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Verhaltensbedingte Kündigung bei Schlechtleistung

Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 10 Sa 773/17 – Urteil vom 02.03.2018

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 25.08.2017 – 3 Ca 1305/17 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen verhaltensgedingten arbeitgeberseitigen Kündigung.

Der am 24.01.1964 geborene, verheiratete Kläger, Vater von drei Kindern, ist seit dem 01.08.1991 als Kfz-Mechaniker (Geselle) im Betrieb der Beklagten, die als B -Vertragshändlerin eine Autowerkstatt betreibt, tätig. Sein durchschnittliches monatliches Einkommen beträgt 2.645,00 EUR brutto. Im Betrieb der Beklagten sind regelmäßig mehr als zehn Mitarbeiter tätig.

Im Laufe des Arbeitsverhältnisses erhielt der Kläger seitens der Beklagten schriftliche Abmahnungen vom 02.07.2010, vom 06.02.2015 und vom 26.01.2016. Hinsichtlich der Einzelheiten der Abmahnung wird auf Kopien Blatt 41, 43 bzw. 44 der Akte verwiesen.

Nachdem der Kläger Ende November 2016 bei einem unangekündigten Werkstatttest der Firma D lediglich vier von sechs Mängeln erkannte und im selben Zeitraum bei einem Serviceauftrag nicht alle Servicearbeiten – jedenfalls nicht die Zurückstellung des CBS-Informationssystems – erledigte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 29.12.2016, welches dem Kläger am selben Tag zugegangen ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist zum 31.07.2017.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Kündigungsschutzklage vom 06.01.2017, die am selben Tag beim Arbeitsgericht in Siegburg eingegangen ist.

Verhaltensbedingte Kündigung bei Schlechtleistung
(Symbolfoto: fizkes /Shutterstock.com)

Der Kläger hält die ordentliche verhaltensbedingte Kündigung der Beklagten für sozial ungerechtfertigt mangels hinreichenden Kündigungsgrundes. Die ihm vorgeworfenen Fehlleistungen bei der Durchführung des Servicechecks anlässlich des Werkstatttest der Firma D sowie die Erledigung der weiteren Servicearbeiten seien jedenfalls als nicht derart schwerwiegend zu werten, dass sie eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes rechtfertigen könnten. Sie seien vielmehr von solcher Qualität, die bei einem Tätigwerden im Rahmen von Arbeitsverhältnissen nie ganz auszuschließen seien. Hinsichtlich des Werkstatttests sei zu berücksichtigen, dass bei dem vom Kläger durchzuführenden 12-Punkte-Check nicht die sogenannte Schlauchbefestigung zu prüfen gewesen sei, so dass lediglich fünf Mängel zu prüfen gewesen seien. Hiervon habe der Kläger lediglich einen übersehen und daher eine fehlerfreie Quote von 80 % erreicht. Hinsichtlich des weiteren Serviceauftrags aus November 2016 sei zu berücksichtigen gewesen, dass das betreffende Fahrzeug vorübergehend beim Sattler gewesen sei und nach dessen Rückkehr bald vom Kunden habe abgeholt werden sollen. Dabei sei die Rückstellung im CBS-System vergessen worden. Der Kläger habe den Fahrzeugcheck ansonsten tatsächlich durchgeführt. Ein Auszubildender habe eigenmächtig den Check ein zweites Mal vorgenommen. Ein Motorölwechsel sei vom Checkauftrag nicht umfasst gewesen. Die der Kündigung vorangegangenen Abmahnungen seien unwirksam. Hinsichtlich der ersten Abmahnung vom 02.07.2010 sei zu berücksichtigen, dass das Lösen einer Schraube um etwa eine halbe Umdrehung ebenso unerheblich sei wie die Abweichung beim Luftdruck des Reserverades von 0,3 bar. Die Abmahnung vom 06.02.2015 beziehe sich auf einen nicht sicherheitsrelevanten Umstand, da die nicht entfernten Fehlerwegblockierer beim B der Siebener-Klasse nur Einfluss auf den gehobenen Federungskomfort dieses Modells gehabt hätten. Auch die Abmahnung vom 26.01.2016 sei unwirksam, da der der Abmahnung zugrunde liegende Auftrag nicht vom Kläger sondern durch den Serviceleiter Herr S abgenommen worden sei. Die Kontrolle des Auszubildenden, der die Arbeiten tatsächlich durchgeführt habe, sei nicht Aufgabe des Klägers, sondern jedenfalls des Meisters.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis zur Beklagten nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 29.12.2016 aufgelöst wird;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 31.07.2017 hinaus fortbesteht und auch nicht durch andere Beendigungsgründe aufgelöst wird.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat erstinstanzlich die Rechtsauffassung vertreten, die Kündigung vom 29.12.2016 zum 31.07.2017 sei aus verhaltensbedingten Kündigungsgründen sozial gerechtfertigt und damit wirksam. Nach Erhalt der einschlägigen Abmahnungen vom 02.07.2010, 06.02.2015 und 26.01.2016 habe der Kläger im November 2016 zum einen bei einem Werkstatttest der Firma D von sechs relevanten Mängeln nur vier erkannt und dabei die Mangelhaftigkeit der Beleuchtung hinten rechts und die fehlende Arretierung des Scheibenwaschschlauchs in der Halterung nicht erkannt und daher die Mindestvorgabe einer fehlerfreien Quote von 80 % nicht erfüllt. Zudem habe der Kläger im selben Zeitraum – November 2016 – die dem Käufer eines Gebrauchtwagens zugesicherte Durchführung von Servicearbeiten nicht ordnungsgemäß erledigt. Jedenfalls das CBS-Infosystem sei entgegen den Angaben des Klägers und der internen Rechnung nicht durchgeführt worden. Der Kläger habe bei der Anhörung hierzu darauf verwiesen, er habe die Arbeiten einem Auszubildenden überlassen. Jedenfalls aber habe der Kläger die ihm obliegende Kontrolle der Durchführung der Arbeiten nicht ordnungsgemäß erledigt.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 25.08.2017 – 3 Ca 1305/17 – die Klage – soweit berufungsrelevant – als begründet erachtet. Einzelne Fehler des Klägers könnten dahingestellt bleiben, da es an einem hinreichenden Vortrag der Beklagten zu den Leistungen des Klägers über einen längeren Zeitraum ebenso fehle wie zu einer Darlegung der Fehlerquote vergleichbarer Mitarbeiter.

Gegen dieses ihr am 11.09.2017 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte am 05.10.2017 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis 13.12.2017 am 11.12.2017 beim Landesarbeitsgericht begründet.

Die Beklagte wendet gegenüber der erstinstanzlichen Entscheidung ein, im Betrieb der Beklagten sei zu berücksichtigen, dass diese als Vertragspartner der B -AG dem B -Group Qualitätsmanagementsystem und damit Qualitätskontrollen unterliege. Daher veranlasse die Beklagte zum einen selbst pro Jahr zwei Tests pro Niederlassung, die in dem Zeitraum 2016 von der D durchgeführt worden seien. Unter Einbeziehung der Niederlassung von Schwestergesellschaften der Beklagten und damit die Erweiterung des Spektrums auf das Augenmerk auf acht Niederlassungen sei zu berücksichtigen, dass sich im Zeitraum 2013/2014 die durchschnittliche Bewertung aller Betriebe von 91,7 % auf 94,5 % gebessert habe. Die Bewertung der Leistungen sei jedoch für die Niederlassung S , in der der Kläger eingesetzt sei, unterdurchschnittlich gewesen und habe auch 2014 lediglich bei 91,7 % gelegen. 2015 habe sich der Durchschnitt für alle Betriebe von 94,5 % auf 86,5 % verschlechtert, wobei die Bewertung der Leistungen in der Niederlassung S jedoch bei 100 % gelegen habe. 2016 wiederum habe sich die durchschnittliche Bewertung aller Betriebe auf 93,8 % verbessert, die Bewertung in der Niederlassung S habe jedoch lediglich 58,3 % betragen. Für 2016 sei zu berücksichtigen, dass im August 2016 ein noch in der Ausbildung befindlicher Mechaniker verantwortlich gewesen sei für die fehlende Entdeckung von drei der insgesamt sechs relevanten Mängel. Für das schlechte Ergebnis im November 2016 sei der Kläger hingegen verantwortlich, der lediglich sechs von acht Mängeln entdeckt und behoben habe. Neben diesen Werkstatttests sei zu berücksichtigen, dass im Auftrag der B -AG durch ein Unternehmen Qualitätstests bei der Beklagten durchgeführt worden seien, deren Ergebnisse in eine Datenbank (COBIS) Eingang fänden. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass bis 2017 von der B -AG ein Ergebnis von einer fehlerfreien Quote vo n mindestens 84 % noch nicht beanstandet worden sei. Ein entsprechend negatives Ergebnis habe am 13.07.2015 vorgelegen, so dass der betreffende verantwortliche Mitarbeiter in einem Personalgespräch mündlich ermahnt worden sei. Einem anderen Mitarbeiter seien unter dem 15.07.2016 insgesamt drei Abmahnungen erteilt worden. Weitere Qualitätstests mit nicht mehr tolerierbaren Ergebnissen seien im Bereich der Werkstatt im August 2015 in B und im November 2015 in K aufgetreten, woraufhin wegen der Erstmaligkeit der Fehlleistung durch die Beklagte mit einer mündlichen Abmahnung jeweils reagiert worden sei. Das Ziel von einer fehlerfreien Quote von 100 % sei ausweislich der aufgetretenen Ergebnisse bei der Beklagten und ihrer Schwestergesellschaften durchaus erreichbar und müsse zwingend aufrechterhalten bleiben – insbesondere im Interesse der Sicherheit des Straßenverkehrs. Zu berücksichtigen sei, dass es sich bei der Arbeit des Klägers nicht um eine reine repetitive Tätigkeit handele, so dass anlässlich der aufgetretenen Fehlleistungen von einem dem Kläger vorwerfbaren Verhalten und damit einem kündigungsrelevanten Sachverhalt ausgegangen werden müsse. Der Kläger habe die Durchführung der Servicearbeiten auf der internen Rechnung anlässlich des Gebrauchtwagenverkaufs im November 2016 vorgetäuscht, da er diese tatsächlich nicht durchgeführt habe. Zu berücksichtigen sei weiter, dass die im Werkstatttest aufgedeckten Mängel für die Beklagte bedeutsam seien wegen des von der B -AG durchgeführten Bonus-Malus-Systems. Zudem seien die einschlägigen Abmahnungen zu berücksichtigen.

Die Beklagte beantragt, das am 25.08.2017 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg – 3 Ca 1305/17 – teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung unter Vertiefung seines Sachvortrags.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst der zu den Akten gereichten Anlagen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist zulässig, da sie statthaft und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden ist (vgl. §§ 64, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. Die Berufung ist jedoch unbegründet, da das Arbeitsgericht zu Recht und mit überzeugender Begründung die Unwirksamkeit der Kündigung der Beklagten vom 29.12.2016 mangels hinreichender verhaltensbedingter Kündigungsgründe im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG, der unstreitig mit Rücksicht auf die Betriebsgröße der Beklagten Anwendung findet, festgestellt hat.

1. Hierbei ist das Arbeitsgericht zu Recht von den vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Maßstäben für eine verhaltensbedingte Kündigung ausgegangen. Im Urteil vom 17.01.2008 (2 AZR 536/06) führt das Bundesarbeitsgericht hierzu aus:

Für eine verhaltensbedingte Kündigung genügen solche, im Verhalten des Arbeitnehmers liegenden Umstände, die bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien zumindest die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen. Als verhaltensbedingter Grund ist insbesondere eine rechts- oder (vertrags-)widrige Pflichtverletzung aus dem Arbeitsverhältnis geeignet, wobei regelmäßig Verschulden erforderlich ist; die Leistungsstörung muss dem Arbeitnehmer vorwerfbar sein (Senat 21. November 1996 – 2 AZR 357/95 – AP BGB § 626 Nr. 130 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 50, zu II 3 b der Gründe; 21. Mai 1992 – 2 AZR 10/92 – BAGE 70, 262, zu II 2 b der Gründe; 17. Januar 1991 – 2 AZR 375/90 – BAGE 67, 75, zu II 2 a der Gründe) . Insofern genügt ein Umstand, der einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung bestimmen kann (vgl. Senat 17. Juni 2003 – 2 AZR 62/02 – EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59, zu B II der Gründe; 21. Mai 1992 – 2 AZR 10/92 – aaO) .

Auf Pflichtverletzungen beruhende Schlechtleistungen sind geeignet, eine ordentliche Kündigung zu rechtfertigen (st. Rspr. Senat 26. Juni 1997 – 2 AZR 502/96 – RzK I 5i Nr. 126, zu B I 3 der Gründe; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 1 Rn. 652 ff.; HWK/Quecke 2. Aufl. § 1 KSchG Rn. 239 f.; KR-Griebeling 8. Aufl. § 1 KSchG Rn. 448) .

Ob eine Leistung als Schlechtleistung anzusehen ist, beurteilt sich nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien. Ist die Arbeitsleistung im Vertrag, wie meistens, der Menge und der Qualität nach nicht oder nicht näher beschrieben, so richtet sich der Inhalt des Leistungsversprechens zum einen nach dem vom Arbeitgeber durch Ausübung des Direktionsrechts festzulegenden Arbeitsinhalt und zum anderen nach dem persönlichen, subjektiven Leistungsvermögen des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer muss tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann. Die Leistungspflicht ist nicht starr, sondern dynamisch und orientiert sich an der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers. Ein objektiver Maßstab ist nicht anzusetzen (Senat 21. Mai 1992 – 2 AZR 551/91 – AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 28 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 42, zu II 3 a der Gründe; BAG 14. Januar 1986 – 1 ABR 75/83 – BAGE 50, 330, zu B 3 der Gründe; 16. Juli 1970 – 3 AZR 423/69 – BAGE 22, 402, zu III 1 der Gründe; Bitter AR-Blattei SD 190 (Arbeitspflicht des Arbeitnehmers) Rn. 76 f.; Brune AR-Blattei SD 1420 (Schlechtleistung) Rn. 13 ff. mwN) . Der gegenteiligen Auffassung (Hunold BB 2003, 2345, 2346) , wonach der Arbeitnehmer in Anlehnung an § 243 BGB aF eine „objektive Normalleistung“ schulde, ist der Senat nicht gefolgt. Diese Auffassung berücksichtigt nicht ausreichend, dass der Arbeitsvertrag als Dienstvertrag keine „Erfolgshaftung“ des Arbeitnehmers kennt. Der Dienstverpflichtete schuldet das „Wirken“, nicht das „Werk“.

Daraus ist allerdings nicht zu folgern, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht selbst willkürlich bestimmen kann. Dem Arbeitnehmer ist es nicht gestattet, das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung einseitig nach seinem Belieben zu bestimmen (zum umgekehrten Fall: BAG 13. Mai 1987 – 5 AZR 125/86 – BAGE 55, 275, zu II 2 der Gründe) . Er muss vielmehr unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten. Ob der Arbeitnehmer dieser Verpflichtung nachkommt, ist für den Arbeitgeber anhand objektivierbarer Kriterien nicht immer erkennbar. Der Umstand, dass der Arbeitnehmer unterdurchschnittliche Leistungen erbringt, muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass der Arbeitnehmer seine persönliche Leistungsfähigkeit nicht ausschöpft (Senat 22. Juli 1982 – 2 AZR 30/81 – AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 5 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 10, zu III 3 c der Gründe) . In einer Vergleichsgruppe ist stets ein Angehöriger der Gruppe das „Schlusslicht“. Das kann seine Ursache auch darin haben, dass die übrigen Gruppenangehörigen besonders leistungsstark sind, sich überfordern oder dass umgekehrt der gruppenschwächste Arbeitnehmer besonders leistungsschwach ist. Andererseits ist das deutliche und längerfristige Unterschreiten des von vergleichbaren Arbeitnehmern erreichbaren Mittelwerts oft der einzige für den Arbeitgeber erkennbare Hinweis darauf, dass der schwache Ergebnisse erzielende Arbeitnehmer Reserven nicht ausschöpft, die mit zumutbaren Anstrengungen nutzbar wären. Dem muss auch im Rahmen des Kündigungsschutzrechts Rechnung getragen werden, da ansonsten einer Vertragspartei die Möglichkeit genommen würde, einen vertragswidrigen Zustand mit rechtlich zulässigen Mitteln zu beseitigen.

Dieser Konflikt zwischen den genannten widerstreitenden Gesichtspunkten kann nach den Regeln der abgestuften Darlegungslast angemessen gelöst werden (Senat 11. Dezember 2003 – 2 AZR 667/02 – BAGE 109, 87, zu B I 2 d der Gründe).

Dabei ist es zunächst Sache des Arbeitgebers, zu den Leistungsmängeln das vorzutragen, was er wissen kann. Kennt er lediglich die objektiv messbaren Arbeitsergebnisse, so genügt er seiner Darlegungslast, wenn er Tatsachen vorträgt, aus denen ersichtlich ist, dass die Leistungen des betreffenden Arbeitnehmers deutlich hinter denen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückbleiben, also die Durchschnittsleistung erheblich unterschreiten. Davon kann dann gesprochen werden, wenn, gemessen an der durchschnittlichen Leistung der vergleichbaren Arbeitnehmer, das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung stark beeinträchtigt ist.

Hat der Arbeitgeber vorgetragen, dass die Leistungen des Arbeitnehmers über einen längeren Zeitraum den Durchschnitt im vorgenannten Sinne unterschritten haben, ist es Sache des Arbeitnehmers, hierauf zu entgegnen, ggf. das Zahlenwerk und seine Aussagefähigkeit im Einzelnen zu bestreiten und/oder darzulegen, warum er mit seiner deutlich unterdurchschnittlichen Leistung dennoch seine persönliche Leistungsfähigkeit ausschöpft. Hier können altersbedingte Leistungsdefizite, Beeinträchtigungen durch Krankheit, aber auch betriebliche Umstände eine Rolle spielen. Legt der Arbeitnehmer derartige Umstände plausibel dar, so ist es alsdann Sache des Arbeitgebers, sie zu widerlegen. Trägt der Arbeitnehmer hingegen derartige Umstände nicht vor, so gilt das schlüssige Vorbringen des Arbeitgebers als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO). Es ist dann davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer seine Leistungsfähigkeit nicht ausschöpft.

Bei quantitativen Minderleistungen hat sich der Senat (11. Dezember 2003 – 2 AZR 667/02 – BAGE 109, 87, zu B I 2 d der Gründe) an den Werten orientiert, die für die Annahme einer grundlegenden Störung des Leistungsgleichgewichts herangezogen worden sind.

Für den Fall qualitativer Minderleistung sind solche auf die bloße Fehlerhäufigkeit abstellende Grenzen, auch wenn sie für eine rechtssichere Handhabung durch die Tatsacheninstanzen wünschenswert wären, für sich nicht geeignet, die Kündigungsrelevanz der dem Arbeitnehmer konkret vorgeworfenen Pflichtverletzungen hinreichend sicher einzugrenzen. Absolute Bezugsgrößen, etwa dergestalt, dass bei einer doppelten oder, wovon das Arbeitsgericht wohl ausgegangen ist, dreifachen Fehlerquote ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund angenommen wird, berücksichtigen nicht hinreichend, dass je nach Art der Tätigkeit und der dabei möglicherweise auftretenden Fehler diesen ein sehr unterschiedliches kündigungsrelevantes Gewicht beizumessen ist. Es sind Tätigkeiten denkbar, bei denen bereits ein einmaliger Fehler derart weitreichende Konsequenzen hat, dass eine Vertragspflichtverletzung erheblich eher anzunehmen ist als bei anderen Fehlern (zB Sorgfaltspflichten eines Piloten). Andererseits gibt es Tätigkeiten, bei denen Fehler nach der Art der Tätigkeit vom Arbeitnehmer kaum zu vermeiden und vom Arbeitgeber eher hinzunehmen sind, weil ihre Folgen das Arbeitsverhältnis nicht all zu stark belasten. Deshalb ist in derartigen Fällen über die bloße Betrachtung der Fehlerhäufigkeit hinaus eine einzelfallbezogene Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der konkreten Arbeitsanforderungen und der konkreten Gegebenheiten des Arbeitsplatzes geboten. Die Prüfung hat sich auch hier an dem Maßstab zu orientieren, ob und ggf. in welchem Umfang das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung beeinträchtigt ist.

Bei einer Kündigung wegen qualitativer Minderleistung des Arbeitnehmers ist es danach zunächst Sache des Arbeitgebers, zu den aufgetretenen Leistungsmängeln das vorzutragen, was er über die Fehlerzahl, die Art und Schwere sowie Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung des Arbeitnehmers wissen kann. Kann der Arbeitgeber darlegen, dass der Arbeitnehmer längerfristig die durchschnittliche Fehlerhäufigkeit aller mit vergleichbaren Arbeiten beschäftigter Arbeitnehmer erheblich überschreitet, so kann dies ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Arbeitnehmer vorwerfbar seine vertraglichen Pflichten verletzt. Da jedoch der Vergleich durchschnittlicher Fehlerquoten für sich noch keinen hinreichenden Aufschluss darüber gibt, ob durch die fehlerhafte Arbeit des gekündigten Arbeitnehmers das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung stark beeinträchtigt ist, muss der Arbeitgeber hier weitere Umstände darlegen. Anhand der tatsächlichen Fehlerzahl, der Art, Schwere und Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung des betreffenden Arbeitnehmers ist näher darzulegen, dass die längerfristige deutliche Überschreitung der durchschnittlichen Fehlerquoten nach den Gesamtumständen darauf hinweist, dass der Arbeitnehmer vorwerfbar seine vertraglichen Pflichten verletzt. Legt der Arbeitgeber dies im Prozess dar, so muss der Arbeitnehmer erläutern, warum er trotz erheblich unterdurchschnittlicher Leistungen seine Leistungsfähigkeit ausschöpft. Hierbei ist insbesondere darzulegen, welche betrieblichen Beeinträchtigungen durch die konkret darzulegenden Fehler verursacht werden und dass es sich insoweit nicht lediglich um Fehler handelt, die trotz einer gewissen Häufigkeit angesichts der konkreten Umstände der Arbeitsleistung vom Arbeitgeber hinzunehmen sind.

2. Zu Recht hat das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass die Beklagte nach den vorliegenden Maßstäben ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen ist. Auch nach dem Vortrag der Beklagten aus ihrem Berufungsvorbringen ist nicht hinreichend erkennbar, dass der Kläger die ihm zugeordneten Fehlleistungen und die sich hieraus ergebenden Fehlerquoten im Hinblick auf vergleichbare Mitarbeiter in den Niederlassungen der Beklagten kündigungsrelevant überschreitet. Aus dem eigenen Vorbringen der Beklagten aus der Berufungsbegründung ergibt sich vielmehr, dass auch bei anderen Mitarbeitern anlässlich der jährlich zweimal durchgeführten Werkstatttests sowie der zusätzlichen Qualitätstests, deren Ergebnisse in die Datenbank COBIS Eingang finden, Fehlleistungen auftreten. Dieser Bewertung steht nicht durchgreifend entgegen, dass es sich bei der Tätigkeit des Klägers als Kfz-Mechaniker nicht um eine fließbandartige, rein repetitive Tätigkeit handelt. Zudem ist der Hinweis der Beklagten berechtigt, dass die Arbeitsergebnisse eines Kfz-Mechanikers tiefgreifende Wirkungen für allgemeine Interessen wie die Sicherheit im Straßenverkehr besitzen, die neben den eigenen wirtschaftlichen Interessen der Beklagtenseite Berücksichtigung finden. Dennoch ist angesichts der zahlreichen Arbeitsvorgänge und der dabei eintretenden Möglichkeit, in unterschiedlicher Weise fehlerhaft zu arbeiten, eine gänzlich fehlerfreie Erledigung der Arbeitsaufträge nicht zu erwarten.

3. Jedenfalls ist im Rahmen der anzustellenden Interessenabwägung zum einen zu berücksichtigen, dass der Kläger über eine lange Betriebszugehörigkeit seit dem Jahr 1991 verfügt und zudem mit Rücksicht auf sein Lebensalter – der Kläger ist geboren 1964 und damit bei Ausspruch der Kündigung 52 Jahre alt – in einem für den allgemeinen Arbeitsmarkt problematischen Alter ist. Zudem ist festzuhalten, dass eine der drei von der Beklagten in Bezug genommenen Abmahnungen, nämlich die vom 02.07.2010 zeitlich lange zurückliegt und auch die vorangegangenen Abmahnungen jeweils mit einem Zwischenraum von einem Jahr in den Jahren 2015 und Anfang 2016erfolgt sind, wo hingegen die Kündigung Ende 2016 ausgesprochen worden ist. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass keine überaus schwerwiegenden Folgen bei den kündigungsrelevanten Pflichtverletzungen des Klägers zu erwarten gewesen sind. Das Nichtentdecken der Schlauchbefestigung gehörte nach dem Vortrag des Klägers, dem die Beklagte nicht unmittelbar widersprochen hat, nicht zum verlangten 12-Punkte-Check. Zudem betraf diese Schlauchbefestigung die Scheibenwaschanlage des betroffenen Fahrzeugs. Auch bei der defekten Beleuchtung, die der Kläger im Rahmen des Werkstatttests im November 2016 übersehen hatte, war keine sicherheitsrelevante Außenbeleuchtung betroffen. Bei der Durchführung der Servicearbeiten im Rahmen des Gebrauchtwagenverkaufs im November 2016 ist nicht erkennbar, dass der dem Kunden erstattete Motorölwechsel, der von der Fremdfirma abgerechnet wurde, und der Konsolenersatz tatsächlich notwendig gewesen sind. Angesichts dieses fehlenden Schwergewichts der Pflichtverletzungen des Klägers im Verhältnis zu seinem hohen sozialen Schutz wegen langer Betriebszugehörigkeit und für den Arbeitsmarkt schwierigen Lebensalter erweist sich die ordentliche Kündigung nach Auffassung der Kammer auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Beklagten an einer möglichst fehlerfreien Erledigung der Aufgaben eines Kfz-Mechanikers als unwirksam.

III. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte als unterlegene Partei gemäß § 97 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 72 ArbGG sind nicht gegeben, da die Entscheidung unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf den Umständen des Einzelfalles beruht.

 

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