Übersicht:
- Urlaubsgewährung im Fokus: Wichtige Entscheidungen zur Freistellungserklärung
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche formalen Anforderungen muss eine Freistellungserklärung für Urlaub erfüllen?
- Wie unterscheidet sich Urlaub rechtlich von anderen Freistellungen wie Überstundenausgleich?
- Wer muss im Streitfall beweisen, dass Urlaub gewährt wurde?
- Welche Rechte haben Arbeitnehmer bei nicht gewährtem Urlaub?
- Wie wird die Höhe der Urlaubsabgeltung berechnet?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
- Datum: 19.03.2024
- Aktenzeichen: 5 Sa 68/23
- Verfahrensart: Berufungsverfahren bezüglich der Abgeltung von Urlaub
- Rechtsbereiche: Arbeitsrecht, Urlaubsrecht
Beteiligte Parteien:
- Klägerin: Die Schwester von Herrn A., die das Arbeitsverhältnis durch einen Betriebsübergang übernommen hat. Sie argumentierte, dass der Urlaubsanspruch des Beklagten sowohl durch gewährte Urlaubstage als auch durch die Auszahlung von Überstunden vollständig erfüllt sei.
- Beklagter: Ehemaliger Angestellter von Herrn A. Der Beklagte machte geltend, dass ihm noch Ansprüche auf Urlaubsabgeltung zustehen, da ihm kein Urlaub gewährt wurde und er während seiner Anstellung erhebliche Überstunden leistete.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Beklagte war von März 1989 bis Juni 2022 im Barbershop des Bruders der Klägerin angestellt und machte nach dem Betriebsübergang sowie Beendigung seines Arbeitsverhältnisses Ansprüche auf Überstundenvergütung und Urlaubsabgeltung geltend, da er diese seiner Meinung nach nicht erhalten hatte.
- Kern des Rechtsstreits: Der Kern des Rechtsstreits war, ob der Beklagte über den gewährten Urlaub hinausgehende Urlaubsabgeltung und Überstundenvergütung verlangen kann, da diese Ansprüche aus seiner Sicht nicht erfüllt wurden.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Berufung der Klägerin wurde zurückgewiesen. Der Beklagte hat Anspruch auf Abgeltung von 30 Urlaubstagen.
- Begründung: Die Klägerin konnte nicht beweisen, dass die an den Beklagten gewährte Freistellung als Urlaub zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs gedacht war. Eine klare Freistellungserklärung fehlte, die dem Beklagten eindeutig hätte erkennen lassen, dass diese Freistellungen dem Zweck der Urlaubsgewährung dienten.
- Folgen: Die Entscheidung bestätigte den Anspruch des Beklagten auf Urlaubsabgeltung. Die Klägerin muss diese entsprechend der Entscheidung des Arbeitsgerichts zahlen. Eine Revision des Urteils wurde nicht zugelassen.
Urlaubsgewährung im Fokus: Wichtige Entscheidungen zur Freistellungserklärung
Das Thema Urlaubsgewährung spielt eine zentrale Rolle im Arbeitsrecht und betrifft jeden Arbeitnehmer, der Anspruch auf Urlaubstage hat. Geld und Gesundheit stehen oft auf dem Spiel, wenn es um die richtige Handhabung von Urlaubsanträgen und die Genehmigung von Urlaub geht. Die rechtlichen Grundlagen für Urlaub sind im Urlaubsgesetz und verschiedenen betrieblichen Regelungen festgelegt, die sicherstellen, dass Arbeitnehmer ihre Rechte auf Erholung und Lohnfortzahlung im Urlaub wahrnehmen können.
Besonders wichtig ist die Freistellungserklärung, die jedem Urlaubstag vorausgeht. Diese Erklärung ist entscheidend für die offizielle Genehmigung des Urlaubs und kann im Falle von Konflikten wie Kündigungsschutz und Resturlaub von Bedeutung sein. Im folgenden Abschnitt wird ein konkreter Fall vorgestellt, der die Anforderungen an die Freistellungserklärung und deren Einfluss auf die Urlaubsplanung im Unternehmen näher beleuchtet.
Der Fall vor Gericht
Urlaubsansprüche erfordern eindeutige Freistellungserklärung des Arbeitgebers
Ein Friseur aus Mecklenburg-Vorpommern erhält nach einem Urteil des Landesarbeitsgerichts eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 1.178,40 Euro für nicht genommenen Urlaub. Das Gericht stellte klar, dass zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs eine eindeutige Freistellungserklärung des Arbeitgebers erforderlich ist.
Streit um Urlaub nach Arbeitgeberwechsel
Der 1989 geborene Friseur arbeitete seit November 2020 in einem Barbershop mit einer 24-Stunden-Woche bei einem monatlichen Bruttogehalt von zunächst 1.000 Euro, später 1.020 Euro. Zum 1. Januar 2022 ging das Arbeitsverhältnis durch Betriebsübergang auf die Schwester des ursprünglichen Arbeitgebers über. Nach der Kündigung des Arbeitnehmers zum 30. Juni 2022 entstand ein Streit über nicht gewährten Urlaub.
Anforderungen an die Urlaubsgewährung
Das Gericht betonte in seiner Begründung, dass eine bloße Freistellung von der Arbeit nicht automatisch als Urlaubsgewährung zu verstehen sei. Der Arbeitgeber müsse unmissverständlich erklären, dass die Freistellung zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs erfolge. Dabei müssen Beginn und Ende des Urlaubs klar festgelegt werden, damit der Arbeitnehmer die Freizeit selbstbestimmt nutzen kann.
Beweislast liegt beim Arbeitgeber
Im konkreten Fall konnte die Arbeitgeberin nicht nachweisen, dass sie eine entsprechende Freistellungserklärung abgegeben hatte. Zwar behauptete sie, der Mitarbeiter habe an bestimmten Tagen frei gehabt, doch fehlte es an einer dokumentierten Erklärung, die diese Tage eindeutig als Urlaub kennzeichnete. Da der Arbeitnehmer regelmäßig Überstunden leistete und ein Arbeitszeitkonto geführt wurde, konnten die freien Tage auch dem Überstundenausgleich gedient haben.
Getrennte Behandlung von Urlaub und Überstunden
Eine spätere Zahlung von 875,47 Euro wurde ausdrücklich als Überstundenvergütung gekennzeichnet und konnte nicht nachträglich als Urlaubsabgeltung umgedeutet werden. Das Gericht stellte fest, dass eine Urlaubsabgeltung üblicherweise gesondert in der Lohnabrechnung ausgewiesen wird. Auch ein Gespräch zwischen dem Arbeitnehmer und dem ehemaligen Arbeitgeber, bei dem Urlaubstage und ein möglicher Abgeltungsbetrag von 375 Euro diskutiert wurden, führte zu keiner anderen rechtlichen Bewertung.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil betont, dass zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs eine eindeutige Freistellungserklärung des Arbeitgebers erforderlich ist, die dem Arbeitnehmer auch klar als Urlaubsgewährung erkennbar sein muss. Der Arbeitgeber trägt im Streitfall die Beweislast dafür, dass eine solche Freistellungserklärung erfolgt und dem Arbeitnehmer zugegangen ist. Besonders bei Arbeitnehmern mit regelmäßigen Überstunden und einem Arbeitszeitkonto muss klar erkennbar sein, ob eine Freistellung der Urlaubsgewährung oder dem Überstundenabbau dient.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Als Arbeitnehmer haben Sie das Recht auf eine klare und eindeutige Kommunikation, wenn Ihr Arbeitgeber Ihnen Urlaub gewährt – eine bloße Freistellung von der Arbeit reicht nicht aus. Achten Sie darauf, dass Ihr Arbeitgeber ausdrücklich mitteilt, dass es sich um Urlaub handelt, besonders wenn Sie regelmäßig Überstunden leisten. Dokumentieren Sie schriftlich, wann Ihnen Urlaub gewährt wurde und bewahren Sie diese Nachweise auf. Bei Unstimmigkeiten über gewährten Urlaub liegt die Beweislast beim Arbeitgeber – er muss nachweisen können, dass er Ihnen eindeutig Urlaub gewährt hat.
Urlaub – Recht auf Erholung
Die Gewährung von Urlaubsansprüchen ist ein wichtiger Bestandteil des Arbeitsrechts und erfordert eine klare Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Gerade bei der Abgrenzung von Freistellung, Überstundenabbau und Urlaubstagen können Unsicherheiten entstehen. Um Ihre Rechte als Arbeitnehmer zu wahren und Missverständnisse zu vermeiden, ist es ratsam, die rechtlichen Rahmenbedingungen genau zu kennen und die Kommunikation mit Ihrem Arbeitgeber sorgfältig zu dokumentieren. Wir unterstützen Sie gerne dabei, Ihre Ansprüche im Arbeitsrecht durchzusetzen und rechtliche Klarheit zu schaffen.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche formalen Anforderungen muss eine Freistellungserklärung für Urlaub erfüllen?
Eine wirksame Freistellungserklärung für Urlaub muss bestimmte formale Anforderungen erfüllen, damit der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers tatsächlich erfüllt wird. Folgende Punkte sind dabei zu beachten:
Eindeutigkeit der Erklärung
Die Freistellungserklärung muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs von der Arbeitspflicht freistellt. Eine bloße Mitteilung, dass der Arbeitnehmer zu Hause bleiben oder von der Arbeitspflicht entbunden sei, reicht nicht aus. Wenn Sie als Arbeitnehmer eine solche Erklärung erhalten, sollten Sie genau prüfen, ob tatsächlich Urlaub gewährt wird.
Festlegung des Urlaubszeitraums
Der Arbeitgeber muss in der Freistellungserklärung Beginn und Ende des Urlaubs festlegen. Dies ist wichtig, damit Sie als Arbeitnehmer die Ihnen zustehende Freizeit uneingeschränkt und selbstbestimmt nutzen können. Beachten Sie: Eine tagegenaue Bezeichnung des Urlaubszeitraums ist nicht zwingend erforderlich, solange der Zeitraum klar erkennbar ist.
Unwiderruflichkeit der Freistellung
Für eine wirksame Urlaubsgewährung muss die Freistellung unwiderruflich erklärt werden. Nur so können Sie sicher sein, dass Sie während des Urlaubs nicht zur Arbeit zurückgerufen werden. Eine widerrufliche Freistellung erfüllt den Urlaubsanspruch nicht, da Sie in diesem Fall jederzeit mit einer Rückkehr zur Arbeit rechnen müssten.
Schriftform nicht zwingend, aber empfehlenswert
Obwohl das Gesetz keine bestimmte Form für die Freistellungserklärung vorschreibt, ist aus Beweisgründen eine schriftliche oder elektronische Dokumentation ratsam. Wenn Sie eine mündliche Freistellungserklärung erhalten, sollten Sie diese schriftlich bestätigen lassen, um spätere Missverständnisse zu vermeiden.
Besonderheiten bei Anrechnung anderweitigen Verdienstes
Wenn der Arbeitgeber in der Freistellungserklärung auch die Anrechnung anderweitigen Verdienstes regeln möchte, gelten strengere Anforderungen. In diesem Fall muss der Urlaubszeitraum taggenau bezeichnet werden. Dies ist wichtig für Sie als Arbeitnehmer, da Sie so genau wissen, an welchen Tagen Sie Urlaub haben und an welchen Tagen eine sonstige Freistellung vorliegt.
Beachten Sie, dass eine fehlerhafte Freistellungserklärung dazu führen kann, dass Ihr Urlaubsanspruch nicht erfüllt wird und am Ende der Kündigungsfrist in einen Urlaubsabgeltungsanspruch umgewandelt wird. Es lohnt sich daher, die Erklärung Ihres Arbeitgebers genau zu prüfen und im Zweifelsfall nachzufragen.
Wie unterscheidet sich Urlaub rechtlich von anderen Freistellungen wie Überstundenausgleich?
Urlaub und andere Freistellungen wie Überstundenausgleich unterscheiden sich rechtlich in mehreren wesentlichen Punkten:
Rechtliche Grundlage und Zweck
Urlaub ist gesetzlich im Bundesurlaubsgesetz verankert und dient primär der Erholung des Arbeitnehmers. Er ist ein gesetzlicher Anspruch, den jeder Arbeitnehmer hat. Der Überstundenausgleich hingegen basiert auf arbeits- oder tarifvertraglichen Vereinbarungen und dient dem Ausgleich von geleisteter Mehrarbeit.
Anspruch und Gewährung
Wenn Sie Urlaub beantragen, hat Ihr Arbeitgeber diesen zu gewähren, sofern keine dringenden betrieblichen Gründe dagegensprechen. Bei der Gewährung von Freizeitausgleich für Überstunden liegt es grundsätzlich im Ermessen des Arbeitgebers, wann dieser gewährt wird. Der Arbeitgeber kann sogar laufenden Überstundenabbau verlangen, um eine zu große Anhäufung zu vermeiden.
Widerruflichkeit
Ein bereits genehmigter Urlaub kann in der Regel nicht mehr widerrufen werden. Im Gegensatz dazu kann ein geplanter Freizeitausgleich für Überstunden jederzeit widerrufen werden. Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Reise für den Zeitraum des Überstundenabbaus gebucht – dies könnte für Sie mit finanziellen Einbußen verbunden sein, wenn der Arbeitgeber den Freizeitausgleich kurzfristig widerruft.
Krankheit während der Freistellung
Erkranken Sie während Ihres Urlaubs, werden Ihnen bei korrekter Krankmeldung die Krankheitstage als Urlaubstage gutgeschrieben. Sie können diese Tage zu einem späteren Zeitpunkt nachholen. Bei einer Erkrankung während des Überstundenausgleichs gilt dies nicht. Die durch Krankheit „verlorenen“ Freizeitausgleichstage können nicht nachgeholt werden.
Anrechnung und Vergütung
Urlaub muss vom Arbeitgeber vergütet werden. Das Urlaubsentgelt ist vor Antritt des Urlaubs auszuzahlen. Bei einer Freistellung zum Überstundenabbau erfolgt keine zusätzliche Vergütung, da die geleisteten Überstunden bereits durch die Freistellung abgegolten werden.
Anforderungen an die Erklärung des Arbeitgebers
Für die Gewährung von Urlaub muss der Arbeitgeber eine klare und unwiderrufliche Freistellungserklärung abgeben. Diese muss deutlich machen, dass es sich um Urlaub handelt und nicht um eine anderweitige Freistellung. Bei der Freistellung zum Überstundenabbau sind die Anforderungen weniger streng, da hier das Weisungsrecht des Arbeitgebers greift.
Beachten Sie: Die korrekte Unterscheidung zwischen Urlaub und anderen Freistellungsarten ist wichtig für Ihre Rechte als Arbeitnehmer. Im Zweifelsfall sollten Sie sich die Art der Freistellung schriftlich bestätigen lassen, um spätere Missverständnisse zu vermeiden.
Wer muss im Streitfall beweisen, dass Urlaub gewährt wurde?
Im Streitfall trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass er dem Arbeitnehmer den gesetzlich zustehenden Urlaub gewährt hat. Dies bedeutet, dass Sie als Arbeitnehmer in einer günstigen Position sind, wenn es zu einer Auseinandersetzung über nicht genommenen Urlaub kommt.
Dokumentationspflicht des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, über den gesetzlichen Urlaub seiner Mitarbeiter Buch zu führen. Diese Dokumentationspflicht dient dazu, im Streitfall nachweisen zu können, dass der Urlaub tatsächlich gewährt wurde. Wenn Sie also der Meinung sind, dass Ihnen Urlaub vorenthalten wurde, muss Ihr Arbeitgeber anhand seiner Aufzeichnungen das Gegenteil beweisen.
Anforderungen an die Urlaubsgewährung
Damit der Arbeitgeber seiner Beweispflicht nachkommen kann, muss er nicht nur die Urlaubstage dokumentieren, sondern auch nachweisen, dass er Sie aktiv zur Urlaubsnahme aufgefordert hat. Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) muss der Arbeitgeber:
- Sie individuell über Ihren konkreten Urlaubsanspruch informieren
- Sie zur Urlaubsnahme auffordern
- Sie klar und rechtzeitig auf den möglichen Verfall des Urlaubs hinweisen
Diese Informationen müssen Ihnen mindestens in Textform, also zum Beispiel per E-Mail, mitgeteilt werden.
Bedeutung für Sie als Arbeitnehmer
Wenn Ihr Arbeitgeber diese Anforderungen nicht erfüllt hat, kann er sich im Streitfall nicht darauf berufen, dass Ihr Urlaubsanspruch verfallen ist. Das bedeutet für Sie: Sollten Sie der Meinung sein, dass Ihnen noch Urlaub zusteht, haben Sie gute Chancen, diesen durchzusetzen, wenn Ihr Arbeitgeber die oben genannten Schritte nicht nachweisen kann.
Freistellungserklärung als Nachweis
Eine wichtige Form des Nachweises für den Arbeitgeber ist die Freistellungserklärung. Dabei handelt es sich um eine eindeutige Erklärung des Arbeitgebers, dass er Sie für einen bestimmten Zeitraum von der Arbeitspflicht befreit. Eine pauschale Berufung auf Betriebsferien reicht hierfür nicht aus. Wenn Sie also während vermeintlicher Betriebsferien tatsächlich gearbeitet haben, kann Ihr Arbeitgeber dies nicht als gewährten Urlaub anrechnen.
Beachten Sie: Auch wenn die Beweislast beim Arbeitgeber liegt, ist es ratsam, dass Sie selbst Ihre Urlaubstage dokumentieren. Dies kann Ihnen helfen, im Streitfall Ihre Position zu stärken und eventuelle Unstimmigkeiten schnell aufzuklären.
Welche Rechte haben Arbeitnehmer bei nicht gewährtem Urlaub?
Arbeitnehmer haben bei nicht gewährtem Urlaub mehrere Rechte und Handlungsmöglichkeiten:
Schadensersatzanspruch
Wenn Sie als Arbeitnehmer Ihren Urlaub rechtzeitig beantragt haben und dieser ohne triftige Gründe abgelehnt wurde, können Sie einen Schadensersatzanspruch geltend machen. Dieser Anspruch entsteht, wenn der Urlaub aufgrund der Ablehnung verfällt. Der Schadensersatz kann in Form von Ersatzurlaub gewährt werden, solange das Arbeitsverhältnis noch besteht.
Urlaubsabgeltung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Endet Ihr Arbeitsverhältnis und Sie haben noch offene Urlaubsansprüche, wandelt sich der Anspruch auf Freistellung in einen Anspruch auf finanzielle Abgeltung um. Dies gilt auch für Urlaub, der über mehrere Jahre angesammelt wurde, wenn der Arbeitgeber die Urlaubsgewährung verhindert hat.
Klage vor dem Arbeitsgericht
Sollten alle Versuche, den Urlaub gütlich mit dem Arbeitgeber zu regeln, scheitern, haben Sie als Arbeitnehmer das Recht, Ihren Urlaubsanspruch vor dem Arbeitsgericht einzuklagen. Beachten Sie jedoch, dass dieser Schritt das Arbeitsverhältnis möglicherweise belastet.
Unterstützung durch den Betriebsrat
In Unternehmen mit Betriebsrat können Sie sich an diesen wenden. Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht bei Urlaubsfragen und kann vermittelnd zwischen Ihnen und dem Arbeitgeber eingreifen.
Dokumentation und Nachweis
Es ist wichtig, dass Sie als Arbeitnehmer Ihre Urlaubsanträge und die Kommunikation mit dem Arbeitgeber sorgfältig dokumentieren. Dies kann Ihnen helfen, Ihre Ansprüche später durchzusetzen, falls es zu Streitigkeiten kommt.
Hinweispflicht des Arbeitgebers
Seit einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Jahr 2018 müssen Arbeitgeber ihre Mitarbeiter aktiv auf bestehende Urlaubsansprüche hinweisen und zur Inanspruchnahme auffordern. Versäumt der Arbeitgeber dies, können Ihre Urlaubsansprüche unter Umständen nicht verfallen und ins nächste Jahr übertragen werden.
Wenn Sie sich in einer Situation befinden, in der Ihr Urlaub nicht gewährt wurde, ist es ratsam, zunächst das Gespräch mit Ihrem Arbeitgeber zu suchen und auf Ihre gesetzlichen Rechte hinzuweisen. Oft lassen sich Konflikte durch klare Kommunikation und gegenseitiges Verständnis lösen, ohne rechtliche Schritte einleiten zu müssen.
Wie wird die Höhe der Urlaubsabgeltung berechnet?
Die Höhe der Urlaubsabgeltung orientiert sich am durchschnittlichen Arbeitsverdienst der letzten 13 Wochen vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Wert eines einzelnen Urlaubstages entspricht dabei dem durchschnittlichen Tagesverdienst.
Grundformel für die Berechnung
Bruttogehalt × 3 : 13 : Arbeitstage pro Woche
Diese Berechnung erfolgt in drei Schritten:
- Ermittlung des Quartalsgehalts (3 Monate Bruttogehalt)
- Division durch 13 (Wochen pro Quartal)
- Division durch die Anzahl der Arbeitstage pro Woche
Besonderheiten bei der Berechnung
Bei der Berechnung des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes werden alle regelmäßigen Entgeltbestandteile berücksichtigt. Zusätzlich gezahlte Überstunden bleiben bei der Berechnung außen vor.
Teilzeitbeschäftigung
Wenn Sie in Teilzeit arbeiten, wird die Urlaubsabgeltung entsprechend angepasst. Bei einer Drei-Tage-Woche beträgt der Urlaubsanspruch beispielsweise 18 Tage, wenn Vollzeitbeschäftigte 30 Tage erhalten.
Auf- und Abrundung von Urlaubstagen
Ergeben sich bei der Berechnung Bruchteile von mindestens einem halben Tag, wird auf einen vollen Urlaubstag aufgerundet. Kleinere Bruchteile werden entsprechend ihrem Umfang abgegolten.
Freistellung und Urlaubsabgeltung
Bei einer widerruflichen Freistellung besteht Anspruch auf Urlaubsabgeltung, da keine echte Erholungsmöglichkeit besteht. Bei einer unwiderruflichen Freistellung kann der Arbeitgeber die Urlaubsansprüche auf die Freistellungszeit anrechnen.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Freistellungserklärung
Eine formelle Erklärung des Arbeitgebers, mit der ein Arbeitnehmer von seiner Arbeitspflicht befreit wird. Im Kontext des Urlaubsrechts muss diese explizit als Urlaubsgewährung gekennzeichnet sein und Beginn sowie Ende des Urlaubs klar festlegen (§ 7 Bundesurlaubsgesetz). Eine bloße arbeitsfreie Zeit ohne konkrete Zweckbestimmung als Urlaub reicht nicht aus. Beispiel: „Hiermit gewähre ich Ihnen Urlaub vom 1.8. bis 15.8.2023“ ist eine korrekte Freistellungserklärung, während „Sie können nächste Woche zuhause bleiben“ nicht ausreicht.
Urlaubsabgeltung
Eine finanzielle Ausgleichszahlung für nicht genommenen Urlaub, die am Ende des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden muss (§ 7 Abs. 4 BUrlG). Sie entspricht dem regulären Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer während des Urlaubs erhalten hätte. Die Abgeltung tritt an die Stelle des nicht mehr realisierbaren Urlaubsanspruchs. Beispiel: Bei einem Monatsgehalt von 3.000 Euro und 10 offenen Urlaubstagen beträgt die Urlaubsabgeltung circa 1.400 Euro (3.000 € / 21 Arbeitstage × 10 Urlaubstage).
Betriebsübergang
Der rechtliche Übergang eines Betriebs oder Betriebsteils auf einen neuen Inhaber (§ 613a BGB). Dabei werden alle bestehenden Arbeitsverhältnisse automatisch mit allen Rechten und Pflichten auf den neuen Betriebsinhaber übertragen. Die Arbeitnehmer behalten ihre erworbenen Ansprüche, einschließlich Urlaubsansprüchen. Beispiel: Wenn ein Restaurant verkauft wird, arbeiten die Angestellten automatisch zu den gleichen Bedingungen für den neuen Eigentümer weiter.
Arbeitszeitkonto
Ein betriebliches System zur Erfassung von Mehr- oder Minderarbeitszeiten eines Arbeitnehmers. Es dokumentiert die Differenz zwischen der vereinbarten Regelarbeitszeit und der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit. Überstunden werden gutgeschrieben und können später durch Freizeit ausgeglichen werden. Die Führung eines Arbeitszeitkontos muss vertraglich oder durch Betriebsvereinbarung geregelt sein. Beispiel: Ein Mitarbeiter arbeitet montags 2 Stunden länger und kann dafür freitags 2 Stunden früher gehen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 7 Abs. 4 BUrlG (Bundesurlaubsgesetz):
Urlaub, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommen werden kann, ist finanziell abzugelten. Der Anspruch des Arbeitnehmers besteht unabhängig von den Gründen der Kündigung und ist explizit geregelt. Dies soll sicherstellen, dass der Arbeitnehmer für nicht gewährte Freizeit einen angemessenen Ausgleich erhält.
Im Fall des Beklagten ergibt sich der Anspruch auf Abgeltung von 30 Tagen Urlaub, da nachgewiesen wurde, dass dieser während der Beschäftigung keinen Urlaub erhalten hat und keine rechtswirksame Freistellungserklärung vorlag. - § 362 Abs. 1 BGB (Erfüllung):
Ein Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung bewirkt wird. Im Kontext von Urlaubsansprüchen bedeutet dies, dass eine eindeutige Freistellungserklärung durch den Arbeitgeber erforderlich ist, damit der Urlaub als erfüllt gilt. Ohne diese Erklärung bleibt der Anspruch bestehen.
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin keine solche eindeutige Freistellungserklärung erbracht, weshalb die Urlaubsansprüche des Beklagten nicht erloschen sind. - § 133 BGB (Auslegung von Willenserklärungen):
Willenserklärungen sind nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen. Im Fall der Freistellungserklärung muss für den Arbeitnehmer klar und verständlich sein, dass diese der Erfüllung des Urlaubsanspruchs dient.
Die Klägerin hat keine nachweisbare Erklärung abgegeben, aus der hervorgeht, dass die gewährten freien Tage eindeutig als Urlaub zu verstehen waren, was die Ansprüche des Beklagten unberührt lässt. - § 291 BGB i.V.m. § 288 Abs. 1 BGB (Verzugszinsen):
Im Falle eines Verzugs schuldet der Schuldner Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Dies gilt auch für Ansprüche aus Arbeitsverhältnissen wie die Urlaubsabgeltung.
Der Beklagte hat ab Rechtshängigkeit des Verfahrens einen Anspruch auf Verzugszinsen, da die Klägerin die Zahlung der Urlaubsabgeltung verweigerte. - BAG-Rechtsprechung (Urteile vom 10.02.2015, 20.08.2019):
Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stellt klar, dass eine Freistellung nur dann den Urlaubsanspruch erfüllt, wenn der Arbeitnehmer unmissverständlich erkennen kann, dass die Freistellung zur Urlaubsgewährung dient. Diese Voraussetzung ist zwingend erforderlich, um Missverständnisse oder anderweitige Interpretationen zu verhindern.
Da die Klägerin keine solche eindeutige Kommunikation nachweisen konnte, bleibt der Urlaubsanspruch des Beklagten bestehen.
Das vorliegende Urteil
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern – Az.: 5 Sa 68/23 – Urteil vom 19.03.2024
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