeit eines Mitarbeiters im Vergleich zur vertraglich vereinbarten Arbeitszeit erfasst. Es speichert Plusstunden (Mehrarbeit) und Minusstunden (weniger als vereinbarte Arbeitszeit) und ermöglicht so einen späteren Ausgleich von Schwankungen bei der Arbeitszeit durch Freizeit oder Vergütung. Rechtsgrundlagen für Arbeitszeitkonten finden sich meist im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder in Betriebsvereinbarungen. Beispiel: Wenn Sie in einer Woche mehr als Ihre 37,5 vertraglich vereinbarten Stunden arbeiten, werden diese Überstunden auf Ihrem Arbeitszeitkonto hinzugefügt und später durch Freizeit oder Bezahlung ausgeglichen.
Minusstunden
Minusstunden sind Arbeitszeitdefizite, die entstehen, wenn ein Arbeitnehmer weniger Stunden arbeitet, als vertraglich vereinbart. Diese Minusstunden werden auf dem Arbeitszeitkonto als „negativer Saldo“ vermerkt und können später mit Überstunden oder Freizeitausgleich ausgeglichen werden. Minusstunden dürfen allerdings nicht dann entstehen, wenn der Arbeitgeber keine Arbeit zur Verfügung stellt (Annahmerisiko). Beispiel: Kommen Sie eine Stunde zu spät zur Arbeit und dies ist nicht erlaubt, entstehen Minusstunden, die Sie später ausgleichen müssen. Arbeitet der Arbeitgeber aber wegen Auftragsmangel weniger aus, darf Ihnen dies nicht als Minusstunden berechnet werden.
Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)
Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) sind vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Partei (meist der Arbeitgeber) einer Vielzahl von Verträgen gleicher Art einseitig stellt. Im Arbeitsrecht unterliegen AGB einer besonderen Kontrolle (§§ 305 ff. BGB), um sicherzustellen, dass sie den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen oder unklar sind. Im vorliegenden Fall bezog sich die AGB-Regelung auf Details des Arbeitszeitkontos, insbesondere die Verrechnung von Überstunden und Minusstunden. Eine Klausel kann unwirksam sein, wenn sie gegen gesetzliche Vorschriften verstößt oder zu unklar formuliert ist. Beispiel: Eine Klausel, die vorsieht, dass Urlaubstage eigenmächtig mit Minusstunden verrechnet werden dürfen, kann wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam sein.
Annahmeverzug (§ 615 BGB)
Der Annahmeverzug liegt vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine Arbeit anbietet, obwohl dieser bereit und in der Lage wäre zu arbeiten. In diesem Fall schuldet der Arbeitgeber trotzdem die Vergütung, auch wenn keine Arbeitsleistung erbracht wird. Beim Arbeitszeitkonto bedeutet das, dass Minusstunden nicht entstehen dürfen, wenn Sie dem Arbeitgeber Arbeit angeboten haben, dieser sie aber nicht angenommen hat. Beispiel: Ihr Arbeitgeber schickt Sie wegen fehlender Aufträge nach Hause, Sie sind aber arbeitsbereit; hier entsteht kein Minusstunden-Saldo, und Sie haben Anspruch auf Lohnzahlung trotz Nichtarbeit.
Urlaubsanspruch und Urlaubsabgeltung (§ 7 BUrlG)
Der Urlaubsanspruch ist das Recht eines Arbeitnehmers auf bezahlte Freistellung zur Erholung, gesetzlich geregelt im Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Urlaub dient der Erholung und darf nicht ohne weiteres für finanzielle oder arbeitszeitliche Ausgleiche herangezogen werden. Die Verrechnung von Minusstunden mit Urlaub ist grundsätzlich unzulässig, da Urlaub in Natur zu gewähren ist (§ 13 Abs. 1 BUrlG). Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann nicht genommener Urlaub in Geld abgegolten werden (Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG). Beispiel: Wenn Ihr Arbeitszeitkonto Minusstunden aufweist, darf der Arbeitgeber diese nicht einfach mit Ihren Urlaubstagen ausgleichen; der Urlaub bleibt für Ihre Erholung erhalten.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 611a BGB (Dienstvertrag und Arbeitsvertrag): Regelt das Verpflichtungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, insbesondere die Leistungs- und Vergütungspflichten. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Grundlage für die vertraglichen Pflichten des Arbeitnehmers zur Erbringung von Arbeit und des Arbeitgebers zur Vergütung, worauf das Arbeitszeitkonto aufbaut.
- §§ 305 ff. BGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen – AGB-Recht), insbesondere § 307 BGB: Kontrollieren die Wirksamkeit vorformulierter Vertragsbedingungen, verbieten Unklarheiten und unangemessene Benachteiligungen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Diente der Prüfung der Zusatzvereinbarung zum Zeiterfassungssystem, insbesondere der Saldierungsklausel, die das Gericht für nicht intransparent und zulässig hielt.
- § 615 BGB (Annahmeverzug des Arbeitgebers): Regelt die Vergütungspflicht des Arbeitgebers bei Arbeitsverhinderung aus dessen Anlass, unabhängig von geleisteter Arbeit. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Relevanter Anspruch für den Arbeitnehmer, falls Minusstunden aufgrund fehlender Arbeit durch den Arbeitgeber entstanden sind, wurde jedoch vom Kläger nicht geltend gemacht.
- Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), insbesondere § 13 Abs. 1 und § 7 Abs. 4: Schützen den Urlaubsanspruch als Erholungszeit, verbieten zurückweisende Abweichungen zu Lasten des Arbeitnehmers und regeln die Auszahlung offenen Urlaubs bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Verbietet die Verrechnung von Minusstunden mit dem Jahresurlaub, eine Klausel, die das Gericht für unwirksam erklärte; der Anspruch auf Urlaubsabgeltung muss bei unrechtmäßiger Urlaubsverrechnung geltend gemacht werden.
- Arbeitszeitgesetz (ArbZG), insb. Regelungen über Arbeitszeit und Ausgleich: Reguliert Höchstarbeitszeiten, Ruhepausen und beinhaltet die Möglichkeit der Flexibilisierung der Arbeitszeit über Arbeitszeitkonten. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Rechtfertigt die Zulässigkeit der Führung eines Arbeitszeitkontos zur Flexibilisierung der Arbeitszeit, sofern gesetzliche Grenzen eingehalten werden.
- Arbeitsvertragsrechtliche Grundsätze der Vergütung und Zeiterfassung: Bestimmen, dass Überstunden grundsätzlich vergütet oder durch Freizeit ausgeglichen werden müssen, und dass die Vergütung der vereinbarten Arbeitszeit dem Arbeitnehmer zusteht. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Stützen die Entscheidung, dass Überstunden auf dem Arbeitszeitkonto verrechnet werden können, wenn der Arbeitnehmer die vereinbarte Durchschnittsvergütung erhält; Überstundenvergütung wurde durch flexible Kontoführung ersetzt.
Das vorliegende Urteil
ArbG Gera – Az.: 3 Ca 38/21 – Urteil vom 29.03.2022
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