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Urlaubsabgeltungsanspruch – arbeitsvertragliche Verfallklausel

ArbG Düsseldorf – Az.: 16 Ca 887/19 – Urteil vom 23.07.2019

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Streitwert: 6.807,69 EUR.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltungsansprüche.

Der Kläger war vom 01.12.2011 bis zum 31.10.2017 bei der Beklagten als Niederlassungsleiter beschäftigt und hat hierfür zuletzt ein Bruttomonatsgehalt i. H. v. 5.900,– EUR bezogen. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund außerordentlicher Kündigung des Klägers vom 30.10.2017.

Dem Arbeitsverhältnis lag der Arbeitsvertrag vom (Bl. 13 ff. d. A.) zugrunde.

§ 12 des Arbeitsvertrags lautet wie folgt:

㤠12 Verfall-/Ausschlussfristen

Die Vertragsparteien müssen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend machen und im Fall der Ablehnung durch die Gegenseite innerhalb von weiteren drei Monaten einklagen.

Andernfalls erlöschen sie. Für Ansprüche aus unerlaubter Handlung verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung.“

Mit Schreiben vom 20.12.2018 forderte der Kläger die Beklagte zur Zahlung einer Urlaubsabgeltung auf. Mit Schreiben vom 02.01.2019 wies die Beklagte die Ansprüche als verfallen zurück.

Mit seiner am 18.02.2019 bei dem Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen und der Beklagten ausweislich der Zustellungsurkunde (Bl. 38 d. A.) am 19.03.2019 zugestellten Klage machte der Kläger Urlaubsabgeltungsansprüche geltend.

Er trägt hierzu im Wesentlichen vor, ihm stünden noch 25 abzugeltende Urlaubstage zu. Dies führe zu einem Geldanspruch i. H. v. 6.807,60 EUR brutto. Die Ansprüche seien nicht verfallen. Die Verfallklausel sei unwirksam, wie sie unverzichtbare Ansprüche wegen Vorsatz nicht ausschließe. Ferner sei die Klausel unwirksam, da sie nicht explizit den § 309 Nr. 7 a) BGB ausnehme. Die „Herausnahme“ deliktischer Ansprüche reiche nicht aus.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.807,69 EUR brutto Urlaubsabgeltung für den für das Jahr 2017 nicht genommenen Urlaub zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie trägt hierzu im Wesentlichen vor, die Ansprüche seien verfallen. Lege man die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 18.09.2018 unter dem Aktenzeichen 9 AZR 162/18 zugrunde, handle es sich vorliegend um einen „Altvertrag“, so dass diese Rechtsprechung nicht zur Unwirksamkeit der Verfallklausel führen könne. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vom 06.11.2018 unter dem Aktenzeichen C-684/16 führe zu keinem abweichenden Ergebnis.

Hierauf repliziert der Kläger u. a., die zitierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zum Mindestlohngesetz stünde der Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Verfallklausel nicht entgegen. Sinn und Zweck der angeführten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entspreche es, vorliegend anzunehmen, die Ansprüche seien nicht verfallen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hatte keinen Erfolg.

I.

Urlaubsabgeltungsanspruch - arbeitsvertragliche Verfallklausel
(Symbolfoto: Pelin Ertan/Shutterstock.com)

Die zulässigen Anträge sind unbegründet.

Die Beklagte war nicht zu verurteilen, an den Kläger 6.807,69 EUR brutto Urlaubsabgeltung für den für das Jahr 2017 nicht genommenen Urlaub zu zahlen.

Ansprüche sind nach § 12 des Arbeitsvertrags verfallen.

1.  Diese Klausel in § 12 ist wirksam.

a)  Die Klausel ist nicht nach §§ 309 Nr. 7a), 307 Abs. 1 Satz 1 u. 2 BGB unwirksam.

Nach § 309 Nr. 7a) BGB ist ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam. Nach § 310 Abs. 4 Satz 2 Hs. 1 BGB sind bei der Anwendung der §§ 305 ff. BGB – also auch bei der Anwendung von § 309 Nr. 7 BGB auf Arbeitsverträge die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen (vgl. zuletzt etwa BAG 28.09.2017 – 8 AZR 67/15 – AP Nr. 6 zu § 611 BGB Arbeitgeberdarlehen m. w. N.).

Dies zugrunde gelegt, gelangte die Kammer zu der Auffassung, dass es wegen dieser im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten bei der Anwendung von § 309 BGB nicht von durchgreifender Bedeutung sein kann, wenn – wie vorliegend – § 12 des Arbeitsvertrags der Parteien dem Klauselverbot des § 309 Nr. 7a) BGB ggf. nicht hinreichend Rechnung trägt. Im Übrigen war es nach Auffassung nach der Kammer zu berücksichtigen, dass der Wortlaut der Regelung auf den Ausschluss von Ansprüchen aus unerlaubter Handlung abzielt, was man durchaus so verstehen kann, dass es dem Regelungswillen des Verwenders entsprach, die in § 309 Nr. 7a) BGB aufgeführten Ansprüche in Bezug zu nehmen und von der Verfallklausel auszuschließen.

b)  Die Klausel ist auch nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 u. 2 BGB  (i. V. m. § 3 Satz 1 MiLoG) unwirksam.

Eine vom Arbeitgeber vorformulierte arbeitsvertragliche Verfallklausel, die entgegen § 3 S. 1 MiLoG auch den gesetzlichen Mindestlohn erfasst, verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und ist insgesamt unwirksam, wenn der Arbeitsvertrag nach dem 31.12.2014 geschlossen wurde (BAG 18.09.2018 – 9 AZR 162/19 – NZA 2018, S. 1619 ff.).

Vorliegend ist aber ein Rechtsverhältnis betroffen, dessen Inhalt durch einen Arbeitsvertrag geregelt wird, der vor dem 01.01.2015 geschlossen wurde. Es handelt sich somit um einen „Altvertrag“. Dass in § 12 des Arbeitsvertrags Ansprüche nach dem MiLoG nicht ausgenommen worden sind, führt dementsprechend nicht zur Unwirksamkeit der streitgegenständlichen, vertraglichen Regelung.

2.  Die Beklagte ist auch berechtigt, sich auf den Verfall von Urlaubsansprüchen zu berufen. Der Inhalt der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH 06.11.2018 – C-684/11 – NZA 2018, S. 1474 ff.) führt insbesondere nicht dazu, anzunehmen, die Beklagte dürfe sich nicht mehr auf die Wirksamkeit der Regelung berufen, selbst wenn sie ihren Informationspflichten im Arbeitsverhältnis ggf. nicht hinreichend nachgekommen ist.

Im Ausgangspunkt ist hierzu zunächst festzuhalten, dass die vorgenannte Rechtsprechung dazu führen kann, dass im Fall einer nicht hinreichenden Information des Arbeitgebers ein Verfall von Ansprüchen nach § 7 Abs. 3 Satz 2 und 3 BUrlG gerade nicht eintritt. Ausschlussfristen greifen wegen der Regelung in § 13 BUrlG nicht. Hieran anknüpfend fragt es sich, was im beendeten Arbeitsverhältnis im Hinblick auf Abgeltungsansprüche gelten soll und ob es unter Zugrundelegung der zitierten Rechtsprechung bei einer Anwendung von Verfallfristen bleiben kann, wenn der Arbeitgeber seinen Informationspflichten gerade nicht nachgekommen ist.

Die Kammer gelangte vorliegend zur Anwendung bzw. zur Wirksamkeit der individualvertraglichen Verfallfrist. Zunächst ist festzuhalten, dass Ausschlussfristen, sofern sie in rechtmäßiger Weise eine Geltendmachung von Ansprüchen nicht unangemessen erschweren, dem Arbeitnehmer hinreichend Zeit belassen, Ansprüche gegenüber dem ehemaligen Vertragspartner geltend zu machen. Ausschlussfristen dienen dem Rechtsfrieden und sollen Rechtssicherheit schaffen. Verdeutlicht man sich dies, führt dies zur Erkenntnis, dass bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein besonderes Bedürfnis beider Parteien besteht, eine zeitnahe Abwicklung des Rechtsverhältnisses zu erzielen, um so eine rechtssichere Trennung zu vollziehen. Dies zugrunde gelegt, erscheint es nach Auffassung der Kammer auch unter Berücksichtigung der vorgenannten Rechtsprechung nicht zwingend, anzunehmen, arbeitsvertragliche Ausschlussfristen könnten bei Urlaubsabgeltungsansprüchen keine Anwendung mehr finden, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bezüglich der abzugeltenden Ansprüche nicht hinreichend informiert hat. Letztendlich kann der vorgenannten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nicht entnommen werden, dass eine „uferlose“ Fortgeltung von Abgeltungsansprüchen eintreten muss, sofern die Arbeitgeberseite ihren Informationspflichten nicht nachgekommen ist (so auch Bayreuther, NZA 2019, S. 945, 947; wohl auch Mehrens/Witschen, EuZA 2019, S. 326, 348 f.). Es konnte daher auch offen bleiben, ob und inwieweit die Beklagte den Kläger hinsichtlich des Jahresurlaubs für das Jahr 2017 hinreichend informiert hat bzw. eine solche Verpflichtung überhaupt bestand.

II.

1.  Die Kostenentscheidung der Kammer beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1. Der unterliegende Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits in vollem Umfang zu tragen.

2.  Der Streitwert war gem. § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen. Hierbei hat die Kammer die Zahlbeträge des Leistungsantrags zugrunde gelegt.

 

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