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Urlaubsabgeltung bei Tod des Arbeitnehmers

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Az.: 4 Sa 533/15, Urteil vom 17.08.2016

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 9.9.2015 – 1 Ca 468/15 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Urlaubsabgeltungsanspruch.

Die Klägerin ist Alleinerbin ihres am 30.01.2015 verstorbenen Vaters, der seit dem 19.03.2008 bis zu seinem Tod bei den US-Stationierungsstreitkräften als Kraftfahrer beschäftigt war. Die vertragsgemäße Arbeitsvergütung des Erblassers belief sich zuletzt auf 2.555,26 € brutto monatlich. Auf das Arbeitsverhältnis fanden aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung die Bestimmungen des TV AL II Anwendung.

Seit dem Jahr 2012 war der Erblasser durchgehend arbeitsunfähig krank. Nach Behauptung der Beklagten bezog er ab dem 30.01.2014, nach Behauptung der Klägerin (erst) ab dem 07.02.2014 Arbeitslosengeld.

Mit ihrer am 09.04.2015 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin die Beklagte, wie bereits zuvor mit Schreiben vom 09.02.2015 unter Fristsetzung bis zum 27.02.2015, auf Zahlung von Urlaubsabgeltung in Höhe von 7.430,22 € brutto in Anspruch genommen. Im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Klägerin ihre Klage reduziert und zuletzt noch die Zahlung von Urlaubsabgeltung für insgesamt 53 Tage (20 Tage für das Jahr 2013, 30 Tage für das Jahr 2014 und 3 Tage für das Jahr 2015) in Höhe von insgesamt 6.250,82 € brutto begehrt.

Die Klägerin hat (zuletzt) beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.250,82 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.02.2015 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Von einer weitergehenden Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 09.09.2015 (Bl. 43 – 45 d.A.).

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 09.09.2015 in Höhe von 4.717,60 € brutto nebst Zinsen stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 4 – 6 dieses Urteils (= Bl. 45 – 47 d.A.) verwiesen.

Gegen das ihr am 10.11.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10.12.2015 Berufung eingelegt und diese am Montag, dem 11.01.2016, begründet.

Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, die Klage sei unbegründet, da mit dem Tod des Erblassers kein Urlaubsabgeltungsanspruch auf die Klägerin als Erbin übergegangen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wandele sich der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers mit seinem Tod nicht in einen Urlaubsabgeltungsanspruch um. Ende das Arbeitsverhältnis mit dem Tod des Arbeitnehmers, so erlösche zugleich dessen Urlaubsanspruch mit der Folge, dass kein Urlaubsabgeltungsanspruch entstehen könne. Dem stehe auch Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG nicht entgegen. Dort finde sich nämlich an keiner Stelle eine Regelung, wonach der Abgeltungsanspruch im Falle des Ablebens des Arbeitnehmers dem Erben zustehen solle. Dementsprechend habe sich auch der EUGH in seiner Entscheidung vom 12.06.2014 – C-118/13 – zu dieser Frage nicht geäußert.

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 11.01.2016 (Bl. 67 – 70 d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt, das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 18.03.2016 (Bl. 84 – 86 d.A.), auf die Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung ist zulässig.

 

Sie ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Ziff. b ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht zum Teil stattgegeben. Die Klägerin hat als Gesamtrechtsnachfolgerin (§ 1922 Abs. 1 BGB) gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG einen Anspruch auf Abgeltung des beim Tod des Erblassers noch offenen Anspruchs auf Gewährung von 40 Urlaubstagen in Höhe des erstinstanzlich ausgeurteilten Betrages von 4.717,60 € brutto.

1. Bis zu seinem Tode am 30.01.2015 standen dem Erblasser – dies ist zwischen den Parteien unstreitig – aus den Jahren 2013 und 2014 jedenfalls noch Urlaubstage im Umfang des gesetzlichen Mindestanspruchs von jeweils 20 Tagen zu. Die betreffenden Urlaubsansprüche des Erblassers waren bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch nicht teilweise nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen, da er infolge der seit dem Jahr 2012 bestehenden durchgehenden Arbeitsunfähigkeit keinen Urlaub nehmen konnte. Selbst der Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2013 wäre daher erst mit Ablauf des 31.03.2015 untergegangen (BAG v. 07.08.2012 – 9 AZR 353/10 – AP Nr. 61 zu § 7 BUrlG).

2. Ein bereits entstandener Urlaubsabgeltungsanspruch ist vererbbar (BAG v. 22.09.2015 – 9 AZR 170/14 – NZA 2016, 37). Allerdings geht nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG v. 12.03.2013 – 9 AZR 532/11 – AP Nr. 99 zu § 7 BUrlG Abgeltung) mit dem Tod des Arbeitnehmers dessen Urlaubsanspruch unter und kann sich nicht in einen Abgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG umwandeln.

Der EUGH hat jedoch in seiner Entscheidung vom 12.06.2014 – C-118/13 – (NZA 2014, 651) aus Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung einen Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs auch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Tod hergeleitet und die Voraussetzungen und den Umfang des Anspruchs bestimmt. Danach steht Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG einzelstaatlichem Recht entgegen, wonach der Urlaubsanspruch ohne Begründung eines Abgeltungsanspruchs für nicht genommenen Urlaub untergeht, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet. Diese Auslegung des Unionrechts ist für die nationalen Gerichte bindend (§ 267 Abs. 1 AEUV).

§ 7 Abs. 4 BUrlG ist nach den Vorgaben des EUGH unionrechtskonform dahingehend auszulegen, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch allein von den Voraussetzungen einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses und eines offenen Urlaubsanspruchs abhängig ist (LAG Düsseldorf v. 15.12.2015 – 3 Sa 21/15 – juris, m.w.N.). Dies führt zu einem Urlaubsabgeltungsanspruch der Klägerin als Erbin.

Dem kann nicht entgegengehalten werden, nach § 1922 Abs. 1 BGB könne nur ein bestehender Anspruch vererbt werden und der Urlaubsabgeltungsanspruch könne, sofern der Arbeitnehmer während bestehendem Arbeitsverhältnis versterbe, nicht entstehen. Der Entscheidung des EUGH vom 12.06.2014 ist zu entnehmen, dass bereits der Urlaubsanspruch, den die Richtlinie sichert, auch einen Abgeltungsanspruch enthält, der bei jeder Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Tragen kommt. Eine richtlinienkonforme Auslegung des § 7 Abs. 4 BUrlG führt daher zu dem Ergebnis, dass das im Arbeitsverhältnis bestehende Recht auf Urlaub (Stammrecht) im Wege der Universalsukzession im Zeitpunkt des Erbfalles auf den Erben übergeht und, da der Urlaubsanspruch selbst höchstpersönlicher Natur ist, sich in einen Urlaubsabgeltungsanspruch umwandelt, der unmittelbar beim Erben entsteht (LAG Düsseldorf v. 15.12.2015 – 3 Sa 21/15 – juris, m.w.N.).

3. Der der Klägerin demnach zustehende Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs des Erblassers aus den Jahren 2013 und 2014 von insgesamt 40 Urlaubstagen beläuft sich – wie vom Arbeitsgericht zutreffend berechnet – nach § 11 Abs. 1 BUrlG auf 4.717,60 € brutto (40 Tage à 2.555,26 € x 3 : 65).

4. Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 Satz 1 BGB.

III.

Die Berufung der Beklagten war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Die Revision wurde nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

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