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Urlaubsabgeltung – einzelvertraglich vereinbarte Ausschlussfrist

Landesarbeitsgericht München – Az.: 7 Sa 940/20 – Urteil vom 26.02.2021

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 19.08.2020 – 34 Ca 745/18 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Abgeltung von Urlaubsansprüchen.

Die Klägerin war ab dem 02.01.2012 bei der Beklagten als Bürokauffrau mit einem Bruttomonatsgehalt iHv. € 2.300,00 auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 18.08.2011 (Bl. 7 – 10 d.A.) beschäftigt. In § 4 des Arbeitsvertrages stand:

㤠4 Urlaub

Der Jahresurlaub beträgt 28 Arbeitstage (auf der Basis einer regelmäßigen 5-Tage-Woche). In dem Kalenderjahr, in dem das Arbeitsverhältnis beginnt oder endet, hat der Arbeitnehmer für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf 1/12 des Jahresurlaubes.“

§ 10 des Arbeitsvertrages lautete:

㤠10 Ausschlussfrist

1. Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.

2. Lehnt die Gegenseite den Anspruch ab oder sie erklärt sich nicht innerhalb von 2 Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von 3 Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.“

Vom 01.01.2013 bis 03.04.2013 war die Klägerin in Mutterschutz nach der Geburt ihres ersten Kindes. Anschließend vom 04.04.2013 bis zunächst 30.04.2014, verlängert auf 18.06.2014, befand sich die Klägerin in Elternzeit. Nahtlos nach der bis zum 18.06.2014 gehenden Elternzeit war die Klägerin anschließend bis 12.10.2014 in Mutterschutz für ihr zweites Kind L., das am 00.00.2014 geboren wurde. Im Anschluss an die Mutterschutzfrist nahm die Klägerin bis zum 17.08.2017 Elternzeit.

Mit Schreiben vom 03.08.2017 (Bl. 13 d.A.) kündigte die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis zum 31.08.2017 und beantragte gleichzeitig ihren Resturlaub. Im Zeitraum 18.08. bis 31.08. 2017 nahm die Klägerin 10 Tage Urlaub.

Mit einer mail vom 25. Oktober 2017 (Bl. 36 d.A.) machte die Klägerin von der Beklagten für Mutterschutzzeiten in den Jahren 2013 und 2014 für insgesamt 14 Tage Urlaubsansprüche geltend, worauf die Beklagte sich mit einer mail vom 25.10.2017 (Bl. 38 d.A.) darauf berief, dass dieser Urlaub verfallen sei. Mit einer mail vom 30.11.2017 (Bl. 36 d.A.) erinnerte die Klägerin an ihre erste mail und setzte der Beklagten eine Frist bis zum 08.12.2017 mit dem Hinweis, dass sie danach einen Anwalt einschalten würde. Mit einem am 23.01.2018 beim Arbeitsgericht eingegangen Schriftsatz erhob die Klägerin sodann eine Klage, die der Beklagten am 01.02.2018 zugestellt wurde.

Vor dem Arbeitsgericht hat die Klägerin eine Urlaubsabgeltung nach § 17 Abs. 4 BEEG iVm. § 17 Abs. 1 BEEG für die Jahre 2013 bis 2017 mit je 28 Urlaubstagen geltend gemacht. Insgesamt hat sie nach Abzug von im Jahr 2017 noch genommenen 10 Urlaubstagen eine Urlaubsabgeltung für 130 Tage mit einem Faktor von € 106,15 pro Tag verlangt. Sie hat bestritten, dass die Beklagte ihr gegenüber eine Kürzungserklärung abgegeben habe und sich auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts berufen, wonach während der Mutterschutzfrist und der Elternzeit kein Verfall des Urlaubs eintrete und nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses keine Kürzungsmöglichkeit von Seiten des Arbeitgebers mehr bestünde. Die Klägerin hat sich darauf berufen, dass sie mit ihrer mail vom 25.10.2017 zum Ausdruck gebracht habe, dass sie ihren ganzen Urlaub abgegolten haben wollte. Weiter hat die Klägerin gemeint, dass die Beklagte sich nicht auf die im Arbeitsvertrag vereinbarte Ausschlussfrist berufen könne, da der Arbeitgeber verpflichtet sei, von sich aus konkret und in völliger Transparenz den Arbeitnehmer über die Höhe des Erholungsurlaubs zu informieren und diesen aufzufordern habe, diesen zu nehmen.

Vor dem Arbeitsgericht hat die Klägerin beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 13.799,50 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2017 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt.

Die Beklagte hat behauptet, sie habe mit einem Schreiben vom 21.10.2013 der Klägerin die Kürzung des Urlaubs während der Elternzeit erklärt und hat sich darüber hinaus auf die Ausschlussfrist in § 10 des Arbeitsvertrages berufen, denn der reine Abgeltungsanspruch auf Zahlung werde von den Verfallsfristen erfasst. Weiter hat die Beklagte gemeint, dass sich die Klägerin ohne Erfolg auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Hinweispflicht des Arbeitgebers über den bestehenden Urlaub und die Urlaubsnahme berufe, da bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses kein Erholungsinteresse zum Gesundheitsschutz mehr bestanden habe.

Zum weiteren erstinstanzlichen Sachvortrag der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze samt ihren Anlagen Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat der Klägerin eine Urlaubsabgeltung für 14 Tage iHv. € 1.486,15 brutto zugesprochen. Im Übrigen hat es die Klage unter Verweis auf die im Arbeitsvertrag vereinbarten Ausschlussfristen abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, dass die Klägerin nach § 24 MuSchG sowie § 17 Abs. 4 BEEG Anspruch auf Erholungsurlaub während der Mutterschutzfrist und Elternzeit habe und eine Abgeltung dieses Anspruchs nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangen könne. Dabei habe es unentschieden bleiben können, ob der Klägerin, wie von der Beklagten behauptet, ein Kürzungsschreiben vom 21.10.2013 zugegangen sei und ob dieses nur bezüglich der Elternzeit für das erste Kind gegolten habe oder sich auch auf die sich anschließende zweite Elternzeit bezogen habe, denn der Geltendmachung des Anspruches habe § 10 des Arbeitsvertrages mit der der darin geltenden Ausschlussfrist entgegengestanden. Der Abgeltungsanspruch sei mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.08.2017 entstanden und die Dreimonatsfrist habe mit dem 30.11.2017 geendet. Der Wirksamkeit der Ausschlussfrist habe auch nicht eine Hinweispflicht des Arbeitgebers auf Urlaubsansprüche entgegengestanden, da hier der Abgeltungsanspruch als Zahlungsanspruch Streitgegenstand gewesen sei. Das Arbeitsgericht hat im Zusammenhang mit der Gültigkeit der streitgegenständlichen Ausschlussfrist darauf verwiesen, dass bei der Geltendmachung von Ansprüchen ein Schuldner erkennen müsse, um welchen Anspruch es sich handele und dass deshalb der Gläubiger jede Forderung grundsätzlich nach Grund und Höhe sowie den Zeitraum, für den sie verfolgt werde, deutlich machen müsse. Da sich die Klägerin in ihrem Geltendmachungsschreiben deutlich für 14 Tage Urlaubsanspruch aus sechs Monaten Mutterschutzfrist entschieden habe, habe die Beklagte darüber hinaus nicht damit rechnen müssen, dass weitere Ansprüche aus der Elternzeit geltend gemacht würden und daher seien darüber hinaus bestehende Ansprüche der Klägerin verfallen gewesen. Die im Arbeitsvertrag vereinbarte Ausschlussfrist sei auch wirksam gewesen, denn ihr habe nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Kollision von Ausschlussfristen und Mindestlohn § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht entgegengestanden, da der Arbeitsvertrag der Parteien vor dem 31.12.2014 und damit von der Einführung des Mindestlohngesetzes abgeschlossen wurde. Hinsichtlich der Begründung im Einzelnen wird auf die Seiten 5 bis 8 (Bl. 127 – 130 d.A.) des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

Die Klägerin hat gegen dieses Urteil vom 19.08.2020, das ihr am 09.09.2020 zugestellt wurde, mit einem am 05.10.2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie mit einem am 09.11.2020 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Die Klägerin meint, das Arbeitsgericht gehe rechtsirrig davon aus, dass ihre Urlaubsabgeltungsansprüche soweit sie einen Betrag von € 1.486,15 übersteigen, aufgrund der Ausschlussfristen gem. § 10 Nr. 1 des Arbeitsvertrages verfallen seien, weil sie ihre Ansprüche nicht vor Ablauf des 30.11.2017 bei der Beklagten geltend gemacht habe. Nach Ansicht der Klägerin hätten die arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen den Abgeltungsanspruch bereits nicht erfasst, da die Ansprüche noch nicht fällig im Sinne der Klausel gewesen seien. Das Arbeitsgericht berücksichtige nicht, dass die Beklagte die Klägerin an der Durchsetzung ihrer Rechte gehindert habe, indem sie sie nicht auf die zutreffende Höhe ihrer Urlaubsansprüche hingewiesen habe und ihr sogar wahrheitswidrig mitgeteilt habe, dass Urlaubsansprüche aus Zeiten der Elternzeit verfallen seien. Das Arbeitsgericht verkenne insoweit weiter, dass die Beklagte durch diese Falschaussage eine vorsätzliche Pflichtverletzung gegenüber der Klägerin begangen habe, die die Klägerin an der rechtzeitigen Geltendmachung ihrer Abgeltungsansprüche gehindert habe und daher sei es der Beklagten auch nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Ausschlussfristen zu berufen. Aber auch für den Fall, dass die Ansprüche der Klägerin von der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist erfasst wären, stünde ihr ein Schadensersatzanspruch in gleicher Höhe zu, der nicht von der Verfallfristen erfasst wäre, da es sich um eine Haftung wegen Vorsatzes handele, die nicht im Voraus erlassen oder eingeschränkt werden könne. Die Klägerin meint, das Arbeitsgericht verkenne, dass sie den gesamten, ihr zustehenden Urlaub abgegolten wissen wollte und soweit sie einen Anspruch auf 14 Tage beziffert habe, habe sie deutlich gemacht, dass dies der Anspruch gemäß ihrer Berechnung gewesen sei und der Beklagten sei durch diese Formulierung erkennbar gewesen, dass die Klägerin grundsätzlich ihren kompletten Anspruch geltend machen wolle und der Beklagten musste erkennbar gewesen sein, dass die Klägerin den Anspruch falsch berechnet habe. Die Beklagte habe offenkundig der Klägerin eine falsche Auskunft erteilt, da die Ansprüche während der Mutterschutzzeit aber auch während der Elternzeit nicht verfallen, sondern im Anschluss daran zu gewähren bzw. abzugelten seien, wenn das Arbeitsverhältnis nach der Elternzeit nicht fortgesetzt werde. Die Beklagte habe, obwohl sie hierzu verpflichtet gewesen sei, der Klägerin auch nicht die Höhe der ihr zustehenden Urlaubsansprüche mitgeteilt und die Beklagte wäre aufgrund der arbeitsvertraglichen Treuepflichten gehalten gewesen, die Klägerin auf ihren offensichtlichen Irrtum hinzuweisen, dass auch für die Zeiten der Elternzeit grundsätzlich Anspruch auf Erholungsurlaub entstehe. Sie hat sich darauf berufen, dass Arbeitnehmern keine falschen und unvollständigen Auskünfte erteilt werden dürften und dass die arbeitsrechtlichen Nebenpflichten des Arbeitgebers sich nicht darauf beschränkten, den Arbeitnehmern keine falschen und unvollständigen Auskünfte zu erteilen und zur Vermeidung von Rechtsnachteilen könne der Arbeitgeber verpflichtet sein, von sich aus geeignete Hinweise zu geben. Die falsche Angabe der Beklagten, dass die Urlaubsansprüche der Klägerin verfallen seien, stelle eine vorsätzliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dar und soweit der Geschäftsführer der Beklagten wusste, dass die Ansprüche der Klägerin eigentlich nicht verfallen waren, habe er mit Täuschungs- und Schädigungsabsicht gehandelt, da er die Klägerin bewusst von der Geltendmachung ihrer Rechte abhalten wollte. Und wenn er die Auskunft erteilt habe, ohne dies vorher rechtlich geprüft zu haben, habe es sich um eine Aussage „ins Blaue hinein“ gehandelt und in diesem Falle handele der Geschäftsführer zumindest mit „dolus eventualis“ da er die Unrichtigkeit seiner Aussage in Kauf genommen habe und eine Erklärung ins Blaue hinein entspreche einem arglistigen Verhalten. Soweit das Arbeitsgericht (wohl) meine, die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Pflicht eines Arbeitgebers zur rechtzeitigen Mitteilung der Höhe des Urlaubsanspruchs greife vorliegend nicht ein, weil die zugrundeliegende Richtlinie nur den Urlaubsanspruch selbst und nicht den Abgeltungsanspruch schütze, gehe dies ohnehin fehl, denn die Frage, ob eine Hinweispflicht des Arbeitgebers bestünde oder nicht, sei nicht teilbar.

Die Klägerin beantragt: Unter Abänderung des Endurteils des Arbeitsgerichts München vom 19.08.2020 (Az.: 34 Ca 745/18) wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere 12.313,35 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.09.2017 zu zahlen.

Hilfsweise wird beantragt: Auf die Berufung der Klägerin hin wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München 19.08.2020 (Az.: 34 Ca 745/18) samt dem ihm zugrundeliegenden Verfahren aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Berufungsverfahrens – an das Arbeitsgericht München zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt: Die Zurückweisung der Berufung.

Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Sie verweist darauf, dass wie vom Arbeitsgericht entschieden, der Arbeitgeber im Hinblick auf eine etwaige bestehende Urlaubsabgeltungsansprüche keine Hinweispflicht, ähnlich der Hinweispflicht zur Urlaubseinbringung gemäß der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts habe. Sie hält dem Berufungsvorbringen vor, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abgeltung seines Urlaubs inklusive des gesetzlichen Mindesturlaubs als reiner Geldanspruch arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen unterliegen könne. Die Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 GRC enthielten keine Vorgaben hinsichtlich der Möglichkeit, den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nach nationalem Recht einer zeitlich befristeten Geltendmachung zu unterwerfen. Die Auffassung der Klägerin, dass der Orientierungssatz aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19.02.2019 – 9 AZR 541/15, nach dem der Arbeitgeber eine Gewährung des Erholungsurlaubs sicherstellen müsse, auf dem Fall des Urlaubsabgeltungsanspruchs zu übertragen sei, sei falsch. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin auf den aus rechtlicher Sicht nach bestehenden Umfang des Resturlaubsanspruchs hinzuweisen. Dies würde zudem voraussetzen, dass die Beklagte der Rechtsauffassung sei, dass ein Resturlaubsanspruch überhaupt noch bestehen würde. Ausweislich der zwischen den Parteien geführten Korrespondenz insbesondere vom 25.10.2017 sei dies nicht der Fall gewesen. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Geschäftsführer der Beklagten bewusst eine falsche Auskunft erteilt habe, als er der Klägerin mitteilte, dass keine Abgeltungsansprüche aufgrund des Zeitablaufs mehr bestünden und die Angelegenheit für ihn erledigt sei. Der Beklagte habe der Klägerin auch keine Auskünfte erteilt. Unter einer „Auskunft“ sei ua. eine erbetene Mitteilung bzw. die auf eine Frage hingegebene Information zu verstehen, was vorliegend nicht stattgefunden habe. Ein Schadensersatzanspruch wegen unzutreffender Auskunft zur Zahlung käme nur in Betracht kommen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer entweder auf ausdrückliches Verlangen nach Informationen falsch informiere oder wenn er ihn im Rahmen von Verhandlungen und Vertragsänderungen, die der Arbeitgeber initiiert habe, falsch beraten habe, und beides habe nicht vorlegen. Zusammenfassend lasse sich festhalten, dass die Beklagte keine Pflicht zur Information der Klägerin zu bestehenden Urlaubsabgeltungsansprüche gehabt habe und damit einem Anlauf der Ausschlussfrist am 01.09.2017 nichts im Wege gestanden habe und da die Klägerin die entsprechende Frist nicht eingehalten habe, seien die geltend gemachten Ansprüche nicht durchsetzbar.

Zum weiteren Vorbringen der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze vom 05.11.2020 (Bl. 174-184 d.A.), 05.01.2021 (Bl. 207-213 d.A.) sowie vom 27.01.2021 (Bl. 218-221 d.A.) Bezug genommen. Des Weiteren wird insbesondere zur Prozessgeschichte auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 26.02.2021 (Bl. 222-224 d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage, soweit die Klägerin eine Urlaubsabgeltung von mehr als vierzehn Tagen verlangt hat, abgewiesen, denn diese Ansprüche sind wegen der Nichtwahrung der arbeitsvertraglich vereinbarten Ausschlussfrist verfallen. Zunächst wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Im Hinblick auf die Berufungsangriffe ist das Folgende veranlasst:

1. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung kann als reiner Geldanspruch Ausschlussfristen unterliegen. Dem steht weder der unabdingbare Schutz des gesetzlichen Mindesturlaubs nach §§ 1, 3 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG noch die vom Gerichtshof der Europäischen Union vorgenommene Auslegung der Richtlinie 2003/88/EG entgegen (vgl. zu tarifvertraglichen Ausschlussfristen: BAG, 22.01.2019 – 9 AZR 149/17; zu arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen: BAG, 22.10.2019 – 9 AZR 532/18; 18.09.2018 – 9 AZR 162/18; weiter BAG, 07.07.2020 – 9 AZR 323/19).

2. § 10 des Arbeitsvertrags erfasst den Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Die Ausschlussfristenregelung bezieht sich auf „alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ und damit auf alle gesetzlichen, tariflichen und vertraglichen Ansprüche, die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsstellung gegeneinander haben (vgl. BAG, 17.10.2017 – 9 AZR 80/17).

a) Die Ausschlussfristenregelung in § 10 des Arbeitsvertrags, bei der es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB) handelt, ist rechtswirksamer Vertragsbestandteil geworden. Sie ist auch nicht überraschend oder ungewöhnlich iSd. § 305c BGB. Die Regelung ist durch die im Fettdruck hervorgehobene Überschrift „Ausschlussfrist“ für den Vertragspartner deutlich erkennbar. Die Vereinbarung zweistufiger Ausschlussfristen wie in § 10 Nr. 1 und Nr. 2 des Arbeitsvertrags entspricht einer weit verbreiteten Übung im Arbeitsleben (vgl. BAG, 27.01.2016 – 5 AZR 277/14).

b) Im Hinblick auf die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Klausel soweit sie auch Schadenersatzansprüche aus vorsätzlicher Vertragsverletzung und aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung erfasst, wurde allerdings mangels Kenntnis die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 26.11.2020 – 8 AZR 58/20, die eine solche Klausel wegen Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB nach § 134 BGB als nichtig erachtet, nicht berücksichtigt.

3. Die Klägerin hat Urlaubsabgeltungsansprüche soweit sie 14 Tage übersteigen, nicht rechtzeitig iSv. § 10 Ziffer 1 des Arbeitsvertrags geltend gemacht.

a) Die erste Stufe der Ausschlussfrist nach § 10 Ziffer 1 begann mit Fälligkeit des Anspruchs am 31. August 2017 zu laufen. Der Abgeltungsanspruch entsteht mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Wegfall des Abgeltungsverbots. Er wird grundsätzlich gleichzeitig fällig (vgl. BAG, 07.07.2020 – 9 AZR 323/19; 22.01.2019 – 9 AZR 149/17 mwN.).

b) Es war Sache der Klägerin sich über den Umfang ihres Resturlaubs kundig zu machen bzw. zu informieren. Eine besondere Informationspflicht der Beklagten diesbezüglich bestand für die Beklagte nicht. Unabhängig davon durfte die Beklagte aber auch auf die Regelung im Arbeitsvertrag verweisen, wonach nach ihrer Ansicht Urlaubsabgeltungsansprüche gemäß den vereinbarten Ausschlussfristen verfallen waren. Inwiefern hier der Geschäftsführer der Beklagten mit Arglist, dolus eventualis und Täuschungs- und Schädigungsabsicht gehandelt haben soll, erschließt sich nicht, zumal er sich auch auf den reinen Wortlaut der § 17 BEEG berufen kann, wonach der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der der Arbeitnehmerin für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen kann. Zudem hat sich die Beklagte, wenn auch erfolglos, darauf berufen, dass sie der Klägerin bereits während deren Elternzeit eine entsprechende Kürzungsmittelung zugesandt hat. Bei dieser Sachlage verbietet es sich, von einer vorsätzlichen Falschauskunft auszugehen. Eine von der Klägerin behauptete Täuschungs- und Schädigungsabsicht seitens des Beklagten, für die sie im Übrigen beweispflichtig ist, ist jedenfalls vorliegend nicht ersichtlich, zumal die Klägerin von der Beklagten auch keine Auskunft verlangt hat, sondern von dieser lediglich eine rein subjektive Wissenserklärung über den Umfang von Urlaubsabgeltungsansprüchen als Reaktion auf ihr Forderungsschreiben erhalten hatte. Ein besonders schutzwürdiges Vertrauen kann die Klägerin dabei nicht in Anspruch nehmen.

4. Die Klägerin hat erst mit ihrer am 23.01.2018 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage weitere Urlaubsabgeltungsansprüche geltend gemacht, nachdem sie zunächst mit mail vom 25.10.2017 für Zeiten des Mutterschutzes in den Jahren 2013 und 2014 14 Tage Urlaubsabgeltung verlangt hat, die ihr vom Arbeitsgericht, zwischenzeitlich rechtskräftig, auch zugesprochen wurden. Zum Zeitpunkt der Klageeinreichung waren aber die mit der Klage weiter geltend gemachten Urlaubsabgeltungsansprüche nach der einzelvertraglich vereinbarten dreimonatigen Ausschlussfrist mit Ablauf des 30.11.2017 bereits verfallen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin hat sie mit dem klaren und eindeutigen Inhalt ihrer mail vom 25.10.2017 (Bl. 36 d.A.) auch nicht eine Urlaubsabgeltung von mehr als 14 Tagen verlangt. Die Klägerin hat vielmehr mit ihrer mail, wenn auch rechtlich unzutreffend, lediglich eine Urlaubsabgeltung für 14 Tage bezogen auf die Jahre 2013 und 2014 begehrt. An diese unmissverständliche Formulierung ist die Klägerin gebunden und sie kann sie nicht im Nachhinein darauf berufen, dass mit dieser klaren Festlegung etwas anders hinsichtlich Umfang der Tage und des Bezugszeitraums gemeint war.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Die Revision wurde zugelassen.

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