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Unterlassen von Äußerungen – Anspruch gegenüber Arbeitskollegen

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg – Az.: 13 Sa 39/14 – Urteil vom 27.08.2014

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 17. April 2014 (Az.: 7 Ca 18/14) wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen vom Kläger gegenüber dem Beklagten – einem ehemaligen Arbeitskollegen – geltend gemachten Anspruch auf Unterlassung verschiedener Äußerungen.

Der am 00.00.1971 geborene, verheiratete und drei Kindern unterhaltspflichtige Kläger arbeitet auf Grundlage eines schriftlichen, unbefristeten Arbeitsvertrages vom 29. April 2011 (vgl. Akten 1. Instanz im Rechtsstreit des Klägers 14 Ca 18/12 vor dem Arbeitsgericht Mannheim – Kammern Heidelberg – Bl. 3 B. 5; Beiakte/3-5) seit dem 1. Juli 2011 bei der B. GmbH (künftig B. GmbH), die etwa 580 Arbeitnehmer beschäftigt, als Isolierer zu einer monatlichen Vergütung von EUR 2.840,00. Der Kläger arbeitete im Betrieb der B. GmbH in L., wo er beim Kunden B1. Rohrleitungen montierte und demontierte, die isoliert und gedämmt werden mussten. Der Beklagte war als Baustellenkoordinator direkter Vorgesetzter des Klägers. Weiterer Vorgesetzter des Klägers war der Bauleiter Herr T. M..

Unterlassen von Äußerungen - Anspruch gegenüber Arbeitskollegen
Symbolfoto: Von fizkes/Shutterstock.com

In einer internen „Beurteilung“ vom 12. Dezember 2011 (vgl. Beiakte/46) aus Anlass der am 31. Dezember 2011 ablaufenden Probezeit, die vom Prokuristen Sch. und dem Geschäftsführer B2. der B. GmbH unterschrieben ist und zur Personalakte des Klägers genommen wurde, sind in einer tabellarischen Aufstellung nur die „Sorgfalt“ und das „Verhalten gegenüber Kunden“ des Klägers mit „ausreichend“ bewertet worden. In den Kategorien „Arbeitstempo“, „Geschicklichkeit“, „Fachkenntnisse“, „Verhalten gegenüber Vorgesetzten“ und „Verhalten gegenüber Arbeitskollegen“ ist jeweils das Feld „mangelhaft“ angekreuzt. Unter der von Herrn M. und dem Beklagten unterschriebenen Rubrik „Bemerkungen“ heißt es:

„Herr E. ist nicht lernfähig. In der B1. so nicht einsetzbar. Absoluter Risikofaktor“

Die B. GmbH kündigte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 21. Dezember 2011, welches dem Kläger am 22. Dezember 2011 zugegangen ist, ordentlich zum 30. Dezember 2011. Gegen diese Kündigung wandte sich der Kläger mit seiner am 10. Januar 2012 beim Arbeitsgericht Mannheim – Kammern Heidelberg – eingegangen Klage (14 Ca 18/12), die vom Arbeitsgericht mit einem am 21. August 2012 verkündeten Urteil als unbegründet abgewiesen. Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner Berufung zum Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg – Kammern Mannheim – (13 Sa 119/12), welche mit Urteil vom 30. Januar 2013 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Eine vom Kläger zum Bundesarbeitsgericht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde (6 AZN 239/13) wurde mit Beschluss vom 23. April 2013 als unzulässig verworfen.

Mit seiner am 14. Oktober 2013 beim Landgericht Mannheim eingegangenen und dem Beklagten am 18. Oktober 2013 zugestellten Klage begehrt der Kläger von ihm, Äußerungen wie in der „Beurteilung“ unter „Bemerkungen“ wiedergegeben, künftig zu unterlassen. Das Landgericht Mannheim hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 3. Dezember 2013 an das Arbeitsgericht Mannheim verwiesen.

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, die B. GmbH habe zur Ermittlung, ob innerhalb der Probezeit eine Kündigung auszusprechen sei, vom Beklagten eine Stellungnahme eingeholt, in welcher dieser ausgeführt habe „Herr E. ist nicht lernfähig. In der B1. so nicht einsetzbar. Absoluter Risikofaktor“. Hierbei handele es sich um unwahre Tatsachenbehauptungen, jedenfalls aber um eine Schmähkritik, die der Beklagte unterlassen müsse. Die dem Kläger vorgegebene Art der Rohrisolierung sei nicht lege artis und schlechter gewesen, als die von ihm durchgeführte Isolierung. Dies sei der ausschlaggebende Grund dafür gewesen, warum er sich nicht an die Vorgaben gehalten habe. Er habe sich immer an die Sicherheitsauflagen der B1. gehalten. Soweit er Arbeiten auf einem Gerüst ohne Hinzuziehung eines Gerüstbauers durchgeführt habe, sei er in einem Gespräch in die Irre geführt worden. Auch ein anderer Vorfall, der zu einer Untersuchung durch einen Betriebsarzt der B1. geführt habe, beruhe auf unzureichenden Informationen. Dass der Kläger lernfähig sei, zeige sich insbesondere an der Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen in der Vergangenheit. Er sei auf dem Gelände der B1. einsetzbar, wie schon seine Beschäftigung im Rahmen früherer Arbeitsverhältnisse zeige. Die Wiederholungsgefahr ergebe sich aus der erfolgten Verletzung. Ferner werde der Kläger im Rahmen seiner nunmehrigen Arbeitstätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber zu verschiedenen Baustellen abgeordnet, auch auf dem Werksgelände der B1., wo es zu Berührungspunkten mit dem Beklagten komme. Auch wenn die Äußerungen nicht vom Beklagten stammen sollten, habe er sich diese mit seiner Unterschrift jedenfalls zu Eigen gemacht, wie auch seine Ausführungen im vorliegenden Rechtsstreit zeigten.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt:

1. Der Beklagte wird dazu verurteilt, es zukünftig zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß über den Kläger zu äußern,

a) der Kläger sei nicht lernfähig,

b) der Kläger sei auf dem Gelände der B1. S. nicht einsetzbar,

c) der Kläger sei ein absoluter Risikofaktor.

2. Für den Fall, dass der Beklagte gegen die vorgenannten Verbote verstößt, wird für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld – ersatzweise Ordnungshaft – welches in der Höhe in das Ermessen des erkennenden Gerichts gestellt wird, verhängt.

Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen, er sei nicht passivlegitimiert. Die vom Kläger beanstandete „Beurteilung“ sei nicht seine Beurteilung, sondern die der B. GmbH, welche ihn im Vorprozess als Zeugen benannt habe. Im Rahmen der Tätigkeit des Klägers für die B. GmbH hätten sich gravierende Probleme herausgestellt. Der Kläger habe seine Arbeit häufig fehlerhaft ausgeführt, keine Kritik akzeptiert und sich nicht an Sicherheitsauflagen der B1. gehalten. Der Beklagte habe ausschließlich die Eintragungen in der Tabelle der „Beurteilung“ vorgenommen, welche fachlich nicht zu beanstanden seien. Die Zusätze unter „Bemerkungen“ stammten nicht von ihm und hätten, als er seine Unterschrift geleistet habe, dort noch nicht gestanden. Es handele sich dabei auch nicht um Tatsachenbehauptungen, sondern um Werturteile, die keine Schmähkritik darstellten. Unabhängig davon, dass die Eintragungen unter „Bemerkungen“ nicht vom Beklagten stammten, wären diese auch korrekt. Ferner handele es sich um eine rein interne Beurteilung, die weder für Dritte bestimmt gewesen sei, noch habe nach außen dringen können. Hinsichtlich des Einsatzes bei der B1. werde die „Bemerkung“ in der „Beurteilung“ durch den Zusatz „so“ relativiert, wobei dies der Kläger in seinem Antrag nicht aufnehme. Da das Arbeitsverhältnis beendet sei und es auf die „Beurteilung“ nicht mehr ankomme, bestehe keine Wiederholungsgefahr.

Das Arbeitsgericht hat mit einem am 17. April 2014 verkündeten Urteil die Klage als unbegründet abgewiesen. Der Kläger sei für seine streitige Behauptung, die Äußerungen stammten vom Beklagten, beweisfällig geblieben. Selbst wenn die Äußerungen vom Beklagten stammen sollten, stünde dem Kläger der Unterlassungsanspruch nicht zu. Es handele sich bei allen drei Äußerungen um Werturteile, die nicht die Schwelle zur Schmähkritik erreichten und als Meinungsäußerung zulässig seien.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Kläger am 30. April 2014 zugestellt. Hiergegen wendet er sich mit seiner Berufung, die am 28. Mai 2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist und mit einem am 30. Juni 2014 eingegangenen Schriftsatz begründet wurde.

Der Kläger trägt vor, zwar bestreite der Beklagte, die streitgegenständlichen Behauptungen aufgestellt zu haben, gebe aber gleichzeitig an, nach seiner persönlichen Einschätzung zur Arbeit des Klägers gefragt worden zu sein und bekräftige im Prozess immer wieder die inhaltliche Richtigkeit der Aussagen. Hierauf habe das Arbeitsgericht eingehen müssen und dürfe nicht annehmen, der Beweis sei nicht erbracht, dass die Äußerungen vom Beklagten stammten. Jedenfalls habe sich der Beklagte diese Aussagen im Prozess zu Eigen gemacht. Die Bewertungen seien Tatsachenbehauptungen, die falsch seien und den Kläger in unerträglicher Art und Weise in seiner Ehre verletzten. Der Kläger sei lernfähig. Die von ihm gewählte Rohrisolierung sei besser, als die ihm vorgegeben Art der Isolierung. Er habe sich auch ständig weiterentwickelt. Der Kläger sei kein Risikofaktor, habe sich nie gegen Sicherheitsbestimmungen gewehrt und in der Vergangenheit alle bei der B1. üblichen Prüfungen bestanden. Der Kläger sei bei der B1. einsetzbar, wie seine jahrelange Tätigkeit auf dem Werksgelände zeige, bei der es nie Probleme gegeben habe. Die Wiederholungsgefahr werde durch die bereits eingetretene Verletzung indiziert.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 17. April 2014 (Az.: 7 Ca 18/14) abzuändern und nach den Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das mit der Berufung angegriffene Urteil des Arbeitsgerichts. Der Beklagte habe sich die streitgegenständlichen Äußerungen nicht zu Eigen gemacht. Seine Ausführungen seien unter dem Vorbehalt erfolgt, dass das Gericht davon ausgehe, dass die Äußerungen von ihm stammten. Es handele sich bei den Äußerungen allesamt um Werturteile und keine Tatsachenbehauptungen. Die Grenze zur Schmähkritik sei nicht erreicht. Sollte es sich doch um Tatsachenbehauptungen handeln, seien diese korrekt.

Im Übrigen wird hinsichtlich des Vortrags der Parteien auf die zwischen ihnen in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen. Das Landesarbeitsgericht hat die Akten aus dem Rechtsstreit des Klägers gegen die B. GmbH (Arbeitsgericht Mannheim – Kammern Heidelberg – 14 Ca 18/12 = Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg – Kammern Mannheim – 13 Sa 119/12) beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 600,00 übersteigt, § 64 Abs. 2 Buchstabe b ArbGG. Die Berufung ist auch frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO.

II.

Die Berufung des Klägers ist aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage als unbegründet abgewiesen. Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Unterlassungsanspruch aus §§ 1004, 823 BGB bzw. §§ 1004, 824 BGB zu. Dabei kann es dahinstehen, ob der Beklagte die streitgegenständlichen Äußerungen ursprünglich abgegeben oder sich später zu eigen gemacht hat. Bei ihnen handelt es sich im konkreten Zusammenhang um eine zulässige Meinungsäußerung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Diese erfüllt weder den Tatbestand des § 824 BGB, noch verletzt sie den Kläger rechtswidrig in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG).

1. Der Tatbestand des § 824 BGB erfordert das Vorliegen einer unwahren Tatsachenbehauptung. Ob eine solche vorliegt, ist gleichsam für die Beurteilung erheblich, ob eine Äußerung rechtswidrig in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingreift. Bei diesem Recht handelt es sich um einen sogenannten offenen Tatbestand, bei denen sich Inhalt, Umfang und Grenzen des Schutzes erst aus einer umfassenden Interessenabwägung ergeben. Erfolgt der Eingriff durch eine Äußerung, kommt maßgebliche Bedeutung der Abgrenzung zu, ob es sich um eine Tatsachenbehauptung oder um eine Meinungsäußerung handelt. Während wahre Tatsachenbehauptungen grundsätzlich hinzunehmen sind, sind unwahre Tatsachenbehauptungen grundsätzlich nicht zu dulden. Für sie wird häufig auch der Anwendungsbereich des § 824 BGB eröffnet sein. Demgegenüber genießen Meinungsäußerungen grundsätzlich den Schutz aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Während Meinungsäußerungen in der Regel B. zur Grenze der Schmähkritik oder Formalbeleidigung zulässig sind, müssen jedenfalls unwahre Tatsachenbehauptungen in der Regel nicht hingenommen werden (vgl. Staudinger-Hager, BGB, Neubearbeitung 2012, Eckpfeiler des Zivilrechts – T. Das Recht der unerlaubte Handlungen Rn. 325 ff.).

2. Tatsachenbehauptungen sind Äußerungen, deren Richtigkeit bewiesen werden kann. Sie beziehen sich auf konkrete Geschehnisse und Umstände einer behaupteten Wirklichkeit, die beobachtet, erforscht, gemessen werden können. Ihr Vorhandensein kann festgestellt werden. Meinungen oder Werturteile sind demgegenüber Äußerungen, die durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens, durch Wertungen geprägt sind. Man kann sie teilen oder verwerfen (vgl. OLG Koblenz 6. Februar 2014 – 3 U 1049/13 – juris).

a) Die Abgrenzung, ob eine Tatsachenbehauptung oder eine Meinungsäußerung vorliegt, erfolgt anhand der angegriffenen Äußerung nach dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers. Maßgeblich für das Verständnis der Behauptung ist dabei weder die subjektive Sicht des sich Äußernden, noch das subjektive Verständnis der von der Äußerung Betroffenen, sondern der objektive Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums hat (BVerfG 25. Oktober 2005 – 1 BvR 1696/98 – NJW 2006, 207). Bei der Frage, ob eine Äußerung ihrem Schwerpunkt nach als Meinungsäußerung oder als Tatsachenbehauptung anzusehen ist, kommt es entscheidend auf den Gesamtkontext der fraglichen Äußerung an. Die isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils wird den Anforderungen an eine zuverlässige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht (vgl. BVerfG 10. Oktober 1995 – 1 BvR 1476/91 u.a. – BVerfGE 93, 266 ff. = NJW 1995, 3303). Auch ist im Einzelfall eine Trennung der tatsächlichen und der wertenden Bestandteile einer Äußerung nur zulässig, wenn dadurch ihr Sinn nicht verfälscht wird (vgl. BVerfG 22. Juni 1982 – 1 BvR 1376/79 – BVerfGE 61, 1 ff. = NJW 1983, 1415 ff.; BVerfG 13. April 1994 – 1 BvR 23/94 – BVerfGE 90, 241 ff. = NJW 1994, 1779 ff.).

b) Hat eine Äußerung sowohl einen tatsächlichen Gehalt als auch einen wertenden Charakter, hängt ihre Einordnung in die eine oder andere Kategorie davon ab, ob der tatsächliche Gehalt der Äußerung so substanzarm ist, dass er gegenüber der subjektiven Wertung in den Hintergrund tritt oder ob das nicht der Fall ist, das heißt ob der in einem Werturteil enthaltene Tatsachenkern nur unbestimmt angedeutet ist oder ob sich das Werturteil als zusammenfassender Ausdruck von Tatsachenbehauptungen darstellt (vgl. BGH 9. November 1971 – VI ZR 57/70 – MDR 1972, 227 ff.). Bei einer mit einer Tatsachenbehauptung verbundenen Meinungsäußerung kann die Schutzwürdigkeit vor diesem Hintergrund vom Wahrheitsgehalt der ihnen zugrunde liegenden tatsächlichen Annahmen abhängen (BVerfG 13. April 1994 – 1 BvR 23/94 – BVerfGE 90, 241 ff. = NJW 1994, 1779).

3. Nach diesem Maßstab handelt es sich bei den streitgegenständlichen Äußerungen nicht um Tatsachenbehauptungen, sondern um eine Meinungsäußerung im Sinne eines Werturteils. Die Äußerungen sind ihrem Inhalt nach substanzarm und benennen weder konkrete Geschehnisse oder Umstände. Ein etwaiger Tatsachenkern wird in ihnen nicht einmal angedeutet. Sie erschöpfen sich in pauschalen, unsubstantiierten Behauptungen und stellen ersichtlich die plakative Zusammenfassung einer subjektiven Einschätzung dar. Die Begriffe „nicht lernfähig“, „in der B1. so nicht einsetzbar“, „absoluter Risikofaktor“ sind wertende Beschreibungen, die sich offenkundig einer exakten Messbarkeit entziehen, sondern von der abwägenden Beurteilung des Äußernden geprägt sind. Sie stellen im konkreten Fall auch nicht die wertende, bloße Zusammenfassung von Tatsachenbehauptungen dar, die den vorrangigen Inhalt der Äußerung ausmachen würden. Vielmehr sind in den „Bemerkungen“ der „Beurteilung“ keiner konkrete Tatsachen angeführt, die als „richtig“ oder „falsch“ eingeordnet werden könnten, sondern Ergebnisse einer Beurteilung. Dies deckt sich auch mit dem Gesamtzusammenhang, in dem die Äußerungen abgegeben wurden. Es handelt sich um eine interne Einschätzung, die ausdrücklich als „Beurteilung“ überschrieben ist. Diese wird anlässlich der Frage abgegeben, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers über die Dauer der Probezeit von sechs Monaten, in welcher es keiner Gründe für eine soziale Rechtfertigung der Kündigung bedarf, fortgesetzt werden soll. Gerade in dieser Phase eines Arbeitsverhältnisses, in der es auch im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung über eine Kündigung nicht einer substantiierten Darlegung eines Kündigungsgrundes durch den Arbeitgeber bedarf, ist der Kündigungsgrund und der Kündigungsentschluss häufig stark subjektiv determiniert. Auch „Beurteilungen“ nach einer so kurzen Phase eines Arbeitsverhältnisses weisen durchweg stark subjektiv geprägte Züge auf. Angesichts dessen nimmt ein unbefangener Leser die „Bemerkungen“ in der „Beurteilung“ auch nicht als die konkrete Wiedergabe von Tatsachen, sondern als die Zusammenfassung der subjektiven Einschätzung des Äußernden wahr.

4. Die streitgegenständlichen Äußerungen stellen als Meinungsäußerung keine unzulässige Schmähkritik dar.

a) Der Begriff der Schmähkritik ist vor dem Hintergrund, dass es nach der verfassungsrechtlichen Systematik bei im Einzelfall gegenüberstehenden Grundrechtspositionen grundsätzlich einer Abwägung zwischen diesen verschiedenen Grundrechtspositionen unter Berücksichtigung aller wesentlicher konkreter Umstände bedarf, eng definiert. Eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Die Äußerung muss jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der persönlichen Herabsetzung bestehen. Wesentliches Merkmal der Schmähung ist mithin eine das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung (BVerfG 3. Kammer des 1. Senats 24. Juli 2013 – 1 BvR 444/13 – AfP 2013, 389 ff.).

b) Dies trifft auf die streitgegenständlichen Äußerungen nicht zu. Sie stehen im Zusammenhang mit einer internen fachlichen Einschätzung des Klägers und nehmen in pauschaler, unsubstantiierter Weise Bezug auf seine Befähigung und Leistung. Sie enthalten eine unverblümte, harsche Kritik, beziehen sich aber nicht auf den Kläger als Person oder dessen Charakter schlechthin. Die Äußerungen betreffen fachliche Kriterien der Arbeitsleistung, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Frage stehen, ob eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses angezeigt erscheint, weil die Probezeit mit Erfolg absolviert wurde. Die Äußerungen enthalten keine Formalbeleidigungen. Die in ihnen enthaltene Kritik ist im Ergebnis auf den Gegenstand einer fachlichen Beurteilung bezogen und dabei mit subjektiv geprägten, negativen Wertungen ausgefüllt. Dies macht die Äußerungen nicht zu Schmähungen. Weder wird die Menschenwürde des Klägers durch diese Äußerungen berührt, noch ist in ihnen eine Diffamierung zu sehen. Im Vordergrund steht eine Auseinandersetzung mit der fachlichen Befähigung und Leistung des Klägers anlässlich eines konkreten Beurteilungsanlasses, des Ablaufs der Probezeit. Wenn dies auch mit stark subjektiv geprägten, pointierten Formulierungen geschieht, steht dabei ersichtlich die Einschätzung von Sachkriterien im Vordergrund und nicht eine persönliche Kränkung des Klägers. Maßstab ist auch hier, wie ein unbefangener Leser die Äußerungen einordnet und nicht, wie sie der Kläger subjektiv empfindet.

III.

Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht erfüllt sind.

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