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Unwirksamkeit von Arbeitgeberabmahnungen

ArbG Paderborn – Az.: 2 Ca 457/15 – Urteil vom 09.06.2016

1. Die beklagte Partei wird verurteilt, die beiden Abmahnungen vom 06.02.2015, die Abmahnung vom 19.11.2015 und die Abmahnung vom 24.11.2015 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die beklagte Partei.

3. Der Streitwert wird auf 5.573,76 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Entfernung von vier Abmahnungen aus der Personalakte der Klägerin.

Die mittlerweile über 61 Jahre alte Klägerin ist seit dem 01.10.1997 bei dem Beklagten als Sachbearbeiterin tätig. Zuletzt erhielt sie ein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt in Höhe von 1.857,92 EUR.

Auf das Arbeitsverhältnis findet die Kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) Anwendung.

Zwischen den Parteien ist unter dem Az. 2 Ca 1032/14 vor dem Arbeitsgericht Paderborn ein Kündigungsschutzverfahren geführt worden. Die Kündigung wurde durch den Beklagten zu keinem Zeitpunkt begründet und im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs einigten sich die Parteien auf die Fortführung des Arbeitsverhältnisses.

Am 06.02.2015 wurden der Klägerin von dem Beklagten zwei Abmahnungen übergeben. Gleichzeitig teilte man ihr hierbei mit, dass eine weitere Zusammenarbeit mit ihr nicht gewünscht sei. Eine vorherige Anhörung im Hinblick auf die Abmahnungen fand nicht statt.

Konkret wird in den beiden Abmahnungen vom 06.02.2015 folgendes ausgeführt (vgl. Bl. 11/12 der Akte):

Erste Abmahnung:

„Auf Grund Ihres Arbeitsverhältnisses haben Sie sich gegenüber der Geschäftsleitung verpflichtet, respektvoll mit Ihrer Kollegin Frau E, mit welcher Sie ein gemeinsames Büro teilen, umzugehen. Dies bedeutet, dass Sie Ihre Kollegin Frau E nicht gegen deren Willen duzen und respektvoll und höflich mit dieser umzugehen.

Am 18.03.2014 gegen 09:15 Uhr erklärten Sie wortwörtlich gegenüber Frau E

„Schätzchen, du hast ein dickes Problem. Wann stehst du endlich dazu?“

Nachdem Ihre Kollegin Frau E Sie bat, sie nicht „Schätzchen“ zu nennen, erklärten Sie wiederholt:

„Schätzchen, nein, das bist du auch nicht mehr. Du hast ein dickes Problem, du musst zum Arzt. Dringend! Du bist krank, du musst dich behandeln lassen.“

Sie haben damit in unzulässiger Weise Ihre Kollegin Frau E wiederholt geduzt und als „Schätzchen“ angesprochen, sowie diese in herabwürdigender Weise als „krank“ bezeichnet.

Dieses Verhalten stellt ein Fehlverhalten dar, dass wir in Zukunft nicht mehr hinnehmen werden. Im Wiederholungsfalle müssen Sie mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen, die auch im Ausspruch einer Kündigung liegen könnten, rechnen.“

Zweite Abmahnung:

„Auf Grund Ihres Arbeitsverhältnisses sind Sie gegenüber der Geschäftsleitung verpflichtet, respektvoll mit Ihrer Kollegin Frau E, mit welcher Sie ein gemeinsames Büro teilen, umzugehen.

Am Dienstag, den 13.01.2015 haben Sie ohne nachvollziehbaren Grund mit großer Wucht mehrere Aktenordner Ihrer Kollegin Frau E, welche auf einem zum Schreibtisch der Frau E zugehörigen Packtisch gestanden haben, zur Seite gedrückt. Dabei ist sogar ein Ordner quer auf den Schreibtisch von Frau E gefallen. Unmittelbar hiernach haben Sie einen eigenen Ordner mittig zu den von Ihnen weggedrückten Ordnern gelegt. Dies, obwohl Sie selbst einen Schreibtisch nebst dazugehörigen Packtisch besitzen und ihre beiden Tische zu diesem Zeitpunkt frei waren.

Nachdem Frau E die weggedrückten Ordner wieder an ihren ursprünglichen Platz zurückgestellt hatte, haben Sie Frau E lauthals ausgelacht und das gemeinsame Büro verlassen.

Ihr Verhalten gegenüber Frau E stellt ein Fehlverhalten dar, das wir in Zukunft nicht mehr hinnehmen werden. Im Wiederholungsfalle müssen Sie mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen, die auch im Ausspruch einer Kündigung liegen könnten, rechnen.“

Die Klägerin erhielt unter dem 19.11.2015 ein weiteres Abmahnungsschreiben. In dem Abmahnungsschreiben wird folgendes ausgeführt (vgl. Bl. 38-39 der Akte):

„Sie teilen sich einen Arbeitsplatz mit Ihrer Kollegin Frau W. Auf dem Arbeitsplatz gegenüber sitzt Ihre Kollegin Frau E.

Am 02.09.2015 haben Sie auf Ihrem Arbeitsplatz vor dem PC Bildschirm einen Pappkarton mit vier Aufklebern platziert. Auf jedem Aufkleber befindet sich ein Spruch. Hierzu im Einzelnen wie folgt:

Auf dem ersten Aufkleber, links oben heißt es:

„Die Suche nach Sündenböcken ist von allen Jagdarten die einfachste und bequemste. Eisenhower“

Der zweite Aufkleber, rechts oben beinhaltet folgenden Wortlaut:

„WICHTIGTUER sind Leute, die nie etwas Wichtiges tun … … “

Der dritte Aufkleber, links unten hat folgenden Wortlaut:

„Wir hätten mehr Gewinn, wenn wir uns so zeigten, wie wir sind, als wenn wir versuchen zu scheinen, was wir nicht sind!“ -La Rochefoucauld-

Der vierte Aufkleber, rechts unten ist auf den Kopf gestellt. Er beinhaltet folgenden Wortlaut:

„MAN IST IMMER WIEDER ERSTAUNT, WIEVIEL NARREN DEN KOPF DREHEN UM DAS ZU LESEN … … “

Den oben genannten Karton mit den Aufklebern haben Sie nach Verlassen Ihres Arbeitsplatzes aufgestellt. Ihre Kollegin Frau E hat diesen Karton, nachdem Sie Ihren Arbeitsplatz verlassen haben, am 02.09.2015 dort vorgefunden. Am nächsten Arbeitstag sollte Ihre Kollegin Frau W Ihren Arbeitsplatz einnehmen. Nachdem Ihre Kollegin Frau E den Vorfall der Geschäftsleitung gemeldet hat, wurde das Schild noch am 02.09.2015 durch Herrn Q von Ihrem Arbeitsplatz entfernt.

Sie haben mit diesem Verhalten in erheblichem Maße gegen Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen.

Gemäß Arbeitsanweisung vom 21.08.2015 hat die Geschäftsleitung angeordnet, dass Sie Ihren Arbeitsplatz so zu verlassen haben, dass für folgende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein störungs- und belastungsfreies Arbeiten möglich ist.

Ihr Verhalten stellt ein Fehlverhalten dar, dass meine Mandantin in Zukunft nicht mehr hinnehmen wird. Im Wiederholungsfalle müssen Sie mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen, die auch im Ausspruch einer Kündigung liegen könnten, rechnen.“

Schließlich erfolgt eine vierte Abmahnung mit Schreiben vom 24.11.2015. Das Abmahnungsschreiben ist zu keinem Zeitpunkt zur Gerichtsakte gereicht worden. Außerdem hat der Beklagte auch zu keinem Zeitpunkt dargelegt, was für ein Fehlverhalten der Klägerin mit der Abmahnung vom 24.11.2015 überhaupt abgemahnt werden sollte.

Mit ihrer am 17.05.2015 beim Arbeitsgericht Paderborn eingegangenen Klage und mit den Klageerweiterungen vom 24.11.2015 und vom 25.11.2015 begehrt die Klägerin die Entfernungen der vorgenannten Abmahnungen aus ihrer Personalakte.

Die Klägerin meint, dass die Abmahnungen zu Unrecht ergangen seien, weil die in den Abmahnungsschreiben enthaltenen Vorwürfe unzutreffend seien.

Selbst wenn es im Hinblick auf die erste Abmahnung vom 06.02.2015 bezüglich eines Vorfalles am 18.03.2014 zu einem Fehlverhalten von ihr, der Klägerin, gekommen wäre, so könne eine Abmahnung jedenfalls wegen Verwirkung nicht mehr ausgesprochen werden. Neben dem Zeitmoment von elf Monaten komme als Umstandsmoment hinzu, dass der Beklagte zu keinem Zeitpunkt während des Kündigungsschutzverfahrens das von den Beklagten behauptete Fehlverhalten der Klägerin im Hinblick auf die Abmahnung als Vorfall erwähnt hat.

Im Hinblick auf die zweite Abmahnung vom 06.02.2015 trägt die Klägerin vor, dass sie sich zur Beantwortung einer telefonischen Anfrage in ihr vormaliges Büro begeben und dort in einem abgelegten Ordner einen Sachverhalt nachgesehen habe. Hierbei würde sie während der Einsicht den Ordner auf dem so genannten Packtisch abgelegt haben und wäre zunächst wieder an ihren neu zugeteilten Arbeitsplatz gegangen, um den Telefonanruf zu beenden. Nach dem Telefonat habe sie den Ordner wieder zurückstellen wollen. Dieser wäre jedoch von der Arbeitnehmerin E auf den alten Arbeitsplatz der Klägerin geschmissen worden. Sie, die Klägerin, habe den Ordner genommen und ihn ordnungsgemäß in das Regal zurückgestellt.

Die Klägerin meint, dass das einzige Ziel der Abmahnung vom 19.11.2015 eine Maßregelung von ihr sei und daher ein Verstoß gegen § 612a BGB vorliege. Ferner liege auch keine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung vor, weil es sich auf den auf dem Karton befindlichen Sprüchen um harmlose Lebenssprüche handele.

Die Klägerin beantragt zuletzt, die beklagte Partei zu verurteilen, die beiden Abmahnungen vom 06.02.2015, die Abmahnung vom 19.11.2015 und die Abmahnung vom 24.11.2015 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.

Der Beklagte beantragt zuletzt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet pauschal, dass die vier ausgesprochenen Abmahnungen inhaltlich zutreffend seien und meint, dass diese daher zu Recht ausgesprochen worden seien.

Zwischen der Klägerin und der Arbeitnehmerin E sei es bereits in der Vergangenheit zu beleidigendem provokantem und aggressivem Verhalten seitens der Klägerin gegenüber der Arbeitnehmerin E gekommen. Hierbei sei eine sachliche und konfliktfreie Bürokommunikation nicht mehr möglich gewesen. Insofern sei bereits am 13.06.2012 ein Gespräch mit der Klägerin geführt worden.

Die erste Abmahnung vom 06.02.2015 sei nicht verwirkt. Die in der zweiten Abmahnung vom 06.02.2015 dargestellten Verhaltensweisen der Klägerin bezüglich der Aktenordner seien von der Arbeitnehmerin E als Provokation und Arbeitsbehinderung zu verstehen. Bezüglich der dritten Abmahnung vom 19.11.2015 liegen keine harmlosen Lebensprüche vor, sondern es handele sich um Sprüche, die gezielt durch die Arbeitnehmerin W zur Kenntnis genommen werden sollten und eindeutig provozierenden Charakter aufgewiesen hätten. Zudem habe die Klägerin insoweit gegen ihre Arbeitsanweisung vom einen 21.08.2015 verstoßen, den Arbeitsplatz so zu verlassen, dass für weitere Arbeitnehmer ein störungs- und belastungsfreies Arbeiten möglich sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze und ihre Anlagen sowie die Terminsprotokolle ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist insgesamt begründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Entfernung der mit zwei Schreiben vom 06.02.2015, einem Schreiben vom 19.11.2015 und einem Schreiben vom 24.11.2015 erteilten Abmahnungen aus ihrer Personalakte in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG kann der Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte verlangen (vgl. etwa BAG, Urteil vom 23.06.2009, Az. 2 AZR 606/08; BAG, Urteil vom 27.11.2008, Az. 2 AZR 675/07).

Bei der Abmahnung handelt es sich um die Ausübung eines arbeitsvertraglichen Gläubigerrechts durch den Arbeitgeber. Als Gläubiger der Arbeitsleistung weist der Arbeitgeber den Arbeitnehmer als seinen Schuldner auf dessen vertragliche Pflichten hin und macht ihn auf die Verletzung dieser Pflichten aufmerksam. Zugleich fordert er ihn für die Zukunft zu einem vertragstreuen Verhalten auf und kündigt, wenn ihm dies angebracht erscheint, individualrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung an (vgl. BAG, Urteil vom 23.06.2009, Az. 2 AZR 606/08). Eine solche missbilligende Äußerung des Arbeitsgebers in Form einer Abmahnung ist geeignet, den Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommen und seinem Persönlichkeitsrecht zu beeinträchtigen. Deshalb kann der Arbeitnehmer die Beseitigung dieser Beeinträchtigung verlangen, wenn die Abmahnung unwirksam ist. Sie ist insbesondere dann unwirksam, wenn sie formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist, unzutreffende Tatsachen enthält, auf Tatsachen beruht, die vor Gericht nicht bewiesen werden können, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht, unverhältnismäßig ist, verwirkt ist, trotz zutreffender Tatsachen durch Ehrverletzungen oder unsachliche Werturteile die Grenzen des vertraglichen Rügerechts überschreitet oder kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers an der Abmahnung besteht (vgl. BAG, Urteil vom 23.06.2009, Az. 2 AZR 606/08).

2. In Anwendung dieser Maßstäbe ist im Hinblick auf die vier streitgegenständlichen Abmahnungen im Einzelnen folgendes auszuführen:

a) Die beiden Abmahnungen vom 06.02.2015 sind bereits aus dem Grunde aus der Personalakte zu entfernen, weil sie offensichtlich unverhältnismäßig und nicht formell ordnungsgemäß zustande gekommen sind.

Zwischen den Parteien findet auf das Arbeitsverhältnis unstreitig die Kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) Anwendung.

In § 12 KAVO ist folgendes geregelt:

㤠12 Personalakten

(1) Für jeden Mitarbeiter ist eine Personalakte zu führen.

(2) Die Mitarbeiter haben ein Recht auf Einsicht in ihre vollständigen Personalakten. Sie können das Recht auf Einsicht auch durch einen hierzu schriftlich Bevollmächtigten ausüben lassen. Sie können Auszüge oder Kopien aus ihren Personalakten erhalten.

(3) Der Mitarbeiter muss über Beschwerden und Behauptungen tatsächlicher Art, die für ihn ungünstig sind oder ihm nachteilig werden können, vor Aufnahme in die Personalakte gehört werden. Seine Äußerung ist zu der Personalakte zu nehmen.“

Die Klägerin hat bereits mit ihrer Klageschrift vorgetragen, dass eine Anhörung im Hinblick auf die Abmahnungen vom 06.02.2015 nicht stattgefunden hat. Insofern liegt ein Verstoß gegen § 12 Abs. 3 KAVO vor, der dazu führt, dass die Abmahnungsschreiben nicht in einem ordnungsgemäßen Verfahren zustande gekommen sind. Auch ist hierbei gerade nicht von dem milderen Mittel der Anhörung der Klägerin bezüglich der von einer anderen Arbeitnehmerin des Beklagten behaupteten Vorfälle vor dem Ausspruch der beiden Abmahnungen Gebrauch gemacht worden. Dies wäre aber zunächst notwendig gewesen, damit nicht möglicherweise unberechtigte Vorwürfe in die Personalakte der Klägerin gelangen. Hierbei sieht § 12 Abs. 3 KAVO ein geordnetes Verfahren zum Schutz des Arbeitnehmers vor möglicherweise unberechtigten Beschwerden und Behauptungen vor, welches von dem Beklagten nicht eingehalten worden ist.

Im Hinblick auf das Abmahnungsschreiben vom 06.02.2015, wonach die Klägerin die Arbeitnehmerin E geduzt und nicht respektvoll behandelt haben soll, dürfte die Berechtigung des Beklagten zur Abmahnung zudem verwirkt sein, was allerdings aufgrund der Unwirksamkeit aus den o.g. Gründen dahingestellt bleiben kann.

Bezüglich des zweiten Abmahnungsschreibens vom 06.02.2015 folgt die Unverhältnismäßigkeit der Abmahnung des Weiteren aus dem Umstand heraus, dass hier selbst nach den Behauptungen des Beklagten nach Auffassung der Kammer kein schwerwiegendes Fehlverhalten der Klägerin vorliegt. Allein der hektische Umgang mit Aktenordnern mit einer gewissen Kraftentfaltung auf einem Tisch, mit der Folge, dass ein Aktenordner auf einen Nachbartisch fällt, stellt im Regelfall keinen arbeitsvertraglichen Pflichtenverstoß dar. Dies kann im hektischen Büroalltag durchaus mal vorkommen. Ob das behauptete Auslachen tatsächlich als ein solches gemeint gewesen sein soll, bedarf der Konkretisierung in der Abmahnung. Auch wäre hier eine genauere Konkretisierung nach Art und Umfang notwendig. Es kann nach Auffassung der erkennenden Kammer nicht jedes Lachen in Betrieben, welches ggf. von einem anderen Arbeitnehmer als „Auslachen“ empfunden wird, per se einen arbeitsvertraglichen Pflichtenverstoß darstellen.

b) Die Abmahnung vom 19.11.2015 stellt sich als unverhältnismäßig dar. Der Umstand, dass die Klägerin einen Karton mit aufgeklebten Sprüchen u.a. von berühmten Persönlichkeiten in ihrem Büro -möglicherweise aus Vergesslichkeit- zurückgelassen hat, stellt nach Auffassung der erkennenden Kammer keinen Verstoß in „erheblichem Maße“ (wie dies in dem Abmahnungsschreiben ausgeführt wird) gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten der Klägerin dar. Die Klägerin ist zwar angewiesen worden, dass sie den Arbeitsplatz so zu verlassen habe, dass ein störungs- und belastungsfreies Arbeiten für nachfolgende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglich sei. Jedoch ist nicht näher konkretisiert worden, wie diese Anweisung des Beklagten genau gemeint gewesen sein soll. Hätte der Beklagte erreichen wollen, dass der Arbeitsplatz komplett leer sein muss, hätte er dies ohne Weiteres fordern können. Dies ist offensichtlich nicht geschehen. Im Übrigen hat der Beklagte überhaupt nicht dargestellt, inwiefern es überhaupt zu Störungen und Belastungen der Arbeiten von anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gekommen ist. Zwei der vier Aufkleber stellen eindeutig als Zitate gekennzeichnete Sprüche von berühmten Persönlichkeiten, nämlich dem 34. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Dwight D. Eisenhower, und einem der bekanntesten Literaten und Philosophen des Zeitalters des Absolutismus in Frankreich, François de La Rochefoucauld, dar. Allein das Aufkleben solcher Sprüche auf einen Karton, der im Eigentum der Klägerin steht, stellt keinen arbeitsvertraglichen Pflichtenverstoß dar. Auch die anderen beiden Sprüche stellen allgemeine Aussagen ohne einen Bezug zu einer konkreten Person dar. Es ist nicht erkennbar, wie hierdurch ein störungs- und belastungsfreies Arbeiten beeinträchtigt werden soll. Der um 90 Grad versetzt herum aufgeklebte Spruch stellt im Übrigen einen Scherz dar, der ohne Weiteres als ein solcher aufgefasst werden kann. Allein durch einen derartigen Spruch kann sich ein Arbeitnehmer regelmäßig nicht angegriffen fühlen. Im Gegenteil kann ein solcher Spruch nach Auffassung der Kammer auch zum „Schmunzeln“ und damit zu einer aufgeheiterten Stimmung im Betrieb anregen.

c) Die Abmahnung vom 24.11.2015 ist bereits aus dem Grunde aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen, weil die Klägerin die Richtigkeit der in der Abmahnung dargestellten Sachverhalte bestritten hat und die Beklagte, die die Darlegungs- und Beweislast für die Richtigkeit der Tatsachenbehauptungen trägt, die in der Abmahnung aufgestellt werden, hierzu lediglich pauschal behauptet hat, dass die Sachverhalte inhaltlich zutreffend seien. Mangels eines substantiierten Vortrags über den Inhalt der Abmahnung und mangels Vorlage des Abmahnungsschreibens vermochte die erkennende Kammer keine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten durch die Klägerin als Arbeitnehmerin erkennen, mit der Folge, dass die Abmahnung bereits aus diesem Grunde unwirksam ist.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Demnach hat die Beklagte die Kosten zu tragen, da sie in dem Rechtsstreit unterlag.

Der Rechtsmittelstreitwert wurde gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festgesetzt. Er entspricht drei Bruttomonatsgehältern im Hinblick auf die Anträge auf die Entfernung der Abmahnungen aus der Personalakte. Insoweit folgt die Kammer dem Vorschlag aus dem Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 05.04.2016, wonach nach Ziffer I. 2.2. mehrere in einem Verfahren angegriffene Abmahnungen maximal mit einem Vierteljahresentgelt bewertet werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Abmahnung um eine arbeitsrechtliche Maßnahme handelt, die grundsätzlich geeignet ist, den Bestand des Arbeitsverhältnisses zu gefährden und seitens des Arbeitgebers auch als Mittel zur Vorbereitung einer verhaltensbedingten Kündigung dient. Insofern können mehrere Abmahnungen als notwendige Erklärungen im Vorfeld einer Kündigung streitwertmäßig nicht höher bewertet werden, als eine Kündigung selbst, die regelmäßig mit drei Bruttomonatsgehältern streitwertmäßig bewertet wird.

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