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Unwirksamkeit einer Änderungskündigung – Abänderung des Beschäftigungsumfangs

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 7 Sa 27/19 – Urteil vom 10.07.2019

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 13. Dezember 2018 – 2 Ca 2038/18 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Änderung der Arbeitsbedingungen der Klägerin.

Die am 13. September 1967 geborene Klägerin ist staatlich geprüfte Wirtschafterin. Sie ist seit dem 1. Oktober 2003 in einer Kindertagesstätte in M. als Hauswirtschaftskraft in Teilzeit, zunächst bei der katholischen Kirchengemeinde St. N.. und St. R. M., beschäftigt. Die Beklagte, die regelmäßig weit mehr als 10 Vollzeitmitarbeiter beschäftigt, hat die Trägerschaft zum 1. Januar 2017 kraft Betriebsübergangs übernommen. Sie ist vollständig fremdfinanziert durch das Bistum Trier einerseits und die betreffenden Kommunen andererseits.

Mit dem vormaligen Arbeitgeber schloss die Klägerin zuletzt einen Arbeitsvertrag vom 24./26. Mai 2015 über die Weiterbeschäftigung als „Hauswirtschaftskraft“ (§ 1 Abs. 1 des Arbeitsvertrags). Der Beschäftigungsumfang wurde wie folgt vereinbart: „Die durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit beträgt wöchentlich 15,00 Stunden“ (§ 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrags). Für das Arbeitsverhältnis wurde die Geltung der Kirchlichen Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) für das Bistum Trier – einschließlich der Anlagen – in ihrer jeweiligen Fassung vereinbart (§ 3). Nach § 5 des Arbeitsvertrags ist die Klägerin „gemäß Anlage 4a zur KAVO in die Vergütungsgruppe K VIII Fallgruppe 9 eingruppiert“. Wegen des Inhalts des Arbeitsvertrags im Übrigen wird auf Bl. 19 f. der Akte Bezug genommen.

Die Klägerin bereitet die Essenseinnahme der Kinder verschiedenster Altersgruppen vor, wickelt diese ab und überwacht dabei die hygienischen Verhältnisse. Nach den Mahlzeiten reinigt sie den Essensbereich. Die Mahlzeiten als solche werden von extern fertig angeliefert.

Die für die Kindertagesstätte in M. zuständige Kreisverwaltung A. wies mit Schreiben vom 17. November 2017 (Bl. 47 f. d. A.) unter Hinweis auf eine vorherige Prüfung derselben durch den Landesrechnungshof darauf hin, dass Hauswirtschaftskräfte, die nicht selbst kochen auch bei ergänzender Zubereitung einfacher Beilagen oder Erwärmung vorgefertigter Speisen maximal in Entgeltgruppe 2 einzugruppieren seien. Die Eingruppierung der Hauswirtschaftskräfte werde zukünftig im Rahmen der Personalkostenabrechnung geprüft.

Nachdem die Beklagte zunächst mit Schreiben vom 3. Mai 2018 (Bl. 24 d. A.) mitgeteilt hatte, dass die Klägerin mit Wirkung ab dem 1. Juni 2018 nach der Vergütungsgruppe K X Fallgruppe 1 vergütet werde, hat sie nach Widerspruch der Klägerin (anwaltliches Schreiben vom 5. Juni 2018, Bl. 25 f. d. A.) mit Schreiben vom 15. Juni 2018 (Bl. 27 d. A.) erklärt, dass die einseitige Rückgruppierung zurückgezogen und die Klägerin nach ordnungsgemäßer Beteiligung der zuständigen Mitarbeitervertretung eine ordentliche Änderungskündigung erhalten werde.

Unter dem Datum vom 25. Juni 2018 (Bl. 28 f. d. A.) sprach die Beklagte sodann gegenüber der Klägerin eine ordentliche Beendigungskündigung zum 31. Dezember 2018 aus und bot ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu folgenden Arbeitsbedingungen an:

„Sie werden ab 01.01.2019 als Wirtschaftskraft mit einem wöchentlichen Beschäftigungsumfang von 38,46 % = 15,0 Stunden, eingruppiert entsprechend der Anlage 4a der KAVO in die Entgeltgruppe K X Fallgruppe 1 (EG 2), in der Kindertageseinrichtung St. N. und St. R., M. der C. K. unbefristet weiterbeschäftigt.

Im Übrigen gelten die Bedingungen Ihres Arbeitsvertrages unverändert fort.“

Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 12. Juli 2018 (Bl. 30 d. A.) nahm die Klägerin das Fortsetzungsangebot unter dem Vorbehalt an, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist. Mit am 12. Juli 2018 beim Arbeitsgericht eingegangener, der Beklagten am 17. Juli 2018 zugestellter Klageschrift erhob die Klägerin Änderungsschutzklage.

Die Klägerin war der Ansicht, die angestrebte Änderung der Arbeitsbedingungen sei sozial ungerechtfertigt und deshalb rechtsunwirksam. Betriebliche Gründe zur Änderung der Arbeitsbedingungen lägen nicht vor. Die hygienische Kontrolle der angelieferten Speisen erfordere hauswirtschaftliche Fachkenntnisse. Über entsprechende einschlägige Kenntnisse und berufliche Erfahrungen, die sie durch regelmäßige Teilnahme an Hygiene-Schulungen optimiere, verfüge sie.

Vor Ausfertigung des Arbeitsvertrages aus 5/2015 habe die damalige Arbeitgeberin den Sachverhalt nochmals geprüft und die bis dahin vertraglich vereinbarte Vergütung auch weiterhin als zutreffend erachtet.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

1. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß der Kündigungserklärung der Beklagten vom 25. Juni 2018 sozial ungerechtfertigt und auch aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist,

2. ferner festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch über den 31. Dezember 2018 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die bisherige Eingruppierung der Klägerin sei nicht gerechtfertigt. Die Tätigkeit der Klägerin bestehe in erster Linie darin, das angelieferte, fertig zubereitete Essen auszugeben. Für diese Tätigkeit sei keine Ausbildung zur staatlich geprüften Wirtschafterin erforderlich.

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass die Änderungskündigung gemäß der Kündigungserklärung der Beklagten vom 25. Juni 2018 sozial ungerechtfertigt ist. Es hat zur Begründung ausgeführt, die gesamte Klage sei allein als Änderungsschutzklage aufzufassen; das habe die Klägerseite auf Befragen klargestellt. Sie sei auch begründet. Sie habe nur unter sozialer Rechtfertigung geschehen können. Die dringenden betrieblichen Erfordernisse im Sinn von § 1 Abs. 2 S. 1 Var. 3, § 2 S. 1 KSchG, auf die sich die Beklagte stütze, seien nicht für jede der vorgegebenen Änderungen nachzuvollziehen. Es könne unentschieden bleiben – was aber nahe liege -, ob die Veränderung zu § 5 Abs. 1 des Vertrags vom 24./26. Mai 2015 sozial gerechtfertigt sei. Mit der Ausgangs-Entgeltgruppe K VIII Fallgruppe 9 Anlage 4a KAVO würden „hauswirtschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit abgeschlossener Fachausbildung in selbständiger Tätigkeit“ erfasst. Hierfür fehle es in der Einrichtung in M. unstreitig an Arbeitsplätzen. Unterwertig dürfe die Beklagte die Klägerin nicht beschäftigen. Sie bedürfe für ihre Tätigkeit hauswirtschaftlicher, namentlich hygienebezogener Fachkenntnisse. Diese seien in der Entgeltgruppe K X Fallgruppe 1 Anlage 4a KAVO bereits abgebildet. Ihr den hierauf bezogenen Arbeitsvertrag anzubieten, erscheine auch insgesamt nicht unverhältnismäßig. Ungerechtfertigt bleibe im vorliegenden Fall jedoch, dass die Beklagte die Vertragsbedingung auch zur regelmäßigen Arbeitszeit nach § 4 Abs. 2 Arbeitsvertrag einseitig ändern wolle. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts (Bl. 68 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das genannte Urteil ist der Beklagten am 20. Dezember 2018 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am Montag, 21. Januar 2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und mit am 20. Februar 2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag begründet.

Zur Begründung der Berufung macht die Beklagte nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 99 ff. d. A.), zusammengefasst geltend,

im Rahmen einer durchzuführenden Überprüfung habe festgestellt werden müssen, dass die Klägerin entsprechend ihrer Tätigkeit zu hoch eingestuft sei. Es fehle an der für die entsprechende Eingruppierung notwendigen „selbstständigen Tätigkeit“. Das Abänderungsrecht des Arbeitgebers dahingehend, eine rechtmäßige Vergütungsgruppe festzustellen, gehe nicht verloren, weil ein Arbeitnehmer zuvor – vorliegend auch noch bei einem anderen Arbeitgeber – bereits längerfristig falsch, das heißt zu hoch eingruppiert gewesen sei. In Anbetracht ihrer Fremdfinanzierung sei die nunmehr beabsichtigte ordnungsgemäße Eingruppierung auch unter keinem Gesichtspunkt unverhältnismäßig. Sie sei zur ordnungsgemäßen Eingruppierung ihrer Beschäftigten gezwungen, da sie ansonsten befürchten müsse, die entsprechenden Personalkosten auch nicht mehr erstattet zu bekommen. Über entsprechende eigene Mittel verfüge sie nicht.

Der Teil der Änderungskündigung zur wöchentlichen Arbeitszeit sei zwischen den Parteien zu keinem Zeitpunkt streitig gewesen. Sie nutze in ihrem Unternehmen die entsprechende Formulierung entsprechend dem Mustervertrag grundsätzlich. Im vorliegenden Fall hätte dies jedoch zu keinem Zeitpunkt zu einer streitigen Auseinandersetzung geführt, da die derzeitige Arbeitszeit der Klägerin im Umfang von 15 Wochenstunden zum einen vollkommen unstreitig sei, zum anderen auch nicht geändert werden solle. Das erstinstanzliche Gericht könne seine Entscheidung nicht auf eine Argumentation stützen, die es quasi selbst erfunden habe. Ebenso könne es nicht eine Änderungskündigung deshalb als rechtswidrig ansehen, weil lediglich ein Teil dieser Kündigung rechtswidrig wäre, wenn gerade dieser Teil jedoch zwischen den Parteien unstreitig sei.

Schließlich hätte das Gericht im Rahmen seiner Entscheidung dann zumindest ihre Erklärung im Kammerverhandlungstermin berücksichtigten müssen, insofern unmissverständlich klargestellt worden sei, dass die Auseinandersetzung der Parteien und auch das Ziel der Änderungskündigung sich ausschließlich auf die Eingruppierung der Klägerin beziehe.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des am 13. Dezember 2018 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz, Az. 2 Ca 2038/18, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 17. April 2019, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 116 ff. d. A.), als rechtlich zutreffend.

Es sei verbindlich eine konkrete Vergütung vereinbart worden, die veränderungsfest sei und allenfalls mit Blick auf künftige betriebliche Vorgänge – die es unstreitig nicht gegeben habe – im Wege einer Änderungskündigung abgeändert werden könne. Damit hätten die Parteien das von ihr zu beanspruchende Entgelt vertraglich definiert. Daran sei die Beklagte gebunden. Im Übrigen beinhalte ihre Arbeitsaufgabe, insbesondere die Überprüfung und arbeitstägliche Dokumentation der hygienischen Verhältnisse angelieferter Mahlzeiten, mit Rücksicht auf die Bedeutung einer solchen Aufgabe für die Versorgung kleiner Kinder einen eigenständigen Prüfungsauftrag. Dieser Aufgabenbereich führe zu eigenständigen Tätigkeitsanforderungen und einem besonderen Maß an Verantwortung. Dies sei mit dem Eingruppierungsmerkmal der EG K X Fallgruppe 1 („… für die spezielle Fachkenntnisse erforderlich sind …“) nicht abgedeckt.

Ferner gehe die Änderungskündigung jedenfalls über das hinaus, was allenfalls erforderlich sein könne. Das Arbeitsgericht habe die Änderungskündigung in vorliegender Textfassung mit Recht so verstanden, dass nicht allein die Eingruppierung, sondern auch die geltenden arbeitszeitlichen Regelungen hätten geändert werden sollen. Dafür sei eine soziale Rechtfertigung nach Maßgabe der §§ 1 Abs. 2, 2 KSchG nicht ersichtlich. Die Beklagte selbst mache eine solche nicht geltend.

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 13. Februar 2019 (Bl.130 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

B.

In der Sache hatte die Berufung der Beklagten keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die von der Beklagten ausgesprochene Änderungskündigung vom 25. Juni 2018 sozial ungerechtfertigt ist. Die Beklagte hat sich bei Ausspruch dieser Änderungskündigung nicht darauf beschränkt, ein Änderungsangebot zu machen, bei dem die soziale Rechtfertigung für jeden einzelnen Punkt gegeben ist. Das Änderungsangebot ist jedenfalls hinsichtlich des Beschäftigungsumfangs nicht sozial gerechtfertigt.

Bei einer Änderungskündigung müssen Kündigungsgründe im Sinn von § 1 Abs. 2 KSchG das Änderungsangebot des Arbeitgebers bedingen. Außerdem ist eine betriebsbedingte Änderungskündigung nur wirksam, wenn sich der Arbeitgeber bei Vorliegen eines Kündigungsgrundes darauf beschränkt hat, solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Im Rahmen von § 1 Abs. 2 S. 1 in Verbindung mit § 2 KSchG ist zu prüfen, ob das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist (st. Rspr.; BAG 24. September 2015 – 2 AZR 680/14 – Rn. 13; 29. September 2011 – 2 AZR 523/10 – Rn. 28; 10. September 2009 – 2 AZR 822/07 – Rn. 22; 29. November 2007 – 2 AZR 388/06 – Rn. 20; 21. September 2006 – 2 AZR 120/06 – Rn. 24; 23. Juni 2005 – 2 AZR 642/04 – unter I.). Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt oder unter Vorbehalt angenommen hat (st. Rspr.; BAG 29. September 2011 – 2 AZR 523/10 – Rn. 28; 21. September 2006 – 2 AZR 120/06 – Rn. 24; 23. Juni 2005 – 2 AZR 642/04 – unter I.; 19. Mai 1993 – 2 AZR 584/92 – unter II.1). Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Ausgangspunkt ist die bestehende vertragliche Regelung. Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (BAG 2. März 2017 – 2 AZR 546/16 – Rn. 19; 24. September 2015 – 2 AZR 680/14 – Rn. 13; jeweils mwN.). Erforderlich können Änderungen deshalb nur dann sein, wenn vom bisherigen Vertragsinhalt lediglich das weggenommen bzw. geändert wird, was weggenommen bzw. geändert werden muss, um den Vertrag aufrechterhalten zu können. Diese Voraussetzungen müssen für alle Vertragsänderungen vorliegen (BAG 29. September 2011 – 2 AZR 523/10 – Rn. 28; 28. Oktober 2010 – 2 AZR 688/09 – Rn. 34; 29. November 2007 – 2 AZR 388/06 – Rn. 40; 21. September 2006 – 2 AZR 120/06 – Rn. 24; 23. Juni 2005 – 2 AZR 642/04 – unter I.2.a.ee; 3. Juli 2003 – 2 AZR 617/02 – unter II.3.a, jeweils mwN.). Bei einer Änderungskündigung, mit der der Arbeitgeber eine Änderung der Arbeitsbedingungen in mehreren Punkten erreichen will, führt bereits die Unverhältnismäßigkeit einer der angestrebten Vertragsänderungen zur Unwirksamkeit der Kündigung insgesamt. Das Gericht kann in einem solchen Fall die Kündigung nicht in Teilen für wirksam erklären (BAG 10. September 2009 – 2 AZR 822/07 – Rn. 22; 21. September 2006 – 2 AZR 120/06 – Rn. 26). Aus dem Vorbringen des Arbeitgebers muss erkennbar sein, dass er auch unter Berücksichtigung der vertraglich eingegangenen besonderen Verpflichtungen alles Zumutbare unternommen hat, die durch die unternehmerische Entscheidung notwendig gewordene Anpassung auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken (BAG 29. November 2007 – 2 AZR 388/06 – Rn. 40).

Diesen Anforderungen entspricht das Änderungsangebot der Beklagten nicht. Hinsichtlich des in der Änderungskündigung enthaltenen Angebots der Abänderung des Beschäftigungsumfangs besteht kein betriebsbedingter Kündigungsgrund im Sinn des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG.

In dem zwischen der Klägerin und der Rechtsvorgängerin der Beklagten geschlossenen Arbeitsvertrag haben die Parteien in § 4 Abs. 2 einen Beschäftigungsumfang von durchschnittlich regelmäßig „wöchentlich 15,00 Stunden“ vereinbart. Demgegenüber hat die Beklagte in der ordentlichen Änderungskündigung zum 31. Dezember 2018 eine Weiterbeschäftigung ab dem 1 Januar 2019 „mit einem wöchentlichen Beschäftigungsumfang von 38,46 % = 15,0 Stunden“ angeboten.

Damit hat die Beklagte nicht lediglich einen identischen Beschäftigungsumfang anders umschrieben, sondern auch insoweit eine Änderung angeboten. Sowohl der Arbeitsvertrag vom 24./26. Juni 2015 als auch der von der Beklagten an die Klägerin unter dem 26. März 2018 übersandte Arbeitsvertragsentwurf sehen – wortgleich – hinsichtlich des Beschäftigungsumfangs zwei Alternativen vor, von denen eine anzukreuzen ist. Diese lauten: „… % eines Vollbeschäftigten, das sind zurzeit … Stunden/Woche“ bzw.: „Die durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit beträgt wöchentlich 15,00 Stunden“.

Während im Arbeitsvertrag vom 24./26. Juni 2015 die zweite Alternative angekreuzt ist, ist in dem am 26. März 2018 übersandten Arbeitsvertragsentwurf ebenso wie in der Änderungskündigung die erste Alternative angekreuzt bzw. sprachlich in die Änderungskündigung übernommen.

Für diese Änderung des Beschäftigungsumfangs hat die Beklagte keine betriebsbedingten Gründe angeführt. Sie hat lediglich darauf hingewiesen, dass die in der Änderungskündigung gewählte Angabe in ihrem Unternehmen üblich sei. Hierdurch wird die geplante Änderung jedoch nicht sozial gerechtfertigt. Das Bedürfnis für die Beschäftigung der Klägerin im Beschäftigungsumfang von 15,00 Stunden wöchentlich ist gerade nicht entfallen.

Diese angebotene Änderung des Beschäftigungsumfangs ist auch nicht so unwesentlich, dass sie der Kündigung nicht entgegenstehen würde (vgl. BAG 29. September 2011 – 2 AZR 523/10 – Rn. 41 zum Angebot einer so genannten „doppelten“ Schriftformklausel im Zusammenhang mit einer Änderungskündigung zur Gehaltsabsenkung). Wie in dem von der Beklagten verwendeten Vertragsformular deutlich wird, handelt es sich bei den beiden Formulierungen um echte Alternativen. Auch wenn diese sich derzeit tatsächlich nicht auswirken, ist im Rahmen des unbefristeten Arbeitsverhältnisses nicht ausgeschlossen, dass sich die tarifliche Arbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten und damit – infolge der Änderung der Formulierung betreffend den Beschäftigungsumfang – auch die Arbeitszeit der Klägerin mit den hiermit verbundenen Entgeltveränderungen.

Eine Umdeutung des Änderungsangebots in ein solches ohne die angebotene Änderung des Beschäftigungsumfangs ist nicht möglich. Das Änderungsangebot als solches ist eindeutig und nicht auslegungsfähig. Vom Empfängerhorizont der betroffenen Klägerin konnte nicht klar sein, ob die Beklagte das Änderungsangebot hilfsweise auch in der Weise aussprechen wollte, dass lediglich die Eingruppierung geändert werden sollte. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die angebotene Formulierung nach dem Vortrag der Beklagten im Unternehmen grundsätzlich verwendet wird. Das Angebot der geänderten Arbeitsbedingungen ist in einem Satz formuliert. Es entspricht dem zuvor von der Beklagten vorgelegten Vertragsentwurf, in dem ebenfalls angekreuzt ist, dass der Beschäftigungsumfang „38,46 % eines Vollbeschäftigten, das sind zurzeit 15,00 Std./Woche“. Außerdem bestehen aus der Rechtsnatur der Änderungskündigung heraus grundsätzliche Bedenken gegen die Umdeutung eines nicht auslegungsfähigen Änderungsangebots in ein solches mit erheblich abweichenden Arbeitsbedingungen. Da der Arbeitnehmer auf das Vertragsangebot des Arbeitgebers reagieren und sich entscheiden muss, ob er die geänderten Arbeitsbedingungen ablehnt oder mit bzw. ohne Vorbehalt annimmt, erfordert schon die Rechtssicherheit, dass zweifelsfrei klargestellt ist, zu welchen neuen Arbeitsbedingungen das Arbeitsverhältnis nach dem Willen des Arbeitgebers fortbestehen soll. Die weitgehende Anerkennung von Umdeutungsmöglichkeiten hinsichtlich des Änderungsangebots des Arbeitgebers würde den Arbeitnehmer entgegen dem Schutzzweck des § 2 KSchG bei der Änderung von mehreren Arbeitsbedingungen möglicherweise verpflichten, alternativ zu den verschiedensten künftigen Arbeitsvertragsgestaltungen Stellung zu nehmen, die in der Änderungskündigung ausdrücklich so nicht enthalten sind (BAG 21. September 2006 – 2 AZR 120/06 – Rn. 34).

Die Beklagte konnte das von ihr mit der Kündigung verbundene Änderungsangebot auch nicht nachträglich dahingehend abändern, dass nur noch die Änderung hinsichtlich der Eingruppierung aufrechterhalten bleibt und die Änderung hinsichtlich der Arbeitszeit entfällt. Das Änderungsgebot kann als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung nicht nachträglich geändert werden. Gemäß § 145 BGB ist der Antragende an seinen Antrag gebunden. Er kann nicht einseitig durch Antragenden widerrufen oder abgeändert werden.

Der Kündigende kann seine Kündigungserklärung auch nicht nachträglich mit einem neuen Angebot verbinden. Eine Änderungskündigung ist gemäß § 2 S. 1 KSchG ein aus zwei Willenserklärungen zusammengesetztes Rechtsgeschäft. Zur Kündigungserklärung muss als zweites Element das Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen hinzukommen (BAG 16. Dezember 2010 – 2 AZR 576/09 – Rn. 21; 10. September 2009 – 2 AZR 822/07 – Rn. 15 mwN.). Kündigung und Änderungsangebot bilden eine innere Einheit (BAG 10. September 2009 – 2 AZR 822/07 – Rn. 22). So erstreckt sich auch das Schriftformerfordernis des § 623 BGB auf das Änderungsangebot. Letzteres ist Bestandteil der Kündigung (BAG 28. Oktober 2010 – 2 AZR 688/09 – Rn. 18).

Der kündigenden Beklagten verbleibt insoweit nur der Weg des Ausspruchs einer erneuten ordentlichen Kündigung, verbunden mit einem Angebot, das sich auf sozial gerechtfertigte Änderungen beschränkt.

Die Berufung der Beklagten hatte daher keinen Erfolg.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

 

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