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Urlaubsanspruch im öffentlichen Dienst

ArbG Hamburg –  Az.: 25 Ca 335/13 – Urteil vom 28.01.2014

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 1.545,36 festgesetzt.

4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Frage, ob sich der Urlaubsanspruch des Klägers nach einer 4- oder einer 5-Tage-Woche bemisst.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Angestellter im Polizeidienst (AiP) im Objektschutz der Dienststelle XY zu einer monatlichen Bruttovergütung in Höhe von ca. 2.750,00 € beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TV-L Anwendung.

Bei der Beklagten besteht ein Personalrat.

Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Klägers beträgt 38,5 Stunden. Der Kläger arbeitet im Wechselschichtdienst. Grundlage der Dienstplanung des Klägers ist die Dienstvereinbarung zwischen der Beklagten und dem Personalrat über die Dienstzeitregelung für Angestellte im Polizei- und Wachdienst im Objektschutz bei … vom 09.07.2010 (im Folgenden: X, Anlage B1 1, S. 24 ff.). Danach umfasst ein Dienstplan jeweils vier Wochen und eine feste Abfolge von Schichten. Die Schichten weisen eine Arbeitszeit zwischen 8 und 12,75 Stunden, überwiegend 10 Stunden, auf. Um zu vermeiden, dass Überstunden aufgebaut werden, sind gem. Ziff. 2 der Dienstvereinbarung Freischichten zu planen. Hierbei sind die Wünsche der Mitarbeiter im Rahmen der dienstlichen Notwendigkeiten und eines angemessenen Interessenausgleichs zwischen den Beschäftigten zu berücksichtigen. Auf die Dienstvereinbarung wird Bezug genommen.

Für Urlaubszeiträume wurden von den Mitarbeitern in der Vergangenheit keine Freischichtenwünsche in die Planung eingebracht, so dass alle Schichten des Grunddienstplanes als geleistete Dienste angerechnet wurden. Dies hatte zur Folge, dass ein Mitarbeiter in einem vierwöchigen Urlaub 36,25 Überstunden erzielte. Seit Frühjahr 2012 wurde diese Verfahrensweise durch eine Arbeitsanweisung abgeändert. Die Arbeitsanweisung lautet auszugsweise:

„Bei Abwesenheiten wie der Urlaubsgewährung oder Krankheit oder Kur usw. dürfen keine Mehr- oder Minderstunden entstehen. Das bedeutet, dass auch Krankheitstage oder Kurtage entsprechend der Schichtenvorplanung zu berücksichtigen sind….“

Die Freischichten werden daher bei der Beklagten auch während des Urlaubs oder davor und danach verplant.

Der Kläger war in 2011 zu 192 Diensten eingeteilt, wobei zu berücksichtigen ist, dass er vier Wochen im August und vier Wochen im September 2011 erkrankt war und er sich zu dieser Zeit außerhalb der Entgeltfortzahlung befand. Im Jahr 2012 war der Kläger zu 205 Diensten eingeteilt. Bei Schichten, die nach Mitternacht enden, berechnete die Beklagte als Arbeitstag nur den Tag, an dem die jeweilige Schicht beginnt. Bei der Urlaubsplanung müssen die Mitarbeiter nur an diesem Tag Urlaub nehmen. Der Tag, an dem die Schicht endet, gilt als frei.

Mit seiner am 01. Juli 2013 bei Gericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass sich der Urlaubsanspruch des Klägers nach einer 5-Tage-Woche bemisst.

Der Kläger trägt vor, die Parteien hätten vertraglich festgelegt, dass ihm 30 Tage Erholungs- und zusätzliche 6 Tage Zusatzurlaub für Wechselschichten zustehen sollen. Dies ergäbe sich insbesondere aus dem Schreiben der Beklagten vom 25.09.2008, in welchem dem Kläger bestätigt wird, dass ihm für das Jahr 2009 ein Urlaubsanspruch von 30 Tagen zusteht. Eine einvernehmliche Abänderung sei zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Auch habe die Beklagte ihm in den Jahren 2009 bis 2011 stets 30 Tage Erholungsurlaub gewährt.

Der Urlaubsanspruch des Klägers bemesse sich nach einer 5-Tage-Woche, da er voll- und nicht teilschichtig arbeite. Freischichttage, an denen der Kläger zu arbeiten hätte, seien als Arbeitstage zu berücksichtigen, da diese ihren Grund allein darin hätten, dass die gesetzlichen Regelungen zur Höchstarbeitszeit nicht verletzt werden. Ferner sei der Kläger bei einer Nachtschicht an zwei Arbeitstagen tätig, da der erste Arbeitstag generell um 24.00 Uhr ende und dann der zweite Arbeitstag beginne.

Der Kläger beantragt, festzustellen, dass der Kläger im Kalenderjahr 2012 sowie für das Kalenderjahr 2013 einen Urlaubsanspruch – ohne Zusatzurlaub für Wechselschichtdienst – von jeweils 30 Arbeitstagen hatte.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, dass der Urlaub des Klägers anhand der im Jahr geleisteten Schichten zu bestimmen sei. Freischichten und Feiertage verringerten die Zeiten der Arbeitspflicht. Da der Kläger an weniger als fünf Tagen pro Woche im Jahresdurchschnitt arbeite, sei der Jahresurlaub gemäß § 26 TV-L anteilig zu kürzen. Zusammen mit den Freischichten komme der Kläger auf sechs Wochen bezahlte Freistellung im Jahr.

Eine individualrechtliche Abweichung vom Tarifvertrag sei nie vereinbart worden. Aus § 2 des Arbeitsvertrages ergäbe sich unmissverständlich, dass das Rechtsverhältnis der Parteien allein durch den TV-L ausgestaltet werden soll.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien, ihrer Beweisantritte und der eingereichten Unterlagen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen (§§ 46 Abs. 2 ArbGG, 313 Abs. 2 ZPO).

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig aber unbegründet.

I.

Der Feststellungsantrag ist zulässig. Er ist der geeignete Weg, um das streitige Rechtsverhältnis der Parteien zu klären. Die Beklagte ist der Ansicht, dem Kläger stehe nur ein Urlaubsanspruch von 24 Tagen zu. Trotz grundsätzlichem Vorrang der Leistungsklage ist die Feststellungsklage hier geeignet, einen weiteren Rechtsstreit über die Gewährung des Urlaubs auch zukünftig zu vermeiden. Ein Feststellungsinteresse des Klägers gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 256 Abs. 1 ZPO ist gegeben.

II.

Der klägerische Antrag ist jedoch unbegründet. Der Kläger hatte 2012 und 2013 keinen Anspruch auf Gewährung von jährlich 30 Urlaubstagen (ausschließlich des Urlaubs für den Wechselschichtdienst). Die Kammer folgt nach eigener Prüfung den überzeugenden Ausführungen des Arbeitsgerichts Hamburg aus den Entscheidungen vom 22.08.2013 (23 Ca 267/12) und vom 25.09.2013 (27 Ca 135/13).

1. Entgegen der Auffassung des Klägers besteht kein vom TV-L abweichender individualvertraglicher Anspruch auf Gewährung von 30 Tagen Erholungsurlaub. Der Arbeitsvertrag vom 25.09.2008 (Anl. K 1, Bl. 4 f. d.A.) enthält keine eigenständige Urlaubsregelung. Vielmehr haben die Vertragsparteien in § 2 des Vertrages festgelegt, dass das Arbeitsverhältnis durch eine dynamische Bezugnahme auf den TV-L ausgestaltet werden soll.

Auch das Schreiben der Beklagten vom 25.09.2008 (Anl. K 2, Bl. 7 d.A.) kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass hierdurch ein eigenständiger, von § 26 TV-L abweichender Urlaubsanspruch begründet werden soll. Mit dieser Einstellungsverfügung informierte die Beklagte den Kläger lediglich, welche Eingruppierung und welchen Urlaubsanspruch für das Jahr 2009 sich aus der Vollziehung des TV-L für den Kläger ergeben.

Ferner kann aus der Tatsache, dass dem Kläger in den Jahren 2009 bis 2011 stets 30 Tage Erholungsurlaub gewährt wurde, nicht entnommen werden, dass die Beklagte einen vom Tarifvertrag abweichenden individualrechtlichen Urlaubsanspruch gewähren will. Der an Recht und Gesetz gebundene öffentliche Arbeitgeber ist gehalten, bei der Vereinbarung von Arbeitsverträgen die Bedingungen des Tarifrechts als Richtschnur zu beachten und demgemäß auch die Rechte des Arbeitnehmers nicht günstiger als tariflich vorgesehen zu gestalten ( so schon: BAG v. 6. 3. 1984 – 3 AZR 340/80, NZA 1984, S. 256). Daher ist im öffentlichen Dienst davon auszugehen, dass im Zweifel nur die tariflich vorgeschriebenen Leistungen erbracht werden sollen. Der Arbeitnehmer muss damit rechnen, dass eine fehlerhafte Rechtsanwendung korrigiert wird (vgl. BAG v. 9. 12. 1981 – 4 AZR 312/79, BAG v. 9. 7. 1985 – 1 AZR 631/80).

2. Gemäß § 26 TV-L konnte der Kläger für die Jahre 2012 und 2013 nur je 24 Tage Erholungsurlaub beanspruchen. In der genannten Vorschrift klärten die Tarifvertragsparteien, wie der Urlaub bei verschiedenen Arbeitszeitmodellen zu berechnen und zu gewähren ist. Geregelt ist in § 26 S. 2 TV-L zunächst der Grundfall einer 5-Tage-Woche. Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr 30 Arbeitstage. Gem. § 26 S. 2 TV-L sind Arbeitstage alle Kalendertage, an denen die Beschäftigten dienstplanmäßig oder betriebsüblich zu arbeiten haben oder zu arbeiten hätten, mit Ausnahme der auf Arbeitstage fallenden gesetzlichen Feiertage, für die kein Freizeitausgleich gewährt wird. Bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch entsprechend, § 26 S. 4 TV-L. Diese Regelung gewährleistet den Arbeitnehmern einen zum Grundmodell gleichwertigen Urlaub.

Bei der Berechnung der Anzahl der Arbeitstage sind die Freischichttage nicht als Arbeitstage zu berücksichtigen. Nach Ziff. 2 der … sind zur Vermeidung von Überstunden Freischichten zu planen. Freischichttage haben damit den Zweck, trotz täglicher oder wöchentlicher Überschreitung der tariflich regelmäßigen Arbeitszeit im Verteilzeitraum die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit zu wahren. Freischichttage sind Wochentage, an denen ein Arbeitnehmer wegen der Verteilung der Arbeitszeit auf Arbeitsschichten nicht zur Arbeit verpflichtet ist. Sie sind keine Arbeitstage. Sie verringern deshalb rechnerisch die Anzahl der in einem Jahr möglichen Tage mit Arbeitspflicht (vgl. BAG vom 9.9.2003, 9 AZR 468/02, zitiert nach Juris).

Danach gilt für den Urlaubsanspruch des Klägers folgende Umrechnung:

Vorgeschriebene Urlaubstage/Jahr x Jahresarbeitstage

_____________________________________________

= Urlaubstage/Jahr

mögliche Jahresarbeitstage/Jahr der Bezugsgruppe

Im Jahr 2012 hatte der Kläger 205 abzuleistende Arbeitstage/Schichten. Die Zahl der möglichen Arbeitstage pro Jahr beträgt 261 (52 x 5 + 1). Daraus ergibt sich nach der oben angegebenen Formel ein Urlaubsanspruch von 24 Tagen im Jahr.

(30 x 205) / 261 = 23,56, aufgerundet 24 (vgl. BAG vom 05.11.2002, 9 AZR 470/01, zitiert nach Juris).

Die vorstehende Berechnung bezieht sich auf das Jahr 2012. Für das Jahr 2013 gilt jedoch nichts Abweichendes, da der Kläger nicht vorgetragen hat, dass er 2013 an durchschnittlich mehr Arbeitstagen pro Jahr gearbeitet hat als im Jahr 2012.

Entgegen der Auffassung des Klägers waren vorliegend nur die Tage als Arbeitstage zu berücksichtigen, an denen die jeweilige Schicht begann. Nicht als Arbeitstag zu berücksichtigen war der Folgetag, an dem die Schicht endete, weil bei der Urlaubsplanung die jeweiligen Folgetage als freie Tage gelten und die Arbeitnehmer für diese Tage keinen Urlaubstag in Anspruch nehmen müssen.

Die Anzahl von Urlaubstagen ist auch geeignet, dem Kläger bei zusammenhängender Urlaubsgewährung unter Berücksichtigung seines Schichtplanes eine auf Wochen bezogene Freistellung zu ermöglichen, die der Urlaubsgewährung im Rahmen einer 5-Tage-Woche unter Berücksichtigung der besonderen Schwierigkeiten der Urlaubsberechnung bei Schichtarbeit gleichwertig ist. So ergeben die 30 Urlaubstage des in der regelmäßigen 5-Tage-Woche tätigen Arbeitnehmers eine Urlaubsdauer von sechs Wochen. Die 24 Urlaubstage ergeben – ausgehend von einer 4-Tage-Woche – ebenfalls eine Urlaubsdauer von 6 Wochen. Zu den 24 Urlaubstagen kommen die Freischichttage von durchschnittlich einem Tag in der Woche hinzu, so dass die Urlaubsdauer des Klägers je nach Lage der Freischichttage während des Urlaubszeitraums in der Regel sechs Wochen nicht unterschreitet. Denn während der Freischichttage wird kein Urlaub gewährt, da der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung schuldet und somit eine Befreiung von der Arbeitspflicht durch Urlaub nicht möglich ist.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen, da er unterlegen ist (§§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 ZPO).

Der Wert des im Urteil festzusetzenden Streitgegenstandes beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG, § 3 ZPO. Dem Kläger geht es mit dem Antrag in der Sache um die Feststellung, dass er aus den Jahren 2012 und 2013 noch Anspruch auf jeweils 6 Urlaubstage hat. Ausgehend von einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 3,94 Tagen pro Woche ergibt sich ein Urlaubsentgelt von insgesamt 1933,00 €. Wegen des Feststellungsantrages hat die Kammer einen Abschlag von 20 % vorgenommen.

Die Berufung war nicht gesondert zuzulassen, soweit der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 € nicht übersteigt, da keiner der in § 64 Abs. 3 ArbGG abschließend aufgezählten Zulassungsgründe gegeben ist (§ 64 Abs. 2 lit. a), b) ArbGG).

 

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