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Untreue des Arbeitnehmers – Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers – Erlassvertrag

ArbG Stuttgart, Az.: 4 Ca 7274/18,  Urteil vom 03.07.2019

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert wird auf 76.954,53 EUR festgesetzt.

4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche wegen Veruntreuung von Kasseneinnahmen.

Der Beklagte war seit 2009 in einer Metzgereifiliale des Klägers als Verkäufer beschäftigt. Die Filiale war in einem Supermarkt in S. untergebracht.

Nachdem der Kläger im August 2013 festgestellt hatte, dass in den Jahren 2009 bis 2013 Kasseneinnahmen in erheblicher Höhe verschwunden waren, stellte er den Beklagten nach dessen Urlaubsrückkehr am 29.08.2013 zur Rede. Der Beklagte bestritt, Geld veruntreut zu haben. Dennoch schlossen die Parteien am selben Tag einen „Privatdarlehensvertrag“, der auszugsweise wie folgt lautet:

„Privatdarlehen … in Höhe von 16.000 EUR … wird monatlich … zurückbezahlt in Form von:

– 500 EUR bar bis zum 5. des Monats

– 50 Std./Monat Arbeitszeit

…“

Untreue des Arbeitnehmers – Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers - Erlassvertrag
Symbolfoto: Von fizkes /Shutterstock.com

Zum Zeitpunkt des Abschlusses des „Privatdarlehensvertrags“ ging der Kläger gemäß einer Zusammenstellung seiner damaligen Buchhalterin, Frau W., von Fehlbeständen in Höhe von insgesamt 16.230,40 EUR aus.

Der Beklagte zahlte in der Folgezeit 3.000,00 EUR an den Kläger.

Mitte Februar 2014 teilte der mit einer nochmaligen Prüfung beauftragte Steuerberater dem Kläger mit, dass der Kassenfehlbestand für die Jahre 2009 bis 2013 weit höher sei als zunächst angenommen und bei insgesamt 76.954,53 EUR liege (vgl. die Aufstellung Anlage K 3).

Mit Schreiben vom 21.02.2014 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten außerordentlich.

Im Rahmen der vom Beklagten erhobenen Kündigungsschutzklage kam es am 24.03.2014 zu einer vergleichsweisen Regelung, die auszugsweise wie folgt lautet (Anlage K 4; man beachte die umgekehrte Parteibezeichnung):

„1. Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass der Betrieb, in dem der Kläger beschäftigt wird, am 15.04.2014 auf die M. gGmbH übergehen wird im Rahmen eines Betriebsübergangs gem. § 613 a BGB.

2. Infolgedessen sind sich die Parteien darüber einig, dass aus der Kündigung des Beklagten vom 21.02.2014 keine Rechte mehr hergeleitet werden und das Arbeitsverhältnis ungekündigt weiter fortbesteht.

…“.

Nach der Übernahme des Betriebs durch die M. gGmbH arbeitete der Beklagte zunächst in der Metzgereifiliale weiter.

Unter dem Datum des 27.10.2017 vereinbarten der Beklagte und die M. gGmbH die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2017. Ziff. 3 des Aufhebungsvertrags lautet wie folgt (Anlage B 1):

„Die Parteien sind sich einig, dass Ansprüche aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, nicht mehr gegeneinander bestehen.“

Das strafrechtliche Verfahren gegen den Beklagten vor dem Amtsgericht S. wegen Untreue – aufgrund dessen das hiesige Verfahren mit Zustimmung der Parteien zeitweise ausgesetzt war – wurde mit Beschluss vom 27.06.2018 nach Zahlung einer Geldauflage durch den Beklagten iHv. 4.000,00 EUR gemäß § 153a Abs. 2 StPO endgültig eingestellt.

Am 30.04.2019 kam es zu einer schriftlichen Abtretungsvereinbarung zwischen dem Kläger und der M. gGmbH, wonach diese „sämtliche Ansprüche, die ihr gleich aus welchem Rechtsgrund gegen [den Beklagten] zustehen, an [den Kläger] ab[tritt]….“ (unbenannte Anlage, Bl. 254 der Akte).

Der Kläger behauptet, der Beklagte habe das Geld aus der Kasse entnommen. Hierfür spreche insbesondere der Darlehensvertrag vom 29.08.2013, der als Schuldeingeständnis genauso zu werten sei wie die Zahlung der Geldauflage im Strafverfahren. Zudem sei der Beklagte vielfach vorbestraft. Er sei als einziger Mitarbeiter während der gesamten Dauer des Verschwindens von Kassenbeständen in den Jahren 2009 bis 2013 in der Filiale beschäftigt gewesen. Gegenüber der Buchhalterin, Frau W., die den Beklagten im Übrigen gedeckt habe, habe er eingestanden, das Geld genommen zu haben. Auch die Anweisung des Beklagten an die Mitarbeiterin Z. im August 2013, während seines Urlaubs Tageseinnahmen mit einer Woche Verzögerung bei der Bank einzuzahlen, spreche für die Schuld des Beklagten. Der Schlüssel zum Nachtresor der Bank, in den die Einnahmen ab 2012 einzulegen waren, sei am Bund des Beklagten befestigt gewesen. Der Beklagte habe zudem nur wenige Häuser vom Supermarkt entfernt gewohnt und sei trotzdem immer mit dem Auto gekommen. Dieses habe ihm offensichtlich als Gelddepot gedient.

Der Kläger hat mit der am 27.12.2016 zugestellten Klage die Zahlung von 76.954,53 EUR aus eigenem Recht vom Beklagten begehrt. Nach richterlichem Hinweis hat der Kläger mit Schriftsatz vom 25.03.2019 zur Begründung seiner Klage sich erstmals auch auf abgetretenes Recht berufen. In der Kammerverhandlung am 03.07.2019 hat der Kläger erklärt, Ansprüche primär aus eigenem Recht und hilfsweise aus abgetretenem Recht geltend zu machen.

Der Kläger hat zuletzt beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 76.954,53 EUR nebst Zinsen in Höhen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptete, er habe keinerlei Geld entwendet. Er sei vom Kläger vor dem Abschluss des Vertrags am 29.08.2013 unter Druck gesetzt worden. Dieser habe nicht nur mit Entlassung, sondern vor allem auch damit gedroht, den Ruf des Beklagten in dem Viertel, in dem der Beklagte wohnte und arbeitete, zu zerstören. Da er ohnehin erhebliche Überstunden unentgeltlich erbracht habe, sei der „Privatdarlehensvertrag“ mit der Barzahlung von 8.000,00 EUR für ihn hinnehmbar gewesen, obgleich er von Anfang an die Tat bestritten und auch gegenüber Frau W. nie gestanden habe. Es hätten zahlreiche Mitarbeiter Zugriff auf die Kasse gehabt, der Schlüssel sei frei zugänglich gewesen. Dem Leiter des Supermarktes sei zwischenzeitlich wegen Unterschlagung gekündigt worden. Er – der Beklagte – habe oftmals die Kassenabrechnungen gar nicht selbst gefertigt. Zudem sei das Geld häufig von anderen Mitarbeitern zur Bank gebracht worden. Er könne sich allenfalls vorwerfen, ein chaotisches System weitergeführt zu haben. Mit dem Auto sei er nur deshalb gekommen, weil er regelmäßig nach der Arbeit seine Kinder von der Schule abgeholt und beispielsweise zum Musikunterricht gefahren habe. Hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche berufe er sich auf die Einrede der Verjährung.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

A)

Die Klage ist zulässig, nachdem der Klägervertreter in der Kammerverhandlung erklärt hat, er mache primär Ansprüche aus eigenem Recht und lediglich hilfsweise solche aus abgetretenem Recht geltend. Er hat damit der prozessualen Notwendigkeit Genüge getan, eine Reihenfolge der Geltendmachung der prozessualen Ansprüche zu bestimmen (vgl. hierzu BGH 3. Dezember 2015 – IX ZR 11/14 – Rn. 22).

B)

Die Klage ist indes unbegründet. Dem Kläger stehen weder aus eigenem Recht (I.) noch aus abgetretenem Recht (II.) Ansprüche gegen den Beklagten zu.

I. Ansprüche aus eigenem Recht bestehen weder gemäß § 280 Abs. 1 BGB noch § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 266 StGB, § 826 BGB, § 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 BGB oder der Vereinbarung der Parteien vom 29.08.2013 („Privatdarlehen“). Dabei kann dahinstehen, ob der Beklagte Geld des Klägers im Zeitraum 2009 bis 2013 veruntreut hat. Durch (Teil-)Betriebsübergang zum 15.04.2014 sind die Ansprüche jedenfalls gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die M. gGmbH als Erwerberin übergegangen.

1. Im Falle eines Betriebsübergangs tritt der Erwerber anstelle des Veräußerers in das bestehende Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten ein. Umfasst sind grundsätzlich alle Rechtspositionen aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, die im Zeitpunkt des Betriebsübergangs den Inhalt des Arbeitsverhältnisses bestimmen. Betroffen ist sowohl die Stellung des Arbeitgebers als Schuldner wie auch die als Gläubiger. Erfasst sind auch die für den Arbeitnehmer nachteiligen Rechtspositionen. Zu den Rechten und Pflichten iSd. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB gehören in der Stellung des Arbeitgebers als Gläubiger damit auch Schadensersatzansprüche aus Verletzung arbeitsrechtlicher Vertragsbeziehungen. Es handelt sich insoweit um Rechte und Pflichten „aus dem Arbeitsverhältnis“ (zum Ganzen BAG 21. August 2014 – 8 AZR 655/13 – BAGE 149, 47 ff, Rn. 28 ff). Auch mit vertraglichen Schadensersatzansprüchen (§ 280 Abs. 1 BGB) konkurrierende Ansprüche aus Delikts- und Bereicherungsrecht (§ 823 Abs. 2 BGB iVm. § 266 StGB, § 826 BGB, § 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 BGB) sind erfasst. Es handelt sich insoweit ebenfalls um Ansprüche „aus dem Arbeitsverhältnis“ (vgl. BAG 26. April 1990 – 8 AZR 153/89 –, Rn. 18).

2. Damit sind alle denkbaren Ansprüche des Klägers aus den vermeintlichen Untreuehandlungen des Beklagten zum 15.04.2014 auf die M. gGmbH übergegangen. Gemäß Ziff. 1 des Vergleichs vom 24.03.2014 erfolgte zu diesem Datum ein Betriebsübergang iSd. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB. Alle Ansprüche des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis standen damit fortan der Erwerberin zu. Hierzu gehören insbesondere auch Ansprüche aus dem „Privatdarlehensvertrag“ vom 29.08.2013. Es handelt sich ersichtlich nicht um einen vom Arbeitsverhältnis unabhängigen, eigenständigen Darlehensvertrag, der durch den Betriebsübergang nicht berührt würde (vgl. dazu BAG 21. Januar 1999 – 8 AZR 373/97 – Leitsatz). Dies ergibt sich schon daraus, dass die Rückzahlung des „Darlehens“ zur Hälfte in Form von Überstunden im Arbeitsverhältnis erfolgen sollte.

II. Auch Ansprüche aus abgetretenem Recht (§ 398 BGB) gemäß der Abtretungsvereinbarung vom 30.04.2019 stehen dem Kläger nicht zu. Ansprüche gemäß § 280 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 266 StGB, § 826 BGB, § 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 BGB oder der Abrede vom 29.08.2013 („Privatdarlehensvertrag“) unterfallen zum einen der umfassenden Erledigungsklausel in Ziff. 3 des Aufhebungsvertrags vom 27.10.2017 und konnten deshalb aufgrund der Wirkung des § 397 Abs. 2 BGB am 30.04.2019 nicht mehr an den Kläger gemäß § 398 BGB (rück-)abgetreten werden (1a). Zum anderen sind diese Ansprüche verjährt und deshalb gemäß § 214 Abs. 1 BGB nicht mehr durchsetzbar, nachdem der Beklagte sich auf die Einrede berufen hat (1b). Der wegen Verjährung möglicher Ansprüche aus unerlaubter Handlung denkbare Anspruch aus § 852 Satz 1 BGB unterfällt ebenfalls der Erledigungsklausel in Ziff. 3 des Aufhebungsvertrags vom 27.10.2017 (2).

1. Etwaige Ansprüche auf Schadensersatz sowie Bereicherungsausgleich nach vertraglichen, deliktischen und bereicherungsrechtlichen Vorschriften sowie Zahlungsansprüche aus der Vereinbarung vom 29.08.2013 („Privatdarlehensvertrag“) sind gemäß Ziff. 3 des Aufhebungsvertrags vom 27.10.2017 nach § 397 Abs. 2 BGB untergegangen und wären zudem verjährt.

a) Nach Ziff. 3 des Aufhebungsvertrags waren sich die Parteien des Arbeitsvertrags einig, dass „Ansprüche aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, nicht mehr gegeneinander bestehen.“

Welche Rechtsqualität und welchen Umfang eine Erledigungsklausel hat, ist durch Auslegung nach den Regeln der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln.

aa) Als rechtstechnische Mittel für den Willen der Parteien, ihre Rechtsbeziehung zu bereinigen, kommen insbesondere der Erlassvertrag, das konstitutive und das deklaratorische Schuldanerkenntnis in Betracht. Ein Erlassvertrag (§ 397 Abs. 1 BGB) ist dann anzunehmen, wenn die Parteien vom Bestehen einer bestimmten Schuld ausgehen, diese aber übereinstimmend als nicht mehr zu erfüllen betrachten. Ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis iSv. § 397 Abs. 2 BGB liegt vor, wenn der Wille der Parteien darauf gerichtet ist, alle oder eine bestimmte Gruppe von bekannten oder unbekannten Ansprüchen zum Erlöschen zu bringen. Ein deklaratorisches negatives Schuldanerkenntnis ist schließlich anzunehmen, wenn die Parteien nur die von ihnen angenommene Rechtslage eindeutig dokumentieren und damit fixieren wollen (BAG 20. April 2010 – 3 AZR 225/08 – BAGE 134, 111 ff, Rn. 47).

Nach der gewählten Formulierung wollten die Parteien sämtliche Ansprüche des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung und für die Zeit nach Beendigung erledigen. Damit hatten sie auch ihnen nicht bekannte Ansprüche zum Erlöschen bringen wollen. Eine solche Erklärung ist regelmäßig als konstitutives negatives Schuldanerkenntnis zu verstehen (vgl. BAG 20. April 2010 – 3 AZR 225/08 – BAGE 134, 111 ff Rn. 49; 23. Februar 2005 – 4 AZR 139/04 – zu II 4 a bb der Gründe, BAGE 114, 33). Anhaltspunkte für eine Ausnahme sind nicht erkennbar.

bb) Nach der vom Bundesarbeitsgericht angenommenen allgemeinen Auslegungsregel sind Ausgleichsklauseln im Interesse klarer Verhältnisse grundsätzlich in ihrem Umfang weit auszulegen. In einem Aufhebungsvertrag wollen die Parteien in der Regel das Arbeitsverhältnis abschließend bereinigen und alle Ansprüche umfassend erledigen, gleichgültig ob sie daran dachten oder nicht (BAG 18. September 2018 – 9 AZR 162/18 – Rn. 17; 22. Oktober 2008 – 10 AZR 617/07 – Rn. 30). Dies gilt auch dann, wenn der in Abgeltungsklauseln häufig verwendeten Zusatz „…. gleich ob bekannt oder unbekannt“ fehlt (BAG 22. Oktober 2008 – 10 AZR 617/07 – Rn. 25).

Selbst im Falle von Ansprüchen aus möglichen vorsätzlichen strafbaren Handlungen des Arbeitnehmers und daraus resultierenden zivilrechtlichen Ansprüchen aus positiver Vertragsverletzung (§ 280 Abs. 1 BGB) sowie unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 2 BGB iVm. § 266 StGB; § 826 BGB) gilt diese Auslegungsregel. In solchen Fällen umfasst nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Klausel grundsätzlich dennoch alle Ansprüche, wobei im Einzelfall ein Berufen des Arbeitnehmers auf die allgemeine Erledigungsklausel treuwidrig gemäß § 242 BGB sein kann, wenn der Arbeitgeber keine Kenntnis von der vorsätzlichen Vertragsverletzung bzw. der vorsätzlichen unerlaubten Handlung hatte und diese auch nicht kennen musste (BAG 9. März 1972 – 1 AZR 165/71 – Rn. 23; 27. Januar 2000 – 8 AZR 98/99 – Rn. 25). Die Auslegung einer (nachgelagerten) Erledigungsklausel in einem Aufhebungsvertrag ist insoweit nicht zu verwechseln mit der Auslegung einer (vorgelagerten) Verfallklausel in einem Arbeitsvertrag, welche Ansprüche aus vorsätzlicher Schädigung regelmäßig nicht erfasst (vgl. BAG 20. Juni 2013 – 8 AZR 280/12 – Rn. 22).

Unter Anwendung der genannten Auslegungsregel sind alle zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrags der M. gGmbH zustehenden (vermeintlichen) Ansprüche gegen den Beklagten nach § 397 Abs. 2 BGB untergegangen.

Umstände, die im vorliegenden Fall zu einem von der genannten Auslegungsregel abweichenden Ergebnis führen, hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch ansonsten nicht ersichtlich. Allein das vom Kläger in der Kammerverhandlung gerügte Fehlen des Zusatzes „… gleich ob bekannt oder unbekannt“ hindert das Eingreifen der Auslegungsregel und damit die umfassende Erledigung aller Ansprüche nicht. Zudem ist davon auszugehen, dass dem Geschäftsführer der M. gGmbH die Ansprüche sogar bekannt waren (dazu sogleich). Bekannte Ansprüche sind von einer umfassenden Erledigungsklausel jedoch zweifellos erfasst.

cc) Ein Berufen des Klägers auf die Erledigungsklausel ist nicht treuwidrig gemäß § 242 BGB, weil dem Geschäftsführer der M. gGmbH die Umstände, die zu möglichen Ansprüchen gegen den Beklagten führen konnten, bei Abschluss des Aufhebungsvertrags bekannt waren.

(1) Die Kammer geht dabei zunächst davon aus, dass der Geschäftsführer der M. gGmbH eigene Kenntnis von den Vorfällen hatte. Der Kläger hat in der Kammerverhandlung selbst eingeräumt, dass er mit diesem im Zuge des Betriebsübergangs über die Vorfälle gesprochen hatte. Die Tatsache, dass der Geschäftsführer der M. gGmbH die genaue Schadenshöhe möglicherweise nicht kannte – wie die der Kläger in der Kammerverhandlung behauptet hat –, führt genauso wenig zu einer Treuwidrigkeit des Berufens auf die Erledigungsklausel wie der Umstand, dass der Geschäftsführer seine Aktivlegitimation im Vertragsabschlusszeitpunkt unter Umständen verkannte, weil er – wie auch der Kläger – die Folgen des Betriebsübergangs gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB falsch eingeschätzt hatte.

Schon bei bloßer Unkenntnis von der genauen Schadenshöhe eine Treuwidrigkeit anzunehmen, würde dem Parteiwillen bei Abfassung einer Erledigungsklausel nicht gerecht. Ein Arbeitgeber, der in Kenntnis von möglichen Untreuehandlungen des Arbeitnehmers eine umfassende Erledigungsklausel vereinbart, tut dies auf eigenes Risiko und ist nicht – mittels der Generalklausel des § 242 BGB – schützenswert.

Hinsichtlich der möglichen Verkennung seiner Aktivlegitimation durch den Geschäftsführer der M. gGmbH handelt es sich um die bloße rechtsfehlerhafte Bewertung eines bei Vertragsschluss bekannten Sachverhaltes und damit um einen unbeachtlichen Rechtsfolgenirrtum (vgl. BAG 23. September 2014 – 9 AZR 827/12 – Rn. 28).

(2) Selbst wenn man aber davon ausgehen wollte, dass es einer Kenntnis der genauen (oder jedenfalls ungefähren) Schadenshöhe bedurfte, um Treuwidrigkeit auszuschließen, läge eine derartige Treuwidrigkeit nicht vor. Denn der Geschäftsführer der M. gGmbH musste sich die im Zeitpunkt des Betriebsübergangs vorhandene Kenntnis des Klägers von der genauen Schadenshöhe zurechnen lassen.

Der Kläger kannte nach der Vorlage des Berichts seines Steuerberaters im Februar 2014 die genaue Schadenshöhe. Diese im Zeitpunkt des Betriebsübergangs im April 2014 vorhandene Kenntnis des Veräußerers muss sich die Erwerberin aufgrund der Legalzession in § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB entsprechend § 404 iVm. § 412 BGB zurechnen lassen (vgl. zu dieser Wissenszurechnung BeckOGK/Piekenbrock, 1.5.2019, BGB § 199 Rn. 111). Auch das Bundesarbeitsgericht nimmt eine solche Wissenszurechnung im Falle des Betriebsübergangs an (zur Kenntnis von der Schwerbehinderteneigenschaft vgl. BAG 11. Dezember 2008 – 2 AZR 395/07 –, BAGE 129, 25 ff Rn. 22). Die Zurechnung ist Ausfluss des Grundsatzes, dass Rechte und Pflichten gerade so weiterbestehen sollen, als hätte es den Betriebsübergang nicht gegeben. Der vollständige Eintritt des Betriebsübernehmers in die Rechte und Pflichten des bisherigen Arbeitgebers bedeutet nicht nur eine Nachfolge in rechtlichen Beziehungen, der Übernehmer muss sich auch Gegebenheiten zurechnen lassen, die als Tatbestandsmerkmale für spätere Rechtsfolgen von Bedeutung sind (BAG a.a.O.).

Mangels Treuwidrigkeit eines Berufens auf die Erledigungsklausel sind alle Ansprüche gegen den Beklagten aufgrund (vermeintlicher) Untreuehandlungen mithin gemäß Ziff. 3 des Aufhebungsvertrags vom 27.10.2017 nach § 397 Abs. 2 BGB untergegangen. Im Zeitpunkt der Rückabtretung am 30.04.2019 war die Forderung damit bereits erloschen und konnte folglich nicht mehr auf den Kläger übertragen werden.

b) Im Übrigen wären die Ansprüche gemäß § 280 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 266 StGB, § 826 BGB, § 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 BGB sowie der Abrede vom 29.08.2013 („Privatdarlehensvertrag“) jedenfalls nicht mehr durchsetzbar (§ 214 Abs. 1 BGB), nachdem sich der Beklagte auf Verjährung berufen hat.

aa) Die genannten Ansprüche unterliegen allesamt nach § 195 BGB der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. Dies gilt insbesondere auch für Ansprüche aus dem „Privatdarlehensvertrag“ (zur Verjährung von Ansprüchen aus einem Darlehensvertrag BeckOGK/Binder, 1.4.2019, BGB § 488 Rn. 188).

bb) Die Regelverjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangt haben müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Dabei kommt es für Beginn und Lauf der Verjährung im Falle des Gläubigerwechsels – gleich aus welchem Rechtsgrund – zunächst auf den Kenntnisstand des ursprünglichen Gläubigers an. Hatte dieser die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis, geht der Anspruch so, d.h. mit in Gang gesetzter Verjährung auf den Rechtsnachfolger über, selbst wenn dieser die Kenntnis nicht mit oder erst nach dem Übergang des Anspruchs auf ihn erhält. Nur wenn der Kenntnisstand des Rechtsvorgängers nicht geeignet war, die Verjährung in Lauf zu setzen, ist auf den Rechtsnachfolger abzustellen. Der Rechtsnachfolger erwirbt die der Verjährung unterliegende Forderung in dem Zustand, in dem sie sich im Zeitpunkt des Rechtsübergangs befindet, d.h. bereits verjährt, mit laufender Verjährung oder mit noch nicht begonnener Verjährung (BGH 30. April 2014 – IV ZR 30/13 – Rn. 13).

cc) Wie oben gezeigt hatte der Kläger seit Februar 2014 hinreichende Kenntnis von möglichen Forderungen gegen den Beklagten. Im Zeitpunkt des Betriebsübergangs erwarb die M. gGmbH damit (vermeintliche) Forderungen, deren Verjährung bereits angelaufen war. Dem steht die Jahresultimoregelung in § 199 Abs. 1 BGB nicht entgegen, weil der Verjährungsbeginn hierdurch nur aufschiebend befristet wird und nicht vom Eintritt weiterer ungewisser Umstände abhängt. Deshalb begann die Verjährung mit Ablauf des Jahres 2014, in dem der bisherige Gläubiger – der Kläger – die erforderliche Kenntnis erlangt hatte, auch wenn die Ansprüche am Jahresende 2014 bereits auf die neue Gläubigerin – die M. gGmbH – übergegangen waren (vgl. BeckOGK/Piekenbrock, 1.5.2019, BGB § 199 Rn. 111.1).

Mit Ablauf des Jahres 2017 waren die Ansprüche mithin allesamt verjährt. Dies gilt auch für sämtliche Raten aus dem „Privatdarlehensvertrag“ vom 29.08.2013. Da eine Rückzahlung von 16.000,00 EUR zur einen Hälfte in monatlichen Zahlungsraten à 500,00 EUR sowie – wie der Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat – zur anderen Hälfte in Form von Überstunden im Wert von ebenfalls 500,00 EUR pro Monat erfolgen sollte, war die erste Rate im September 2013 und die letzte Rate mithin im Dezember 2014 zur Zahlung fällig (16 „gemischte“ Monatsraten à 1.000,00 EUR). Auch diese Ansprüche verjährten mithin mit Ablauf der Jahre 2016 bzw. 2017.

dd) Den Eintritt der Verjährung konnte der Kläger durch die am 27.12.2016 erhobene Zahlungsklage nicht verhindern. Hierdurch wurde die Verjährung der von der M. gGmbH abgetretenen Ansprüche nicht gemäß §§ 204 Abs. 1 Satz 1, 209 BGB gehemmt. Denn die Erhebung einer Klage hemmt die Verjährung nur für Ansprüche in der Gestalt und in dem Umfang, wie sie mit der Klage geltend gemacht werden, also nur für den streitgegenständlichen prozessualen Anspruch (BGH 4. Mai 2005 – VIII ZR 93/04 – Rn. 15).

In der Klageschrift hatte der Kläger – offensichtlich in Verkennung der Folgen des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB – den Anspruch zunächst aus eigenem Recht geltend gemacht. Damit hatte die ursprüngliche Klage einen anderen Streitgegenstand. Die Erhebung einer Klage aus eigenem Recht hemmt die Verjährung von Ansprüchen aus abgetretenem Recht nicht (BGH a.a.O.). Abgetretene Ansprüche wurden erstmals mit Schriftsatz vom 25.03.2019 – und damit nach Eintritt der Verjährung – geltend gemacht.

ee) Die Verjährung von Ansprüchen aus dem „Privatdarlehensvertrag“ vom 29.08.2013 wurde auch nicht nach §§ 497 Abs. 3 Satz 3, 209 BGB gehemmt.

§ 497 Abs. 3 Satz 3 BGB sieht vor, dass die Verjährung von Rückzahlungsansprüchen aus einem Verbraucherdarlehensvertrag vom Zeitpunkt des Verzugseintritts an bis zum Ablauf von höchstens zehn Jahren nach ihrer Entstehung kraft Gesetzes gehemmt ist.

Unabhängig von der Beantwortung der Fragen, ob die Vereinbarung vom 29.08.2013 tatsächlich einen Darlehensvertrag darstellt und der Beklagte sich nach Aussetzung der Raten gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB in Verzug befand, scheitert die Anwendung von § 497 Abs. 3 Satz 3 BGB jedenfalls an § 491 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BGB. Danach sind vom Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gewährte Darlehen keine Verbraucherdarlehensverträge, wenn – wie vorliegend – keine oder niedrigere als marktübliche Zinsen verlangt werden.

2. Schließlich hat der Kläger auch keinen Zahlungsanspruch gegen den Beklagten aus § 852 Satz 1 BGB (iVm. § 398 BGB).

a) Nach dieser Vorschrift ist ein Ersatzpflichtiger zwar auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet, wenn er durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt hat. Die Norm hat insoweit den Charakter einer Rechtsverteidigung gegenüber der Einrede der Verjährung. Der verjährte Deliktsanspruch bleibt mit seiner Rechtsnatur als Schadensersatzanspruch bestehen. Er wird nur in seinem Umfang auf das durch die unerlaubte Handlung auf Kosten des Geschädigten Erlangte beschränkt (OLG Karlsruhe 10. April 2019 – 6 U 126/17 Kart – Rn. 70).

b) Auch der Anspruch aus § 852 Satz 1 BGB stellt indes – genau wie die ihn voraussetzenden Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 266 StGB bzw. § 826 BGB – einen Anspruch „aus dem Arbeitsverhältnis“ dar, welcher der Erledigungsklausel in Ziff. 3 des Aufhebungsvertrags vom 27.10.2017 unterfällt. Insoweit kann vollumfänglich auf das oben Gesagte verwiesen werden. Der Anspruch gemäß § 852 Satz 1 BGB, der nicht erst mit der Verjährung der deliktischen Ansprüche, sondern zeitgleich mit diesen entstanden war (vgl. BeckOGK/Eichelberger, 1.5.2019, BGB § 852 Rn. 21), ist damit nach § 397 Abs. 2 BGB am 27.10.2017 erloschen.

II.

1. Der Kläger hat als unterlegene Partei gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs.1 ZPO die Kosten des Verfahrens zu tragen.

2. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes ergibt sich aus §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 3 ff. ZPO. Vorliegend war als Streitwert der Nennwert der Forderung zu berücksichtigen. Aufgrund des Umstands, dass der Kläger nur einmal 76.954,53 EUR begehrt und beide prozessualen Streitgegenstände (eigenes, abgetretenes Recht) auf den gleichen haftungsbegründenden Tatbestand, den gleichen Schaden und die gleiche Kausalität stützt, war den Nennbetrag der Forderung nur einmal zu berücksichtigen (vgl. BGH 14. Januar 2010 – VII ZR 162/08).

3. Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung folgt aus § 64 Abs. 3a Satz 1 ArbGG. Soweit die Berufung nicht bereits kraft Gesetzes zulässig ist, war keine gesonderte Zulassung der Berufung gemäß §§ 64 Abs. 2 a), Abs. 3 ArbGG veranlasst.

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