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Vergleichsmehrwert für eine Feststellungsvereinbarung

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein – Az.: 5 Ta 122/12 – Beschluss vom 30.07.2012

Auf die sofortige Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers wird der Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Neumünster vom 02.05.2012, Az. 1 Ca 102 c/12, in der Fassung des Abhilfebeschlusses vom 04.07.2012, teilweise abgeändert und der Mehrwert des Vergleichs auf insgesamt € 161.125,13 festgesetzt.

Gründe

I.

Im Beschwerdeverfahren wendet sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegen die Festsetzung des sogenannten Vergleichsmehrwertes für die Berechnung der anwaltlichen Gebühren.

In dem Hauptsacheverfahren führten die Parteien einen Kündigungsschutzprozess über eine ordentliche Kündigung vom 19.01.2012 zum 30.09.2012; zudem begehrte der Kläger die Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Anschluss des Kündigungsschutzverfahrens. Der durchschnittliche Monatsverdienst des Klägers betrug € 9.403,77 brutto. Der Kläger war wegen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bereits vor Ausspruch der Kündigung widerruflich von der Arbeitsleistung freigestellt worden. Nachdem das Ermittlungsverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden war, forderte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 18.10.2011 auf, die Arbeit am 31.10.2011 wieder anzutreten. Der Kläger kam dieser Aufforderung solange nach, bis der Rechtsstreit durch von den Parteien ausgehandelten Prozessvergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO am 16.02.2012 erledigt wurde. Der Prozessvergleich hat u. a. folgenden Inhalt:

„1. Das Anstellungsverhältnis endet aufgrund der ordentlichen, fristgerechten Kündigung der Beklagten vom 19.01.2012, zugegangen am 23.10.2012, mit Wirkung zum 31.12.2014.

2. Der Kläger wird mit sofortiger Wirkung unter Anrechnung sämtlicher etwaiger Resturlaubs- bzw. Freizeitausgleichsansprüche sowie sämtlicher etwaiger abzugeltender Überstunden von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Auch während der Freistellung finden § 615 S. 2 BGB (Anrechnung anderweitigen Verdienstes) unter Berücksichtigung der Anrechnungsregelung der Ziff. 4.4 und §§ 60 f. HGB (Wettbewerbsverbot) Anwendung. Die Pflichten der Beklagten zur Entgeltfortzahlung werden durch die Freistellung nicht erweitert. Melde- und Nachweispflichten bestehen im Fall der Arbeitsunfähigkeit unverändert fort.

2. Für Nebentätigkeiten im Freistellungszeitraum gilt § 3 Abs. 3 TvöD in seiner jeweils geltenden Fassung. Die Beklagte ist insbesondere berechtigt, Nebentätigkeiten, die entsprechend § 60 HBG unzulässig sind, zu untersagen.

3. Das Anstellungsverhältnis wird bis zum Beendigungszeitpunkt ordnungsgemäß von beiden Seiten unter Berücksichtigung der Regelungen dieser Vereinbarung durchgeführt und abgerechnet. Die folgenden Regelungen zur Vergütung lösen mit Wirkung ab dem 01.01.2012 die zuvor vereinbarten Regelungen ab.

…“

Nach Anhörung der Parteien und Parteivertreter hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 02.05.2012 den für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren maßgebenden Wert auf € 37.615,08 festgesetzt und bestimmt, dass der Wert des Vergleichs diesen Betrag um € 44.760,83 übersteigt.

Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 16.05.2012 beim Arbeitsgericht sofortige Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, dass der Vergleichsmehrwert in Höhe von insgesamt € 161.125,13 festzusetzen sei. In Ziff. 2 des Vergleichs hätten die Parteien rückständige Vergütungsansprüche über € 34.344,83 aus dem Jahr 2010 und über € 46.848,25 aus dem Jahr 2011 mitverglichen. Zudem habe das Arbeitsgericht nicht berücksichtigt, dass ein zusätzlicher Mehrwert für die im Prozessvergleich vereinbarte Freistellung in Höhe von € 79.932,05 (25 % der Vergütung während des Freistellungszeitraums) zu veranschlagen sei.

Mit Beschluss vom 04.07.2012 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde teilweise abgeholfen und den Vergleichsmehrwert nunmehr auf € 81.193,08 festgesetzt und im Übrigen die sofortige Beschwerde dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG i. V. m. § 32 Abs. 1 RVG, 68 Abs. 1 Satz 1 GKG zulässig. Insbesondere ist sie dem Beschwerdewert nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt.

Auch in der Sache selbst hat die sofortige Beschwerde Erfolg.

1. Das Arbeitsgericht hat den Wert des Streitgegenstandes für den Kündigungsschutzantrag sowie den Weiterbeschäftigungsantrag zutreffend in Höhe von insgesamt € 37.615,08 festgesetzt.

2. Indessen hat der Beschwerdeführer Anspruch darauf, dass der Vergleichsmehrwert in Höhe von insgesamt € 161.125,13 festzusetzen ist.

a) Voraussetzung für die Erhöhung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit durch eine in einem Prozessvergleich getroffene Regelung (sog. Mehrvergleich) ist zunächst, dass durch diese Regelung der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird (LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 12.11.2010 – 5 Ta 168/10 -; LAG Baden-Württemberg Beschl. v. 10.02.2010 – 5 Ta 22/10 -; LAG Rheinland-Pfalz Beschl. v. 21.10.2009 – 1 Ta 241/09 sowie Beschl. v. 06.08.2007 – 1 Ta 181/01 -; jeweils bei Juris).

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze setzt sich der festzusetzende Vergleichsmehrwert zum einen aus den mitverglichenen rückständigen und strittigen Vergütungsansprüchen des Klägers aus den Jahren 2010 und 2011 in Höhe von insgesamt € 81.193,08 (aa) sowie aus der strittigen Freistellung für den Zeitraum der bei Abschluss des Prozessvergleichs noch laufenden Kündigungsfrist (bb) zusammen.

aa) Der Klägervertreter hat unbestritten und detailreich mit Schriftsatz vom 20.03.2012 und damit unwiderlegt vorgetragen, dass noch rückständige und höchst streitige Provisions- und Mehrarbeitsvergütungsansprüche sowie Freizeitausgleichs- und Urlaubsabgeltungsansprüche in Höhe von 34.344,83 brutto aus dem Jahr 2010 und € 46.848,25 aus dem Jahr 2011, mithin insgesamt € 81.193,08, offen waren. Diese rückständigen und streitigen Zahlungsansprüche sind durch die Anrechnungsklausel in Ziff. 2 des Vergleichs mitverglichen worden.

bb) Gemessen an den Grundsätzen für die Festsetzung eines Mehrvergleichs haben die Parteien mit der hier in Rede stehenden Freistellungsklausel die ungeklärte und damit strittige Vertragsdurchführung während des durch den Vergleich verlängerten Kündigungszeitraums umfassend geregelt. Mit der in Ziff. 2 des Vergleichs geregelten Freistellung des Klägers während des Laufs der verlängerten Kündigungsfrist haben die Parteien zugleich die in Ziff. 1 des Vergleichs vereinbarte befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und die sich daraus ergebenden Vertragskonditionen neu geregelt. Die Freistellungsklausel in Ziff. 2 des Vergleichs wurde durch die Regelungen in Ziff. 3 und 8 des Vergleichs noch ergänzt. Zudem enthält Ziff. 4 des Vergleichs eine detaillierte und von den bisherigen Regelungen abweichende Vergütungsvereinbarung für die von Januar 2012 bis Dezember 2014 währende Kündigungsfrist. Die Parteien haben mithin nicht nur im Rahmen der Vergleichsverhandlungen im Wege des gegenseitigen Nachgebens eine Freistellung unter Fortzahlung der regulären Vergütung vereinbart, sondern die wechselseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis für die Zeit der verlängerten Kündigungsfrist völlig neu geregelt. Zudem ergibt sich aus der außergerichtlichen Korrespondenz, dass die Frage einer vertragsgerechten Beschäftigung bzw. der Freistellung des Klägers zentrale Bedeutung im Rahmen der Vergleichsverhandlungen hatte. Insoweit ist vorliegend auch ein Mehrvergleich für die Freistellungsklausel festzusetzen.

Regelt die unwiderrufliche Freistellungsabrede ausnahmsweise eine vom Kündigungsrechtsstreit unabhängige und eigenständige Streitfrage, kann ihr Wert (Freizeitgewinn für den Arbeitnehmer) nur mit einem Bruchteil der hierauf entfallenden Vergütung angesetzt werden. Zutreffend weist der Klägervertreter darauf hin, dass der Vergleichsmehrwert in der Regel mit 25 % der auf den unwiderruflichen Freistellungszeitraum entfallenden Vergütung zu bewerten ist (LAG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 08.12.2004 – 8 Ta 163/04 -; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 08.03.2007 – 6 Ta 67/07 -; Sächsisches LAG, Beschl. v. 19.03.2007 – 4 Ta 28/07 -, LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 12.11.2010 – 5 Ta 168/10 -, zit. n. Juris). Der hier in Rede stehende Freistellungszeitraum von März 2012 bis zum 31.12.2014 beträgt 34 Monate. Die hierauf entfallende Gesamtvergütung wird sich – gemessen am Durchschnittsverdienst – auf € 319.728,18 belaufen. Der Vergleichsmehrwert für die Freistellung beträgt mithin € 79.932,05.

3. Nach alldem war der Beschwerde stattzugeben.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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