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Überzahlte Vergütung – Rückforderung – Organisationsmängel Arbeitgeber

Arbeitnehmer muss überzahlte Steuern nicht zurückzahlen

Das Arbeitsgericht Stuttgart wies die Klage einer Arbeitgeberin ab, die von ihrer ehemaligen Arbeitnehmerin die Rückzahlung von überbezahlten Vergütungen einschließlich der darauf entfallenden Steuern und Solidaritätszuschläge forderte. Das Gericht entschied, dass die Arbeitnehmerin nur den erhaltenen Nettobetrag zurückzahlen muss, nicht aber die vom Arbeitgeber an das Finanzamt abgeführten Steuern und Solidaritätszuschläge.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 15 Ca 7639/17   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Zentrale Punkte aus dem Urteil:

  1. Klageabweisung: Die Klage der Arbeitgeberin wurde abgewiesen.
  2. Kostenentscheidung: Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  3. Streitwert: Der Streitwert wurde auf 1.114,24 EUR festgesetzt.
  4. Rückzahlungspflicht: Die Arbeitnehmerin muss lediglich den erhaltenen Nettobetrag zurückzahlen.
  5. Keine Rückforderung der Steuern/Solidaritätszuschläge: Die Arbeitgeberin kann die an das Finanzamt abgeführten Steuern und Solidaritätszuschläge nicht von der Arbeitnehmerin zurückfordern.
  6. Innerorganisatorische Mängel: Die Überzahlung entstand durch Kommunikationsmängel zwischen den Behörden der Klägerin.
  7. Bereicherungsrechtliche Rückabwicklung: Die Rückabwicklung erfolgt im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Finanzverwaltung, nicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
  8. Zulassung der Berufung: Das Urteil weicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ab, weshalb Berufung zugelassen wurde.

Rückforderung überzahlter Vergütungen und die Rolle der Organisationsmängel im Arbeitsrecht

Das Arbeitsrecht ist ein dynamisches Feld, das regelmäßig komplexe Situationen umfasst, besonders wenn es um die Rückforderung überzahlter Vergütungen geht. Der Kern dieses Themas dreht sich um die Frage, inwieweit Arbeitgeber überzahlte Gehälter zurückfordern können, insbesondere wenn interne Organisationsmängel eine Rolle spielen.

Der Fokus liegt dabei auf der rechtlichen Bewertung von Überzahlungen durch den Arbeitgeber und den daraus resultierenden Rückforderungsansprüchen. Hierbei werden Organisationsmängel beim Arbeitgeber oft als ein entscheidender Faktor betrachtet, der den Umfang und die Möglichkeit der Rückforderung beeinflussen kann. Das Zusammenspiel dieser Elemente erzeugt ein komplexes juristisches Szenario, das sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber von großer Bedeutung ist. Die rechtliche Grundlage für solche Rückforderungen findet sich in den allgemeinen bereicherungsrechtlichen Vorschriften, wobei die genaue Anwendung und Interpretation von Fall zu Fall variieren kann.

Das Verständnis der rechtlichen Feinheiten und der Anwendungsbereich dieser Grundsätze ist nicht nur für Juristen, sondern auch für Betroffene in der Arbeitswelt von hoher Relevanz. Gerade in Fällen, in denen es um die Rückforderung von Gehaltsüberzahlungen aufgrund von internen Fehlern geht, zeigt sich, wie wichtig eine klare und strukturierte Organisation innerhalb eines Unternehmens ist.

Ursachen und Hintergründe der Überzahlungsklage im Arbeitsrecht

In einem bemerkenswerten Fall des Arbeitsgerichts Stuttgart (Az.: 15 Ca 7639/17) wurde eine Klage gegen die Rückforderung überzahlter Vergütung aufgrund von Organisationsmängeln beim Arbeitgeber verhandelt. Im Kern drehte sich der Fall um eine Angestellte (Beklagte), die nach Eigenkündigung zum 30. April 2017 fälschlicherweise auch für den Mai 2017 Gehalt erhielt. Dieses Missgeschick rührte von einer verspäteten Informationsweitergabe zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und dem Bundesverwaltungsamt (BVA), welches die Vergütung auszahlte.

Die rechtliche Komplexität des Falles

Die rechtliche Problematik in diesem Fall lag in der Frage, ob neben der Nettovergütung auch die an das Finanzamt abgeführten Steuern und Solidaritätszuschläge zurückgefordert werden können. Die Klägerin, in diesem Fall der Arbeitgeber, forderte die Rückzahlung des Bruttobetrags, einschließlich der Steuern und Zuschläge. Die Beklagte zahlte lediglich den Nettobetrag zurück und verweigerte die Zahlung der weiteren Forderungen.

Bewertung des Sachverhalts und der gerichtlichen Entscheidung

Das Gericht musste hierbei prüfen, inwiefern die Beklagte rechtlich für die Rückzahlung des gesamten überzahlten Betrages, einschließlich der Steuern und Solidaritätszuschläge, verantwortlich ist. Die Entscheidung des Gerichts, die Klage abzuweisen und die Kosten dem Arbeitgeber aufzuerlegen, basierte auf der Auffassung, dass die Rückforderung sich nur auf den Nettobetrag erstrecken sollte. Das Gericht sah es als unbillig an, die Beklagte für die organisatorischen Fehler des Arbeitgebers verantwortlich zu machen.

Die Bedeutung des Urteils für die Praxis

Dieses Urteil wirft ein Schlaglicht auf die Bedeutung einer korrekten und zeitnahen Kommunikation zwischen verschiedenen Behörden und Abteilungen, speziell in Bezug auf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Es zeigt auch auf, dass bei der Rückforderung überzahlter Vergütungen eine differenzierte Betrachtung von Nettobetrag und abgeführten Steuern und Solidaritätszuschlägen erforderlich ist. Der Fall stellt ein prägnantes Beispiel für die Herausforderungen im Arbeitsrecht dar, insbesondere im Umgang mit Überzahlungen und den damit verbundenen Rückforderungen.

Fazit und Ausblick

Dieses Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart setzt einen wichtigen Präzedenzfall im Umgang mit Fehlern bei der Gehaltsabrechnung und der anschließenden Rückforderung. Es betont die Verantwortung des Arbeitgebers für interne Organisationsmängel und begrenzt die Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers auf den Nettobetrag. Dies könnte in zukünftigen Fällen ähnlicher Natur eine maßgebliche Rolle spielen.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Wie lange kann ein Arbeitgeber zu viel gezahlten Lohn zurückfordern?

Ein Arbeitgeber in Deutschland hat grundsätzlich das Recht, zu viel gezahlten Lohn zurückzufordern. Der Grund für die Überzahlung spielt dabei keine Rolle, ob es sich um eine fehlerhafte Berechnung, eine doppelte Zahlung oder eine unberechtigte Zahlung handelt.

Die Frist für die Rückforderung von zu viel gezahltem Lohn kann durch Ausschlussfristen in Betriebsvereinbarungen oder Arbeits- oder Tarifverträgen bestimmt sein. Innerhalb dieser Frist muss der Arbeitgeber das zu viel gezahlte Entgelt zurückgefordert haben, sonst erlischt sein Anspruch. Ist eine solche Ausschlussfrist nicht vereinbart, gilt die normale gesetzliche Verjährungsfrist von drei Jahren. Diese beginnt ab Ende des Jahres, in dem der Arbeitgeber zu viel bezahlt und seinen Fehler bemerkt hat.

Die Kenntnis von der Überzahlung spielt ebenfalls eine Rolle. Der Arbeitgeber kann das zu viel Gezahlte nicht zurückfordern, wenn er sich bewusst war, zu viel zu bezahlen. Ist ein anderer als der Arbeitgeber (etwa eine Buchhalterin, der Personalchef oder ein externes Lohnbüro) mit der Auszahlung des Arbeitsentgelts beauftragt und bezahlt diese Person zu viel Lohn und erkennt sie den Fehler, steht dem Arbeitgeber dennoch eine Rückforderung des Entgelts zu.

Erkennt hingegen der Arbeitnehmer, mehr Entgelt erhalten zu haben, als ihm zusteht, darf er es auch nicht ausgeben. Er muss es vielmehr zurückzahlen. Außerdem verletzt der Arbeitnehmer seine Treuepflicht, wenn er dem Arbeitgeber den Fehler nicht meldet. Ihm droht unter Umständen sogar die Kündigung.

Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Rückforderung überzahlter Vergütung im Arbeitsrecht?

Die Rückforderung überzahlter Vergütung im Arbeitsrecht in Deutschland wird durch verschiedene rechtliche Grundlagen geregelt.

Grundsätzlich hat der Arbeitgeber das Recht, zu viel gezahltes Entgelt zurückzufordern, unabhängig vom Grund der Überzahlung. Dieser Anspruch basiert auf § 812 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), der einen Herausgabeanspruch bei ungerechtfertigter Bereicherung vorsieht.

Es gibt jedoch bestimmte Ausnahmen und Bedingungen. Eine davon ist die Entreicherung gemäß § 818 Absatz 3 BGB. Wenn der Arbeitnehmer den Fehler nicht bemerkt und das überzahlte Gehalt bereits für etwas ausgegeben hat, dessen Gegenwert sich nicht mehr in seinem Vermögen befindet, muss das zu viel gezahlte Gehalt nicht zurückgezahlt werden.

Eine weitere Ausnahme ist, wenn der Arbeitgeber bei der Auszahlung bereits wusste, dass es sich um eine Überzahlung handelt. In diesem Fall kann der Arbeitgeber das überzahlte Gehalt gemäß § 814 BGB grundsätzlich nicht zurückfordern.

Es können auch Ausschlussfristen in Betriebsvereinbarungen oder Arbeits- oder Tarifverträgen festgelegt sein. Innerhalb dieser Frist muss der Arbeitgeber das zu viel gezahlte Entgelt zurückgefordert haben, sonst erlischt sein Anspruch. Ist eine solche Ausschlussfrist nicht vereinbart, gilt die normale gesetzliche Verjährungsfrist von drei Jahren.

Darüber hinaus kann es auch Rückzahlungsklauseln in Arbeitsverträgen geben, die den Anspruch des Arbeitgebers auf Rückerstattung überzahlter Vergütung sichern.

Es ist auch zu beachten, dass die Rückforderung von überzahltem Gehalt im Rahmen der Pfändungsgrenzen erfolgen muss.

Schließlich ist es wichtig zu wissen, dass der Arbeitgeber keine Zinsen auf die zurückgeforderte Überzahlung verlangen kann.


Das vorliegende Urteil

ArbG Stuttgart – Az.: 15 Ca 7639/17 – Urteil vom 09.05.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 1.114,24 EUR festgesetzt.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin, nachdem es für den Monat Mai 2017 zu einer Vergütungsüberzahlung an die Beklagte kam, von dieser über die bereits zurückbezahlte Nettovergütung hinaus weitere 1.114,24 EUR (Steuern/Solidaritätszuschläge) zurückverlangen kann.

Am 28. April 2016 schlossen die Parteien einen befristeten Arbeitsvertrag (Anlage 1 zur Klageschrift, Bl. 3 der Akte). Gemäß § 1 des Arbeitsvertrages wurde die Beklagte ab dem 1. Mai 2016 als Vollzeitbeschäftigte sachgrundlos befristet bis zum 30. April 2018 eingestellt. Gemäß § 2 des Arbeitsvertrages bestimmte sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD), den besonderen Regelungen für die Verwaltung (TVöD – Besonderer Teil Verwaltung), dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Bund) und den diese ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich des Bundes jeweils geltenden Fassung. Gemäß § 4 des Arbeitsvertrages wurde die Beklagte in die Entgeltgruppe 12 TVöD eingruppiert.

Eingesetzt wurde die Beklagte von der Klägerin während des Arbeitsverhältnisses beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: BAMF). Die Vergütungszahlung durch die Klägerin an die Beklagte erfolgte durch das Bundesverwaltungsamt (im Folgenden: BVA; vgl. dazu die Anlage 4 zur Klageschrift, Bl. 6 der Akte).

Mit Schreiben vom 14. Februar 2017 kündigte die Beklagte im Wege einer Eigenkündigung das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin vorzeitig ordentlich zum 30. April 2017.

Mit Schreiben vom 16. Februar 2017 (Anlage 3 zur Klageschrift, Bl. 5 der Akte) bestätigte das BAMF den Eingang der Kündigung und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30. April 2017. In dem Schreiben heißt es ua.:

„Aus organisatorischen Gründen kann nicht ausgeschlossen werden, dass Ihnen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiter Geld überwiesen wird. In diesem Fall bitte ich Sie, die überzahlte Vergütung zurückzuzahlen und sich deswegen mit dem Bundesverwaltungsamt in Berlin in Verbindung zu setzen.“

So kam es vorliegend tatsächlich. Das BVA zahlte der Beklagten die Bezüge für den Monat Mai 2017 trotz der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30. April 2017 noch aus. Netto erhielt die Beklagte für den Monat Mai 2017 einen Betrag in Höhe von 2.210,89 EUR ausbezahlt (vgl. die Bezügemitteilung Mai 2017 vom 11. Mai 2017, Anlage 2 zur Replik, Bl. 59 der Akte). Als Bruttobetrag weist die genannte Bezügemitteilung Mai 2017, der die Steuerklasse I zugrunde liegt, einen Betrag in Höhe von 3.760,65 EUR aus. Darin enthalten sind Lohnsteuern in Höhe von 645,16 EUR und Solidaritätszuschläge in Höhe von 35,48 EUR, die die Klägerin an das Finanzamt abführte.

Wann das BVA seitens des BAMF über die Eigenkündigung der Beklagten informiert wurde, ist zwischen den Parteien streitig. Während die Klägerin vorgebracht hat, das BVA sei erst aufgrund einer Email des BAMF vom 31. Mai 2017 (Anlage 2 zur Klageschrift, Bl. 4 der Akte = Anlage 1 zur Replik, Bl. 58 der Akte) nach Abrechnung und Auszahlung der Vergütung für den Monat Mai 2017 davon in Kenntnis gesetzt worden, geht die Beklagte davon aus, dass eine frühere Kenntnis vorgelegen haben müsse.

Mit Schreiben vom 7. Juni 2017 (Anlage 6 zur Klageschrift, Bl. 9 der Akte) forderte die Klägerin die Beklagte auf, einen Betrag in Höhe von 3.325,13 EUR zurückzuzahlen. Insgesamt – so die Klägerin in diesem Schreiben – belaufe sich die Überzahlung auf 4.194,25 EUR (3.760,65 EUR und weitere 433,60 EUR Steuern/Solidaritätszuschläge), wovon die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung und Zusatzversorgung abzuziehen seien, so dass 3.325,13 EUR (2.891,53 EUR und weitere 433,60 EUR Steuern/Solidaritätszuschläge) verblieben.

Die in diesem Schreiben genannten weiteren 433,60 EUR (411,00 EUR Lohnsteuern und 22,60 EUR Solidaritätszuschläge) ergeben sich daraus, dass die Klägerin den Monat Mai 2017 in der Folgezeit unter Zugrundelegung der Steuerklasse VI erneut abrechnete (vgl. dazu die Bezügemitteilungen Juni 2017, Juli 2017 und August 2017, Anlagen 3 bis 5 der Replik, Bl. 60 ff. der Akte; zur Erläuterung derselben durch die Klägerin wird auf Seite 4 der Replik Bezug genommen).

Mit Schreiben vom 26. Juni 2017 (Anlage 7 zur Klageschrift, Bl. 10 f. der Akte) erklärte sich die Beklagte bereit, den erhaltenen Nettobetrag (2.210,89 EUR) zurückzubezahlen, was sie in der Folgezeit auch tat. Die Rückzahlung der geforderten weiteren 1.114,24 EUR (Steuern/Solidaritätszuschläge) lehnte sie indes ab.

Mit Schreiben vom 12. Juli 2017 (Anlage 8 zur Klageschrift, Bl. 12 der Akte) hielt die Klägerin an ihrer Forderung fest und forderte die Beklagte erneut auf, die weiteren 1.114,24 EUR (Steuern/Solidaritätszuschläge) zu bezahlen.

Mit Rechtsanwaltsschreiben vom 27. Juli 2017 (Anlage 9 zur Klageschrift, Bl. 13 ff. der Akte) trat die Klägerin dem entgegen.

Mit Schreiben vom 29. August 2017 (Anlage 10 zur Klageschrift, Bl. 17 ff. der Akte) forderte die Klägerin die Beklagte letztmalig außergerichtlich – unter Fristsetzung zum 15. September 2017 – zur Zahlung auf.

Mit Rechtsanwaltsschreiben vom 14. September 2017 (Anlage 11 zur Klageschrift, Bl. 21 f. der Akte) lehnte die Klägerin dies nochmals ab, worauf die Klägerin am 30. November 2017 die vorliegende Klage anhängig machte.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte sei verpflichtet, über den zurückgezahlten Nettobetrag hinaus weitere 1.114,24 EUR (Steuern/Solidaritätszuschläge) an sie zu zurückzubezahlen.

Die Aktivlegitimation der Klägerin sei gegeben. Sowohl das BAMF als auch das BVA seien befugt, die Klägerin zu vertreten. Dem BVA seien – ausweislich der Anlage 4 zur Klageschrift – sämtliche Aufgaben im Zusammenhang mit der Bearbeitung der Vergütung und der Löhne des BAMF übertragen. Hierzu gehöre auch die Vertretung im vorliegenden Rechtsstreit.

Die Vergütungsüberzahlung für den Monat Mai 2017 sei erfolgt, weil das BVA seitens des BAMF erst durch die Email vom 31. Mai 2017 über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. April 2017 informiert worden sei. Die Behauptung der Beklagten, ein Teil dieser Email sei gelöscht worden, sei nicht nachvollziehbar. Mit der Email vom 31. Mai 2017 habe Herr L. vom BAMF eine Email von Frau D. vom BAMF vom 20. Februar 2017 an den zuständigen Bezügerechner Herrn K. vom BVA übersandt. Diese sei inhaltlich nicht verändert worden, insbesondere nicht teilweise gelöscht. Eine vorherige Kenntnis über den Sachverhalt der Kündigung der Beklagten sei aus der Entgeltakte nicht ersichtlich. Voraussetzung dafür, dass dem BVA eine Kenntnis des BAMF zuzurechnen wäre, dass ein zur Entgegennahme der Kündigung befugter Vertreter des BVA von dieser Kenntnis gehabt hätte. Ein solcher Fall sei nicht gegeben. Kein Mitarbeiter des BVA sei zur Entgegennahme von Kündigungen befugt, eine Zuständigkeit bestehe allein für die mit der Gewährung des Entgelts zusammenhängenden Aufgaben. Der Hinweis in der Kündigungsbestätigung des BAMF, nach dem die Möglichkeit einer Überzahlung bestehe, sei Ausfluss der nachgelagerten Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, überdies sei es logisch, dass es etwa bei einer Mitte des Monats erklärten Kündigung aufgrund der Fälligkeit des Entgelts zum Monatsende zu Überzahlungen kommen könne. Bezüglich der geäußerten Kritik an der mangelhaften Kommunikation zwischen dem BAMF und dem BVA sei darauf hinzuweisen, dass infolge des Flüchtlingszustroms und der sich daraus ergebenden Notwendigkeit der Personalaufstockung die personalbearbeitende Stelle des BAMF außergewöhnlich hoch belastet gewesen sei, was zeitweise zu Verzögerungen in der Informationskette geführt habe. Soweit die Beklagte behaupte, es müsse Kenntnis von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der fehlenden Abrufbarkeit der Daten gemäß § 39 e Abs. 5 Satz 1 EStG und aufgrund der Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse VI bestanden haben, verkenne sie, dass nicht das BAMF, sondern das BVA mit den mit der Gewährung des Entgelts zusammenhängenden Aufgaben befasst sei. Diese Aufgabenzuweisung beinhalte auch die lohnsteuerrechtliche Meldepflicht gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern, die das BVA erst erfüllen könne, wenn ihm vom BAMF der Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mitgeteilt werde, was hier erst am 31. Mai 2017 geschehen sei. Daher sei die Vergütung zunächst auf der Basis der Lohnsteuerklasse I abgerechnet und ausbezahlt worden, nach Kenntniserlangung sei dann rückwirkend und ordnungsgemäß eine Berechnung und ergänzende Abführung auf der Basis der Lohnsteuerklasse VI erfolgt (zu den Einzelheiten des diesbezüglichen Vorbringens der Klägerin wird auf die Seite 4 der Replik Bezug genommen). Im Übrigen gingen die Ausführungen der Beklagten hierzu an der Thematik vorbei. Gegenstand des Rechtsstreits sei die Verpflichtung der Beklagten zur Rückzahlung der abgeführten Steuern/Solidaritätszuschläge, die von den diesbezüglichen Regelungen nicht tangiert sei.

Bei Kenntniserlangung am 31. Mai 2017 habe die Zahlung nicht mehr verhindert werden können, nachdem die Termine zur maschinellen Dateneingabe (8. Mai 2017) und zum Bankrückruf (18. Mai 2017) verstrichen gewesen seien (vgl. dazu die Anlage 5 zur Klageschrift, Bl. 7 f. der Akte). Eine Korrektur der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung sei nach deren Übermittlung an das Finanzamt nicht mehr möglich gewesen, ebenso wenig eine Korrekturbuchung beim Finanzamt.

Gemäß den §§ 812, 818, 819 BGB habe die Beklagte die ohne rechtlichen Grund erhaltene Vergütung zurückzuzahlen. Die Rückzahlungspflicht umfasse nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht nur bei Beamten (zur Verfassungsmäßigkeit vgl. BVerfG 11. Oktober 1977 – 2 BvR 407/76) sondern auch bei Arbeitnehmern (vgl. BAG 5. April 2000 – 10 AZR 257/99; 21. Dezember 2016 – 5 AZR 273/16) die nunmehr von der Beklagten verlangten Steuern/Solidaritätszuschläge in Höhe von 1.124,24 EUR. Auch um diese sei die Beklagte bereichert. Sie gehörten zum Arbeitslohn im steuerrechtlichen Sinne, der der Beklagten zugeflossen sei. Nach der weiten Definition des Arbeitslohnes im Steuerrecht sei es gleichgültig, ob darauf ein Rechtsanspruch bestanden habe. Mit der Abführung, zu der der Arbeitgeber kraft öffentlichen Steuerrechts verpflichtet sei, tilge er die zivilrechtliche Lohnforderung des Arbeitnehmers. Auch diesen Teil der Bruttozuwendung habe der Arbeitnehmer also „erhalten“ und müsse ihn demzufolge zurückzahlen. Eine Rückerstattung könne dieser vom Finanzamt im Rahmen der Einkommenssteuererklärung erhalten, auch wenn damit eine gewisse Belastung verbunden sei. Die von der Beklagten herangezogene arbeitsgerichtliche Entscheidung (ArbG Mannheim 12. Februar 2008 – 8 Ca 412/07) widerspreche der höchstrichterlichen Rechtsprechung, nach der bei einer Überzahlung der Bruttobetrag, mithin auch abgeführte Steuern/Solidaritätszuschläge, zurückzuzahlen seien. Zu den Einzelheiten des diesbezüglichen Vorbringens der Klägerin wird auf die Replik (Seite 5 ff.) Bezug genommen.

Der geltend gemachte Zinsanspruch ergebe sich daraus, dass sich die Beklagte, nachdem sie letztmalig zur Rückzahlung bis zum 15. September 2017 aufgefordert worden sei, seit dem 16. September 2017 in Verzug befinde.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.114,24 EUR nebst Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 BGB in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 16.09.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, sie sei nicht verpflichtet, über den von ihr zurückgezahlten Nettobetrag hinaus weitere 1.114,24 EUR (Steuern/Solidaritätszuschläge) an die Klägerin zurückzubezahlen.

Höchst vorsorglich werde die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten. Fraglich sei insoweit, ob das BVA überhaupt berechtigt sei, die Rückforderung geltend zu machen, nachdem die Vergütung sich als Leistung des BAMF darstelle. Damit liege zwischen der Klägerin und der Beklagten keine Leistung an diese vor. Im Bereicherungsrecht gelte aber der Grundsatz, dass die Leistungen innerhalb der Leistungsbeziehung rückabzuwickeln seien. Die Klägerin müsse ihre Rückforderung daher an das BAMF und nicht an die Beklagte richten.

Bestritten werde, dass das BVA erst am 31. Mai 2017 von der Eigenkündigung der Beklagten Kenntnis erlangt habe. Aus der vorgelegten Email vom 31. Mai 2017 sei nicht ersichtlich, welchen Inhalt diese gehabt habe. Offensichtlich sei ein Teil der Email gelöscht und eine andere Email mitangehängt worden. Eine Kenntniserlangung erst am 31. Mai 2017 ergebe sich daraus jedenfalls nicht. Werde eine Kenntnis des BVA erst zum 31. Mai 2017 angenommen, müsse diesem die Kenntnis des BAMF zumindest zugerechnet werden. Wenn das BAMF in der Kündigungsbestätigung vom 16. Februar 2017 darauf hingewiesen habe, dass die Möglichkeit bestehe, dass das BVA irrtümlich nochmals Gehalt auszahle, sei daraus zu schließen, dass die Kommunikation zwischen dem BAMF und dem BVA nicht hinreichend funktioniere. Es sei zu erwarten, dass Behörden in der Lage seien, sich derart zu organisieren, dass eine weiterzuleitende Information innerhalb von ca. 3 Monaten ihren Weg zur richtigen Stelle finde. Wenn dies nicht der Fall sei, könne dies nicht zu Lasten der Beklagten gehen. Die Klägerin ziehe sich lediglich darauf zurück, dass die Verantwortung beim BAMF liege. Ihre Kenntnis von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ergebe sich aber auch aus den folgenden Gründen: Der Arbeitgeber sei verpflichtet, die vom Bundeszentralamt für Steuern bereitgestellten Mitteilungen über den Lohnsteuerabzug monatlich anzufragen und abzurufen. Die hinterlegten Lohnsteuerabzugsmerkmale seien anzuwenden bis entweder das Bundeszentralamt für Steuern ihm geänderte Lohnsteuerabzugsmerkmale oder der Arbeitgeber das Ende des Arbeitsverhältnisses mitteile, § 39 e Abs. 5 Satz 1 EStG. Ersteres sei nicht erfolgt, so dass für die Tatsache, dass keine Daten abrufbar gewesen seien, nur die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Frage gekommen sei. Spätestens in dem Moment, als ein Abruf der Daten nicht möglich gewesen sei, habe Kenntnis von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestanden. Anstatt hieraus die Konsequenz zu ziehen und das Entgelt für Mai 2017 nicht auszubezahlen, habe die Klägerin dies ignoriert und die Vergütung unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse VI – im Übrigen unzulässigerweise – ausbezahlt. Darüber hinaus hätte sich das BVA, nachdem die Lohnsteuerabzugsmerkmale nicht hinterlegt gewesen seien, beim BAMF erkundigen müssen, warum deren Mitteilung nicht erfolgt sei. Die Klägerin könne sich nicht in der Weise aus der Verantwortung ziehen, dass das BVA nur die auszahlende Stelle sei. Dieses habe Arbeitgeberaufgabenübernommen, auch handle es sich um ein und denselben Arbeitgeber, nämlich die Bundesrepublik Deutschland.

Bestritten werde, dass eine Korrekturbuchung beim Finanzamt seitens des BVA nicht mehr habe vorgenommen werden können. Dass das BVA diesem die elektronische Lohnsteuerbescheinigung bereits übermittelt habe und deswegen den erfolgten Lohnsteuerabzug nicht mehr habe korrigieren können, könne nicht zu Lasten der Beklagten gehen und werde außerdem bestritten.

Bei der Verpflichtung des Arbeitgebers, die Steuerschuld des Arbeitnehmers gegenüber der Finanzbehörde zu tilgen, handle es sich um eine sog. Haftungsschuld. Der Arbeitgeber sei nach § 42 d EStG verpflichtet, die Lohnsteuer des Arbeitnehmers abzuführen. Damit tilge er nicht seine eigene Steuerschuld, sondern diejenige des Arbeitnehmers. Die Pflicht des Arbeitgebers, mit der er zudem seiner Fürsorgepflicht aus dem Arbeitsverhältnis nachkomme, umfasse dabei die korrekte Berechnung und ordnungsgemäße Abführung der anfallenden Steuern. Die Tilgungswirkung setze aber ein wirksames Schuldverhältnis voraus. Sie könne nur eintreten, wenn dieser auch eine bestehende Schuld und eine Tilgungsbestimmung, zugrunde liege. Eine solche habe hier aber im Zeitpunkt der Abführung gefehlt. Das Arbeitsverhältnis sei zu diesem Zeitpunkt unstreitig beendet gewesen. Damit habe das BVA ohne eine zugrundeliegende Tilgungsbestimmung und ohne Anweisung seitens der Beklagten gehandelt (ArbG Mannheim 12. Februar 2008 – 8 Ca 412/07), erst recht habe es an einer Anweisung gefehlt, Steuern unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse VI abzuführen. Äußerst hilfsweise sei vorzutragen, dass es sich, da im Zeitpunkt der Auszahlung kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden habe, schon gar nicht mehr um „Arbeitsentgelt“ gehandelt habe. Sei die Zahlung nicht als Arbeitsentgelt einzuordnen, habe dafür keine Steuerpflicht der Beklagten und darüber hinaus auch keine schlüssige Anweisung an das BVA bestanden, die Steuerschuld der Beklagten zu tilgen. Im Übrigen habe die Beklagte die nunmehr zurückverlangten Steuern/Solidaritätszuschläge nicht erhalten und sei somit nicht um diese bereichert. Den ihr ausgezahlten Nettobetrag habe sie unstreitig zurückbezahlt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist in der Sache nicht begründet. Die aktivlegitimierte Klägerin hat aufgrund der für den Monat Mai 2017 erfolgten Vergütungsüberzahlung an die Beklagte keinen Anspruch gegen diese auf Zahlung weiterer 1.114,24 EUR (Steuern/Solidaritätszuschläge) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. September 2017.

1. Die Klägerin ist unzweifelhaft aktivlegitimiert. Sie ist als Arbeitsvertragspartei des ehemaligen Arbeitsverhältnisses der Parteien und als die arbeitsvertragliche Vergütung der Beklagten bezahlende Rechtspersönlichkeit Inhaberin des von ihr reklamierten Rückzahlungsanspruches. Dass die Beklagte bei einer Behörde der Klägerin arbeitete, nämlich dem BAMF, während eine andere Behörde der Klägerin ihr ihre Vergütung ausbezahlte, nämlich das BVA, ist für die Aktivlegitimation der Klägerin, der Bundesrepublik Deutschland, unerheblich.

2. Die von der Klägerin gegen die Beklagte geltend gemachte Hauptforderung in Höhe von 1.114,24 EUR besteht indes nicht. Die Kammer ist – in Abweichung zu der ua. vom Bundesarbeitsgericht bislang vertretenen Ansicht – im vorliegenden Fall zu der Auffassung gelangt, dass der bezüglich der überzahlten Vergütung für den Monat Mai 2017 fraglos entstandene Rückzahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB durch die unstreitig seitens der Beklagten an die Klägerin erfolgte Rückzahlung der an sie ausbezahlten 2.210,89 EUR netto gemäß § 362 Abs. 1 BGB vollständig erloschen ist und ein weiterer Rückzahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte in Höhe der nicht an diese ausbezahlten, sondern von ihr an die Finanzverwaltung abgeführten Steuern/Solidaritätszuschläge in Höhe von 1.114,24 EUR nicht besteht.

a) Unzweifelhaft ist zunächst, dass aufgrund einer Überzahlung der Vergütung für den Monat Mai 2017 dem Grunde nach ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB entstanden ist. Da das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Eigenkündigung der Beklagten vom 14. Februar 2017 mit Ablauf des 30. April 2017 geendet hat, erfolgte die Vergütungszahlung für den Monat Mai 2017, dh. für den Zeitraum vom 1. Mai 2017 bis zum 31. Mai 2017, durch die Klägerin an die Beklagte ohne rechtlichen Grund im Sinne dieser Norm mit der Folge, dass dem Grunde nach ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte, das Erlangte iSd. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB iVm. § 818 Abs. 1, 2 BGB herauszugeben, entstanden ist.

b) Dieser Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Herausgabe des Erlangten gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB iVm. § 818 Abs. 1, 2 BGB ist der Höhe nach – nach zutreffender Auffassung – lediglich in Höhe des Nettobetrages entstanden, den die Beklagte von der Klägerin ausbezahlt erhalten hat, dh. in Höhe von 2.210,89 EUR netto, und nicht – wie die Klägerin meint – zusätzlich in Höhe der von ihr an die Finanzverwaltung abgeführten Steuern/Solidaritätszuschläge in Höhe von 1.114,24 EUR.

aa) Ob der Arbeitgeber im Fall einer Vergütungsüberzahlung vom Arbeitnehmer im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung nur den an diesen ausbezahlten Nettobetrag zurückverlangen kann oder darüber hinaus auch die an die Finanzverwaltung abgeführten Steuern/Solidaritätszuschläge ist in der Rechtsprechung und der rechtswissenschaftlichen Literatur umstritten.

aaa) Die herrschende, insbesondere von der höchstrichterlichen Rechtsprechung vertretene Auffassung geht davon aus, dass der Arbeitgeber im Fall einer Vergütungsüberzahlung vom Arbeitnehmer im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung nicht nur den an diesen ausbezahlten Nettobetrag zurückverlangen kann, sondern darüber hinaus auch die an die Finanzverwaltung abgeführten Steuern/Solidaritätszuschläge.

(1) Das Bundesarbeitsgericht hat in mehreren Entscheidungen die Auffassung vertreten, dass sich die bereicherungsrechtliche Herausgabepflicht des Arbeitnehmers neben dem ausgezahlten Nettoentgelt auch auf die vom Arbeitgeber an die Finanzverwaltung abgeführten Steuern/Solidaritätszuschläge erstrecke.

(a) So hat es in der Entscheidung vom 13. Oktober 2010 – 5 AZR 648/09 – ausgeführt, dass der Arbeitnehmer neben dem an ihn ausgezahlten Entgelt auch die Befreiung von der entsprechenden Steuerschuld, die nach § 19 Abs. 1 Satz 2 EStG unabhängig davon entstanden sei, ob ein Rechtsanspruch auf die Vergütung bestanden habe, erlangt habe. Eine Saldierung mit einem evtl. Steuerschaden des Arbeitnehmers finde nicht statt. Stelle sich nachträglich heraus, dass der Arbeitgeber im Lohnabzugsverfahren auf Rechnung des Arbeitnehmers (§ 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG) zu viel Lohnsteuer abgeführt habe, stehe dem Arbeitgeber gegen die Finanzbehörde ein Erstattungsanspruch nicht zu. Eine Korrektur könne nur über die Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers erfolgen, bei der dem Arbeitnehmer nicht die ohne rechtlichen Grund entrichtete Lohnsteuer nach § 37 Abs. 2 AO erstattet, sondern die abgeführte Lohnsteuer angerechnet werde (vgl. BAG 13. Oktober 2010 – 5 AZR 648/09 – Rn. 24) .

(b) Dementsprechend wurde in der Entscheidung vom 19. Februar 2004 – 6 AZR 664/02 – ausgeführt, dass der Arbeitnehmer neben dem an ihn ausgezahlten Entgelt im Umfang der abgeführten Steuern eine Befreiung von einer gegenüber dem Fiskus bestehenden Steuerschuld erlangt habe (vgl. BAG 19. Februar 2004 – 6 AZR 664/02 – Rn. 17 f.).

(c) Bereits in den Entscheidungen vom 5. April 2000 – 10 AZR 257/99 – und vom 15. März 2000 – 10 AZR 101/99 – hatte das Bundesarbeitsgericht, allerdings jeweils im Hinblick auf eine tarifliche Rückzahlungsregelung, ausgeführt, dass zum Erhaltenen alles gehöre, was dem Arbeitnehmer im steuerlichen Sinne zugeflossen sei. Dies sei die gemäß § 38 Abs. 3 EStG für Rechnung des Arbeitnehmers abgeführte Lohnsteuer, denn der geschuldete Bruttobetrag unterliege der Einkommenssteuerpflicht als Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit, wobei Steuerschuldner der Arbeitnehmer sei. Der Arbeitgeber sei lediglich Haftungsschuldner (§ 42 d EStG). Mit der Abführung der Lohnsteuer, zu der der Arbeitgeber kraft öffentlichen Steuerrechts verpflichtet sei, tilge er die zivilrechtliche Lohnforderung des Arbeitnehmers (§ 362 BGB). Auch diesen Teil der Bruttozuwendung habe der Arbeitnehmer also erhalten und müsse ihn demzufolge zurückzahlen (vgl. BAG 5. April 2000 – 10 AZR 257/99 – Rn. 27; 15. März 2000 – 10 AZR 101/99 – Rn. 37).

(d) Soweit die Klägerin in ihrer Replik auf eine weitere Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21. Dezember 2016 – 5 AZR 273/16 – hingewiesen hat, sei angemerkt, dass diese vorliegend nicht einschlägig ist. Dort ging es um einen Fall, in dem der Arbeitgeber Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt, sondern direkt an den Arbeitnehmer ausbezahlt hat und diese von diesem zurückforderte. Ein solcher Fall liegt hier ersichtlich nicht vor.

(2) Neben den zitierten, einschlägigen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts liegen auch landesarbeitsgerichtliche Entscheidungen vor, in denen angenommen wurde, dass sich die bereicherungsrechtliche Herausgabepflicht des Arbeitnehmers neben dem ausgezahlten Nettoentgelt auch auf die vom Arbeitgeber an die Finanzverwaltung abgeführten Steuern/Solidaritätszuschläge erstrecke (vgl. etwa Sächsisches LAG 24. Juni 1997 – 9 Sa 594/96 – Leitsatz Nr. 1; LAG Köln 17. November 1995 – 13 Sa 558/95 – Leitsatz).

(3) Der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts entspricht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der angenommen, dass der Anspruch einer GmbH gegen ihren Geschäftsführer auf Rückzahlung einer nicht geschuldeten Vergütung auch die abgeführte Lohnsteuer umfasse (vgl. BGH 26. November 2007 – II ZR 161/06 – Leitsatz Nr. 1). Im Falle einer Überzahlung der Vergütung habe die Gesellschaft einen Bereicherungsanspruch gegen den Geschäftsführer, weil dieser von seiner Lohnsteuerschuld befreit worden sei. Bei der Bezahlung einer fremden Schuld vollziehe sich der Bereicherungsausgleich im Verhältnis zwischen Leistendem und Schuldner, wenn die Schuld tatsächlich bestehe und im Verhältnis zwischen Leistendem und Schuldner ein Rechtsgrund für die Leistung fehle. Der Schuldner habe dann rechtsgrundlos die Befreiung von seiner Schuld erlangt. Die Gesellschaft habe die Lohnsteuer für eine bestehende Steuerschuld des Geschäftsführers bezahlt. Der Geschäftsführer sei als Arbeitnehmer im steuerrechtlichen Sinn nach § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG alleiniger Steuerschuldner. Der Arbeitgeber sei öffentlich-rechtlich nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG lediglich verpflichtet, die Lohnsteuer auf Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und abzuführen. Dadurch werde er nicht Steuerschuldner. Mit der Abführung der Lohnsteuer erbringe der Arbeitgeber eine Leistung an den Arbeitnehmer. Er erfülle damit seine gegenüber dem Arbeitnehmer bestehende Pflicht zur Bruttogehaltszahlung. Soweit der Arbeitnehmer keine Vergütungsforderung habe, fehlt im Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer der Rechtsgrund für die Zahlung des Bruttogehalts und damit auch des auf die Lohnsteuer entfallenden Anteils. Die Lohnsteuerschuld des Arbeitnehmers bestehe dagegen auch, wenn die Vergütungszahlung nach dem Dienstvertrag nicht begründet sei. Die Annahme, es fehle in diesem Fall eine Schuld des Arbeitnehmers gegenüber dem Finanzamt und eine wirksame Anweisung zur Zahlung durch den Steuerschuldner, widerspreche dem auch im Lohnsteuerrecht herrschenden Zuflussprinzip. Die Lohnsteuer entstehe in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließe, § 38 Abs. 2 Satz 2 EStG. Der Arbeitgeber könne außerdem, selbst wenn die Steuer rechtsgrundlos bezahlt worden wäre, keine Erstattung vom Finanzamt erlangen. Nach § 37 Abs. 2 AO steht bei einer rechtsgrundlos gezahlten Steuer der Erstattungsanspruch nur demjenigen zu, auf dessen Rechnung gezahlt worden sei. Das sei der Arbeitnehmer, weil die Lohnsteuer auf seine Rechnung einbehalten und abgeführt werde, § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG. Der Arbeitnehmer werde dadurch nicht unbillig belastet. Wenn er die überzahlte Vergütung einschließlich der abgeführten Lohnsteuer zurückzahlen müsse, mindere dies sein Einkommen und dadurch die Lohn- oder Einkommensteuer. Wenn kein ausreichender Ausgleich mit einer Steuerschuld möglich sei, etwa nach Aufgabe der Tätigkeit oder bei einer Verminderung des Einkommens, könne der Arbeitnehmer verbleibende Steuernachteile unter den Voraussetzungen des § 818 Abs. 3 BGB vom Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers abziehen, sofern ihm der Entreicherungseinwand nicht nach §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB abgeschnitten sei, weil er die Überzahlung gekannt habe (vgl. BGH 26. November 2007 – II ZR 161/06 – Rn. 9 ff.).

(4) Der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts entspricht ferner die langjährige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Bereich des Beamtenrechts, nach der überzahlte Dienst- oder Versorgungsbezüge grundsätzlich in Höhe der die abgeführte Lohnsteuer umfassenden Bruttobezüge zurückgefordert werden könnten (vgl. etwa BVerwG 12. Mai 1966 – II C 197.62 unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung; 22. September 1966 – VIII C 109.64), was das Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich unbeanstandet ließ (vgl. BVerfG 11. Oktober 1977 – 2 BvR 407/76 – Leitsatz Nr. 3)

(5) Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts korrespondiert im Übrigen mit der Praxis der Finanzverwaltung und der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, der davon ausgegangen ist, dass der Arbeitgeber auch dann, wenn er eine nicht geschuldete Lohnsteuer abführe, sowohl aus seiner eigenen Sicht als auch aus derjenigen der Finanzbehörde für Rechnung des Arbeitnehmers leiste; die Zahlung sich also in dieser Situation für den Leistenden wie für den Empfänger als Leistung des Arbeitnehmers darstelle. Deshalb sei die nicht geschuldete und mithin zu Unrecht an das Finanzamt abgeführte Lohnsteuer nur auf die Einkommensteuer des Arbeitnehmers anzurechnen, nicht aber dem Arbeitgeber zu erstatten (vgl. etwa BFH 17. Juni 2009 – VI R 46/07 – Rn. 19).

(6) Ein Teil der rechtswissenschaftlichen Literatur pflichtet der Auffassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei (vgl. etwa HWK/Fischer 8. Auflage § 38 EStG Rn. 77; MüKo-BGB/Müller-Glöge 7. Aufl. § 611 Rn. 866; Schaub/Linck 14. Aufl. § 74 Rn. 3b).

bbb) Die hiervon abweichende Auffassung geht davon aus, dass der Arbeitgeber im Fall einer Vergütungsüberzahlung vom Arbeitnehmer im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung nur den an diesen ausbezahlten Nettobetrag zurückverlangen kann, nicht jedoch darüber hinaus auch die an die Finanzverwaltung abgeführten Steuern/Solidaritätszuschläge. Teils wird je nach Fallgestaltung differenziert.

(1) So liegen mehrere arbeitsgerichtliche Entscheidungen vor, in denen davon ausgegangen wurde, dass die bereicherungsrechtliche Herausgabepflicht des Arbeitnehmers auf das an ihn ausgezahlte Nettoentgelt beschränkt und dieser nicht verpflichtet ist, die vom Arbeitgeber an die Finanzverwaltung abgeführten Steuern/Solidaritätszuschläge an diesen zurückzuzahlen. Diese Auffassung vertrat neben dem Arbeitsgericht Rostock (15. Dezember 1997 – 4 Ca 300/97 – Leitsatz Nr. 1) etwa das Arbeitsgericht Mannheim in seiner ausführlich begründeten Entscheidung vom 12. Februar 2008 – 8 Ca 412/07. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht Mannheim ausgeführt, dass die bereicherungsrechtliche Betrachtung der Lohnsteuerabführung an der Dogmatik auszurichten sei, die die Zivilrechtsprechung für sogenannte „Anweisungsfälle“ im Bereicherungsrecht entwickelt habe. Bei der Abführung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber für die Rechnung des Arbeitnehmers verfolge der Arbeitgeber nämlich regelmäßig keinen eigenen Leistungszweck gegenüber dem Finanzamt. Die Vermögensvermehrung auf Seiten des Finanzamtes sei (gewollter) Reflex, nicht aber Ziel seiner Leistung. Zwar komme der Arbeitgeber mit der Abführung der Steuern seiner öffentlich-rechtlichen Abführungspflicht nach. In erster Linie gehe es ihm aber um die Tilgung der Lohnsteuerforderung des Arbeitnehmers. Da der Arbeitgeber kraft arbeitsvertraglicher Fürsorgepflicht verpflichtet sei, die Lohnsteuer richtig zu berechnen und abzuführen, enthalte der Arbeitsvertrag somit schlüssig die Anweisung des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber, die auf den Arbeitslohn entfallende Lohnsteuer ordnungsgemäß abzuführen. Aus Sicht des Leistungsempfängers, des Finanzamtes, sei die Zahlung des Arbeitgebers demgemäß eine Leistung des Arbeitnehmers, da dieser nach den gesetzlichen Vorgaben des § 38 Abs. 2 S. 1 EStG auch alleiniger Schuldner der Lohnsteuer sei. Sofern die herrschende Auffassung nun im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung irrtümlich vorgenommener Überzahlungen darauf abstelle, der Arbeitnehmer werde durch die in seinem Auftrag vorgenommene Abführung von seiner entsprechenden Steuerschuld befreit, so übersehe sie Folgendes: Grundsätzlich setze der Eintritt der Tilgungswirkung auch im Zuwendungsverhältnis, im sogenannten Valutaverhältnis, eine wirksame Tilgungsbestimmung voraus. Sie werde dem Zuwendungsempfänger vom Angewiesenen als Boten bzw. Vertreter überbracht und bewirke, dass der Zuwendungsempfänger die Zuwendung dem richtigen Schuldverhältnis zuordne und erkenne, ob die Zuwendung von dem Angewiesenen als Drittem nach § 267 BGB oder vom Anweisenden stamme. Die Tilgungsbestimmung sei notwendiger Bestandteil der Anweisung. Bezogen auf das Dreiecksverhältnis von Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt könne letzteres im Regelfall davon ausgehen, dass der Arbeitgeber die Lohnsteuer gemäß der schlüssig im Arbeitsvertrag vorgenommenen Tilgungsbestimmung als Erfüllungsgehilfe des Arbeitnehmers abführe. Fehle es aber, wie im Falle irrtümlicher Lohnüberzahlung, an einer Anweisung des Arbeitnehmers bezüglich des den „verdienten“ Lohnanspruch übersteigenden Betrages, so fehle es auch an einer diesbezüglichen Tilgungsbestimmung. Mangels Tilgungswirkung im Verhältnis Arbeitnehmer – Finanzamt und mangels Zurechenbarkeit der Leistung „übers Dreieck“ stehe im Ergebnis dem nur scheinbar angewiesenen Arbeitgeber die Direktkondiktion überzahlter Lohnsteuer gegen das Finanzamt selbst, nicht aber der unmittelbare Rückgriff gegenüber dem Arbeitnehmer zu. Dieses Ergebnis hielt das Arbeitsgericht Mannheim in dem ihm zur Entscheidung vorliegenden Fall für sachgerecht, weil die Gehaltsüberzahlung und die infolgedessen übersteigende Abführung von Lohnsteuerbeträgen nicht durch ein aktives Verhalten des Arbeitnehmers verursacht worden sei, sondern allein und ausschließlich auf einem Irrtum der die Vergütung auszahlenden Stelle beruht habe; einem Irrtum, den sich die Arbeitgeberin zurechnen lassen müsse. Es sei in höchstem Maße unbillig, den an der Überzahlung schuldlosen Arbeitnehmer mit der praktischen Durchführung der Rückabwicklung und den damit verbundenen Risiken progressionsbedingter Verzerrungen zu belasten (vgl. ArbG Mannheim 12. Februar 2008 – 8 Ca 412/07 – Rn. 25 ff.).

(2) Auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur wird vielfach, teils mit ausführlicher Begründung, eine von der herrschenden Meinung abweichende, teils differenzierende Auffassung vertreten (vgl. etwa Küttner/Griese Personalbuch 22. Aufl. Entgeltrückzahlung Rn. 12; Lüderitz BB 2010, 2629; Kasseler Handbuch ArbR/Künzl 2. Aufl. Kap. 2.1 Rn. 611; Groß ZIP 87, 5).

bb) Nach Ansicht der Kammer ist im vorliegenden Fall der von der herrschenden Meinung abweichenden Auffassung beizupflichten. Der bereicherungsrechtliche Rückzahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte ist lediglich in Höhe des an diese ausgezahlten Nettoentgelts in Höhe von 2.210,89 EUR entstanden und nicht, wovon die Klägerin ausgeht, darüber hinausgehend in Höhe der weiteren von ihr an die Finanzverwaltung abgeführten 1.114,24 EUR Steuern und Solidaritätszuschläge. Dies ergibt sich aus den folgenden Überlegungen:

aaa) Zunächst ist festzuhalten, dass vorliegend, wie in dem Falle, den das Arbeitsgericht Mannheim zu entscheiden hatte, ein offenkundig unbilliges Ergebnis die Folge wäre, folgte man der herrschenden Auffassung. Die Klägerin hat für den Monat Mai 2017 eine Überzahlung vorgenommen, obgleich die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin bereits mit Kündigung vom 14. Februar 2017, der Arbeitgeberin zugegangen am selben Tage, zum 30. April 2017 gekündigt hat, was diese ihr mit Schreiben vom 16. Februar 2017 bestätigt hat. Entgegen ihrer sich aus § 241 Abs. 2 BGB ergebenden Pflicht, dies zeitnah der Bezügestelle, dem BVA, zu melden, hat die Beschäftigungsbehörde, das BAMF, die Mitteilung über die Kündigung an das BVA erst – wie die Klägerin vorträgt – am 31. Mai 2017, mithin mehr als drei Monate später, vorgenommen. Der Umstand, dass es zu einer Überzahlung kam, hat seine Ursache mithin allein in einem innerorganisatorischen Mangel dergestalt, dass die gebotene Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Behörden der Klägerin nicht funktionierte. Dabei handelt es sich um ein schuldhaftes, nämlich fahrlässiges, Fehlverhalten der Klägerin, wohingegen die Beklagte an der Überzahlung gänzlich schuldlos ist. Folgte man der herrschenden Auffassung, wälzte man die Folgen des pflichtwidrigen, schuldhaften Fehlverhaltens der Klägerin allein auf die Beklagte ab. Diese müsste eine Einkommenssteuererklärung vornehmen, die sie ansonsten möglicherweise nicht einmal machen müsste, und sich im Rahmen dieser gegenüber der Finanzverwaltung um eine Anrechnung der 1.114,24 EUR auf ihre Lohnsteuerschuld bemühen. Dass bei der Beklagten gleichwohl eine steuerliche Mehrbelastung verbleibt, ist nicht ausgeschlossen. Wenn das Arbeitsgericht Mannheim vor diesem Hintergrund ausgeführt hat, dass es „in höchstem Maße unbillig“ sei, den an der Überzahlung schuldlosen Arbeitnehmer mit der praktischen Durchführung der Rückabwicklung und den damit verbundenen Risiken progressionsbedingter Verzerrungen zu belasten (ArbG Mannheim 12. Februar 2008 – 8 Ca 412/07 – Rn. 28), kann dem nur zugestimmt werden. Wenn demgegenüber der Bundesgerichtshof angenommen hat, der Arbeitnehmer werde dadurch „nicht unbillig belastet“ (vgl. BGH 26. November 2007 – II ZR 161/06 – Rn. 11), ist dem entschieden zu widersprechen. Folgte man der herrschenden Auffassung könnte sich die Arbeitgeberin, obwohl sie allein für die erfolgte Überzahlung verantwortlich ist, ohne sich mit der Finanzverwaltung auseinandersetzen zu müssen, bei der Beklagten schadlos halten und etwaige Rückabwicklungsschwierigkeiten auf diese verlagern. Ein Anreiz, innerorganisatorische Mängel zu beheben und die Kommunikation zwischen den Behörden zu verbessern, wäre damit nicht verbunden, im Gegenteil. Dass die Auffassung der herrschenden Meinung im vorliegenden Fall zu keinem billigen Ergebnis, sondern zu einer unbilligen Belastung des Arbeitnehmers führt, liegt nach Ansicht des Gerichts auf der Hand.

bbb) Lässt sich ein solch unbilliges Ergebnis unter Zugrundelegung der anwendbaren Rechtsvorschriften vermeiden, ist dem seitens der Rechtsprechung Rechnung zu tragen. Dies ist vorliegend – im Rahmen der Grundsätze der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB – der Fall. Zwar ist es im Ausgangspunkt zutreffend, wenn die höchstrichterliche Rechtsprechung annimmt, dass der Arbeitnehmer neben dem an ihn ausgezahlten Nettoentgelt auch die Befreiung von der entsprechenden Steuerschuld erlangt hat, er also auch insoweit „bereichert“ ist. Allerdings ist die zu bejahende Frage, ob eine Bereicherung vorliegt, in „Dreieckskonstellationen“, hier zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Finanzverwaltung, von der Frage zu trennen, in welchem Rechtsverhältnis die die Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht zu erfolgen hat, nämlich zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer einerseits oder zwischen dem Arbeitgeber und der Finanzverwaltung andererseits. Nach Auffassung der Kammer hat diese vorliegend nicht im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten, sondern im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Finanzverwaltung zu erfolgen.

(1) Zur Beantwortung der Frage, in welchem Rechtsverhältnis die die Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht zu erfolgen hat, ist auf die Grundsätze zurückzugreifen, die die zivilgerichtliche Rechtsprechung für sog. Anweisungsfälle im Bereicherungsrecht entwickelt hat (vgl. dazu Palandt 76. Aufl. § 812 Rn. 58). Anweisender in diesem Sinne ist der Arbeitnehmer als Schuldner der Lohnsteuern/Solidaritätszuschläge, Angewiesener/Zuwendender ist der diese an das Finanzamt abführende Arbeitgeber, Zuwendungsempfänger ist das Finanzamt, das die Lohnsteuern/Solidaritätszuschläge erhält. Da der Arbeitgeber gemäß § 241 Abs. 2 BGB arbeitsvertraglich verpflichtet ist, die Lohnsteuern/Solidaritätszuschläge richtig zu berechnen und abzuführen, enthält der Arbeitsvertrag schlüssig die Anweisung des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber, die auf das Arbeitsentgelt entfallenden Lohnsteuern/Solidaritätszuschläge ordnungsgemäß abzuführen einschließlich einer entsprechenden Tilgungsbestimmung. Hat der Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag wirksam gekündigt, liegt für die über den Kündigungstermin hinausgehenden Zeiträume, indes keine Anweisung an den Arbeitgeber mehr vor, Lohnsteuern/Solidaritätszuschläge abzuführen, auch fehlt es an einer entsprechenden Tilgungsbestimmung. Liegt keine Anweisung mehr vor, fehlt es an einer entsprechenden Tilgungsbestimmung und kann dem Arbeitnehmer die Anweisung nicht, auch nicht im Wege eines von ihm gesetzten Rechtsscheins zugerechnet werden, kann im Zuwendungsverhältnis (zwischen dem Arbeitgeber und der Finanzverwaltung) keine Tilgungswirkung eintreten und ist der Arbeitgeber mangels einer Zurechenbarkeit der Leistung „über das Dreieck“ auf eine Direktkondiktion gegenüber dem Finanzamt beschränkt. Der Auffassung, dass in solch einem Falle kein Erstattungsanspruch des Arbeitgebers gegenüber der Finanzverwaltung besteht, ist zu widersprechen. Ein unmittelbarer Rückgriff gegenüber dem Arbeitnehmer steht ihm in dieser Konstellation jedenfalls nicht zu (vgl.ArbG Mannheim 12. Februar 2008 – 8 Ca 412/07 – Rn. 25 ff.; Lüderitz BB 2010, 2629, 2633; Groß ZIP 1987, 5, 8 ff.).

(2) Gemessen daran ist es der Klägerin verwehrt, die überzahlten Lohnsteuern/Solidaritätszuschläge in Höhe von 1.114,24 EUR von der Beklagten zu verlangen. Diese hat das Arbeitsverhältnis zum 30. April 2017 wirksam gekündigt. Für den Monat Mai 2017 lag keine Anweisung einschließlich einer entsprechenden Tilgungsbestimmung der Beklagten an die Klägerin mehr vor, Lohnsteuern/Solidaritätszuschläge an die Finanzverwaltung abzuführen. Auch hat die Beklagte keinerlei Rechtsschein gesetzt, dass eine solche noch vorläge. Dies hat zur Folge, dass die Klägerin bereicherungsrechtlich nur gegenüber dem Finanzamt, nicht aber gegenüber der Beklagten kondizieren kann.

ccc) Die Kammer verkennt nicht, dass die Klägerin durch diese Sichtweise vor das praktische Problem gestellt wird, dass die Finanzverwaltung ihr, sollte sie einen Bereicherungsanspruch gegenüber dem Finanzamt geltend machen, entgegenhalten wird, dass ihr ein solcher – unter Zugrundelegung der vor dem Hintergrund der steuerrechtlichen Bestimmungen ergangenen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes – nicht zustehe. Richtigerweise ist aber die Frage, ob der Arbeitgeber die an das Finanzamt abgeführten Steuern/Solidaritätszuschläge vom Arbeitnehmer statt vom Finanzamt zurückfordern kann, allein anhand der schuldrechtlichen Regelungen der Arbeitsvertragsparteien und der Grundsätze des Bereicherungsrechts zu beurteilen haben (vgl. Lüderitz BB 2010, 2629, 2633). Dass die Klägerin vor diesem praktischen Hintergrund letzten Endes möglicherweise „leer“ ausgeht, mag ihr unbillig erscheinen. Da die Klägerin die Überzahlung aufgrund innerorganisatorischer Mängel im Informationsfluss zu verantworten hat, ist dies nach Auffassung der Kammer aber längst nicht so unbillig, wie die Rückabwicklung der an der Überzahlung gänzlich schuldlosen Beklagten aufzubürden.

c) Der demzufolge von der herrschenden Meinung abweichenden, im vorliegenden Falle zutreffenden Auffassung folgend, ist nach Ansicht der Kammer lediglich ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB in Höhe des an diese ausbezahlten Nettoentgelts, dh. in Höhe von 2.210,80 EUR, entstanden. Dieser Anspruch ist durch Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen. Die Beklagte hat diesen Betrag unstreitig an die Klägerin zurückbezahlt. Ein darüber hinausgehender Anspruch ist nicht entstanden.

d) Da der von der Klägerin gegen die Beklagte geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der von ihr an die Finanzverwaltung abgeführten Steuern/Solidaritätszuschläge in Höhe von 1.114,24 EUR nicht entstanden ist, kann dahinstehen, ob die Beklagte diesem gegenüber gemäß § 814 Alt. 1 BGB einwenden könnte, die Klägerin könne diesen Betrag nicht zurückfordern, weil sie gewusst habe, dass sie zur Leistung nicht verpflichtet gewesen sei. Ohne dies – mangels Entscheidungserheblichkeit – vertieft erörtern zu wollen, sei insoweit auf das Folgende hingewiesen:

aa) Nach § 814 Alt. 1 BGB kann das zum Zweck der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Erforderlich ist die positive Kenntnis der Rechtslage im Zeitpunkt der Leistung. Nicht ausreichend ist die Kenntnis der Tatsachen, aus denen sich das Fehlen einer rechtlichen Verpflichtung ergibt. Der Leistende muss wissen, dass er nach der Rechtslage nichts schuldet. Er hat aus den ihm bekannten Tatsachen eine im Ergebnis zutreffende rechtliche Schlussfolgerung zu ziehen, wobei allerdings eine entsprechende „Parallelwertung in der Laiensphäre“ genügt (vgl. etwa BAG 13. Oktober 2010 – 5 AZR 648/09 – Rn. 14).

bb) Fallen wie hier Beschäftigungsbehörde (hier das BAMF) und leistende Bezügestelle (hier das BVA) auseinander, reicht die Kenntnis der Beschäftigungsbehörde für eine Kenntnis iSv. § 814 Alt. 1 BGB nicht aus. Maßgeblich ist die Kenntnis der die Bezüge leistenden Stelle, hier also des BVA. Die Vorschrift stellt auf die Kenntnis des Leistenden ab. Die Beschäftigungsbehörde leistet in solch einem Falle die Vergütung nicht. Eine Zurechnung des Wissens der Beschäftigungsbehörde analog § 166 Abs. 1 BGB bzw. eine Zusammenführung des Wissens von Beschäftigungsbehörde und Bezügestelle findet nicht statt. § 814 BGB ist eine Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben, der widersprüchliches Verhalten verbietet. An einem widersprüchlichen Verhalten fehlt es aber, wenn der leistende Vertreter des Arbeitgebers die Anpassung einer laufenden Vergütung an geänderte vertragliche Umstände deshalb unterlässt, weil ihm diese von einem anderen Vertreter des Arbeitgebers versehentlich nicht mitgeteilt werden. Das Erfordernis der positiven Kenntnis des Leistenden von der Nichtschuld iSv. § 814 BGB kann nicht durch die Zurechnung des Wissens anderer entsprechend § 166 Abs. 1 BGB ersetzt werden (vgl. etwa BAG 13. Oktober 2010 – 5 AZR 648/09 – Rn. 15 f.).

cc) Unter Zugrundelegung dessen dürfte, wäre entgegen der von der Kammer vertretenen Auffassung ein Anspruch auch auf Rückzahlung der 1.114,24 EUR Steuern/Solidaritätszuschläge entstanden, die Beklagte diesem § 814 Alt. 1 BGB jedenfalls insoweit nicht mit Erfolg entgegenhalten können dürfen, als die Klägerin zunächst auf der Grundlage der Bezügemitteilung Mai 2017 vom 11. Mai 2017 unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse I 680,64 EUR (645,16 EUR Lohnsteuer und 35,48 EUR Solidaritätszuschlag) abgeführt hat. Denn die Beklagte hat nicht hinreichend dargelegt, dass das als Leistender iSd. § 814 Alt. 1 BGB maßgebliche BVA zum Zeitpunkt der Abführung, vor dem 31. Mai 2017, Kenntnis von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30. April 2017 hatte. Anderes könnte indes hinsichtlich der im Nachgang abgeführten weiteren 433,60 EUR Steuern/Solidaritätszuschläge unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse VI gelten. Zu diesem Zeitpunkt war dem BVA die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30. April 2017 bekannt, andernfalls hätte es keine Korrekturabrechnung unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse VI veranlasst. Folgte man der herrschenden Auffassung stellte sich daher zumindest die Frage, ob die Beklagte sich in Höhe von 433,60 EUR auf § 814 Alt. 1 BGB berufen könnte. Wie bereits erwähnt ist eine nähere Auseinandersetzung mit dieser Problematik allerdings entbehrlich, da die Kammer davon ausgeht, dass bereits dem Grunde nach kein Anspruch auf Rückzahlung von Steuern/Solidaritätszuschlägen entstanden ist.

3. Die von der Klägerin gegen die Beklagte geltend gemachte Nebenforderung, mit der diese gemäß §§ 288 Abs. 1 BGB iVm. § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. September 2017 geltend macht, besteht ebenfalls nicht. Da die Hauptforderung nicht besteht, scheidet ein Zahlungsverzug, der einen solchen Zinsanspruch begründen könnte, denknotwendig aus.

II.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO. Danach hat die Klägerin als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III.

Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes folgt aus §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 3 ZPO. Als Streitwert war danach der beziffert eingeklagte Betrag in Ansatz zu bringen.

IV.

Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung ergibt sich aus § 64 Abs. 3 a Satz 1 ArbGG. Die Kammer lässt die Berufung, unabhängig davon, dass diese für die Klägerin gemäß § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG bereits kraft Gesetzes statthaft ist, gemäß § 64 Abs. 2 Buchst. a ArbGG ausdrücklich zu, weil das Urteil in entscheidungserheblicher Weise von der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht.

 

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