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Urlaubsabgeltung – Wahrung der Ausschlussfrist durch Erhebung einer Kündigungsschutzklage

ArbG Gelsenkirchen, Az.: 5 Ca 1796/15, Urteil vom 12.04.2016

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.259,60 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % – Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.10.2015 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Der Streitwert wird auf 12.259,60 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Urlaubsabgeltung.

Die Beklagte ist ein Hersteller von Geräten für Schüttgut, Lagerplätze sowie Mischbetten und gehört zu der B-Gruppe.

Der Kläger war in der Zeit vom 01.10.2012 bis zum 31.03.2015 als Leiter Einkauf zu einem Jahresfixum von zuletzt 80.000,00 EUR zuzüglich einer variablen Vergütung von 5.000,00 EUR bei einer Zielerreichung von 100 % aufgrund des Anstellungsvertrages vom 13.07.2012 bei der Beklagten beschäftigt. Laut Anstellungsvertrag stand dem Kläger ein Anspruch auf Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen zu. Seit dem 01.11.2013 bis zum 31.03.2015 war der Kläger durchgehend arbeitsunfähig erkrankt.

Der Anstellungsvertrag enthält unter Nr. 11 folgende Regelungen zum Verfall von Ansprüchen:

„Nr. 11 Ausschlussfrist

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. …“

Das Arbeitsverhältnis endete durch die Kündigung der Beklagten vom 26.09.2014 mit Ablauf des 31.03.2015.

Der Kläger hatte die Unwirksamkeit der Kündigungserklärung mit der Kündigungsschutzklage vom 21. Oktober 2014, der Beklagten zugestellt am 28. Oktober 2014 gerichtlich geltend gemacht. Mit dem am 17.02.2015 verkündetem Urteil wies das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage ab.

Während des laufenden Kündigungsschutzverfahrens unterbreitete der damalige Klägervertreter dem Beklagtenvertreter mit Schreiben vom 26.01.2015 ein Vergleichsangebot. Danach war der Kläger bereit, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung von 1.500,00 EUR sowie des Ausgleichs des Urlaubsabgeltungsanspruchs mit entsprechender Berechnung, 37 Urlaubstage zu 12.950,00 EUR, aufzuheben.

Mit Schreiben vom 18.02.2015 forderte der damalige Klägervertreter die Beklagte auf, bis zum 27.02.2015 eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 12.950,000 EUR zu zahlen.

Mit der bei Gericht am 09.10.2015 eingegangenen, der Beklagten am 23.10.2015 zugestellten Klageschrift hat der Kläger zunächst die Zahlung einer Urlaubsabgeltung in Höhe von 12.950,00 EUR begehrt. Mit Schriftsatz vom 03.12.2015 hat der Kläger die Forderung auf 12.259,60 EUR reduziert und insoweit in dem Kammertermin vom 16.02.2016 die Klage zurückgenommen.

Dazu ist der Kläger der Ansicht, dass ein Anspruch auf Abgeltung eines Urlaubs von 37,5 Tagen in Höhe von 326,92 EUR brutto urlaubstäglich entstanden sei.

Der Anspruch sei nicht verfallen.

Nr. 11 des Anstellungsvertrages sei auf Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nicht anzuwenden. Nr. 11 des Anstellungsvertrages sei nach §§ 306, 307 II, III BGB unwirksam. Die Ausschlussfristenregelung stelle eine unangemessene Benachteiligung des Klägers dar. Sie ändere den gesetzlichen Urlaubsabgeltungsanspruch zu Lasten des Klägers entgegen § 13 I BurlG einschließlich des gesetzlichen Mindesturlaubs ab. Der Abgeltungsanspruch könne nicht durch einzelvertragliche Ausschlussfristenregelungen eingeschränkt werden. Der Zweck der Ausschlussfrist, Rechtsfrieden zu schaffen, sei durch das gesetzliche Verjährungsrecht gewahrt.

Selbst bei Anwendung der Nr. 11 des Anstellungsvertrages auf den Urlaubsabgeltungsanspruch habe der Kläger den Urlaubsabgeltungsanspruch sowohl durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage als auch durch die Schreiben vom 26.01. und 18.02.2015 fristgerecht geltend gemacht.

Die Erhebung der Kündigungsschutzklage wahre die einstufige Ausschlussfrist. Mit der Kündigungsschutzklage würden alle von dem Erfolg der Kündigungsschutzklage abhängigen Ansprüche zulässigerweise geltend gemacht.

Die Geltendmachung vor Fälligkeit eines Anspruchs sei zulässig, wenn der Arbeitgeber ausreichend von der Durchsetzung des Anspruchs gewarnt sei. Nach dem Zweck der Ausschlussfristen habe die Beklagte durch Erhebung der Kündigungsschutzklage mit der Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruchs rechnen können. Die Durchsetzung des Urlaubsabgeltungsanspruchs sei für die Beklagte erkennbar gewesen. Der Kläger habe mit der Kündigungsschutzklage alle Ansprüche, die vom Ausgang der Kündigungsschutzklage abhingen, geltend machen wollen.

Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung sei durch den Ausspruch der Kündigung dem Grund nach entstanden. Der Zweck der Ausschlussfristenregelung, der zügigen Klärung wechselseitiger Rechte und Pflichten sei dementsprechend gewahrt.

Nr. 11 des Anstellungsvertrages sei dahingehend auszulegen, dass die Geltendmachung spätestens innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei erfolgen müsse.

Die Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruchs sei jedenfalls unmissverständlich durch die Schreiben vom 26.01. und 18.02.2015 erfolgt.

Eine Bezifferung des Urlaubsabgeltungsanspruchs der Höhe nach sei durch die der Beklagten zur Verfügung stehenden Unterlagen leicht berechenbar.

Jedenfalls mit Schreiben vom 18.02.2015 sei der Urlaubsabgeltungsanspruch geltend gemachten worden, nachdem mit Verkündigung des klageabweisenden Urteils vom 17.02.2015 festgestanden habe, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgelöst worden sei.

Die strenge Schriftform des § 126 BGB sei bei der Geltendmachung von Ansprüchen im Sinne der Ausschlussfristenregelungen der Nr. 11 des Anstellungsvertrages nicht einzuhalten. Die Formvorschrift des § 126 BGB sei nur dann anzuwenden, wenn das Gesetz diese Form vorschreibe.

Jedenfalls sei die Berufung der Beklagten auf die Ausschlussfristenregelung der Nr. 11 treuwidrig. Die Beklagte habe sich auf die Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruchs einstellen können. Die Beklagte habe jedenfalls durch die Schreiben vom 26.01. und 18.02.2015 von der Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruchs Kenntnis.

Die Beklagte habe einen ihr zurechenbaren Vertrauenstatbestand dadurch geschaffen, dass sie keine Einwendungen bis zur Klageerhebung bezüglich des Urlaubsabgeltungsanspruchs erhoben habe. Aufgrund des Verhaltens der Beklagten habe der Kläger darauf vertrauen dürfen, dass keine Einwände seitens der Beklagten gegenüber dem Urlaubsabgeltungsanspruch bestünden. Nach dem Grundsatz des fairen Umgangs von Vertragspartnern miteinander hätte die Beklagte eine Reaktion zeigen müssen, wenn sie der Auffassung gewesen wäre, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch nicht bestünde.

Der Zinsanspruch des Klägers sei mit Ablauf des 31.03.2015, zum 01.04.2015 entstanden.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 12.259,60 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Klage bereits unschlüssig sei. der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Urlaubsabgeltung sei durch die Berechnung in der Klageschrift nicht gedeckt.

Der Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers sei nach der Ausschlussfristenregelung der Nr. 11 des Einstellungsvertrages untergegangen. Der Kläger habe den Urlaubsabgeltungsanspruch nach dessen Fälligkeit während des Laufes der Ausschlussfrist nicht selbstständig und formgerecht geltend gemacht.

Nr. 11 des Anstellungsvertrages sei auf den Urlaubsabgeltungsanspruch als reinem Geldanspruch anzuwenden. Einzelvertragliche Ausschlussfristen seien auch in dem Bereich der Abgeltung des Mindesturlaubsanspruchs zulässig. Eine Bezugnahme auf tarifvertragliche Regelungen sei nicht erforderlich. Mit der Ausschlussfristenregelung sei keine Einschränkung des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung verbunden. Vielmehr beträfe die Ausschlussfristenregelung allein die Durchsetzung des Urlaubsabgeltungsanspruchs. Die Befristung des Urlaubsabgeltungsanspruchs sei wie bei anderen Zahlungsansprüchen unabhängig von der Rechtsnatur der Regelung durch Ausschlussfristen möglich.

Die Ausschlussfrist beginne mit Ablauf des 31.03.2015 und ende mit dem 30.06.2015.

Das Schreiben vom 26.01.2015 stelle keine Geltendmachung im Sinne der Nr. 11 des Anstellungsvertrages dar. Dieses Schreiben sei lediglich als Vergleichsvorschlag zu verstehen. Eine Reaktion der Beklagten sei wegen der klaren Erfolgsaussichten des Klageabweisungsantrages im Kündigungsschutzverfahren unterblieben.

Auch mit dem Schreiben vom 18.02.2015 habe der Kläger den Urlaubsabgeltungsanspruch vor dessen Entstehen und Fälligkeit nicht ordnungsgemäß geltend gemacht. Dem Schreiben vom 18.02.2015 käme als Mahnung von nichtfälligen Ansprüchen keine Warnfunktion zu.

Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung sei zu diesem Zeitpunkt nicht entstanden. Der Urlaubsabgeltungsanspruch entstehe erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Der Fristenbeginn der Ausschlussfrist sei in Nr. 11 des Anstellungsvertrages nach der Auslegung des Wortlautes aus dem Empfängerhorizont ausdrücklich mit dem Begriff „Fälligkeit“ geregelt.

Die Geltendmachung eines Anspruchs im Sinne einer Ausschlussfristenregelung vor dessen Entstehen bzw. Fälligkeit laufe dem mit der Ausschlussfrist verfolgten Zweck zuwider. Eine Ausschlussfristenregelung wolle dem Arbeitnehmer zur Durchsetzung seiner Ansprüche eine Frist für den Fall gewähren, dass der Arbeitgeber nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses seinen Pflichten nicht nachkomme. Ausschlussfristenregelungen in einem Arbeitsvertrag seien überflüssig, wenn die Arbeitsvertragsparteien mit Beginn des Arbeitsverhältnisses alle zukünftigen Ansprüche geltend machen könnten. Die Geltendmachung von Ansprüchen vor deren Fälligkeit im Rahmen von Verfallfristen komme nur bei Ansprüchen in Betracht, die regelmäßig gezahlte Vergütungsbestandteile darstellten und ihrer Höhe nach gleich blieben, wie beispielsweise bei einer vertragsmäßig festgelegten Leistungsprämie.

Die Schreiben vom 26.01. und 18.02.2015 stellten keine schriftliche Geltendmachung im Sinne der Nr. 11 des Anstellungsvertrages dar. Die Schriftform des § 126 I BGB sei nicht gewahrt. Die Schreiben seien nicht formgerecht von dem damaligen Klägervertreter unterschrieben worden. § 126 I BGB verlange eine eigenhändige Unterschrift des Ausstellers. Eine solche eigenständige Unterschrift des Ausstellers sei nicht erkennbar.

Darüber hinaus sei das Schreiben vom 26.01.2015 im Hinblick auf eine konkrete bezifferte Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruchs nicht hinreichend bestimmt. Die darin aufgeführten Grundlagen zur Berechnung des Urlaubsabgeltungsanspruchs seien von der Kündigungserklärung und dem Inhalt des Anstellungsverhältnisses nicht gedeckt.

Ebenfalls sei der Urlaubsabgeltungsanspruch mit Erhebung der Kündigungsschutzklage nicht geltend gemacht worden. Mit der Kündigungsschutzklage könnten nur Ansprüche geltend gemacht werden, die von dem Erfolg der Kündigungsschutzklage abhingen. Der Urlaubsabgeltungsanspruch hänge nicht von dem Erfolg der Kündigungsschutzklage ab, die auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtet sei.

Mit der Kündigungsschutzklage könne der Urlaubsabgeltungsanspruch nur dann rechtzeitig geltend gemacht werden, wenn eine Ausschlussfrist bereits zu laufen bekommen habe.

Zum Zeitpunkt der Erhebung der Kündigungsschutzklage vor Fälligkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs sei für die Beklagte nicht vorhersehbar gewesen, ob der Urlaubsabgeltungsanspruch der Höhe nach entstehen würde. Eine Genesung des Klägers während des Laufs der Kündigungsfrist sei nicht ausgeschlossen gewesen, sodass der Kläger während des Laufs der Kündigungsfrist noch hätte auf seinen Urlaubsanspruch hin freigestellt werden könne. Demnach könne zum Zeitpunkt der Erhebung der Kündigungsschutzklage der Urlaubsabgeltungsanspruch auch der Höhe nach nicht beziffert werden.

Die Berufung der Beklagten auf die Ausschlussfristenregelungen des Anstellungsvertrages sei auch nicht rechtsmissbräuchlich und treuwidrig. Die Beklagte habe kein Vertrauenstatbestand geschaffen. Zum Zeitpunkt des anhängigen Bestandsschutzverfahrens 5 Ca 1893/14 habe die Beklagte nicht mit dem Bestehen und der Geltendmachung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs rechnen können. Zu diesem Zeitpunkt sei der Urlaubsabgeltungsanspruch nicht entstanden und nicht fällig. Dem Schweigen der Beklagten käme kein Erklärungswert zu. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, auf etwaig geltend zu machende Ansprüche bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinzuweisen. Würde eine solche Verpflichtung bestehen, wäre die Aufnahme von Verfallklauseln in Arbeitsverträgen überflüssig.

Dem Kläger sei es möglich gewesen, vorsorglich etwaige Urlaubsabgeltungsansprüche mit einem echten Hilfsantrag mit der Kündigungsschutzklage zusammen gerichtlich geltend zu machen.

Mit Beschluss vom 16.02.2016 ist der Beklagten nachgelassen worden, zu den Rechtsausführungen des Gerichtes in der Kammerverhandlung durch einen nachgelassen Schriftsatz Stellung zu nehmen.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze, soweit sie Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung einer Urlaubsabgeltung in Höhe von 12.259,60 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.10.2015 zu. Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist entstanden. Er ist nach der auf den Anspruch anzuwendenden Ausschlussfrist des § 11 des Anstellungsvertrages nicht verfallen. Der Kläger hat den Urlaubsabgeltungsanspruch rechtzeitig durch Erhebung der Kündigungsschutzklage geltend gemacht.

I. 1.

Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist in Höhe von 12.259,60 EUR brutto bei einer Berechnungsgrundlage von 37,5 Urlaubstagen entstanden, §§ 7 IV, 11 BUrlG.

I. 1. a.

Nach § 7 IV BUrlG ist der Urlaub abzugelten, wenn der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann.

Nach § 7 III S. 1 muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden.

Davon ist nach Art. 7 I der Arbeitszeitrichtlinie, Richtlinie 2003/88/EG, der Urlaubsanspruch des Vorjahres bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern ausgenommen. Bei richtlinienkonformer Rechtsfortbildung des § 7 III S. 3, IV BUrlG ist die zeitliche Beschränkung des Urlaubsanspruchs bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit auf 15 Monate auszudehnen. Der Urlaubsanspruch verfällt nach 15 Monaten mit Ablauf des 31.03. nach Ende des Urlaubsjahres (Urteil des EuGH vom 22.11.2011, AZ C – 214/10, NZA 211 S. 1.333; Urteil des BAG v. 18.03.2014, AZ 9 AZR 669/12, juris Rn 14; des LAG Hamm v. 09.10.2014, AZ 16 Sa 711/14, juris Rn. 19).

Nach § 5 II BUrlG sind Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, auf volle Urlaubstage aufzurunden.

Nach § 5 I c BurlG ist der Anspruch auf 1/12 des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses beschränkt, wenn der Arbeitnehmer nach erfüllter Arbeitszeit in der ersten Hälfte eines Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.

I. 1. b.

Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist dem Grunde und der Höhe nach unstreitig. Dem Kläger steht für das Kalenderjahr 2014 ein abzugeltender Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen nach dem Anstellungsvertrag zu. Der Kläger ist bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2015 nicht mehr arbeitsfähig geworden.

Aus dem Kalenderjahr 2015 ergibt sich ein Urlaubsanspruch von 8 Urlaubstagen, 2,5 Urlaubstagen je Beschäftigungsmonat, gerundet 8 Urlaubstage, nach der Berechnungsgrundlage des Klägers, 7,5 Urlaubstage.

Das Arbeitsgericht darf nach §§ 308 I S.1 ZPO, 46 II S. 1 ArbGG nicht mehr zusprechen, als der Kläger beantragt hat.

Für jeden Tag des abzugeltenden Urlaubs steht dem Kläger ein Entgelt von 326,92 EUR brutto zu (85.000,00 EUR brutto : 4 : 65 Arbeitstage).

I. 2.

Der Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers ist nicht nach Nr. 11 des Anstellungsvertrages vom 13.07.2012 verfallen. Die Ausschlussfristenregelung ist auf den Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers anwendbar. Der Kläger hat seinen Urlaubsabgeltungsanspruch durch Erhebung der Kündigungsschutzklage rechtzeitig geltend gemacht.

I. 2. a.

Nr. 11 des Anstellungsvertrages vom 13.07.2012 ist nicht nach §§ 307 II Nr. 1, III, 306 II BGB, 13 I BUrlG unwirksam.

I. 2. a. aa.

Nach § 307 II Nr. 1, III S. 1 BGB ist eine Bestimmung in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, die den Vertragspartner unangemessen benachteiligt. Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel insbesondere dann anzunehmen, wenn sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen werden wir, nicht zu vereinbaren ist.

Nach § 13 I S. 1 kann von den vorstehenden Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes mit Ausnahme der §§ 1, 2 und 3 I in Tarifverträgen abgewichen werden.

Nach §§ 310 III Nrn. 1, 2, 305 I, 13 BGB ist die inhaltliche Gestaltung von Arbeitsverträgen als Verbrauchervertrag im Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, §§ 305 ff. BGB unterworfen (Urteil des BAG vom 25.05.2005, AZ. 5 AZR 572/04, juris Rn.39 – 47, NZA 2005, S.1111).

Der Urlaubsabgeltungsanspruch stellt seiner Rechtsnatur nach einen einfachen Entgeltanspruch dar, der auf die Zahlung einer bestimmten Geldsumme gerichtet ist.

Nach der früheren Rechtsprechung des BAG entstand der Urlaubsabgeltungsanspruch unter den gleichen Voraussetzungen wie der Urlaubsanspruch mit Ausnahme des Tatbestandsmerkmals der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Diese Voraussetzung hat das Bundesarbeitsgericht im Hinblick auf die Rechtsprechungsänderung des EuGH bei Ansprüchen auf Urlaubsabgeltung von fortdauernd arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer aufgegeben. Danach stellt der Urlaubsabgeltungsanspruch stets einen Anspruch auf finanzielle Vergütung dar. Damit kann der Urlaubsabgeltungsanspruch wie ein normaler Entgeltanspruch, auch bei abzugeltendem Mindesturlaub, aufgrund von Ausschlussfristenregelungen verfallen (Urteile des BAG v. 19.06.2012, AZ 9 AZR 652/10, juris Rn. 15 – 23, NZA 2012, S. 1.087; v. 09.08.2011, AZ 9 AZR 365/10, juris Rn. 16, NZA 2011 S. 1.421; v. 08.04.2014, AZ 9 AZR 550/12, juris Rn. 12, NZA 2014 S. 852; des LAG Hamm v. 09.10.2014, AZ 16 Sa 711/14, juris Rn. 16, ErfK – Gallner, Bundesurlaubsgesetz, § 7 Rn. 85, 86).

Dies gilt sowohl für tarifvertragliche Ausschlussfristen, für Ausschlussfristen in den Arbeitsvertragsrichtlinien des diakonischen Werks als auch für einzelvertragliche Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen. Ausschlussfristen betreffen nicht den Inhalt eines Anspruchs sondern lediglich dessen Fortbestand, so dass die Regelungen des § 13 I S. 2 BUrlG der Anwendung auch einzelvertraglicher Ausschlussfristen auf den Urlaubsabgeltungsanspruch nicht entgegensteht (Urteile des BAG v. 16.12.2014, AZ 9 AZR 295/13, juris Rn. 28, NZA 2015 S. 827: des LAG Berlin-Brandenburg v. 18.01.2013 AZ 6 Sa 1894/12, juris Rn. 24).

Für die Angemessenheitskontrolle von Ausschlussfristenregelungen nach § 307 BGB im Übrigen gilt, dass sich die Ausschlussfristenregelung am gesetzlichen Leitbild der Verjährungsregelugen nach §§ 194 ff. BGB zu orientieren haben.

Unangemessene Benachteiligungen von Ausschlussfristen können dann vorliegen, wenn die Ausschlussfristen lediglich Ansprüche des Arbeitnehmers erfassen oder eine kürzere Frist von weniger als drei Monaten vorsehen. Wird der Fristbeginn der Geltendmachung auf die Fälligkeit des Anspruchs festgelegt, stellt dies keine unangemessene Benachteiligung dar. Die Ausschlussfristenregelung muss wohl im Hinblick auf die Länge der Frist als auch den Fristbeginn und die von der Ausschlussfrist erfassten Ansprüche hinreichend transparent sein (Urteil des BAG v. 28.09.2005, 5 AZR 572/04, NZA 2005 S. 1.111; v. 12.03.2008, AZ 10 AZR 152/07, NZA 2008, S. 699; Clemenz/Kreft/Krause – Klumpp, AGB – Arbeitsrecht, § 307 Rn. 112 – 125). Bei Ausschlussfristenregelungen, die „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ betreffen, werden alle gesetzlichen, tariflichen und vertraglichen Ansprüche, die die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtstellung gegeneinander haben, insbesondere auch der Urlaubsabgeltungsanspruch, erfasst (Urteil des BAG v. 16.12.2014, AZ 9 AZR 295/13, juris Rn. 29, NZA 2015 S. 827).

I. 2. a. bb.

Nach den vorstehenden Grundsätzen der Rechtsprechung ist Nr. 11 des Anstellungsvertrages nach § 307 II, III BGB wirksam.

Einzelvertragliche Ausschlussfristenregelungen sind auch im Bereich des Urlaubsabgeltungsanspruchs als reinem Entgeltanspruch zulässig.

Die Ausschlussfristenregelungen des Nr. 11 erfasst alle beiderseitigen Ansprüche des Arbeitsverhältnisse, sowohl die der Beklagten als auch die des Klägers.

Die Dauer der Frist ist mit drei Monaten hinreichend bemessen.

Die Art der Ansprüche ist mit „alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen“ hinreichend bestimmt (vgl. Urteil des BAG v. 20.06.2013, AZ 8 AZR 280/12, NZA 2013 S. 1.265).

Der Beginn der Ausschlussfrist ist mit dem Zeitpunkt der Fälligkeit der Ansprüche hinreichend transparent bezeichnet.

I. 2. b.

Der Kläger hat mit Erhebung der Kündigungsschutzklage unter dem 21.10.2014 in Verbindung mit den Schreiben vom 26.01. und 18.02.2015 den Anspruch auf Urlaubsabgeltung zur Bewahrung der Ausschlussfrist der Nr. 11 des Anstellungsvertrages rechtzeitig und ordnungsgemäß geltend gemacht.

I. 2. b. aa.

Die Erhebung der Kündigungsschutzklage durch den Arbeitnehmer wahrt sowohl die erste als auch eine etwaige zweite Stufe arbeitsvertraglicher und tarifvertraglicher Ausschlussfristen bzgl. aller von dem Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängigen Ansprüche.

Art. 2 I GG i. V. m. Art. 20 III GG verbietet den Parteien eines Zivilprozesses den Zugang zu den Gerichten in unzumutbarer, durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigenden Weise zu erschweren. Ausschlussfristenregelungen sind verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass nach dem Gebot des effektiven Rechtschutzes der Arbeitnehmer seine Ansprüche möglichst kostengünstig und effektiv durchsetzen kann. Dabei ist der Hilfsantrag nicht generell geeignet, das Kostenrisiko zu senken. Dies gilt für alle Zahlungsansprüche, die zumindest von dem Ausgang eines Bestandsschutzverfahrens abhängig sind. Der Arbeitnehmer wäre anderenfalls gezwungen, bevor er Gewissheit über den Erfolg von Ansprüchen hat, die auch von der Abweisung der Kündigungsschutzklage abhängen, diese schriftlich oder gerichtlich geltend zu machen. In der Regel werden bei dem Obsiegen in einem Kündigungsschutzprozess Annahmeverzugslohnansprüche durch den Arbeitgeber ohne gerichtliche Durchsetzung ebenso abgewickelt wie bei dem Unterliegen im Kündigungsschutzprozess Ansprüche auf Zahlung von Urlaubsabgeltung und Erteilung von Zeugnissen. Erhebt der Arbeitnehmer eine Bestandsschutzklage, kann der Arbeitgeber nicht an der Ernsthaftigkeit der Geltendmachung der hiervon abhängigen Vergütungsansprüche Entgeltansprüche zweifeln. Schon mit der Erhebung der Bestandsschutzklage kann sich der Arbeitgeber auf die vom Ausgang der Streitigkeit abhängigen Forderung einstellen und Rücklagen bilden. Dies gilt für alle Ansprüche die von dem Erfolg als auch von der Abweisung einer Bestandsschutzklage abhängen. Dies betrifft auch einen Urlaubsabgeltungsanspruch im Fall der Abweisung der Kündigungsschutzklage (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts v. 01.12.2010, AZ 1 BvR 1682/07, juris Rn. 21, NZA 2011 S. 354; Urteile des BAG v. 20.01.2015, AZ 9 AZR 585/13, juris Rn. 39; v. 19.09.2012, AZ 5 AZR 924/11, juris Rn. 18 – 28; v. 19.09.2012 AZ 5 AZR 627/11, juris Rn. 18 – 28, NZA 2013 S. 101; des LAG Niedersachsen v. 13.08.2013, AZ 9 Sa 138/13, juris Rn. 26 – 29; Klenter, juris PR-ArbG 47/2013 Anmerkung 3 C; Müller-Wenner, AuR, 2014 S. 282 (283, 284)).

I. 2. b. bb.

Die Bezifferung des Urlaubsabgeltungsanspruchs ist nicht erforderlich. Noch muss der Anspruch ausdrücklich bezeichnet werden (Urteile des BAG v. 20.01.2015, AZ 9 AZR 585/13, juris Rn. 39; v. 16.04.2013, AZ 9 AZR 731/11, juris Rn. 21,22; v. 19.09.2012, 5 AZR 627/11, juris Rn. 14).

I. 2. b. cc.

Mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage unter dem 21.10.2014 hat der Kläger nach dem Gebot des effektiven Rechtschutzes nach Art. 2 I, 20 III GG den Anspruch auf Urlaubsabgeltung rechtzeitig, auch vor Fälligkeit, geltend gemacht.

Aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 01.12.2010 haben der 5. und 9. Senat des BAG ihre Rechtsprechung zur Wahrung von Ausschlussfristen dahingehend geändert, dass alle Entgeltansprüche, die vom Ausgang eines Bestandsschutzverfahrens abhängig sind, mit der Erhebung einer Bestandsschutzklage sowohl auf der ersten Stufe als auch auf der zweiten Stufe der gerichtlichen Geltendmachung unabhängig von der Fälligkeit des Anspruchs geltend gemacht sind.

II.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen seit dem 24.10.2015 nach §§ 291, 288 BGB zu. Ein Zinsanspruch nach §§ 286 II, 288 I S. 2 BGB seit dem 01.04.2015 steht dem Kläger nicht zu.

Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist keine nach dem Kalenderjahr hinreichend bestimmte Leistung (Urteile des BAG v. 06.08.2013, AZ 9 AZR 956/11, juris Rn. 22, NZA 2014, S. 545; des LAG Schleswig-Holstein v. 12.05.2015, AZ 1 Sa 359a/14, juris Rn. 73).

III.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte als unterliegende Partei nach §§ 91 I, 92 II Nr. 1 ZPO, 46 II S. 1 ArbGG.

Die durch die Klagerücknahme entstandene Zuvielforderung, Kostenfolge des § 269 III S. 2 ZPO, war wegen Geringfügigkeit, kleiner 10 %, der Beklagten aufzuerlegen.

Der im Urteil nach § 61 I ArbGG festzusetzende Streitwert entspricht dem bezifferten Zahlungsantrag.

Der Kostenstreitwert entspricht nach § 40 GKG 12.950,00 EUR.

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