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Urlaubsabgeltung bei Eigenkündigung vor dem 31.03. – versäumte ordentliche Kündigungsfrist

ArbG Siegburg – Az.: 5 Ca 1305/18 – Urteil vom 22.11.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

3. Der Kläger hat von den Kosten des Rechtsstreits 94 Prozent zu tragen, die Beklagte 6 Prozent.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.303,30 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten zuletzt um Urlaubsabgeltungsansprüche aus dem Jahre 2016.

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 25.03.1992 beschäftigt. Entsprechend § 8 des Arbeitsvertrags vom 27.03.1992 finden auf das Arbeitsverhältnis die Vorschriften des Tarifvertrages Garten- und Landschaftsbau Anwendung.

Der Kläger war seit September 2015 dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt und bezog seit dem 01.01.2016 eine unbefristete volle Erwerbsminderungsrente. Des Weiteren ist der Kläger als schwerbehinderter Mensch anerkannt.

Mit Schreiben vom 15.03.2018 sprach der Kläger gegenüber der Beklagte eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit sofortiger Wirkung aus. Das Kündigungsschreiben ging der Beklagten am 15.03.2018 per Fax und am 16.03.2018 mit Einschreiben / Rückschein zu.

Mit Schreiben vom 16.03.2018 wies die beklagte Partei die außerordentliche fristlose Kündigung zurück.

Zunächst zahlte die Beklagte an den Kläger als Urlaubsabgeltung einen Bruttobetrag in Höhe von 3.586,44 EUR.

Des Weiteren hat sich die Beklagte im Rahmen der Kammersitzung aufgrund eines Teilvergleichs zur Zahlung einer weiteren Urlaubsabgeltung für 2017 und anteilig für 2018 verpflichtet.

Der Kläger ist der Ansicht, dass seine außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis fristlos beendet habe. Er ist daher der Ansicht, dass ihm gegen die Beklagte für die Abgeltung von 35 Urlaubstagen aus dem Jahr 2016 ein Zahlungsanspruch in Höhe von 3.303,30 EUR brutto zustehe. Insoweit ist er der Ansicht, dass seine eingetretene andauernde Arbeitsunfähigkeit und volle Erwerbsminderung auf Dauer ausnahmsweise einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses darstelle. Dies, da es ihm nicht zuzumuten sei, das Ende der ordentlichen Kündigungsfrist abzuwarten, da es kein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses gebe. Zu berücksichtigen sei, dass er bis zum Ablauf des 15.04.2018 nicht wieder arbeitsfähig werde. Ein berechtigtes Interesse der Beklagten an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf des 15.04.2018 gebe es nicht.

Zudem sei es ihm nicht zuzumuten gewesen, bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 15.04.2018 das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, denn aufgrund seiner andauernden Arbeitsunfähigkeit habe er seinen ihm am 15.03.2018 noch zustehenden Resturlaubsanspruch aus dem Jahre 2016 nicht in Natura nehmen können. Die Arbeitsunfähigkeit und die Urlaubsgewährung würden sich gegenseitig ausschließen. Er habe für den einen Monat der ordentlichen Kündigungsfrist bis zum 15.04.2018 auch keinen Lohnanspruch mehr gegenüber der Beklagten aufgrund von Annahmeverzug gehabt, da er arbeitsunfähig erkrankt war. Daher habe er ein Interesse daran, sein Arbeitsverhältnis mit der außerordentlichen fristlosen Kündigung vom 15.03.2018 zu beenden, um so noch eine Abgeltung des noch nicht verfallenen Urlaubsanspruchs aus dem Jahre 2016 zu erhalten. Wäre er arbeitsfähig gewesen, hätte er noch in dem einen Monat der laufenden ordentlichen Kündigungsfrist bis zum 15.04.2018 seinen Resturlaubsanspruch aus dem Jahre 2016 in Natura nehmen können. Dies sei aufgrund seiner weiteren andauernden und auf unabsehbare Zeit bestehenden Arbeitsunfähigkeit aber nicht möglich gewesen. Sein Interesse, eine Abgeltung für den noch nicht verfallenen Resturlaubsanspruch aus dem Jahre 2016 zu erhalten, stelle ein berechtigtes Interesse an der Kündigung und damit einen wichtigen Grund dar. Es wäre ihm nur dann zuzumuten gewesen, die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten, wenn er arbeitsfähig gewesen wäre. Ein Interesse der Beklagten daran, die Urlaubsabgeltung für das Jahr 2016 nicht zahlen zu müssen, sei nicht als berechtigtes Interesse anzuerkennen. Denn dies würde eine Benachteiligung des Klägers wegen Behinderung im Sinne der §§ 1, 7 AGG darstellen, da die dauernde Arbeitsunfähigkeit des Klägers eine Behinderung im Sinne des § 1 AGG darstelle. Wäre er nicht voll erwerbsgemindert und dauerhaft arbeitsunfähig, und damit behindert im Sinne des § 1 AGG, so hätte die Beklagte den Kläger für den einen Monat der laufenden Kündigungsfrist bis zum 15.04.2018 den noch nicht verfallenen Urlaub aus dem Jahre 2016 auf seinen Urlaubsantrag hin gewähren müssen. Er würde also wegen seiner Behinderung benachteiligt, wenn sich die Beklagte diesbezüglich auf ein berechtigtes Interesse an der Einhaltung der Kündigungsfrist berufen könne, obwohl das Arbeitsverhältnis durch die Leistungsstörung inhaltsleer geworden sei.

Der Kläger beantragt nunmehr, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.303,30 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.03.2018 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der arbeitnehmerseitigen Kündigung erst zum Ablauf des 15.04.2018 sein Ende gefunden habe. Dies, da die außerordentliche Kündigung nicht wirksam und somit in eine ordentliche Kündigung umzudeuten sei. Die Beklagte ist der Ansicht, dass für die Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung durch den Arbeitnehmer die gleichen Grundsätze zu beachten seien, wie für die außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber. Unter anderem ist sie der Ansicht, dass der Kläger die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht beachtet habe. Dem Kläger sei spätestens mit der Übersendung des ausgestellten Rentenbescheids vom 09.01.2018 bekannt gewesen, dass er eine volle ungeminderte Erwerbsunfähigkeitsrente rückwirkend bezieht. Der Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung mehr als zwei Monate nach diesem Tatbestand erfolge außerhalb der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB. Insoweit könne sich der Kläger auch nicht auf einen Dauertatbestand berufen, da dieser ausnahmsweise dann nicht vorliege, wenn zwar eine länger anhaltende Beeinträchtigung bestehe, der Arbeitnehmer aber die darauf folgenden Auswirkungen von Anfang an genau abschätzen könne.

Die Beklagte ist zudem der Ansicht, dass die dauerhafte Arbeitsunfähigkeit keinen an sich geeigneten, wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB darstelle. Vor dem Hintergrund der einseitig geltenden kurzen Kündigungsfrist von vier Wochen zur Monatsmitte bzw. zum Monatsende sei nicht erkennbar, wieso diese Zeit vom Kläger nicht erfüllt werden könne und die Bindung des Arbeitsvertrages aufrecht zu erhalten.

Die bloße Aussicht, im Falle einer rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem 31.03.2018 einen finanziellen Vorteil durch eine höhere Urlaubsabgeltung zu erlangen, stelle keinen Sachverhalt dar, der an sich geeignet wäre, als wichtiger Grund eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Kläger zu rechtfertigen. Ausschließlicher Grund und einziges Motiv für die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses seitens des Klägers sei die Sicherung und der Erhalt der vollen Urlaubsabgeltung für das Jahr 2016 gewesen. Ein solches rein finanzielles Interesse sei aber nicht schon geeignet, einen Sachverhalt zu rechtfertigen, der an und für sich geeignet sei, einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darzustellen. Weitere Anknüpfungstatsachen für sein Verhalten habe der Kläger nicht vorgetragen, sie würden ersichtlich auch nicht vorliegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Urlaubsabgeltung für das Jahr 2016 in Höhe von 3.303,30 EUR brutto zu.

Der vormals bestehende Urlaubsanspruch ist entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gemäß § 7 Absatz 3 Satz 3 Bundesurlaubsgesetz mit Ablauf des 15.03.2018 verfallen, da nach dieser Rechtsprechung die gesetzlichen Urlaubsansprüche aufgrund unionsrechtskonformer Auslegung der zuvor genannten Norm 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfallen (vgl. Bundesarbeitsgericht vom 07.08.2012 – 9 AZR 353/10, NJW 2012, 3529, 3533).

§ 7 Absatz 3 Satz 3 Bundesurlaubsgesetz bestimmt, dass im Fall der Übertragung der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden muss. Nach der inzwischen ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist diese Norm unionsrechtskonform so auszulegen, dass gesetzliche Urlaubsansprüche vor Ablauf eines Zeitraums von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres nicht erlöschen, wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung gehindert war. Sie gehen jedoch mit Ablauf des 31. März des 2. Folgejahres unter. Dies gilt auch bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit (vgl. BAG vom 07.08.2012 – 9 AZR 353/10 aaO., Rdnr. 32 ff.).

Die Ansprüche aus dem Jahr 2016 verfielen mit Ablauf des 31.03.2018 entsprechend § 7 Abs. 3 Satz 3 Bundesurlaubsgesetz, da das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die streitgegenständliche fristlose Kündigung des Klägers nicht vor Ablauf des 31.03.2018 beendet wurde. Die streitgegenständliche Kündigung des Klägers ist als außerordentliche Kündigung unwirksam.

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, das heißt typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (vgl. BAG v. 16 Dezember 2010 – 2 AZR 485/08, juris).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Zwar ist dem Kläger zuzugestehen, dass in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt ist, dass der Umstand, dass der Arbeitnehmer infolge einer Erkrankung für unabsehbare Zeit nicht in der Lage ist, seine vertraglich übernommene Arbeit zu verrichten, geeignet sein kann, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber kann in einem solchen Fall die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar sein. Dabei sind beide Vertragsparteien allerdings gehalten, darauf hinzuwirken, das Arbeitsverhältnis nach Möglichkeit bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist in einer für beide Teile zumutbare Weise aufrecht zu erhalten (vgl. mwN. Bundesarbeitsgericht vom 22.03.2018 – 8 AZR 190/17, NJW 2018, 3267, 3269).

Vorliegend scheitert die Wirksamkeit der streitgegenständlichen arbeitnehmerseitigen Kündigung an der vorzunehmenden Interessenabwägung.

Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es ist eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vorzunehmen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung – etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck – die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen – zu erreichen (BAG v. 10 Juni 2010 – 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227, 1231, juris). Entsprechendes gilt für die Interessenabwägung im Falle einer vom Arbeitnehmer erklärten außerordentlichen, fristlosen Kündigung.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Ein überwiegendes Interesse des Klägers an der sofortigen Beendigung seines Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse der Beklagten an dessen Fortbestand bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist ist nicht gegeben. Zwar besteht auf Seiten des Klägers ein finanzielles Interesse an der fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, da durch den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 31.03.2018 hinaus der Urlaubsabgeltungsanspruch für das Jahr 2016 nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entfällt. In gleicher Weise besteht aber das diametrale finanzielle Interesse der Beklagten daran, dass das Arbeitsverhältnis mindestens bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortbesteht. Die Beklagte hat selbstverständlich kein Interesse daran, dem Kläger eine Urlaubsabgeltung für das Jahr 2016 zu zahlen, nachdem dieser es versäumt hat, im laufenden Jahr 2018 fristgerecht zu kündigen. Insoweit ist insbesondere zu berücksichtigen, dass nach der zuvor genannten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Vertragsparteien daran gehalten sind, darauf hinzuwirken, das Arbeitsverhältnis nach Möglichkeit bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist in einer für beide Teile zumutbaren Weise aufrechtzuerhalten. Der Kläger hatte es vorliegend in der Hand, im Jahre 2018 durch den Ausspruch einer rechtzeitigen ordentlichen Kündigung unter Berücksichtigung der im vorliegenden Fall verhältnismäßig kurzen ordentlichen Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis ordentlich vor Ablauf des 31.03.2018 zu beenden, um so in den Genuss der Urlaubsabgeltung für das Jahr 2016 zu gelangen. Allein der Umstand, dass der Kläger dies, warum auch immer, versäumte, führt nicht zu der Annahme, dass zu seinen Gunsten ein überwiegendes Interesse an einer fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht. Lässt ein Arbeitnehmer die ordentliche Kündigungsfrist verstreichen, die zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem Ablauf des 31.3. und damit zum Erhalt des Urlausanspruchs aus dem vorletzten Beschäftigungsjahr führen würde, darf sich die Arbeitgeberin, soweit keine weiteren überwiegenden Interessen des Arbeitnehmers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehen, darauf einrichten, dass die Urlaubsabgeltung nicht mehr für das vorletzte Jahr gezahlt werden muss.

Des Weiteren ist der Ansicht des Klägers nicht zu folgen, wonach die Absicht der Beklagten, an dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist und dem damit einhergehenden Verfall des Urlaubsanspruchs bzw. Abgeltungsanspruchs für das Jahr 2016 festzuhalten, eine Benachteiligung des Klägers wegen dessen Behinderung im Sinne der §§ 1, 7 AGG darstelle. Dies ist nicht der Fall, da der Kläger aufgrund seiner Schwerbehinderung überhaupt nicht schlechter gestellt wird, als ein nicht schwerbehinderter Arbeitnehmer in einem vergleichbaren Fall. Wäre der Kläger bei genau dem gleichen Sachverhalt lediglich nicht schwerbehindert, so wär sein Urlaubsabgeltungsanspruch für das Jahr 2016 mit dem Verstreichenlassen der ordentlichen Kündigungsfrist vor Ablauf des 31.03.2018 ebenfalls verfallen, da auch für eine dann ausgesprochene außerordentliche Kündigung kein überwiegendes Interesse des Klägers an der sofortigen Beendigung seines Arbeitsverhältnisses gegeben wäre.

Dem Kläger geht es mit der streitgegenständlichen außerordentlichen, fristlosen Kündigung lediglich darum, einen Urlaubsabgeltungsanspruch für das Jahr 2016 zu sichern. Das Instrument der außerordentlichen, fristlosen Kündigung entsprechend § 626 Abs. 1 BGB dient aber in keiner Weise einem solchen Interesse. Sinn und Zweck der Norm ist es, unzumutbare Arbeitsverhältnisse fristlos beenden zu können. § 626 garantiert beiden Vertragsparteien das unverzichtbare Recht, sich bei unzumutbarer Belastung vom Dienstverhältnis lösen zu können (vgl. ErfK/Niemann, 19. Aufl. 2019, BGB § 626 Rn. 1) Dafür, dass sonstige Tatsachen gegeben sind, die dem Kläger das Abwarten bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar machen würden, ist weder etwas zu vorgetragen noch ersichtlich. Allein der Umstand, dass der Kläger bei einer fristgerechten Beendigung 3.303,30 EUR weniger erhält, als bei einer fristlosen, stellt keine unzumutbarer Belastung für den Kläger dar. Dies insbesondere deshalb nicht, da er es ja durch den Ausspruch einer fristgerechten Kündigung die das Arbeitsverhältnis vor Ablauf des 31.3.2018 hätte beenden können (bspw. zum 28.2.2018 oder ggf. 15.3.2018) in der Hand hatte, diese Rechtsfolge herbeizuführen. Dagegen spricht auch, dass der Kläger seit Beginn seiner andauernden Arbeitsunfähigkeit im September 2015 bislang weder eine ordentliche noch eine außerordentliche Kündigung erklärte. Gerade bei einer derart kurzen Kündigungsfrist, wie der von den Parteien übereinstimmend vorgetragenen Kündigungsfrist von einem Monat, ist für die erkennende Kammer in keiner Weise ersichtlich, worin das über das finanzielle Interesse hinausgehende berechtigte Interesse des Klägers an der außerordentlichen, fristlosen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses bestehen soll. Dafür, dass die Beklagte irgendwelche Umstände gesetzt hätte, die dem Kläger die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar machen würden, ist nichts ersichtlich.

Da die außerordentliche Kündigung schon an der vorzunehmenden Interessenabwägung scheitert, kommt es auf die Frage, ob die Frist des § 626 Abs. 2 BGB einzuhalten ist oder nicht, nicht an.

II. Die Berufung ist nicht gesondert zuzulassen. Zulassungsgründe nach § 64 Abs. 3 ArbGG sind nicht gegeben.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 92 Abs. 1 Satz 1 2. Alt., 98 ZPO.

IV. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG und § 3 ZPO.

 

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