Ein Arbeitgeber befristete den Vertrag eines Facharbeiters, weil die Stelle in wenigen Monaten durch einen unbefristeten Kollegen besetzt werden sollte. Doch als die geplante Versetzung scheiterte, reichte die juristische Darlegung dieser Personal-Prognose vor Gericht plötzlich nicht mehr aus.
Übersicht:
- Kann ein befristeter Arbeitsvertrag wegen einer geplatzten Personalprognose unwirksam sein?
- Was war genau passiert?
- Welches Gesetz regelt die Befristung – und was ist ein „sachlicher Grund“?
- Warum war die Prognose des Arbeitgebers nicht stichhaltig genug?
- Grundsätzlich ein anerkannter Sachgrund: Der Schutz eines anderen Mitarbeiters
- Der entscheidende Wendepunkt: Wer trägt die Beweislast, wenn die Zukunft anders verläuft?
- Die Argumente des Unternehmens: Von Strategiepapieren und unerwartetem Produkt-Boom
- Das Urteil des Gerichts: Warum pauschale Behauptungen nicht ausreichen
- Was bedeutet das Urteil für Sie? Checkliste für eine prognosebasierte Befristung
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Ist meine Befristung unwirksam, wenn die Personalprognose des Arbeitgebers scheitert?
- Welche Rechte habe ich, wenn sich der Grund für meine Befristung später als falsch herausstellt?
- Wie lange habe ich Zeit, eine Befristungsklage einzureichen, wenn der Vertrag endet?
- Was tun, wenn der Arbeitgeber die geplatzte Prognose mit unvorhersehbaren Umständen begründet?
- Welche quantifizierten Beweise muss ein Arbeitgeber für eine strategische Befristung vorlegen?
- Glossar
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 3 Sa 87/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
- Datum: 22.05.2024
- Aktenzeichen: 3 Sa 87/23
- Verfahren: Berufung
- Rechtsbereiche: Befristeter Arbeitsvertrag, Arbeitsrecht
- Das Problem: Ein Arbeitnehmer klagte gegen die Beendigung seines befristeten Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitgeber hatte die Befristung mit der Absicht begründet, die Stelle später mit einem anderen, unbefristet beschäftigten Kollegen zu besetzen.
- Die Rechtsfrage: Ist eine Befristung gültig, wenn sie auf einer zukünftigen Personalplanung beruht, diese Planung aber zum Befristungsende nicht realisiert wurde?
- Die Antwort: Nein. Das Gericht bestätigte die Unwirksamkeit der Befristung. Der Arbeitgeber konnte nicht nachweisen, dass die gescheiterte Personalplanung auf unvorhersehbaren Entwicklungen beruhte.
- Die Bedeutung: Der Arbeitgeber trägt die Beweislast. Tritt eine Personalprognose, die zur Befristung führte, nicht ein, muss der Arbeitgeber die Gründe für die Abweichung detailliert, quantifiziert und widerspruchsfrei darlegen.
Kann ein befristeter Arbeitsvertrag wegen einer geplatzten Personalprognose unwirksam sein?

Ein Unternehmen plant für die Zukunft. Es stellt einen Mitarbeiter befristet ein, weil dessen Stelle in drei Jahren für einen anderen, festangestellten Kollegen gebraucht wird, dessen bisheriger Arbeitsplatz wegfallen soll. Doch als der Stichtag kommt, tritt die Prognose nicht ein. Der festangestellte Kollege bleibt auf seinem alten Posten, und dem befristeten Mitarbeiter wird gekündigt. Ist diese Befristung wirksam? Mit genau dieser Frage beschäftigte sich das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 22. Mai 2024 (Az.: 3 Sa 87/23) und lieferte eine präzise Anleitung dafür, wie stichhaltig eine unternehmerische Prognose sein muss, um vor Gericht zu bestehen.
Was war genau passiert?
Die Geschichte beginnt mit einem Lager- und Transportfacharbeiter, der bereits seit 2013 für seinen Arbeitgeber tätig war, zunächst als Leiharbeitnehmer, später mit mehreren befristeten Verträgen. Im April 2019 unterzeichnete er seinen letzten Arbeitsvertrag, der eine Befristung bis zum 31. August 2022 vorsah. Das Unternehmen begründete diesen Endzeitpunkt mit einer klaren strategischen Planung: Ein anderer, unbefristet beschäftigter Mitarbeiter – nennen wir ihn Herrn M. – sollte ab dem 1. September 2022 dauerhaft die Stelle des Facharbeiters übernehmen. Der Grund dafür war, dass Herr M.s bisheriger Arbeitsplatz im Zuge einer unternehmensweiten Umstrukturierung wegfallen würde. Diese Versetzung sollte Herrn M. eine sichere Weiterbeschäftigung im Unternehmen garantieren.
Die Zeit verging, und der 31. August 2022 kam und ging. Doch die geplante Versetzung fand nicht statt. Herr M. wurde weiterhin in seiner bisherigen Abteilung beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis des Lagerfacharbeiters endete dennoch wie vertraglich vorgesehen. Dieser wollte das nicht akzeptieren und zog vor das Arbeitsgericht Mainz. Er war der Ansicht, der vom Arbeitgeber angeführte Grund für die Befristung sei nur vorgeschoben gewesen und damit unwirksam. Das Arbeitsgericht gab ihm Recht. Das Unternehmen legte daraufhin Berufung beim Landesarbeitsgericht ein.
Welches Gesetz regelt die Befristung – und was ist ein „sachlicher Grund“?
Das deutsche Arbeitsrecht schützt Arbeitnehmer vor der willkürlichen Aneinanderreihung befristeter Verträge. Dreh- und Angelpunkt ist hier das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Grundsätzlich gilt: Die Befristung eines Arbeitsvertrags bedarf eines sachlichen Grundes. Ohne einen solchen Grund ist sie nur unter engen Voraussetzungen und für eine maximale Dauer von zwei Jahren zulässig.
Ein solcher sachlicher Grund ist nach § 14 Abs. 1 TzBfG zwingend erforderlich, wenn ein Mitarbeiter bereits zuvor bei demselben Arbeitgeber beschäftigt war. Das Gesetz listet in diesem Paragraphen eine Reihe von Beispielen für anerkannte Sachgründe auf, etwa die Vertretung eines anderen Arbeitnehmers oder einen nur vorübergehenden betrieblichen Bedarf. Die Liste ist jedoch nicht abschließend. Es gibt auch „sonstige Sachgründe“, die von der Rechtsprechung anerkannt werden, sofern sie den im Gesetz genannten Beispielen vom Gewicht her gleichwertig sind.
Im vorliegenden Fall stützte sich der Arbeitgeber auf einen solchen ungeschriebenen, aber von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich anerkannten Sachgrund: die Absicht, die Stelle zu einem späteren Zeitpunkt dauerhaft mit einem bereits unbefristet angestellten Mitarbeiter zu besetzen, um dessen Arbeitsplatz zu sichern. Das berechtigte Interesse des Arbeitgebers, für seine Stammbelegschaft zu sorgen, kann also eine Befristung rechtfertigen.
Warum war die Prognose des Arbeitgebers nicht stichhaltig genug?
Das Landesarbeitsgericht musste nun klären, ob dieser an sich gültige Sachgrund im konkreten Fall tatsächlich vorlag. Dabei folgten die Richter einer klaren juristischen Logik, die sie in mehreren Schritten prüften.
Grundsätzlich ein anerkannter Sachgrund: Der Schutz eines anderen Mitarbeiters
Zunächst bestätigte das Gericht die Auffassung des Unternehmens: Die geplante Weiterbeschäftigung eines anderen, unbefristet angestellten Mitarbeiters kann einen sachlichen Grund für eine Befristung darstellen. Dafür ist es nicht einmal erforderlich, dass dem Mitarbeiter (hier Herrn M.) eine rechtlich verbindliche Zusage gemacht wurde. Das bloße, nachvollziehbare Interesse des Arbeitgebers, einem verdienten Mitarbeiter nach dem Wegfall seiner Stelle eine neue Perspektive zu bieten, genügt (§ 14 Abs. 1 TzBfG). Die grundsätzliche Argumentation des Unternehmens war also juristisch nicht zu beanstanden.
Der entscheidende Wendepunkt: Wer trägt die Beweislast, wenn die Zukunft anders verläuft?
Der Fall nahm jedoch eine entscheidende Wende, weil die Prognose des Arbeitgebers – der Wegfall von Herrn M.s Stelle und seine anschließende Versetzung – nicht eintrat. Hier greift ein zentraler Grundsatz des Befristungsrechts, den das Bundesarbeitsgericht entwickelt hat: Zwar ist für die Wirksamkeit der Befristung die Situation bei Vertragsschluss im April 2019 entscheidend. Weicht die tatsächliche Entwicklung aber von der Prognose ab, kehrt sich die Darlegungs- und Beweislast um.
Nun lag es am Arbeitgeber, lückenlos und widerspruchsfrei nachzuweisen, dass seine ursprüngliche Prognose auf soliden Fakten beruhte und die spätere Abweichung auf unvorhersehbaren Umständen basierte. Gelingt ihm dieser Beweis nicht, gehen die Gerichte davon aus, dass der Sachgrund von Anfang an nur vorgeschoben war.
Die Argumente des Unternehmens: Von Strategiepapieren und unerwartetem Produkt-Boom
Der Arbeitgeber versuchte, dieser Beweislast nachzukommen. Er legte interne Strategiepapiere und Memos vor, die die geplante Umstrukturierung belegen sollten. Er präsentierte Zahlen, die einen allgemeinen Produktionsrückgang zeigten. Als Grund für das Scheitern der Prognose führte er eine unvorhersehbare Entwicklung an: Eine Zulassungserweiterung für ein bestimmtes Medikament („Produkt J.“) habe zu einem außerplanmäßigen Produktionsanstieg geführt. Dadurch sei der Personalbedarf in Herrn M.s Abteilung wider Erwarten nicht gesunken, weshalb seine Versetzung nicht mehr notwendig war.
Das Urteil des Gerichts: Warum pauschale Behauptungen nicht ausreichen
Dem Landesarbeitsgericht genügte dieser Vortrag nicht. Die Richter kritisierten die Ausführungen als zu pauschal und nicht nachprüfbar. Um seiner Beweislast gerecht zu werden, hätte das Unternehmen seine Planung und die spätere Abweichung viel konkreter darlegen müssen. Das Gericht vermisste insbesondere Antworten auf folgende Fragen:
- Quantifizierung des Personalbedarfs: Wie viele Vollzeitstellen (FTE) gab es im April 2019 in Herrn M.s Abteilung? In welchem exakten Umfang sollte dieser Personalbestand bis zum September 2022 sinken?
- Konkrete Reduktionsplanung: Auf welchen konkreten Annahmen basierte die Prognose des Stellenabbaus? Welche Produktionsvolumina sollten genau verlagert werden, um diese Reduktion zu erreichen?
- Nachvollziehbarer Kausalzusammenhang: Wie genau hat der angebliche Produktions-Boom beim „Produkt J.“ die ursprüngliche Planung durchkreuzt? Um wie viele zusätzliche Stellen oder Arbeitsstunden ging es konkret, und warum konnte der geplante Wegfall anderer Stellen diesen Mehrbedarf nicht ausgleichen?
Der Arbeitgeber legte zwar allgemeine Zahlen und strategische Papiere vor, schaffte es aber nicht, einen schlüssigen, quantifizierbaren Zusammenhang zwischen seiner ursprünglichen Prognose, der unerwarteten Entwicklung und dem Verbleib von Herrn M. auf dessen alter Stelle herzustellen. Ohne diese konkreten, nachvollziehbaren Daten blieb der Verdacht im Raum, dass die Prognose bei Vertragsschluss nicht auf einer soliden Grundlage stand. Das Gericht wertete den Sachgrund daher als nicht ausreichend dargelegt. Die Befristung war unwirksam, und das Arbeitsverhältnis des Klägers bestand fort.
Was bedeutet das Urteil für Sie? Checkliste für eine prognosebasierte Befristung
Das Urteil des LAG Rheinland-Pfalz ist eine klare Warnung an Arbeitgeber, Befristungen nicht leichtfertig auf vage Zukunftsprognosen zu stützen. Wenn Sie als Arbeitgeber eine Befristung mit einer zukünftigen Personalplanung begründen, müssen Sie sicherstellen, dass Ihre Prognose einer gerichtlichen Überprüfung standhält.
Checkliste für eine rechtssichere Prognose als Befristungsgrund:
- Detaillierte Dokumentation bei Vertragsschluss: Halten Sie schriftlich und detailliert fest, auf welchen konkreten Fakten und Annahmen Ihre Prognose beruht. Allgemeine Strategiepapiere reichen nicht aus.
- Quantifizieren Sie Ihre Planung: Legen Sie genau dar, wie sich der Personalbedarf verändern wird. Nutzen Sie Kennzahlen wie Vollzeitäquivalente (FTE) und geben Sie an, welche Stellen in welchem Umfang betroffen sein werden.
- Schaffen Sie eine nachvollziehbare Grundlage: Ihre Prognose muss auf objektiven, überprüfbaren Faktoren basieren (z. B. konkrete Auftragsrückgänge, beschlossene Verlagerungen von Produktionslinien, verbindliche Stilllegungspläne).
- Sorgfältige Prüfung vor dem Stichtag: Überprüfen Sie regelmäßig, ob Ihre Prognose noch zutreffend ist.
- Lückenlose Beweisführung bei Abweichungen: Falls die Prognose nicht eintritt, müssen Sie exakt belegen können, warum. Dokumentieren Sie die unvorhersehbaren Ereignisse und stellen Sie einen klaren, quantifizierbaren Kausalzusammenhang zur geänderten Personalplanung her. Eine pauschale Behauptung wie „Marktentwicklung war anders“ ist wertlos.
Die Urteilslogik
Unternehmerische Entscheidungen, die zur Begründung einer Befristung dienen, müssen zu jedem Zeitpunkt einer detaillierten und quantifizierbaren gerichtlichen Überprüfung standhalten.
- Gescheiterte Zukunftsprognosen kehren die Darlegungslast um: Tritt die unternehmerische Prognose, die den Sachgrund für die Befristung bildete, nicht ein, obliegt es dem Arbeitgeber, lückenlos und widerspruchsfrei zu beweisen, dass die ursprüngliche Planung auf soliden Fakten beruhte und die Abweichung ausschließlich auf unvorhersehbaren Ereignissen basiert.
- Die Darlegung einer Prognose verlangt Quantifizierung: Um die Solidität einer Personalplanung nachzuweisen, genügen keine vagen Strategiepapiere oder pauschale Behauptungen; Arbeitgeber müssen den erwarteten Personalbedarf oder -abbau anhand konkreter Kennzahlen wie Vollzeitäquivalente belegen.
- Der Kausalzusammenhang muss nachvollziehbar sein: Weicht die tatsächliche Entwicklung ab, muss der Arbeitgeber einen klaren, quantifizierbaren Zusammenhang zwischen dem angeblich unvorhersehbaren Ereignis (z. B. einem Produktions-Boom) und der daraus resultierenden geänderten Personalentscheidung herstellen.
Nur eine mit objektiven Daten untermauerte und überprüfbare Unternehmensplanung kann einen befristeten Arbeitsvertrag gegen den gesetzlichen Kündigungsschutz rechtfertigen.
Benötigen Sie Hilfe?
Wurde Ihr befristeter Arbeitsvertrag wegen einer nicht eingetretenen Personalprognose beendet?
Lassen Sie Ihre Situation prüfen und erhalten Sie eine rechtliche Ersteinschätzung Ihres Falles.
Experten Kommentar
Wer eine Befristung mit strategischen Zukunftsplänen begründet, spielt mit dem Feuer. Dieses Urteil macht unmissverständlich klar: Vage Absichtserklärungen oder allgemeine Marktprognosen reichen nicht als sachlicher Grund aus, wenn die Planung später scheitert. Arbeitgeber müssen ihre ursprüngliche Personalplanung von Anfang an quantifizierbar und lückenlos dokumentieren, etwa mit exakten Kennzahlen zu Vollzeitäquivalenten und Produktionsvolumina. Fehlen diese konkreten Zahlenwerke, geht das Gericht konsequent davon aus, dass die Prognose nur vorgeschoben war – die Beweislast ist in solchen Fällen extrem hoch. Das ist eine klare rote Linie für alle, die Befristungen auf zukünftigen Bedarf stützen wollen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Ist meine Befristung unwirksam, wenn die Personalprognose des Arbeitgebers scheitert?
Ja, in diesem Fall ist Ihre Befristung sehr wahrscheinlich unwirksam. Viele Arbeitnehmer fühlen sich betrogen, wenn sie feststellen, dass die im Vertrag genannte strategische Maßnahme gar nicht durchgeführt wurde. Wenn die unternehmerische Prognose, die den Sachgrund für Ihre Befristung darstellte, nicht eintritt, verschiebt sich die juristische Verantwortung.
Für die Gültigkeit des befristeten Vertrages zählt primär der Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Die Gerichte prüfen zunächst, ob die damalige Personalplanung des Arbeitgebers solide und nachvollziehbar war. Weicht die tatsächliche Entwicklung später von der ursprünglichen Planung ab, kehrt sich die Darlegungs- und Beweislast um. Der Arbeitgeber muss nun lückenlos und quantifizierbar nachweisen, dass seine Prognose fundiert war.
Er muss überzeugend belegen, dass das Scheitern der Planung auf unvorhersehbaren Umständen beruhte, nicht auf mangelnder Sorgfalt oder Bequemlichkeit. Gelingt ihm dieser Nachweis nicht, gehen die Gerichte davon aus, dass der Sachgrund für die Befristung von Anfang an nur vorgeschoben war. Das macht den Arbeitsvertrag von Beginn an unwirksam, was zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis führt.
Suchen Sie Ihren befristeten Arbeitsvertrag und prüfen Sie am Tag nach dem Enddatum, ob die im Vertrag genannte strategische Maßnahme (z.B. die Übernahme Ihrer Stelle durch den Kollegen M.) tatsächlich durchgeführt wurde.
Welche Rechte habe ich, wenn sich der Grund für meine Befristung später als falsch herausstellt?
Wenn Sie feststellen, dass der Arbeitgeber die geplante Umstrukturierung oder Versetzung gar nicht durchgeführt hat, müssen Sie keine Abfindung akzeptieren. Die juristische Hauptfolge einer unwirksamen Befristung ist die Umwandlung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Stellt das Gericht die Unwirksamkeit fest, gilt Ihr Arbeitsverhältnis als ungekündigt fortbestehend. Ihr Job ist damit gerettet, da die Befristung von Anfang an als unwirksam behandelt wird.
Die Wirksamkeit der Befristung hängt davon ab, ob der Sachgrund – die Prognose über die zukünftige Personalplanung – bei Vertragsunterzeichnung solide war. Scheitert diese Planung, kehrt sich die Beweislast um. Der Arbeitgeber muss nun lückenlos nachweisen, dass das Scheitern nicht an mangelnder Planung, sondern an unvorhersehbaren Umständen lag. Gelingt dem Unternehmen dieser Nachweis nicht, gilt der ursprüngliche Befristungsgrund als nur vorgeschoben.
Nehmen wir an, der Arbeitgeber begründete die Befristung mit der geplanten Versetzung des Kollegen M., die dann aber unterbleibt. Sie haben das Recht, zu verlangen, dass das Gericht die ursprüngliche Prognose umfassend prüft. Akzeptiert das Gericht die pauschalen Zusagen des Arbeitgebers nicht, wird der befristete Vertrag automatisch zu einem unbefristeten Vertrag. Dadurch behalten Sie Ihren Arbeitsplatz und erhalten nicht nur eine finanzielle Entschädigung.
Um Ihre Rechte durchzusetzen, sammeln Sie alle internen Dokumente und aktuellen Stellenbesetzungen, die belegen, dass die versprochene Umstrukturierung definitiv nicht stattfand.
Wie lange habe ich Zeit, eine Befristungsklage einzureichen, wenn der Vertrag endet?
Die Frist für die Einreichung einer Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Befristung (Entfristungsklage) ist extrem kurz. Sie müssen diese Klage zwingend innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Wochen nach dem vertraglich vereinbarten Vertragsende beim zuständigen Arbeitsgericht einreichen. Diese Deadline ist absolut unumstößlich und muss oberste Priorität für Sie haben.
Die Regel legt § 17 TzBfG fest. Wird diese kurze Klagefrist versäumt, gilt die Befristung automatisch als rechtswirksam. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber den Sachgrund für die Befristung nachweislich nur vorgeschoben hat oder seine unternehmerische Prognose später scheiterte. Arbeitnehmer verlieren durch das Verstreichenlassen der Frist jegliche Chance auf eine unbefristete Weiterbeschäftigung oder eine Überprüfung des Befristungsgrundes.
Der Countdown startet exakt am Stichtag, an dem das befristete Arbeitsverhältnis regulär endet. Lassen Sie sich nicht durch informelle Gespräche oder Verhandlungen mit der Personalabteilung ablenken, die über den Fristablauf hinausgehen. Der Facharbeiter im Fallbeispiel aus Mainz wollte das Ende seines Vertrages nicht akzeptieren und zog deshalb fristgerecht vor das Arbeitsgericht. Nur die Einhaltung dieser Frist ermöglicht es Ihnen, die Wirksamkeit der Befristung überhaupt gerichtlich überprüfen zu lassen.
Notieren Sie sich das exakte Vertragsende und den daraus resultierenden Klage-Stichtag sofort und kontaktieren Sie umgehend einen Fachanwalt für Arbeitsrecht zur Fristwahrung.
Was tun, wenn der Arbeitgeber die geplatzte Prognose mit unvorhersehbaren Umständen begründet?
Nehmen Sie pauschale Erklärungen wie einen unerwarteten „Produkt-Boom“ nicht einfach hin. Bestehen Sie im Klageverfahren auf quantifizierbaren Nachweisen. Der Arbeitgeber trägt die Beweislast und muss belegen, dass die ursprüngliche Planung solide war. Er muss einen klaren, kausalen Zusammenhang zwischen dem unvorhergesehenen Ereignis und der fehlenden Versetzung herstellen. Akzeptieren Sie niemals vage Aussagen, die lediglich auf allgemeine Marktentwicklungen verweisen.
Behauptet das Unternehmen eine unvorhergesehene Zulassungserweiterung oder eine plötzliche Marktentwicklung, muss es diese Behauptung lückenlos belegen. Vage Business-Erklärungen wie „Wir hatten unerwarteten Erfolg“ genügen vor Gericht nicht. Verlangen Sie eine exakte Quantifizierung des Effekts: Um wie viele zusätzliche Stellen oder Arbeitsstunden ging es konkret durch die neue Entwicklung? Der Arbeitgeber muss seine geänderte Personalplanung mit überprüfbaren FTE-Zahlen (Vollzeitäquivalenten) stützen.
Der Arbeitgeber muss schlüssig darlegen, dass der neue, unvorhergesehene Personalbedarf die ursprüngliche Reduktionsplanung vollständig durchkreuzte. Er muss beweisen, dass der Mehrbedarf die Notwendigkeit der geplanten Versetzung des Stammmitarbeiters dadurch tatsächlich obsolet machte. Führen Sie parallel eine interne Recherche durch (Kollegen, Betriebsrat), um zu prüfen, ob die Behauptung des Produktionsanstiegs oder der Zulassungserweiterung überhaupt plausibel erscheint.
Dokumentieren Sie alle internen Aussagen zur tatsächlichen Arbeitslast, um die Behauptungen des Arbeitgebers detailliert zu überprüfen.
Welche quantifizierten Beweise muss ein Arbeitgeber für eine strategische Befristung vorlegen?
Wenn eine strategische Befristung vor Gericht scheitert, liegt das oft an fehlenden quantifizierten Beweisen. Arbeitgeber müssen ihren geplanten Personalbedarf klar belegen. Sie dürfen sich nicht auf vage Strategiepapiere oder allgemeine Absichten stützen, da diese den Anforderungen an eine überprüfbare Prognose nicht genügen. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz verlangt konkrete Zahlen und Pläne, um die ursprüngliche Personalplanung nachvollziehen zu können.
Der Arbeitgeber muss detailliert darlegen, wie die ursprüngliche Personalplanung aussah. Dies beinhaltet die genaue Angabe, wie viele Vollzeitstellen (FTE) in der betroffenen Abteilung existierten. Entscheidend ist der exakte Umfang, in dem dieser Personalbestand bis zum Stichtag des befristeten Vertrages sinken sollte. Die Prognose muss auf objektiven Faktoren wie beschlossenen Stilllegungsplänen oder messbaren Auftragsrückgängen basieren, um überprüfbar zu sein.
Fehlt diese Quantifizierung, ist die Argumentation des Arbeitgebers angreifbar. Das Gericht prüft, ob ein nachvollziehbarer Kausalzusammenhang dargelegt wurde, falls die Planung später fehlschlug. Der Arbeitgeber muss exakt erklären, wie geänderte Zahlen die ursprüngliche Versetzungsplanung durchkreuzten. Interne Memos ohne konkrete FTE-Angaben sind juristisch wertlos und reichen zur Erfüllung der gerichtlichen Beweislast nicht aus.
Erstellen Sie eine detaillierte Fragenliste, die den Arbeitgeber zwingt, diese spezifischen Quantifizierungsdetails offenzulegen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Ausschlussfrist
Eine Ausschlussfrist ist eine vom Gesetz festgesetzte, kurze Zeitspanne, nach deren Ablauf ein Anspruch oder ein Recht automatisch und unwiederbringlich verfällt. Juristen nennen diese Frist eine präklusive Frist, da sie absolute Rechtssicherheit schaffen soll; danach kann der Anspruch nicht mehr gerichtlich durchgesetzt werden.
Beispiel: Nach § 17 TzBfG musste der befristet angestellte Facharbeiter seine Entfristungsklage zwingend innerhalb der dreiwöchigen Ausschlussfrist nach dem vertraglichen Ende seines Arbeitsverhältnisses einreichen.
Darlegungs- und Beweislast
Die Darlegungs- und Beweislast beschreibt die juristische Pflicht einer Partei, dem Gericht die entscheidenden Fakten so detailliert vorzutragen und anschließend zu beweisen, dass die Richter von der Wahrheit überzeugt sind. Diese zentrale Regel im Prozessrecht entscheidet darüber, wer den Prozess im Zweifel verliert, wenn eine Tatsache ungeklärt bleibt.
Beispiel: Im Fall einer geplatzten Prognose kehrt sich die Darlegungs- und Beweislast um, sodass der Arbeitgeber lückenlos nachweisen musste, dass seine ursprüngliche Personalplanung solide war.
Quantifizierte Beweise
Als quantifizierte Beweise werden konkrete, messbare Zahlen und Daten bezeichnet, wie etwa Vollzeitäquivalente (FTE) oder exakte Produktionsvolumina, die ein Unternehmen vor Gericht vorlegen muss, um seine strategische Personalplanung zu belegen. Das Gericht verlangt diese Beweise, um zu verhindern, dass Arbeitgeber Befristungen lediglich auf vage Absichten oder pauschale Strategiepapiere stützen.
Beispiel: Das Landesarbeitsgericht vermisste insbesondere quantifizierte Beweise, die dargelegt hätten, um wie viele Stellen der Personalbestand in Herrn M.s Abteilung exakt sinken sollte.
Sachgrund
Ein Sachgrund ist ein gesetzlich anerkannter, triftiger Anlass, der die Befristung eines Arbeitsvertrages rechtfertigt, beispielsweise die Vertretung eines Mitarbeiters oder ein nur vorübergehender betrieblicher Bedarf. Ohne einen solchen Sachgrund ist die Befristung nur unter sehr engen Voraussetzungen und für eine Maximaldauer von zwei Jahren zulässig, da das Gesetz den Arbeitnehmer vor der willkürlichen Aneinanderreihung befristeter Verträge schützen will.
Beispiel: Im vorliegenden Fall stützte sich der Arbeitgeber auf den Sachgrund der Absicht, die Stelle zu einem späteren Zeitpunkt mit dem bereits unbefristet angestellten Mitarbeiter Herrn M. zu besetzen.
Teilzeit– und Befristungsgesetz (TzBfG)
Das Teilzeit– und Befristungsgesetz ist die zentrale Rechtsgrundlage in Deutschland, welche die Zulässigkeit von befristeten Arbeitsverträgen sowie die Rechte von Teilzeitbeschäftigten regelt. Dieses Bundesgesetz schafft klare Rahmenbedingungen, um sicherzustellen, dass befristete Arbeitsverhältnisse nur unter strengen Voraussetzungen und nicht zur Umgehung des Kündigungsschutzes eingesetzt werden.
Beispiel: Gemäß § 14 Abs. 1 TzBfG war für den Arbeitsvertrag des Klägers ein Sachgrund zwingend erforderlich, da er zuvor bereits beim selben Arbeitgeber beschäftigt war.
Unvorhersehbare Umstände
Juristen verstehen unter unvorhersehbaren Umständen Ereignisse oder Entwicklungen, die bei der ursprünglichen Vertragsgestaltung vernünftigerweise nicht kalkuliert werden konnten und die das nachträgliche Scheitern einer strategischen Unternehmensprognose entschuldigen. Kann ein Arbeitgeber beweisen, dass die Abweichung von der Planung auf solchen Umständen (etwa einem unerwarteten Produkt-Boom) beruhte, entlastet ihn dies von dem Verdacht, der Sachgrund sei nur vorgeschoben gewesen.
Beispiel: Als unvorhersehbare Umstände führte das Unternehmen eine Zulassungserweiterung für das Produkt J. an, die zu einem außerplanmäßigen Produktionsanstieg und damit zur Beibehaltung von Herrn M.s Stelle führte.
Das vorliegende Urteil
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 3 Sa 87/23 – Urteil vom 22.05.2024
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