Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30. Januar 2023 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen gemäß Arbeitsvertrag vom 15. Oktober 2015 als Mitarbeiter im technischen Service weiter zu beschäftigen.
Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.800,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, einen Weiterbeschäftigungsanspruch sowie einen seitens der Beklagten gestellten Auflösungsantrag.
Der am xx.xx.1972 geborene, ledige Kläger ist seit 15. Oktober 2015 bei der Beklagten auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 15. Oktober 2015, wegen dessen Inhalts im Einzelnen auf Bl. 20 ff. d. A. Bezug genommen wird, als Mitarbeiter im technischen Service im Rahmen einer 40-Stunden-Woche bei einem Bruttomonatsentgelt von knapp 2.200 € beschäftigt.
Der Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50.
Im Betrieb der Beklagten sind regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt. Es existiert eine elektronische Arbeitszeiterfassung.
In der Zeit vom 18. Mai 2021 bis zum 30. Oktober 2022 war der Kläger durchgehend arbeitsunfähig erkrankt.
Während der Arbeitsunfähigkeit des Klägers sprach die Beklagte unter dem Datum des 25. November 2021 eine auf betriebsbedingte Gründe gestützte Kündigung seines Arbeitsverhältnisses aus. Die Kündigung wurde dann seitens der Beklagten im Hinblick auf die fehlerhaft durchgeführte Sozialauswahl vor einer Entscheidung des Arbeitsgerichts im Rahmen der vom Kläger gegen die Kündigung erhobenen Kündigungsschutzklage (7 Ca 251/21) im Kammertermin am 4. Mai 2022 zurückgenommen. Die Parteien verständigten sich darauf, dass die Beklagte aus der Kündigung keine Rechte mehr herleitete und das Arbeitsverhältnis ungekündigt fortbestand.
Mit Schreiben vom 17. Juni 2022 (Bl. 93 ff. d. A.) bot die Beklagte dem Kläger die Führung eines Gesprächs im Rahmen eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) an und bat ihn um Rückmeldung bis zum 24. Juni 2022, ob er ein derartiges Gespräch wünsche. Der Kläger ließ daraufhin am 23. Juni 2022 durch seine Gewerkschaft mitteilen, dass zunächst noch eine Terminabsprache für das Erstgespräch in Absprache mit dem Arzt erfolgen müsse. Grundsätzlich sei der Kläger mit der Durchführung des BEM einverstanden. Dieses könne nur derzeit nicht stattfinden.
Mit Schreiben vom 19. September 2022 (Bl. 103 d. A.) teilte der Kläger mit, dass er eine Wiedereingliederung beantrage und das BEM-Gespräch am 26. September 2022 im Zuge der Wiedereingliederung stattfinden solle.
Am 26. September 2022 erschien der Kläger gemeinsam mit der Gewerk-schaftssekretärin Frau A bei der Beklagten in der Annahme, dass das BEM, wie vom Kläger vorgeschlagen, an diesem Tag durchgeführt werden könne. Der Beklagten war es jedoch aufgrund der Kurzfristigkeit nicht möglich gewesen, das BEM mit allen Wunschteilnehmern des Klägers in so kurzer Zeit zu organisieren. Nach Rücksprache mit Frau A entschied sich der Kläger dazu, die Wiedereingliederung nicht anzutreten und zunächst das BEM abzuwarten. Dazu wurde noch der neue Arbeitsplatz des Klägers besichtigt. Von Seiten Frau A gab es hier keine Einwände.
Am 28. September 2022 erfolgte dann eine weitere Einladung zu einem BEM. Der Gesprächstermin wurde auf den 21. Oktober 2022 festgelegt. Das Gespräch fand auch an diesem Tag statt.
Am 1. November 2022 erschien der Kläger bei der Beklagten mit dem Hinweis, er sei nicht mehr krankgeschrieben. Es fand ein Gespräch hinsichtlich des weiteren Einsatzes des Klägers mit dem Geschäftsführer der Beklagten, Herrn B, statt, dessen genauer Inhalt zwischen den Parteien streitig ist.
Anschließend nahm der Kläger seine Tätigkeit auf dem neuen, ihm seitens der Beklagten zugewiesenen Arbeitsplatz auf. An diesem sind unter anderem manuelle Montagetätigkeiten durchzuführen, die eine uneingeschränkte feinmotorische Tätigkeit voraussetzen, und sog. Foams aufzuarbeiten/zu kleben. Bereits kurz nach Arbeitsaufnahme wurden bei dem Kläger, der u.a. unter Arthrose leidet, die Finger dick, was er der Vorarbeiterin C zeigte.
Der Kläger war der Auffassung, der ihm zugewiesene Arbeitsplatz sei nicht leidensgerecht und werde seinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht gerecht. Er führte vor diesem Hintergrund im November 2022 vom Betrieb aus während seiner eigentlichen Arbeitszeit mehrere Telefonate mit dem Integrationsfachdienst, Frau D, und der Gewerkschaftssekretärin Frau A. Unter anderem telefonierte er insofern am 2. November 2022. Der Kläger versuchte, über die Gewerkschaft und den Integrationsfachdienst eine Einigung über den nunmehr zu erfolgenden Arbeitseinsatz zu erreichen. Zwei der vom Kläger geführten Telefonate erfolgten im Beisein der Personalleiterin Frau E. Jedenfalls anlässlich eines dieser Telefonate sprach auch die Personalleiterin Frau E einmal mit der Gewerkschaftssekretärin Frau A. Dabei ging es darum, dass der Kläger eine ihm vorgelegte Tätigkeitsbeschreibung nicht unterzeichnen wollte.
Mit Schreiben vom 8. November 2022, wegen dessen Inhalts im Einzelnen auf Bl. 34 d. A. Bezug genommen wird, erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung. In dem Abmahnschreiben hieß es auszugsweise wie folgt:
„Sehr geehrter Herr F,
leider mussten wir feststellen, dass Sie gegen Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen haben. Konkret werfen wir Ihnen folgendes Fehlverhalten vor:
Am Mittwoch, den 02.11.2022, haben Sie ihren Arbeitsplatz verlassen, um ein privates Telefonat zu führen. Dieses Telefonat dauerte von ca. 9:20 Uhr bis 9:40 Uhr. Dies kann von dem Produktionsleiter, Herrn G, bestätigt werden. Leider mussten wir feststellen, dass Sie nicht ausgestempelt haben, d.h. das Telefonat während der Arbeitszeit geführt haben.
Wir haben Sie darauf hinzuweisen, dass Sie durch ihr Verhalten gegen Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen haben. Zunächst ist anzumerken, dass Privattelefonate während der Arbeitszeit grundsätzlich nicht erlaubt sind. Nur in Ausnahmefällen, z.B. familiären Notsituationen, ist die private Handynutzung genehmigt. Sie haben ein Privattelefonat geführt, obwohl eine Notsituation nicht erkennbar ist und auch nicht mitgeteilt wurde. Des Weiteren haben Sie für die Dauer des Telefonates nicht abgestempelt. Wir mahnen Sie wegen dieses Fehlverhaltens hiermit ausdrücklich ab und weisen darauf hin, dass Sie im Wiederholungsfalle mit einer Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses rechnen müssen….“
Nach Erhalt der Abmahnung führte der Kläger weitere Telefonate mit dem Integrationsfachdienst und/oder der Gewerkschaftssekretärin während der eigentlichen Arbeitszeit.
Mit E-Mail vom 14. November 2022, wegen deren Inhalts im Einzelnen auf Bl. 71 d. A. Bezug genommen wird, wandte sich die Gewerkschaftssekretärin Frau A an den Geschäftsführer der Beklagten Herrn B. Sie führte aus, Herr F, der Kläger, habe unter Vorbehalt ab 1. November 2022 die Tätigkeiten Ausführung von Reinigungsprozessen und Aufbereitung von Foams, Durchführung von Reinigungsprozessen und Aufbereitung von Foams nach vorgeschriebenen Prozeduren, Dokumentation, Einlagerung von gefertigten Foams im Regal nach Vorgaben, Kenntnisse des QM-Handbuchs aufgenommen. Die vertraglich geschuldeten und konkretisierten Tätigkeiten seien: Final Test/Ladegeräte Test; Vor Test Monitore/Holder Download/Software Update Training/Test Failed Bearbeitung; Testerraum/Final Test/Pflege der Datenbank/Final Packaging. Die Beklagte werde aufgefordert, bis zum 25. November 2022 zu erklären, dass sie den Kläger vertragsgemäß einsetze.
Am 22. November 2022 wurde dem Kläger durch die Personalleiterin Frau E eine andere Tätigkeit in der gleichen Betriebsabteilung zugewiesen. Der Kläger weigerte sich, diese Tätigkeiten auszuführen.
Am 23. November 2022 wurde dem Kläger durch seinen Vorgesetzten, Herrn G, eine andere Tätigkeit ebenfalls in der gleichen Abteilung zugewiesenen. Auch hier weigerte sich der Kläger, die Arbeit vorzunehmen. Er wurde daraufhin mehrfach aufgefordert, die zugewiesene Arbeit zu erledigen. Der Kläger verweigerte dies. Er blieb dann einfach an seinem Arbeitsplatz sitzen, ohne weiter zu arbeiten. Daraufhin wurde ihm mitgeteilt, dass man sein Verhalten als beharrliche Arbeitsverweigerung werte, und er wurde gebeten, den Arbeitsplatz zu verlassen. Dieser Weisung kam der Kläger nach.
Mit Schreiben vom 25. November 2022 (Bl. 72 d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, sein Resturlaub belaufe sich aktuell auf 56 Urlaubstage. Man weise ihn an, den Resturlaub ab Montag, den 28. November 2022, bis einschließlich zum 14. Februar 2023 zu nehmen.
Ebenfalls mit Schreiben vom 25. November 2022, wegen dessen Inhalts im Einzelnen auf Bl. 42 ff. d. A. Bezug genommen wird, beantragte die Beklagte bei dem Landeswohlfahrtsverband Hessen (Integrationsamt) die Zustimmung zu einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung des Klägers wegen wiederholter Privattelefonate während der Arbeitszeit trotz Abmahnung sowie wegen Arbeitsverweigerung.
Der Kläger wandte sich am 25. November 2022 mit einer E-Mail an alle Kolleginnen und Kollegen des Unternehmens. Dort führte er unter anderem aus:
„Wie ihr mitbekommen habt, bin ich wieder da und der Kampf geht weiter. Wahrheit und Recht sind hier leider einseitig Auslegungssache aber dennoch ist aufgeben keine Option für mich. …“
Wegen des Inhalts der E-Mail im Übrigen wird auf Bl. 108 d. A. Bezug genommen. Hintergrund der E-Mail war, dass der Kläger, nachdem die Inanspruchnahme des Resturlaubs angeordnet worden war, die Kolleginnen und Kollegen über den Stand der betrieblichen Gespräche informieren wollte. Hierbei ging es darum, dass der Kläger im Begriff war, einen Betriebsrat zu gründen. Der E-Mail war ein Anhang beigefügt. Dort war ein Link zur Gewerkschaft H zur Thematik „Arbeitnehmer Interessenvertretung“ enthalten.
Der Beklagten liegt seit 28. November 2022 eine arbeitsmedizinische Stellungnahme des Werksarztes I vom selben Tag vor, wegen deren Inhalts im Einzelnen auf Blatt 73 d. A. Bezug genommen wird. Darin heißt es unter anderem, bei dem Kläger bestünden chronische und akute Gesundheitsstörungen, die seine Arbeitsleistung voraussichtlich dauerhaft einschränkten. Er sei in Vollzeit einsetzbar für leichte bis punktuell mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung von Stehen, Gehen und Sitzen. Das negative Leistungsbild stelle sich wie folgt dar: Keine körperlich schweren Arbeiten, keine Lasthandhabung in Zwangshaltung mit Körperdrehung sowie Rumpfbeugung, keine Arbeiten und Haltetätigkeiten über Schulterhöhe, keine manuellen Montagearbeiten, die eine uneingeschränkte feinmotorische Fähigkeit voraussetzen, keine häufig repetitiven Arbeiten unter Zeitdruck; Zugluft, Kälte, Lärm und Nässe seien zu vermeiden. Keine Expositionen von Lösemitteln und Reizgasen am Arbeitsplatz.
Mit weiterem Schreiben der Beklagten an den Landeswohlfahrtsverband (Integrationsamt) vom 22. Dezember 2022, wegen dessen Inhalts im Einzelnen auf Bl. 105 d. A. Bezug genommen wird, führte sie unter anderem aus, sie habe unter Berücksichtigung der arbeitsmedizinischen Stellungnahme vom 28. November 2022 im Unternehmen untersucht, ob insoweit ein leidensgerechter Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden könne. Trotz intensiver Bemühungen sei die Beklagte zu dem Ergebnis gekommen, dass dem Kläger ein leidensgerechter Arbeitsplatz nicht angeboten werden könne. Vor diesem Hintergrund bestünden starke Zweifel daran, ob der Kläger in Zukunft seine arbeitsvertraglichen Pflichten überhaupt noch erfüllen könne. Dem Zustimmungsantrag sei deshalb auch unter diesem Gesichtspunkt stattzugeben.
Mit Bescheid vom 26. Januar 2023, wegen dessen Inhalts im Einzelnen auf Bl. 46 ff. d. A. Bezug genommen wird, erteilte der Landeswohlfahrtsverband Hessen (Integrationsamt) die Zustimmung zu einer verhaltensbedingten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers.
Mit Schreiben vom 30. Januar 2023 (Bl. 11 d. A.), dem Kläger am selben Tag zugegangen, kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis zum 31. März 2023, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
Mit seiner am 17. Februar 2023 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 22. Februar 2023 zugestellten Klage wendet der Kläger sich gegen diese Kündigung.
Der Kläger ist der Auffassung, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt.
Er behauptet, als er am 1. November 2022 zur Arbeitsaufnahme wieder bei der Beklagten erschien und das Gespräch mit dem Geschäftsführer Herrn B führte, habe er aus seiner Sicht keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass er vorrangig seine alte Tätigkeit wieder ausüben wolle. Daraufhin habe Herr B geäußert, entweder sei es eine Arbeitsverweigerung oder die Arbeit werde aufgenommen. Daraufhin habe der Kläger geäußert, dass er dann wenigstens bezahlt freigestellt werden wolle bis zur Klärung des Sachverhalts. Nachdem dies abgelehnt worden sei, habe er die Arbeit aufgenommen.
Die ihm ab 1. November 2022 zugewiesene Tätigkeit sei nicht leidensgerecht. Sie widerspreche der arbeitsmedizinischen Stellungnahme vom 28. November 2022, dies betreffe insbesondere die Ausfertigung von Reinigungsprozessen und die Aufarbeitung von Foams. Dies ergebe sich u.a. daraus, dass der Kläger mit Chlor habe reinigen sollen. Da er unstreitig unter Migräne leidet, sei ihm dies nicht möglich.
Der Kläger behauptet, die im November erfolgten Telefonate mit der Gewerk-schaftssekretärin/dem Integrationsfachdienst seien immer mit Genehmigung von Vorgesetzten erfolgt. Bei seinem ersten Telefonat habe der Kläger Herrn J, die „rechte Hand“ des Abteilungsleiters Herrn G, um Erlaubnis gefragt. Dieser habe das Telefonat genehmigt. Der Kläger ist der Ansicht, es habe sich im Übrigen nicht um Privattelefonate gehandelt. Vielmehr seien diese Telefonate, da es unstreitig immer um den konkreten Arbeitseinsatz im Betrieb ging, betrieblich veranlasst gewesen. Der Kläger habe, da er sowohl Frau D vom Integrationsfachdienst als auch Frau A nur zu normalen Bürozeiten habe erreichen können, natürlich telefonieren müssen. Dem Kläger sei auch nicht zumutbar gewesen, bis zur nächsten Pause zu warten. Er habe sich, so behauptet er, jeweils in emotionalen Ausnahmezuständen befunden, weil ihm nicht leidensgerechte Tätigkeiten zugewiesen worden seien. Er habe sich in einer Drucksituation gefühlt, in der er weder ein noch aus gewusst habe. Er habe im Interesse seiner Gesundheit tätig werden müssen. Insofern habe er sich auch in einer „Notsituation“ im Sinne des Abmahnungsschreibens befunden, in der auch ein Privattelefonat zulässig gewesen wäre.
Der Kläger behauptet, zunächst habe er von einer Vorrichtung zum Abstempeln nichts gewusst. Bei einem Telefonat sei Herr G vorbeigekommen. Er habe den Kläger rausgeschickt und gemeint, dass er abstempeln müsse. Daraufhin sei der Kläger für ca. 5 Minuten auf dem Außengelände gewesen und habe auch abgestempelt.
Der Kläger behauptet, hinsichtlich der ihm am 22. November 2022 durch die Personalleiterin zugewiesenen anderen Tätigkeiten sei ihm mitgeteilt worden, dass dies ein Reinigen mit Chlor sei. Hierzu habe der Kläger mitgeteilt, dass betriebsbekannt sei, dass er unter Migräne leide. Es sei bekannt, dass durch die Dämpfe und chemischen Stoffe dieses verstärkt werde. Er ist der Ansicht, von einer beharrlichen Arbeitsverweigerung am 22./23. November 2022 könne deshalb nicht gesprochen werden. Wenn die Beklagte keinen leidensgerechten Arbeitsplatz zur Verfügung stelle, könne der Kläger natürlich auf seine gesundheitliche Situation hinweisen.
Der Kläger behauptet, die Personalleiterin Frau E habe mindestens zweimal mit Frau A von der H telefoniert. Ein drittes Mal habe Frau E nicht mit Frau A sprechen wollen.
Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe ihr Direktionsrecht überschritten. Sie habe die hilflosen Versuche des Klägers, auf seinen Gesundheitszustand hinzuweisen, ignoriert. In diesem Punkt sei sie ihrer Fürsorgepflicht in keiner Weise nachgekommen. Im Gegenteil habe sie den Kläger noch quasi unter Dauerstress gesetzt, indem sie ihm auch noch unterstellte, dass er unerlaubt telefoniert habe.
Unzutreffend sei, so behauptet der Kläger, dass er keinerlei Tätigkeiten bei der Beklagten mehr ausüben könne. Der Kläger könne sehr wohl die geschuldeten Tätigkeiten ausüben. Im Bereich Monitorline benötige man keine Feinmechanik. Dies betreffe die Bereiche Endtest, Finaltest, Monitorline als Tester. Die Tätigkeiten in der Abteilung K könne er auf jeden Fall ausüben.
Es gebe damit weder verhaltens- noch personenbedingte Gründe, die die Kündigung rechtfertigen könnten.
Auch der Auflösungsantrag sei unbegründet.
Der Kläger behauptet, weder er noch seine Prozessbevollmächtigte könnten sich hinsichtlich der von der Beklagten behaupteten Äußerung des Klägers im Gütetermin betreffend der Bezeichnung „Lüge“ oder „Lügner“ an den genauen Wortlaut erinnern. Der Kläger sei jedenfalls nach seinem subjektiven Empfinden davon ausgegangen, dass seine Wahrnehmungen die richtigen seien. Aufgrund des Prozesses und der vorangegangenen Kündigung habe sich der Kläger in einem psychischen, emotionalen Ausnahmezustand befunden.
Betreffend die Nachfrage des Gerichts nach einer gedeihlichen Zusammenarbeit habe der Kläger sinngemäß geäußert: „Ist mir klar, dass ich dann kein gutes Leben habe, aber ich habe nette Kollegen.“ Er habe damit zum Ausdruck bringen wollen, dass es wahrscheinlich zu Beginn des Wiedereinsatzes ein wenig Spannungen zwischen ihm und dem Arbeitgeber gebe. Aber tröstlich für ihn sei es, dass er davon ausgehe, dass die netten Kollegen sich in diesen Konflikt nicht einmischen und er vom Team sozusagen nett empfangen werde. Nicht zutreffend sei die Interpretation der Beklagten, dass der Kläger nur noch wegen der netten Kollegen arbeiten gehen würde. Vielmehr identifiziere der Kläger sich sehr stark mit seinem Unternehmen und wolle den Arbeitsplatz gerne weiter ausfüllen. Eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit sei durchaus zu erwarten.
Der Kläger beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30. Januar 2023 nicht aufgelöst worden ist.
2. Hilfsweise, für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1, die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen gemäß Arbeitsvertrag vom 15. Oktober 2015 als Mitarbeiter im technischen Service weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
1. die Klage abzuweisen.
2. Hilfsweise, für den Fall des Obsiegens des Klägers mit dem Kündigungsschutzantrag, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die aber 8.000 € brutto nicht überschreiten sollte, zum 31. März 2023 aufzulösen.
Der Kläger beantragt, den Auflösungsantrag zurückzuweisen.
Die Beklagte behauptet, in der Zwischenzeit zwischen dem BEM-Gespräch am 21. Oktober 2022 und dem Arbeitsantritt des Klägers am 1. November 2022 hätten zahlreiche Gespräche mit dem Hausarzt und dem Werksarzt stattgefunden. Der Hausarzt habe mitgeteilt, dass die Schilderung der Funktionsdefizite völlig neu und zum Zeitpunkt der Erstellung der Wiedereingliederung nicht bekannt gewesen seien. Der Werksarzt, Herr I, habe den angebotenen Arbeitsplatz nach dem Telefonat als leidensgerecht eingestuft.
Am 1. November 2022, als der Kläger bei der Beklagten erschien, habe er von der Geschäftsleitung eine bezahlte Freistellung gefordert. Der Geschäftsführer der Beklagten, Herr B, habe daraufhin erklärt, dass dies für ihn keine Option sei. Entweder sei der Kläger nicht arbeitsfähig, dann müsse er eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen. Sofern es sich arbeitsfähig fühle, müsse er arbeiten. Daraufhin habe der Kläger erklärt, dass er arbeitsfähig sei und habe seine neue Stelle angetreten.
Nach dem Gespräch am 1. November 2022 habe sich die Beklagte dann noch einmal mit dem Integrationsfachdienst in Verbindung gesetzt, um nachzufragen, ob sie sich als Arbeitgeber korrekt verhalten habe. Dies sei von Frau L vom Integrationsfachdienst bestätigt worden. Gleichzeitig sei noch einmal Kontakt mit dem Werksarzt, Herrn I, aufgenommen worden. Auch dieser habe telefonisch bestätigt, dass nach seinen aktuellen Kenntnissen der angebotene Arbeitsplatz leidensgerecht und für den Kläger akzeptabel sei.
Der Kläger habe, außer unstreitig am 2. November 2022, nach Erteilung der Abmahnung vom 8. November 2022 am 17. November 2022 um 12:30 Uhr, am 22. November 2020 um 10:20 Uhr und am 22. November 2022 um 11:20 Uhr, jeweils wiederum über einen Zeitraum von mehreren Minuten, Telefonate geführt. Auch während dieser Telefonate habe der Kläger, ebenso wie bei dem Telefonat vom 2. November 2022, nicht ausgestempelt. Die Beklagte ist der Ansicht, diese Telefonate, in denen der Kläger unstreitig mit der Gewerkschaftssekretärin bzw. der Mitarbeiterin des Integrationsfachdienstes betreffend seinen Arbeitseinsatz sprach, seien als Privattelefonate einzustufen. Sie behauptet, die Telefonate seien entgegen des Vortrags des Klägers nicht genehmigt gewesen. Sie habe im Übrigen durch Gespräche mit verschiedenen Mitarbeitern Kenntnis davon erhalten, dass in dem kündigungsrelevanten Zeitraum noch zahlreiche private Telefonate geführt worden seien.
Der Arbeitsplatz werde den in der arbeitsmedizinischen Stellungnahme vom 28. November 2022 gestellten Anforderungen, dass keine Exposition von Lösemitteln und Reizgasen am Arbeitsplatz vorliegen dürfe, gerecht, wie eine Arbeitsplatzbegehung gezeigt habe.
Die Beklagte ist der Ansicht, die ausgesprochene Kündigung sei sowohl aus verhaltensbedingten als auch aus personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt.
Der Kläger habe durch die Telefonate mit dem Integrationsfachdienst/der Ge-werkschaftssekretärin Privattelefonate während der Arbeitszeit geführt. Hierdurch habe er seine arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht zur Arbeitsleistung verletzt, da er während der Telefonate seine Pflicht zur Arbeitsleistung nicht erfüllen könne. Indem der Kläger außerdem, wie die Beklagte behauptet, während der Telefonate die Zeiterfassungsanlage nicht bedient, also nicht ausgestempelt habe, liege zugleich ein Arbeitszeitbetrug vor, da der Kläger seine Vergütung für geleistete Arbeit und nicht für das Führen von Privattelefonaten während der Arbeitszeit erhalte. Der Kläger habe durch sein Verhalten gegen eindeutige Weisungen verstoßen. Er habe sich auch nicht in einer Notsituation befunden. Das Telefonat habe in den Pausen stattfinden können, er habe auch ausdrücklich um Genehmigung fragen können und dann nach der Genehmigung das Telefonat führen können, sofern er während dieser Zeit ausgestempelt hätte.
Zudem habe der Kläger durch sein Verhalten am 22./23. November 2022 zweifach beharrlich seine Arbeit verweigert. Die Beklagte ist der Ansicht, die an diesen Tagen erteilten Weisungen hätten sich im Rahmen ihres Direktionsrechts bewegt. Aus Sicht der Beklagten sei die neue Arbeitsstelle auch durchaus leidensgerecht gewesen.
Die Beklagte behauptet ferner, der Kläger sei aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen nicht in der Lage, seine arbeitsvertraglichen Leistungen zu erbringen, worauf die Beklagte die Kündigung auch stützt. Es gebe keinen Arbeitsplatz, bei dem manuelle Montagearbeiten ohne feinmotorische Fähigkeiten durchgeführt werden könnten, wie dies aber, so die Ansicht der Beklagten, nach der arbeitsmedizinischen Stellungnahme vom 28. November 2022 erforderlich sei. Es gebe bei der Beklagten keinen Arbeitsplatz, den der Kläger mit seinen gesundheitlichen Einschränkungen ausfüllen könne. Insbesondere könne der Kläger auch nicht in der Abteilung K eingesetzt werden, da diese spätestens am 3. Quartal 2023 geschlossen werde.
Die Beklagte ist der Ansicht, sie könne sich auch auf diesen Kündigungsgrund berufen, nachdem sie mit Schreiben vom 22. Dezember 2022 unstreitig gegenüber dem Integrationsamt dargelegt hat, dass ein leidensgerechter Arbeitsplatz nicht zur Verfügung stehe und der Kläger aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen künftig seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht erfüllen könne.
Jedenfalls aber sei das Arbeitsverhältnis durch das Gericht gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen, denn in Zukunft sei eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht zu erwarten.
Die Beklagte behauptet, der Kläger habe im Gütetermin am 10. März 2023, nachdem der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die streitgegenständliche Kündigung mündlich begründete, diesen und die im Termin anwesende Personalleiterin Frau E der Lüge bezichtigt bzw. als Lügner dargestellt.
Des Weiteren habe der Kläger im Termin auf Frage der Vorsitzenden, ob er denn noch eine Zukunft und weitere gedeihliche Zusammenarbeit im Unternehmen sehe, dies verneint, aber gleichzeitig darauf hingewiesen, dass er ja noch nette Arbeitskollegen habe. Die Beklagte ist der Ansicht, mit dieser Äußerung bringe der Kläger seine weitere Missachtung gegenüber dem Arbeitgeber zum Ausdruck, indem er klarstelle, dass eine Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber nicht möglich sei, sondern er nur noch zur Arbeit gehe, weil er den einen oder anderen netten Kollegen habe. Es sei offensichtlich, dass unter diesen Umständen eine künftige weitere gedeihliche Zusammenarbeit nicht mehr möglich sei.
Dass der Kläger nach wie vor der Auffassung sei, dass er ständig belogen werde bzw. der Arbeitgeber nicht die Wahrheit sage, ergebe sich im Übrigen aus seiner E-Mail an die Kollegen vom 25. November 2022. Soweit der Kläger darin einen weiteren „Kampf“ ankündige, sei offensichtlich, dass es ihm ausschließlich darum gehe, dem Arbeitgeber das Leben so schwer wie möglich zu machen. Die Beklagte behauptet, er habe gar kein Interesse daran, dass das Arbeitsverhältnis für beide Seiten angemessen fortgeführt werde.
Aufgrund der Persönlichkeit des Klägers und seinem Verhalten in der Vergangenheit sei damit zu rechnen, dass in dem Arbeitsverhältnis zu keinem Zeitpunkt „Ruhe“ einkehren werde. Dies werde jetzt auch noch durch die Einreichung einer völlig überflüssigen Klage und eines ebensolchen Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung betreffend die Erteilung einer Arbeitsbescheinigung bestätigt.
Hinzu komme, dass zwischenzeitlich ein Großteil der Belegschaft gegenüber der Beklagten geäußert habe, dass man nicht mehr mit dem Kläger zusammenarbeiten wolle. Es gebe sogar zahlreiche Mitarbeiter, die geäußert hätten, sie hätten Angst vor dem Kläger.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Der Auflösungsantrag der Beklagten ist unbegründet.
A. Der Klageantrag zu 1 ist begründet, weil das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30. Januar 2023 nicht aufgelöst worden ist. Diese Kündigung ist unwirksam.
Die Kündigung gilt nicht gemäß § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam, denn die Kündigungsschutzklage ist innerhalb der Dreiwochenfrist des § 4 S. 1 KSchG bei Gericht eingegangen und der Beklagten „demnächst“ i.S.v. § 167 ZPO zugestellt worden.
Die Kündigung ist nicht gemäß § 1 Abs. 1 KSchG sozial gerechtfertigt. Soweit sich die Beklagte auf personenbedingte Gründe stützt, steht der Wirksamkeit der Kündigung ferner die fehlende Zustimmung des Integrationsamtes gemäß § 168 SGB IX entgegen.
Die Kündigung ist auf ihre soziale Rechtfertigung hin zu prüfen, da das Arbeitsverhältnis der Parteien, wie von § 1 Abs. 1 KSchG vorausgesetzt, bei Zugang der Kündigung länger als sechs Monate bestand und im Betrieb der Beklagten regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer mit Ausnahme der Auszubildenden beschäftigt sind (§ 23 Abs. 1 KSchG).
I. Die Kündigung ist nicht durch Gründe im Verhalten des Klägers im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG, die seiner Weiterbeschäftigung entgegenstünden, bedingt.
Eine Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers gemäß § 1 Abs. 2 KSchG „bedingt“ und damit sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine Vertragspflichten erheblich – in der Regel schuldhaft – verletzt hat und eine dauerhafte störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die – fristgemäße – Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken (BAG v. 9. Juni 2011 – 2 AZR 284/10, juris). Im Vergleich mit einer fristgemäßen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere Versetzung und Abmahnung in Betracht. Es kommt darauf an, ob dem Kündigenden die Weiterbeschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus aus der Sicht eines objektiven und verständigen Betrachters unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zumutbar ist (BAG v. 19. November 2015 – 2 AZR 217/15, juris). Ein kündigungsrelevantes Verhalten liegt nicht nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer eine Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt hat. Auch die erhebliche Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht kann eine Kündigung sozial rechtfertigen (BAG 28. v. Oktober 2010 – 2 AZR 293/09, juris; BAG v. 10. September 2009 – 2 AZR 257/08, juris).
1. Die Kündigung ist nicht aufgrund einer beharrlichen Weigerung des Klägers am 22. und 23. November 2022, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen, sozial gerechtfertigt.
Zwar ist die beharrliche Weigerung eines Arbeitnehmers, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen, eine schwerwiegende Verletzung der Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis und damit „an sich“ geeignet, jedenfalls eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen (vgl. BAG v. 28. Juni 2018 – 2 AZR 436/17, juris m.w.N.).
Jedoch ergibt sich aus dem Vortrag der für den Kündigungsgrund darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten nicht, dass es zu den arbeitsvertraglichen Pflichten des Klägers gehörte, die ihm am 22. November 2022 von der Personalleiterin zugewiesene „andere Tätigkeit in der gleichen Betriebsabteilung“ und/oder die ihm am 23. November von seinem Vorgesetzten Herrn G zugewiesene „andere Tätigkeit ebenfalls in der gleichen Abteilung“, deren Durchführung er unstreitig jeweils verweigerte, zu übernehmen.
Zwar ist ausweislich § 2 des Arbeitsvertrages vom 15. November 2015 die geschuldete Tätigkeit des Klägers als „Mitarbeiter im technischen Service“ sehr weit umschrieben. Zudem enthält der Arbeitsvertrag in § 2 eine Versetzungsklausel, ausweislich derer die Beklagte sich vorbehielt, dem Kläger andere oder zusätzliche, seiner Vorbildung oder den Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechende zumutbare und gleichwertige Tätigkeiten zu übertragen, wenn dies aus betrieblichen oder in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegenden Gründen geboten erscheint.
Indes fehlt es zum einen vollständig an Vortrag der Beklagten dazu, welche Tätigkeiten dem Kläger am 22. und 23. November 2022 jeweils konkret zugewiesen wurden und dass und warum sich diese Tätigkeiten im Rahmen der arbeitsvertraglichen Regelungen bewegten.
Selbst aber, wenn man zu Gunsten der Beklagten unterstellte, dass es sich auch bei den an diesen Tagen zugewiesenen Tätigkeiten um Tätigkeiten im technischen Service oder sonstige, grundsätzlich von der arbeitsvertraglichen Versetzungsklausel erfasste Tätigkeiten handelte, fehlt es an Vortrag dazu, dass und warum die Zuweisung der Tätigkeiten, auch unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers, billigem Ermessen im Sinne von § 106 S. 1 GewO, 315 Abs. 1 BGB entsprach. An eine Weisung aber, die die Grenzen billigen Ermessens nicht wahrt, ist der Arbeitnehmer nicht gebunden (BAG v. 18. Oktober 2017 – 10 AZR 330/16, juris; BAG v. 28. Juni 2018 – 2 AZR 436/17, juris). Eine solche Weisung muss er nicht befolgen. An das Nichtbefolgen der Weisung kann die Arbeitgeberin keine Sanktionen knüpfen (BAG v. 18. Oktober 2017 – 10 AZR 330/16, juris).
Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalles einzubeziehen. Dem Gericht obliegt nach § 106 GewO, § 315 Abs. 3 S. 1 BGB die Prüfung, ob der Arbeitgeber als Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat. Bei dieser Prüfung kommt es nicht auf die vom Bestimmungsberechtigten angestellten Erwägungen an, sondern darauf, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den gesetzlichen Anforderungen genügt. Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung dieser Grenzen hat der Bestimmungsberechtigte. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle ist der Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hatte (BAG v. 18. Oktober 2017 – 10 AZR 330/16, juris).
Die Beklagte selbst trägt vor, dass es in ihrem Betrieb unter Berücksichtigung der sich aus der arbeitsmedizinischen Stellungnahme vom 28. November 2022 ergebenden gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers keinen Arbeitsplatz gebe, den der Kläger ausfüllen könne. Er sei nicht mehr in der Lage, die vertraglich geschuldete Tätigkeit auszuführen. Die der Stellungnahme zu Grunde liegende Untersuchung datiert vom 24. November 2022. Es bestehen angesichts der zeitlichen Nähe keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers nur einen bzw. zwei Tage vorher, am 22. und 23. November 2022, als er die Durchführung der ihm zugewiesenen Tätigkeiten verweigerte, anders dargestellt hätte. Es muss damit davon ausgegangen werden, dass ihm Tätigkeiten zugewiesen wurden, die er ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht ausüben konnte. Die Zuweisung von Tätigkeiten aber, die der Beschäftigte ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht ausüben kann, entspricht nicht billigem Ermessen. Insofern ist die objektive Lage und nicht der Kenntnisstand der Beklagten zum Zeitpunkt der Ausübung des Direktionsrechts zugrundezulegen, so dass es unerheblich ist, dass die arbeitsmedizinische Stellungnahme der Beklagten zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt war.
Da die Leistungsbestimmung somit billigem Ermessen nicht entsprach, durfte der Kläger die Durchführung der übertragenen Arbeiten verweigern, ohne gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu verstoßen.
2. Die Kündigung ist auch nicht aufgrund vom Kläger während der eigentlichen Arbeitszeit geführter Telefonate mit dem Integrationsfachdienst und der Gewerkschaftssekretärin im November 2022 gerechtfertigt. Insofern kann der Vortrag der Beklagten als richtig unterstellt werden, die Telefonate seien ohne Genehmigung der Vorgesetzten erfolgt und ohne, dass der Kläger hierfür ausgestempelt habe.
Jedenfalls in der konkreten Situation hat der Kläger durch sein Verhalten nicht derart schwerwiegend gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen, dass der Beklagten unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles eine weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar wäre.
Der Kläger führte jedenfalls keine „reinen“ Privattelefonate. Vielmehr telefonierte er, um eine leidensgerechte Beschäftigung bei der Beklagten zu erreichen und seinen konkreten Arbeitseinsatz zu klären. Er war nach ungefähr eineinhalbjähriger Arbeitsunfähigkeit in den Betrieb zurückgekehrt, ihm war dort ein anderer Arbeitsplatz als bislang zugewiesen worden, von dem der Kläger der Auffassung war, dieser schade seiner Gesundheit. Unstreitig geblieben ist, dass bereits nach kurzer Zeit der Tätigkeit seine Finger dick wurden, so dass er nachvollziehbarer Weise Handlungsbedarf sah. Der Kläger wäre, wie bereits oben ausgeführt, berechtigt gewesen, eine nicht leidensgerechte ihm zugewiesene Tätigkeit gänzlich zu verweigern. Wenn er dies nicht tut, sondern grundsätzlich der Tätigkeit nachkommt, aber gleichzeitig während der Arbeitszeit versucht, eine Klärung herbeizuführen und eine leidensgerechte Beschäftigung zu erreichen, so ist dies als ein von berechtigter Wahrnehmung seiner Interessen getragenes Verhalten anzusehen. Berücksichtigt man gleichzeitig, dass der Kläger bereits seit über sieben Jahren dem Betrieb angehörte, ohne dass ersichtlich und von der Beklagten substantiiert dargelegt worden wäre, dass es in der Vergangenheit zu vergleichbarem Fehlverhalten gekommen wäre, insbesondere zum Führen von Privattelefonaten während der Arbeitszeit, so stand zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 30. Januar 2023 nicht zu erwarten, dass der Kläger das Führen von Privattelefonaten während der Arbeitszeit in Zukunft fortsetzen und insofern mit einer Wiederholung zu rechnen sei, jedenfalls, nachdem ihm eine leidensgerechte Tätigkeit zur Verfügung gestellt sein würde. Es handelte sich um eine Ausnahmesituation. Dieser Umstand sowie das für den Arbeitsmarkt nicht ganz unproblematische Alter des Klägers und insbesondere seine Schwerbehinderung und die vorhandenen gesundheitlichen Einschränkungen führen dazu, dass das Interesse des Klägers am Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse der Beklagten an dessen Beendigung überwiegt. Dies gilt insbesondere auch, da nicht ersichtlich ist, dass die Beklagte ihrer Verpflichtung nach § 167 Abs. 1 SGB IX, beim Eintreten unter anderem von verhaltens- und personenbedingten Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis möglichst frühzeitig unter anderem das Integrationsamt einzuschalten, um alle Möglichkeiten und zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden und das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann, zum Kündigungszeitpunkt ausgeschöpft hatte. Insbesondere nach Vorliegen der arbeitsmedizinischen Stellungnahme vom 28. November 2022 und der daraus ersichtlichen gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers, die offenbar zuvor im Rahmen des Gesprächs zum betrieblichen Eingliederungsmanagement noch nicht vollständig bekannt waren, sind weitere Bemühungen der Beklagten zur Beseitigung der Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis nicht ersichtlich. Gegen ein überwiegendes Beendigungsinteresse der Beklagten spricht auch, dass sie selbst vorträgt, dass die Telefonate dem Kläger genehmigt worden wären, sofern er dies bei seinem Vorgesetzten beantragt hätte. Dies zeigt, dass auch die Beklagte letztlich die Notwendigkeit zur Führung entsprechender Telefonate sieht. Der bloße Akt der Nichtbeantragung der Genehmigung und des unterbliebenen Abstempelns in einer emotionalen und gesundheitlichen Ausnahmesituation stellt sicherlich eine Pflichtverletzung dar, aber nicht eine derart schwerwiegende, die dazu führen könnte, dass das Beendigungsinteresse der Beklagten hier überwöge.
II. Die Kündigung ist auch nicht aus personenbedingten Gründen im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt.
Die Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung, die auf fehlende Eignung des Arbeitnehmers zur Erbringung der arbeitsvertraglichen Leistungen aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen gestützt wird, ist in drei Stufen vorzunehmen. Zunächst – erste Stufe – ist eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustandes des erkrankten Arbeitnehmers erforderlich. Bezogen auf den Kündigungszeitpunkt und die bisher ausgeübte Tätigkeit müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis einer weiteren, längeren Erkrankung rechtfertigen. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen ferner – zweite Stufe – zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen. Schließlich muss – dritte Stufe – eine vorzunehmende Interessenabwägung ergeben, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen (BAG v. 20. November 2014 – 2 AZR 664/13, juris). Auch in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer auf Dauer wegen Krankheit die geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann, ist eine Kündigung nach dem das gesamte Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur gerechtfertigt, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung erforderlich ist. Zu den die Kündigung bedingenden Tatsachen gehört deshalb das Fehlen angemessener milderer Mittel zur Vermeidung künftiger Fehlzeiten. Mildere Mittel in diesem Sinne sind insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen – leidensgerechten – Arbeitsplatz (BAG v. 20. November 2014 – 2 AZR 664/13, juris). Dies schließt in Krankheitsfällen die Verpflichtung des Arbeitgebers ein, einen leidensgerechten Arbeitsplatz durch Ausübung seines Direktionsrechts „freizumachen“. Dabei ist gegebenenfalls die Pflicht des Arbeitgebers zu berücksichtigen, einem Schwerbehinderten gemäß § 164 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB IX einen seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechenden Arbeitsplatz zuzuweisen (BAG v. 20. November 2014 – 2 AZR 664/13, juris).
Vorliegend behauptet die Beklagte zwar, es gebe bei ihr keinen Arbeitsplatz, den der Kläger mit seinen gesundheitlichen Einschränkungen ausfüllen könne. Auf den substantiierten Vortrag des Klägers, er könne jedenfalls im Bereich „Monitorline“ eingesetzt werden, wo man keine Feinmechanik benötige, ist die Beklagte indes nicht mehr eingegangen. Es wäre aber an ihr als für den Kündigungsgrund darlegungs- und beweisbelastete Partei gewesen, im Einzelnen und substantiiert darzulegen, dass und gegebenenfalls warum der Kläger aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen die Tätigkeit im Bereich „Monitorline“ ebenfalls nicht ausführen können soll. Auch hat der Kläger sich ausdrücklich auf eine Tätigkeit in der Abteilung K berufen, die er ausüben könne. Auch diesbezüglich fehlt es an jeglichem substantiierten Vortrag der Beklagten, dass und warum der Kläger Tätigkeiten in dieser Abteilung nicht mehr ausüben können soll. Hierzu wäre es erforderlich gewesen, die jeweils anfallenden Tätigkeiten im Einzelnen zu schildern und anzugeben, dass und warum aufgrund der sich aus der ärztlichen Stellungnahme vom 28. November 2022 ergebenden gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers dieser die Tätigkeiten ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht mehr verrichten kann. Derartigen Vortrag hat die Beklagte in keiner Weise geleistet. Stattdessen hat sie sich darauf beschränkt vorzutragen, ein Einsatz des Klägers in der Abteilung K komme deshalb nicht in Betracht, weil die Abteilung spätestens im 3. Quartal 2023 geschlossen werde. Eine eventuelle Schließung der Abteilung K im 3. Quartal 2023 ist indes für die Frage der Wirksamkeit einer zum 31. März 2023 ausgesprochenen Kündigung irrelevant. Jedenfalls zum allein maßgeblichen Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist bestand demnach noch eine Möglichkeit der Beschäftigung in der Abteilung K. Gegebenenfalls wären besetzte Arbeitsplätze von der Beklagten durch Ausübung ihres Direktionsrechts freizumachen, insbesondere auch unter Berücksichtigung ihrer besonderen Pflichten gemäß § 164 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB IX aufgrund der Schwerbehinderung des Klägers.
III. Da die Beklagte die Kündigung auch auf personenbedingte Gründe stützt, steht der Wirksamkeit der Kündigung auch die fehlende Zustimmung des Integrationsamts gemäß § 168 SGB IX entgegen.
Eine Zustimmung zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers war erforderlich, da dieser zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs ein schwerbehinderter Mensch im Sinne von § 168 SGB IX war, bei ihm nämlich ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt war.
Einer auf den Kündigungsgrund gestützten Kündigung, dem Kläger könne ein leidensgerechter Arbeitsplatz nicht zur Verfügung gestellt werden und er könne in Zukunft seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht mehr erfüllen, hat das Integrationsamt nicht zugestimmt. Ausweislich des Bescheids vom 26. Januar 2023 (Bl. 46 ff. d. A.) hat das Integrationsamt vielmehr ausdrücklich (nur) zu einer verhaltensbedingten ordentlichen Kündigung des Klägers seine Zustimmung erteilt. Mit personenbedingten Gründen aufgrund möglicherweise fehlender Eignung des Klägers, in Zukunft seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen, hat es sich in keiner Weise auseinandergesetzt.
Dass das Integrationsamt einer auf personenbedingte Gründe gestützten Kündigung nicht zugestimmt hat, führt zur Unwirksamkeit der Kündigung vom 30. Januar 2023 gemäß § 168 SGB IX i.V.m. § 134 BGB. Das Vorliegen einer Zustimmung des Integrationsamts berechtigt den Arbeitgeber nicht, im Rahmen der Monatsfrist eine Kündigung auszusprechen, die nicht auf dem Sachverhalt beruht, für den das Integrationsamt die Zustimmung erteilt hat. Vielmehr muss der vom Integrationsamt festgestellte und seiner Entscheidung zu Grunde gelegte Sachverhalt den Kündigungsgrund bilden (LAG Hessen v. 9. Juli 2021 – 14 Sa 10/21, juris m.w.N.). Vorliegend stützt die Beklagte die Kündigung ausdrücklich nicht nur auf den vom Integrationsamt seiner Entscheidung zugrundegelegten Sachverhalt, sondern auch auf eine angebliche fehlende Eignung des Klägers zur Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistung. Sie stützt damit die Kündigung ausdrücklich auch auf einen Kündigungsgrund, zu dem es an der Zustimmung des Integrationsamtes fehlt. Dies führt mangels Zustimmung des Integrationsamtes zur Unwirksamkeit der Kündigung insgesamt.
B. Der Hilfsantrag zu 2 ist aufgrund Obsiegens des Klägers mit dem Antrag zu 1 zur Entscheidung angefallen. Auch dieser Antrag ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen gemäß Arbeitsvertrag vom 15. Oktober 2015 als Mitarbeiter im technischen Service weiter zu beschäftigen. Der entsprechende Anspruch des Klägers ergibt sich aus §§ 611 Abs.1, 242 BGB i.V.m. Art. 1, 2 GG, denn es wurde erstinstanzlich die Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung festgestellt, und die Beklagte hat genügende Tatsachen, aus denen sich dennoch überwiegende Interessen an einer Nichtbeschäftigung des Klägers ergeben könnten, nicht vorgebracht. Weder ist ersichtlich, dass es an der Möglichkeit einer leidensgerechten Beschäftigung fehlt – insoweit wird auf die Ausführungen unter A. II. Bezug genommen – noch sind sonstige überwiegende Interessen der Beklagten feststellbar. Insbesondere rechtfertigen einmalige, im Rahmen einer erhitzten Diskussionen in einem Gütetermin als Reaktion auf den aus Sicht des Klägers unzutreffenden Tatsachenvortrag der Beklagten erfolgende Bezeichnungen des Vortrags als „Lüge“ bzw. der den Vortrag Haltenden als „Lügner“ nicht die Annahme, dass die Vertrauensgrundlage für eine tatsächliche Beschäftigung derart gestört wäre, dass eine vorübergehende Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens nicht in Betracht käme. Selbiges gilt für eine etwaige vorschnelle Einleitung gerichtlicher Verfahren auf Erteilung einer Arbeitsbescheinigung und die E-Mail des Klägers vom 25. November 2022. Soweit der Kläger daran ausführte, der „Kampf“ gehe weiter, Wahrheit und Recht seien hier leider einseitig Auslegungssache, aber dennoch sei Aufgeben keine Option für ihn, handelt es sich um vom Grundrecht der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG gedeckte kritische Meinungsäußerungen über den Arbeitgeber, die die Grenze des Zulässigen nicht überschreiten und hinzunehmen sind. Soweit die Beklagte behauptet, dass zwischenzeitlich ein Großteil der Belegschaft gegenüber der Beklagten geäußert habe, dass man nicht mehr mit dem Kläger zusammenarbeiten wolle und es sogar zahlreiche Mitarbeiter gebe, die geäußert hätten, sie hätten Angst vor dem Kläger, ist dieses vom Kläger bestrittene Vorbringen zum einen vollkommen unsubstantiiert und einem Beweis nicht zugänglich. Zum anderen ist es auch nicht geeignet, ein überwiegendes Interesse der Beklagten an einer Nichtbeschäftigung des Klägers zu begründen. Vielmehr ist sie aufgrund der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB gehalten, sich zunächst schützend vor den Kläger zu stellen. Dass der Kläger der Belegschaft durch sein Verhalten oder in sonstiger Weise Anlass gegeben hätte, den Wunsch zu äußern, nicht mehr mit ihm zusammenzuarbeiten, ist schon nicht ersichtlich. Auch ist nicht ersichtlich, warum Mitarbeiter berechtigt Angst vor dem Kläger haben sollten.
C. Der für den Fall des Obsiegens des Klägers mit dem Kündigungsschutzantrag gestellte und daher zur Entscheidung angefallene Auflösungsantrag der Beklagten ist unbegründet.
Wie oben dargelegt, war die Kündigung vom 30. Januar 2023 nicht nur sozialwidrig, sondern auch wegen § 168 SGB IX i.V.m. § 134 BGB nichtig. In diesem Fall kann das Arbeitsverhältnis nicht auf Antrag des Arbeitgebers nach § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG aufgelöst werden (BAG v. 28. Mai 2009 – 2 AZR 949/07, juris; LAG Hessen v. 9. Juli 2021 – 14 Sa 10/21, juris). Vielmehr kann die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses im Falle einer sozialwidrigen ordentlichen Kündigung vom Arbeitgeber nur verlangt werden, wenn die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung allein auf der Sozialwidrigkeit, nicht jedoch auch auf anderen Gründen im Sinne von § 13 Abs. 3 KSchG beruht (BAG v. 28. Mai 2009 – 2 AZR 949/07, juris m.w.N.). Die Lösungsmöglichkeit nach § 9 KSchG bedeutet für den Arbeitgeber eine Vergünstigung, die nur in Betracht kommt, wenn eine Kündigung „nur“ sozialwidrig und nicht auch aus anderen Gründen nichtig ist. Lediglich in den Fällen, in denen die Norm, aus der der Arbeitnehmer die Unwirksamkeit der Kündigung neben der Sozialwidrigkeit herleitet, nicht den Zweck verfolgt, dem Arbeitnehmer einen zusätzlichen Schutz zu verschaffen, sondern allein der Wahrung der Interessen Dritter dient, steht die sich daraus ergebende Unwirksamkeit der Kündigung einem Auflösungsantrag des Arbeitgebers nicht entgegen. Dieser Ausnahmefall ist hier nicht gegeben. § 168 SGB IX verfolgt den Zweck, den schwerbehinderten Arbeitnehmer zusätzlich zu schützen.
D. Als unterlegene Partei hat die Beklagte gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes ist hinsichtlich des Antrages zu 1 gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG mit drei Bruttomonatsgehältern festzusetzen. Der Antrag zu 2 ist mit einem weiteren Bruttomonatsgehalt zu bewerten. Der Auflösungsantrag ist nicht gesondert zu bewerten.
Die Rechtsmittelbelehrung folgt auf der nächsten Seite.