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Unwirksame betriebsbedingte Kündigung bei Weiterbeschäftigungsmöglichkeit

Landesarbeitsgericht Hessen – Az.: 12 Sa 264/10 – Urteil vom 12.07.2011

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts C am Main vom 24. November 2009 – 18 Ca 4047/09 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung und den Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung.

Die Beklagte ist ein internationales Transport- und Logistikunternehmen mit Sitz in den A. In B beschäftigte sie an den Standorten Flughafen C und Flughafen D bis 2008 insgesamt 180 Mitarbeiter, davon 147 an ihrem Hauptumschlagsplatz in C. An beiden Standorten besteht ein Betriebsrat. Die Aufgabe der Beklagten besteht zum einen darin, Paketsendungen aus dem Ausland in Empfang zu nehmen und sie an Mitarbeiter der Schwestergesellschaft E zu übergeben, damit sie vom Flughafen C an ihre Ziele in B gelangen (Import). Zum anderen ist ihre Aufgabe, die von den Mitarbeitern der E gesammelten Sendungen für das Ausland zu bearbeiten, in unternehmenseigene Flugzeuge zu verladen und sie damit an den Zielort zu verbringen (Export).

Der Kläger, geboren am xx, ist seit dem Juli 1996 bei der Beklagten beschäftigt. Nach der Vereinbarung im letzten Arbeitsvertrag ist er seit 2004 als Ramp Agent in der Abteilung Ramp Office beschäftigt und wird nach Tarifgruppe 5 des Firmentarifvertrags vergütet. Er erhielt zuletzt eine Bruttomonatsvergütung von 3.000,– EUR.

Im Mai 2007 entschied die Beklagte angesichts des geplanten Nachtflugverbots und des Mangels an ausreichenden Expansionsflächen am Flughafen C, den Standort C D zu ihrem – und der gesamten G – Hauptumschlagplatz für Paketsendungen zu machen. Zu diesem Zweck beschloss sie, Teilbereiche ihrer operativen Abteilungen am Flughafen C zum 1.07.2010 nach D zu verlagern und die Belegschaft in diesen Abteilungen im Durchschnitt um 65 %, bezogen auf Vollzeitarbeitsplätze (FTE), zu reduzieren. Die Importaktivitäten in C sollten um 95 % (von täglich 15.000 auf 800 – 1000 Pakete pro Tag) und die Exportaktivitäten um 55 % (von 10.000 auf 4.500 Pakete pro Tag) reduziert werden. Damit einhergehend sollte die Anzahl der ein- und ausgehenden Flugzeuge von jeweils 29 an sieben Wochentagen auf jeweils 12 an vier Wochentagen reduziert werden. Von den Plänen waren die sechs operativen Abteilungen betroffen, darunter auch die Abteilung Ramp Office, in der der Kläger tätig war. U.a. war die Verlagerung von zwei (Fte) Ramp Agents vorgesehen.

Am 30.05.2008 schlossen die Beklagte und der örtliche Betriebsrat einen Interessenausgleich wie auch einen Sozialplan ab. Auf den Inhalt der in Kopie vorgelegten Vereinbarungen wird Bezug genommen (Bl. 81 – 116 d. A.). Im Interessenausgleich verständigten sich die Betriebsparteien auf ein Konzept für die beabsichtigte Betriebsänderung, das in der Folge entsprechend umgesetzt wurde. Die Betriebsänderung vollzog sich dergestalt, dass ein Querschnitt der in den sechs operativen Abteilungen erledigten Aufgaben zu einem Teil nach D verlagert wurde. Am Standort D wurde ein gemeinsamer Betrieb aus drei Unternehmen gebildet, an dem die Beklagte selbst nicht beteiligt war. Der Betriebsrat und die Beklagte verständigten sich im Sozialplan über Vergleichsgruppen und ein Punkteschema für die vorzunehmende Sozialauswahl. Den Kläger ordneten sie der Vergleichsgruppe 12 (Ramp Agents und Ramp Agents Advanced) zu. Den insgesamt 67 von der Betriebsänderung betroffenen Mitarbeitern wurde am 12.02.2009 angeboten, im Wege des Abschlusses eines dreiseitigen Vertrages unter Wahrung ihres Besitzstandes ihre bisherige Tätigkeit am Standort D für die neu gegründete H fortzusetzen (Bl. 96 d. A.). Der Kläger – und neben ihm weitere 24 Mitarbeiter lehnten das Angebot ab.

Mit Schreiben vom 20.04.2009 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten betriebsbedingten Kündigung des Klägers an (Bl. 117 – 122 d. A.). Der Betriebsrat widersprach der Kündigung mit Schreiben vom 28.04.2009 (Bl. 123 – 125 d. A.). Am 29.04.2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger aus betriebsbedingten Gründen wegen des Wegfalls seines Arbeitsplatzes durch die Verlagerung nach D ordentlich zum 30.06.2010.

Bei der Beklagten in C existierte die nicht von der Betriebsänderung betroffene, in Tarifgruppe 5 eingruppierte Stelle eines Freight Sales Service Representative. Diese hatte auf der Grundlage eines auf zwei Jahre bis zum 31.05.2009 befristeten Arbeitsvertrages die Mitarbeiterin Frau I inne. Sie war bereits vorzeitig seit Mitte Februar 2009 wegen eines Konflikts in der Abteilung von der Arbeitsleistung freigestellt und schied zum 31.05.2009 endgültig aus. Die Beklagte schrieb die Stelle am 28.05.2009 erneut – wieder auf zwei Jahre befristet – aus (Bl. 154, 155 d. A.). Der Kläger bewarb sich auf die Stelle. Kurz danach zog die Beklagte die Ausschreibung zurück und schrieb die Stelle am 18.06.2009 nochmals, diesmal befristet auf ein Jahr bis zum 30.06.2010, aus (Bl. 156 d. A.). Der Kläger bewarb sich wiederum erfolglos auf die Stelle. Später entschied die Beklagte, die Stelle mit einem Leiharbeitnehmer zu besetzen.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass die Kündigung wegen eines Betriebsübergangs erfolgt und daher schon gemäß § 613a Abs. 4 BGB unwirksam sei. In der Verlagerung eines Teils der Aufgaben und der Mitarbeiter nach D liege ein Betriebsübergang, weil dort mit der Mehrheit der Frankfurter Mitarbeiter aus den betroffenen Abteilungen die identische Tätigkeit fortgeführt werde und dies zudem mit den Betriebsmitteln der Beklagten (Kundendaten, entsprechende Software und Logistikkonzept) geschehe. Außerdem sei die Kündigung vor dem im Sozialplan vereinbarten Stichtag 1. Mai 2009 und im Übrigen verfrüht ausgesprochen worden, weil mit der Verlagerung seines Arbeitsplatzes nicht vor dem 31.07.2010 zu rechnen sei.

Der Kläger hat behauptet, für die Position des Freight Service Representative geeignet zu sein. Soweit er weitere Schulung benötige, sei die Beklagte gemäß § 14 Sozialplan zur Förderung seiner fachlichen Mobilität verpflichtet. Auch hat er die Beklagte für verpflichtet gehalten, die in gleicher Funktion wie er selbst noch beschäftigten Leiharbeitnehmer vor ihm zu entlassen.

Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 29.04. 2009 beendet worden ist und auch nicht durch etwaige Folgekündigungen; für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreites weiter zu beschäftigen; hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, das Angebot des Klägers auf Wiedereinstellung zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Sales Freight Service Representative gemäß Stellenausschreibung vom 28.05.2009 anzunehmen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs habe es keine freie Arbeitsstelle gegeben, für die der Kläger geeignet wäre. Die Position des Freight Service Representative habe sie nur befristet auf ein Jahr ausgeschrieben, weil die wirtschaftliche Krise im Jahre 2009 zu einem Einbruch der Frachtverfügbarkeit geführt und sie entschieden habe, vor einer längerfristigen Wiederbesetzung der Stelle zunächst die Marktentwicklung zu beobachten, um dann eine angemessene Entscheidung zu treffen. Sie hat sich nicht als verpflichtet angesehen, vorrangig Leiharbeitnehmer zu entlassen; denn sie werde über den Ablauf der Kündigungsfrist des Klägers am 30.06.2010 hinaus keine Leiharbeitnehmer einsetzen, an deren Stelle der Kläger tätig sein könnte. Auch hat sie die Voraussetzungen eines Teilbetriebsübergangs verneint, weil lediglich ein Querschnitt von Aufgaben und Abteilungen, nicht aber eine abgrenzbare Teileinheit übertragen werde. Zur vorgenommenen Sozialauswahl hat sie behauptet, dass zum einen der aus der Sozialauswahl herausgenommene Mitarbeiter J über mehr Sozialpunkte als der Kläger verfüge und dass der Mitarbeiter K zu Recht aus der Sozialauswahl herausgenommen worden sei, weil er den besonderen nachwirkenden Kündigungsschutz als Betriebsratsmitglied genieße, nachdem er am 29.08.2008 an einer Betriebsratssitzung teilgenommen habe.

Das Arbeitsgericht Frankfurt hat mit Urteil vom 24.11.2009 – 18 Ca 4047/09 – die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt und die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers als Ramp Agent verurteilt. Zur Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen (Bl. 207 – 212 d.A.).

Die Beklagte hat gegen das ihr am 27.01.2010 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts am 22.02.2010 Berufung eingelegt und diese am 8.03.2010 begründet.

Die Beklagte ist unter Verweis auf ihren erstinstanzlichen Vortrag der Ansicht, sie habe mit ihren dortigen Ausführungen der Darlegungslast für das Vorliegen eines betrieblichen Erfordernisses für den Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers genügt. Die arbeitsgerichtliche Entscheidung beruhe darauf, dass es diese Anforderungen zu hoch geschraubt habe. Zur zeitlich auf ein Jahr befristeten Ausschreibung der Stelle des Freight Service Representative behauptet sie, dass zum Zeitpunkt der Ausschreibung abzusehen gewesen sei, dass der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend bestehe. Da die Stelle erst am 28.05.2009 ausgeschrieben worden sei, bedeute das zudem, dass sie zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs am 29.04.2009 noch nicht frei gewesen sei. Die Wiederbesetzung der Stelle für den Zeitraum nach dem 31.05.2009 habe der zuständige Verantwortliche für den Bereich Sales, Herr K, am 12.05.2009 genehmigt. Die Reduzierung des Zeitraums für die Besetzung der Stelle von zwei auf ein Jahr sei vor dem Hintergrund der zum damaligen Zeitpunkt weltweiten Wirtschaftskrise, von der die Beklagte als weltweit operierendes Fracht- und Logistikunternehmen durch erhebliche Kapazitätsrückgänge direkt betroffen gewesen sei, erfolgt. Mitte 2009 habe sie nicht absehen können, ob und wann sich der normale Frachtbereich, dem die Stelle zugeordnet war, von den Einbußen erholen würde. Im Übrigen bedeute die Ausschreibung einer Stelle im Unternehmen noch nicht, dass sie auch tatsächlich besetzt werde. Zwischen der Ausschreibung, dem Auswahlprozess und der Besetzungsentscheidung könne es durchaus zu Änderungen kommen. Tatsächlich habe die Beklagte die Stelle in der Folge zunächst auch nicht besetzt. Erst im November/Anfang Dezember 2009 habe sie die Stelle befristet mit mehreren Verlängerungen für insgesamt ein Jahr mit zwei Leiharbeitnehmern besetzt. Die Besetzung mit Leiharbeitnehmern sei deshalb erfolgt, weil aufgrund der konjunkturellen Lage überhaupt nicht absehbar gewesen sei, ob und wie lange ein Bedarf an der Arbeitskraft bestehe. Zudem behauptet sie, dass der Kläger für die Position nicht geeignet sei. Er besitze zwar einige theoretisch/inhaltliche Kenntnisse. Es fehle ihm jedoch an den für eine Stelle im Vertrieb erforderlichen Fähigkeiten wie Kommunikationsfähigkeit, geschicktem Umgang mit Kunden und einem aufgeschlossenen Wesen. Weiter behauptet die Beklagte, dass sie im administrativen Bereich der Rampe, in dem der Kläger tätig sei, überhaupt keine Leiharbeitnehmer einsetze.

Für das weitere Berufungsvorbringen der Beklagten wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 27.04.2010 und die Schriftsätze vom 24.02. 2011, 16.05.2011 und vom 21.06.2011 verwiesen Bl. 231 – 235, 308 – 314, 323 – 325 und 340 – 343 d.A.).

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 24. November 2010 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil. Darüber hinaus behauptet er, dass er entsprechend den Angaben zu seiner Tätigkeit im Zwischenzeugnis vom 21.04.2009 (Bl. 274 d. A.) in tatsächlicher Hinsicht nicht als Ramp Agent, sondern als Airfreight Agent, hilfsweise als Ramp Agent Associate, tätig gewesen sei; denn er habe die für einen Ramp Agent typische Tätigkeit der Feststellung der optimalen Ladekapazität eines Flugzeugs nicht ausgeführt. Er sei lediglich im Besitz der dafür erforderlichen- und jährlich zu erneuernden Weight & Balance Lizenz. Das führe sowohl dazu, dass der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört und dass er im Rahmen der Sozialauswahl einer falschen Vergleichsgruppe zugeordnet worden sei.

Für das weitere Berufungsvorbringen des Klägers wird auf die Berufungserwiderung vom 18.05.2010 sowie die Schriftsätze vom 10.02.2011, 9.03.2011 und vom 30.06.2011 verwiesen (Bl. 238 – 242, 265 – 273, 315 – 319 und 350 – 353 d.A.).

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist nach §§ 8 Abs. 2, 64 Abs.1, 2 c ArbGG statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 517, 519, 520 Abs. 1, 3 ZPO).

Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, weil sie unbegründet ist. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht der Klage stattgegeben. Die Beklagte hat zwar aus Sicht der Kammer den Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes des Klägers schlüssig dargelegt. Die Kündigung ist jedoch trotzdem nicht gemäß § 1 Abs. 2 KSchG durch ein dringendes betriebliches Erfordernis bedingt, weil die Beklagte sie durch Zuweisung des freien und vergleichbaren Arbeitsplatzes eines Freight Service Representative, notfalls im Wege einer Änderungskündigung, hätte vermeiden können. Wegen der Unwirksamkeit der Kündigung ist der Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsschutzverfahrens in seiner bisherigen Funktion als Ramp Agent weiter zu beschäftigen.

Der Arbeitgeber muss nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor jeder ordentlichen Beendigungskündigung von sich aus dem Arbeitnehmer eine beiden Parteien zumutbare Weiterbeschäftigung auf einem freien, entweder vergleichbaren (gleichwertigen) oder auch geringerwertigen Arbeitsplatz im Unternehmen anbieten, falls eine solche Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht. Frei sind Arbeitsplätze, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt sind. Als frei zu behandeln sind zudem Arbeitsplätze, bei denen mit hinreichender Sicherheit vorhergesehen werden kann, dass sie bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – sofern die Überbrückung dieses Zeitraums dem Arbeitgeber zugemutet werden kann – frei werden (KR-Griebeling 9. Aufl. § 1 KSchG Rz. 217, 224, 227; BAG 21.04.2005 EzA § 2 KSchG Nr. 52, 53; BAG 13.02.2008 § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 158).

Nach diesen Grundsätzen war die Stelle als Freight Service Representative zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs – und auch vorher schon – frei. Die bisherige Stelleninhaberin war unstreitig spätestens Anfang März 2009 dauerhaft ausgeschieden, auch wenn ihr Vertrag noch bis zum 31.05.2009 befristet war. Die Beklagte hätte dem Kläger die Stelle bereits vor Kündigungsausspruch anbieten können. Der Beklagten war es angesichts der bevorstehenden Betriebsänderung und der damit einhergehenden zahlreichen Kündigungen zuzumuten, sich in dem Zeitraum von zwei Monaten bis zum Kündigungsausspruch Klarheit darüber verschaffen können, ob sie die Stelle wieder besetzen will, sie auszuschreiben oder sich gegen eine Besetzung der Stelle zu entscheiden. Unabhängig davon, wann die Beklagte die Entscheidung über die Modalitäten der Wiederbesetzung der Stelle tatsächlich getroffen hat (Befristung auf 2 Jahre, dann auf 1 Jahr), war die Stelle objektiv frei und hat die Beklagte sich entschlossen, die Stelle wieder zu besetzen. Das allein führt dazu, dass sie sie dem bei ihr beschäftigten Kläger zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung hätte anbieten müssen. Sie kann sich gegenüber dem Kläger auch nicht auf die für die befristete Fortführung der Stelle angegebenen Gründe berufen; denn die dazu mitgeteilten Überlegungen beschreiben sämtlich das allgemeine wirtschaftliche Risiko unternehmerischer Tätigkeit, das gegenüber einem bereits im Arbeitsverhältnis zum Unternehmen stehenden Arbeitnehmer nicht zu einer Befristung des Arbeitsverhältnisses, egal, ob ein oder zwei Jahre, führen können; denn es handelt sich sämtlich um Überlegungen und Umstände, die im Falle ihres Eintritts lediglich Anlass zum Ausspruch einer (erneuten) betriebsbedingten Kündigung bieten könnten.

Der Kläger hat durch seine Bewerbung auf die Ausschreibung vom 28.05. 2009 zudem gezeigt, dass er an der Tätigkeit interessiert ist. Weitere Interessenten hat es nicht gegeben. Er ist für die Stelle auch geeignet. Die Beklagte hat hier eingeräumt, dass er über die erforderlichen EDV- und Produktkenntnisse verfügt. Ihre weitere Behauptung, er verfüge nicht über die notwendigen sozialen und kommunikativen Fähigkeiten, hat sie nur pauschal erhoben, ohne sie durch detaillierten Vortrag zu untermauern. In dieser Form ist sie einer gerichtlichen Überprüfung nicht zugänglich und kann im Ergebnis nicht berücksichtigt werden. Da die Stelle in dieselbe Vergütungsgruppe 5 eingruppiert ist wie die jetzige Tätigkeit des Klägers, handelt es sich letztendlich auch nicht um eine Beförderungsstelle.

Die Beklagte ist aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigung verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens vertragsgemäß als Ramp Agent weiter zu beschäftigen.

Zu den Rechten aus dem Arbeitsverhältnis gehört auch ein klagbarer Anspruch auf Weiterbeschäftigung, den der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts aus § 611 i.V.m. § 242 BGB, Art. 1 u. 2 GG abgeleitet hat (BAG GS EzA zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9). Der Anspruch besteht während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses und ist zu bejahen, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers nicht entgegenstehen. Das Interesse des Arbeitnehmers überwiegt in der Regel ab dem Zeitpunkt, zu dem im Kündigungsschutzprozess ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil ergeht.

Die Voraussetzungen für den Weiterbeschäftigungsanspruch sind hier erfüllt. Die Unwirksamkeit der Kündigungen ist festgestellt worden. Überwiegende, gegen die Weiterbeschäftigung des Klägers sprechende Umstände sind nicht ersichtlich. Der Kläger ist nach seinem Arbeitsvertrag als Ramp Agent beschäftigt worden. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass er nach seinem Vortrag in „tatsächlicher Hinsicht“ nicht als solcher beschäftigt wurde, insbesondere weil er keine Weight & Balance ausführe. Es ist hier schon nicht klar, was der Kläger mit „tatsächlicher Hinsicht“ meint. Da er über die dafür erforderliche Lizenz verfügt und deshalb mit allen Aufgaben eines Ramp Agent eingesetzt werden könnte, kann der Hinweis nur so verstanden werden, dass die Beklagte ihn vielleicht aus seiner Sicht nicht vertragsgemäß eingesetzt hat, nicht aber, dass die Parteien den Gegenstand seiner arbeitsvertraglich vereinbarten und von ihm geschuldeten Tätigkeit geändert haben.

Der Einsatz als Ramp Agent ist nicht unmöglich geworden, weil die Beklagte am Standort Flughafen C weiterhin Ramp Agents beschäftigt.

Die Beklagte hat gemäß §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG waren nicht ersichtlich.

 

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