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Verhaltensbedingte Kündigung bei Störung Betriebsfrieden

Auflösungsantrag Arbeitgeberseite

Landesarbeitsgericht Düsseldorf – Az.: 14 Sa 525/19 – Urteil vom 21.01.2020

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 27.06.2019 – 2 Ca 547/19 wird unter gleichzeitiger Abweisung des Auflösungsantrages zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung sowie über einen Auflösungsantrag der Arbeitgeberseite.

Der am 11.05.1988 geborene Kläger ist auf Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 09.08.2012 seit dem 01.10.2012 als Lagerfacharbeiter im Bereich Versand bei der Beklagten, die regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, tätig. Sein durchschnittliches monatliches Bruttoentgelt beträgt 3.555,04 EUR. Der Kläger ist auch Sicherheitsbeauftragter bei der Beklagten.

Unter dem 27.08.2018 erteilte die Beklagte dem Kläger ein Zwischenzeugnis. Auf die vom Kläger mit Schriftsatz vom 17.06.2019 eingereichte Anlage K 4 (Blatt 82 der Akte) wird Bezug genommen.

Mitte des Jahres 2018 kam es zu Unruhen im Betrieb. Es fanden mehrere Gespräche im Betrieb mit wechselnden Teilnehmern statt. Am 23.08.2018 führte der Personalreferent I. H. ein Gespräch mit dem Kläger im Beisein des Betriebsratsmitglieds O. T.. Am 28.11.2018 wurde ein Gruppengespräch anberaumt, an welchem der Vorgesetzte des Klägers, Herr U. L., der Betriebsratsvorsitzende Q. C., das Betriebsratsmitglied O. T. und der Personalreferent I. H. mit dem Kläger und dessen Kollegen teilnahmen. Am 15.01.2019 fand ein weiteres Personalgespräch zwischen dem Kläger und der Personalleiterin der Beklagten statt. Am 21.01.2019 wurden alle Kollegen des Klägers im Versand zur Zusammenarbeit befragt. Verlauf und Einzelheiten dieser Gespräche sind zwischen den Parteien streitig.

Schließlich wurden der Kläger sowie Herr L. am 06.02.2019 vor dem gesamten Betriebsrat angehört. Der Betriebsrat schlug vor, die Möglichkeit einer Versetzung des Klägers zu prüfen.

Die Beklagte stellte den Kläger mit Schreiben vom 18.02.2019 von seiner Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. Mit Schreiben vom 25.02.2019, welches dem Kläger am selben Tag zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich und fristgerecht zum 30.04.2019.

Der Betriebsrat hatte zuvor mit Schreiben vom 22.02.2019 Bedenken gegen die Kündigung erhoben. Auf die Stellungnahme des Betriebsrates vom 22.02.2019 (Anlage 10 zum Schriftsatz der Beklagten vom 20.05.2019, Blatt 73 der Akte) wird Bezug genommen.

Der Kläger hat der Beklagten nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens am 05.08.2019 ein Schreiben, welches von der Beklagten als Anlage 18 zum Schriftsatz vom 18.10.2019 eingereicht wurde (Blatt 207 der Akte), zukommen lassen. Des Weiteren hat der Kläger mit E-Mail vom 05.08.2019 an Herrn U. I. Fragen zu einem Vorfall im Betrieb gestellt bzw. seine Stellungnahme hierzu abgegeben. Auf den von der Beklagten als Anlage 19 zum Schriftsatz vom 18.10.2019 eingereichten Ausdruck (Blatt 209 der Akte) wird Bezug genommen. Der Mitarbeiter H. hat inzwischen mit Schreiben vom 09.08.2019 das Arbeitsverhältnis zum 15.09.2019 gekündigt.

Der Kläger hat am 18.03.2019 Kündigungsschutzklage erhoben und die fehlende soziale Rechtfertigung der Kündigung gerügt sowie die ordnungsgemäße Anhörung des bei der Beklagten bestehenden Betriebsrates bestritten.

Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 25.02.2019 beendet wird.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass der Kläger den betrieblichen Ablauf und den Betriebsfrieden seit Mitte des Jahres 2018 in erheblichem Maße störe. Dies wirke sich nicht nur im Bereich Versand, sondern auch über seinen eigentlichen Arbeitsbereich hinaus aus. Kollegen und Vorgesetzte des Klägers würden sich fortgesetzt über diesen beschweren. Der Kläger belästige Mitarbeiter der Beklagten insbesondere durch SMS und WhatsApp Nachrichten, die zum Teil auch bedrohlich seien. Der Schichtleiter H. habe am 27.12.2018, nachdem er eine SMS des Klägers erhalten habe, um ein persönliches Gespräch mit der Personalleiterin C. gebeten. Dieses Gespräch habe am gleichen Tag stattgefunden. Der Mitarbeiter H. habe der Personalleiterin unter Tränen und sichtlich psychisch belastet mitgeteilt, dass er vom Kläger andauernd verbal attackiert und per SMS und WhatsApp belästigt werde. Er könne dies nicht weiter aushalten und werde das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aus gesundheitlichen Gründen kündigen, sofern sich diese Situation nicht ändere. Hinsichtlich des Wortlauts der Nachrichten des Klägers an Herrn H. vom 27.12.2018, 16.01.2019 und 04.01.2019 wird auf die von der Beklagten als Anlage 2 bis 4 zum Schriftsatz vom 20.05.2019 (Blatt 64-67 der Akte) eingereichten Ausdrucke Bezug genommen. Mit WhatsApp vom 19.02.2019 habe sich der Kläger auch an dessen Ehefrau gewandt. Hinsichtlich des Inhalts wird auf die Anlage 5 zum Schriftsatz vom 20.05.2019 verwiesen (Blatt 68 der Akte).

Die Beklagte trägt weiter vor, der Kläger habe auch an andere Mitarbeiter Nachrichten versandt. Hinsichtlich des Wortlauts dieser Nachrichten an Herrn X. H. vom 04.02.2019 sowie an Frau O. L. vom 07.02.2019 wird auf die Anlagen 6 und 7 zum Schriftsatz vom 20.05.2019 der Beklagten (Blatt 69-70 der Akte) Bezug genommen. Die Nachrichten seien auch verwertbar. Der Kläger könne sich nicht auf ein Verwertungsverbot wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts berufen, da die Nachrichten einen betrieblichen Bezug hätten.

Die Beklagte hat weiter vorgetragen, der Kläger protokolliere Fehler seiner Kollegen mit Fotos, hinterfrage permanent eingeübte und festgelegte Arbeitsabläufe, befolge Arbeitsanweisungen nicht und bleibe der Arbeit für Gespräche mit einzelnen Beschäftigten teilweise über mehrere Stunden fern, ohne sich beim Vorgesetzten abzumelden. Tätigkeiten, die er zuvor jahrelang ausgeübt habe, kenne er plötzlich nicht mehr.

Die Beklagte hat weiter vorgetragen, der Kläger diskreditiere das Unternehmen sowie die Mitarbeiter der Beklagten auch nach außen. Ein bei der Spedition U. beschäftigter Fahrer habe am 08.02.2019 gegenüber dem Vorgesetzten des Klägers mitgeteilt, der Kläger habe über den Kollegen U. gesagt, dass dieser zu doof sei, seine Arbeit zu machen. Weiter habe der Fahrer mitgeteilt, dass der Kläger seine Kollegen permanent provoziere, indem er Fehler der Kollegen anspreche, die gar keine Fehler seien. Auch der Fahrer L., der bei der Spedition M. beschäftigt sei, habe sich beim Vorgesetzten des Klägers über diesen beschwert. Er habe am 23.01.2019 berichtet, dass der Kläger ihn in der Vergangenheit permanent schikaniert und ihm mitgeteilt habe, dass er hier der Chef sei und der Fahrer auf ihn zu hören habe. Der Fahrer L. habe aufgrund dessen seinen Vorgesetzten gebeten, nicht mehr für die Beklagte fahren zu müssen.

Der Kläger habe – wie seine Ausdrucksweise im Gespräch am 23.08.2018 zeige – seine Kompetenzen und Aufgaben falsch eingeschätzt. Im Gruppengespräch mit dem Kläger und seinen Kollegen am 28.11.2018 hätten die Kollegen des Klägers ihre Einschätzung zur weiteren Zusammenarbeit mit dem Kläger abgegeben. Diese sei im Wesentlichen negativ ausgefallen. Auch nach diesem Gespräch habe sich das Verhalten des Klägers nicht gebessert, sondern in den Attacken gegenüber Herrn H. und der Belästigung gegenüber Frau L. und Herrn H. geendet. Der Vorgesetzte L. des Klägers habe sich dazu veranlasst gesehen, die Abwesenheit des Klägers am Arbeitsplatz, die durch die Diskussionen bedingt gewesen sei, zu dokumentieren. Der Kläger sei danach im Monat Januar 2019 aufgrund von Diskussionen mit Vorgesetzten, verschiedenen Betriebsratsmitgliedern und der Personalabteilung an insgesamt 9 Stunden nicht an seinem Arbeitsplatz anwesend gewesen. Im Personalgespräch am 15.01.2019 habe der Kläger gegenüber der Personalleiterin von Mobbing durch seinen Vorgesetzten und den Mitarbeiter H. gesprochen. Herr L. habe ihn verarscht und solle sich entschuldigen. Beispiele habe der Kläger jedoch nicht anführen können. Auch im Gruppengespräch am 21.01.2019 hätten sich die Kollegen des Klägers überwiegend negativ über diesen geäußert.

Die Möglichkeit einer Versetzung des Klägers sei geprüft worden. Ein freier Arbeitsplatz sei nicht gefunden worden. Zudem sei zu diesem Zeitpunkt bereits feststellbar gewesen, dass auch eine Versetzung die durch den Kläger veranlassten Störungen nicht hätte beheben können.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass der Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung mit Schreiben vom 20.02.2019 angehört worden sei. Auf das als Anlage 9 zum Schriftsatz der Beklagten vom 20.05.2019 eingereichte Anhörungsformular (Blatt 72 der Akte) wird verwiesen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Kündigung aufgrund der Störung des Betriebsfriedens begründet sei. Die Kündigung sei auch als Druckkündigung gerechtfertigt, da insbesondere die Kündigung des Mitarbeiters H. gedroht habe. Eine vorherige Abmahnung sei aufgrund der Intensität der Pflichtverletzung entbehrlich. Das Verhalten des Klägers sei als Stalking zu werten. Der Kläger habe seine Belästigungen auch später fortgesetzt. Auf die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 17.06.2019 eingereichten Anlagen 11 – 17 (Blatt 92 – 107 der Akte) wird Bezug genommen.

Der Kläger hat die Vorwürfe bestritten und darauf hingewiesen, dass der Vortrag der Beklagten in weiten Teilen unsubstantiiert sei. Der Verwertung der als Anlagen 2 bis 5 vorgelegten Nachrichten hat er unter Verweis auf sein Persönlichkeitsrecht widersprochen, da es sich seiner Auffassung nach um eine private Kommunikation handele. Die Anlage 5 sei im Übrigen ebenfalls an Herrn H. und nicht an seine Ehefrau gerichtet. Zu den von der Beklagten geschilderten Gesprächen verweist der Kläger im Wesentlichen darauf, dass man ihm nicht hinreichend Gehör geschenkt habe, obwohl er die Gespräche zum Teil selbst angeregt habe. Er sei isoliert worden. Schließlich verweist der Kläger darauf, dass er gemeinsam mit Herrn C. Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in der neuen Verpackungshalle und im Gerätetransport eruiert habe. Herr L. habe aber eine Weiterbeschäftigung in einer anderen Abteilung abgelehnt, da man den Kläger nicht mehr haben wolle bei der Beklagten.

Die Betriebsratsanhörung habe die Beklagte nicht dargelegt, insbesondere nicht den genauen Inhalt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Kündigung sei nicht sozial gerechtfertigt. Die Beklagte habe nicht in hinreichendem Maße dargelegt, dass eine Drucksituation vorliege, die eine echte Druckkündigung aus betriebsbedingten Gründen rechtfertige. Insbesondere sei nicht vorgetragen, dass andere Mitarbeiter neben dem Mitarbeiter H. anlässlich der Befragung eine Eigenkündigung angekündigt hätten und der Beklagten dadurch schwere wirtschaftliche Nachteile gedroht hätten. Die Beklagte habe auch nicht vorgetragen, dass die Speditionen, deren Fahrer sich negativ über den Kläger geäußert hätten, eine weitere Zusammenarbeit abgelehnt hätten oder dass die Vertragsbeziehung der Beklagten zu den Speditionen belastet sei.

Die Kündigung sei auch nicht als sogenannte unechte Druckkündigung gerechtfertigt. Es fehle jedenfalls an einer vorherigen Abmahnung. Der Verstoß gegen die Wahrung des Betriebsfriedens setze in der Regel eine vorherige Abmahnung voraus. Es sei nicht anzunehmen, dass eine Verhaltensänderung des Klägers in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden könne. Etwas anderes ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung der von der Beklagten mit dem Kläger geführten Personal- und Gruppengespräche. Eine vorherige Abmahnung sei auch nicht ausnahmsweise aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung entbehrlich. Ein Fall von Stalking könne im Verhalten des Klägers nicht gesehen werden. Die dem Kläger weiter vorgeworfenen Pflichtverletzungen (Kompetenzüberschreitung, Arbeitsverweigerung sowie Minder- bzw. Schlechtleistung) seien von der Beklagten nicht substantiiert dargelegt.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 18.07.2019 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 14.08.2019, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 14.08.2019, Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 18.10.2019 mit am 18.10.2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 18.10.2019 begründet.

Die Beklagte vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag unter Bezugnahme auf den gesamten bisherigen Sach- und Rechtsvortrag in erster Instanz. Das Arbeitsgericht habe die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung zu Unrecht an einer fehlenden Abmahnung scheitern lassen. Die Kammer habe die Vorfälle und Ereignisse weder ausreichend noch zutreffend gewürdigt. Das Arbeitsgericht habe auch nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Kläger nicht nur im Vorfeld der Kündigung, sondern auch in deren Nachgang während des erstinstanzlichen Kündigungsschutzverfahrens massiv auf den Arbeitgeber und seine Beschäftigten eingewirkt habe. Dieses Verhalten des Klägers habe sich nach Abschluss des erstinstanzlichen Kündigungsschutzverfahrens fortgesetzt. Dies belege die Beharrlichkeit des Klägers. Das Arbeitsgericht habe auch zu Unrecht darauf abgestellt, dass allein die Androhung der Kündigung durch den Mitarbeiter H. nicht ausreichend sei. Für eine Druckkündigung seien nicht zwingend mehrere Kündigungsandrohungen erforderlich. Im Übrigen seien neben drohenden Kündigungen auch andere drohende Nachteile zu berücksichtigen. Die Kammer hätte zugunsten der Beklagten die eindeutige Positionierung und Verweigerungshaltung der Mitarbeiter im Versand berücksichtigen müssen. Die Beklagte verweist darauf, dass es sich bei dem Versandbereich eines Produktionsunternehmens um einen wichtigen und wesentlichen Bestandteil des Betriebes handele. Es sei unabdingbar, dass die Arbeitsabläufe ungestört liefen. Die Belastung im Versand sei so groß gewesen, dass die geregelte Beladung der LKWs nicht mehr habe sichergestellt werden können. Der Arbeitsablauf sei durch den Kläger massiv gestört worden. Schwere wirtschaftliche Nachteile hätten gedroht, was ausreichend sei. Das Verhalten des Klägers habe auch so weite Kreise gezogen, dass es sich nicht mehr ausschließlich auf den Betrieb der Beklagten beschränkt habe. Bei der Spedition M. handele es sich um einen Unternehmen, welches Spezialtransporte vornehme. Die Beklagte sei darauf angewiesen, dass die Zusammenarbeit reibungslos funktioniere. Das Arbeitsgericht habe sich auch nicht hinreichend mit der Frage auseinandergesetzt, ob und inwieweit gegebenenfalls ein personenbedingter Kündigungsgrund vorliege. Der Kläger habe sein uneinsichtiges Verhalten auch nach Abschluss der ersten Instanz fortgesetzt. Die Beklagte verweist auf die Nachrichten des Klägers vom 05.08.2019. Darüber hinaus habe der Kläger der Beklagten mit Mail vom 07.08.2019 vorgeworfen, seine Persönlichkeitsrechte zu verletzen. Herr P. sei vom Kläger bereits mehrfach über WhatsApp angeschrieben und mit Fragen regelrecht überhäuft worden. Herr E. versuche ebenfalls, sich den Zugriffen des Klägers zu entziehen.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei eine Abmahnung aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung entbehrlich gewesen. Der Kläger habe den entgegenstehenden Willen des Herrn H. bewusst missachtet und ihm regelrecht nachgestellt. Herr H. habe deutlich gemacht, dass er nicht vom Kläger behelligt werden wolle. Er sei sogar im Privatklagewege gegen ihn vorgegangen und habe den Kläger über WhatsApp gesperrt. Der Kläger habe hieraus jedoch nicht die erforderlichen Schlüsse gezogen, sondern versucht, Herrn H. über den WhatsApp Zugang seiner Ehefrau zu erreichen. Der Kläger habe sich als absolut uneinsichtig gezeigt. Die Beklagte habe sich demgegenüber nachhaltig bemüht, die Situation im Betrieb zu deeskalieren.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass das Arbeitsverhältnis jedenfalls aufzulösen sei. Sie stützt den Auflösungsantrag unter anderem auf das Verhalten des Klägers nach Abschluss der ersten Instanz und die Versendung der Schreiben vom 05.08.2019. Das Verhalten des Klägers gegenüber dem verstorbenen Mitarbeiter und seinen Angehörigen seit pietätlos. Es zeuge auch gegenüber den betroffenen Mitarbeitern, die den Kollegen aufgefunden hätten und Erste-Hilfe Maßnahmen geleistet hätten, von wenig Empathie. Der Kläger habe weitere Nachrichten an Mitarbeiter versandt und rufe begleitend immer wieder beim Betriebsrat an. Eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien sei aufgrund dessen nicht mehr zu erwarten. Das Vertrauensverhältnis des Klägers zu den übrigen Mitarbeitern sowie auch zum Arbeitgeber sei vollständig zerrüttet. Im Verhalten des Klägers sei zudem eine deutliche Steigerung zu erkennen. Er sei seinerseits weder gewillt noch in der Lage, eine Atmosphäre zu schaffen, die ihm unter Berücksichtigung des arbeitsgerichtlichen Urteils erster Instanz eine Rückkehr in den Betrieb ermöglicht hätte. Das gezielte aufgreifen sensibler Themen, kombiniert mit unzutreffenden Tatsachenbehauptungen, persönlichen Vorwürfen und Angriffen und unhaltbaren, jeglicher sachlichen Grundlage entbehrenden Mutmaßungen unter Nutzung der sozialen Netzwerke, belege, dass selbst bei allen Anstrengungen, die von Seiten des Arbeitgebers unternommen würden, eine zukünftige Zusammenarbeit nicht erfolgreich sein könne.

Die Beklagte beantragt,

1) das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 27.06.2019 – 2 Ca 547/19 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

2) hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem Klageabweisungsantrag, das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30.04.2019, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch eine Abfindung i.H.v. 20.000 EUR nicht überschreiten sollte, aufzulösen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger beruft sich auch im zweitinstanzlichen Verfahren darauf, dass jedenfalls eine Abmahnung erforderlich gewesen sei. Die Beklagte trage im Wesentlichen „Allgemeinplätze“ vor. Einzelne Verfehlungen des Klägers würden weder nach Ort oder Zeit konkret benannt. Die Beklagte stelle Ausforschungsbeweisanträge. Der Kläger wiederholt seine Rechtsauffassung, dass vertraulicher Schriftwechsel des Klägers, welcher außerhalb des Arbeitsverhältnisses geführt worden sei, nicht berücksichtigt werden dürfe. Dies würde das Recht des Klägers am eigenen Wort beeinträchtigen. Der Kläger habe die Mitteilungen ausdrücklich als vertraulich bezeichnet. Ein Grund für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses liege nicht vor. Hinsichtlich der E-Mail des Klägers an Herrn I. vom 05.08.2019 trägt der Kläger wie folgt vor:

Er sei von Mitarbeitern, die den Vorfall miterlebt hätten, darauf aufmerksam gemacht worden, dass hier eventuell Probleme bei Erste-Hilfe Maßnahmen vorlägen. Dies habe der Kläger weitergegeben und hier weder pietätlos gehandelt noch eine fehlende Empathie gezeigt. Der Kläger bestreitet, dass er Mitarbeiter mit WhatsApp überhäuft habe. Des Weiteren habe der Betriebsrat ihm angeboten, sich nach wie vor mit ihm auszutauschen. Ihm sei ausdrücklich erklärt worden, dass er sich in jedem Verfahrensstand an den Betriebsrat wenden könne. Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt unbeteiligte Beschäftigte mit WhatsApp Nachrichten oder Mails überzogen. Diese Behauptungen der Beklagten seien ins Blaue hinein erfolgt. Schließlich verweist der Kläger darauf, dass sich aus der Kündigung des Arbeitnehmers H. nicht ergebe, was Hintergrund der Kündigung sei. Die Unterstellung der Beklagten, der Kläger sei die Ursache hierfür, bestreitet der Kläger. Der Kläger bestreitet nach wie vor das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung und verweist darauf, dass die Anlage zur Betriebsratsanhörung, welche die Darlegung der Kündigungsgründe enthält, bislang nicht zur Akte gereicht wurde.

Mit Schreiben vom 10.01.2019 (vgl. Blatt 251 der Akte) ist ein gerichtlicher Hinweis erfolgt, dass nicht nur die geäußerten Bedenken der Prozessbevollmächtigten des Klägers bezüglich der Darlegung des Inhalts der ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung bestünden. Vielmehr sei die Kündigung vor Ablauf der Wochenfrist ausgesprochen worden und von der Beklagten nicht hinreichend dargelegt, dass eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrates vorliege.

Die Beklagte hat daraufhin die Anlage zur Betriebsratsanhörung mit Schriftsatz vom 17.01.2020, beim Landesarbeitsgericht am 17.01.2020 eingegangen, überreicht (vgl. Blatt 274 der Akte) und zudem vorgetragen, dass der Betriebsrat die Stellungnahme als abschließend verstanden habe. Dies entspreche der Üblichkeit im Betrieb und sei auch dadurch belegt, dass die Beklagte in ihrem Anhörungsbogen um die abschließende Stellungnahme des Betriebsrates bitte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen beider Rechtszüge verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung sowie der Auflösungsantrag der Beklagten bleiben erfolglos.

A. Die Berufung ist zulässig.

Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 1, 2 lit. c) ArbGG statthaft. Ferner ist sie form- und fristgerecht im Sinne von § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet worden. Die Berufung setzt sich auch hinreichend mit den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils inhaltlich auseinander und greift dieses mit näher spezifizierten Rügen fehlerhafter Rechtsanwendung an, so dass auch im Übrigen hinsichtlich der Beachtung der Anforderungen aus §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO keine Bedenken bestehen.

B. Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zurecht erkannt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 25.02.2019 nicht aufgelöst wurde. Es kann dahinstehen, ob die Kündigung bereits unwirksam ist, weil sie vor Ablauf der Frist des § 102 BetrVG ausgesprochen wurde. Insbesondere bedurfte es keiner weiteren Aufklärung der Frage, ob der Betriebsrat eine abschließende Stellungnahme abgegeben hat. Jedenfalls mangelt es der Kündigung an einem Grund nach § 1 KSchG.

I. Die Kündigung ist nicht aus verhaltensbedingten Gründen gerechtfertigt.

1. Eine Kündigung ist durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG „bedingt“, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die (fristgemäße) Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers – etwa eine Abmahnung oder eine Versetzung – geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten bereits durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 in Verbindung mit § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes demnach nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist. Im Regelfall wird sich die für eine sozial gerechtfertigte verhaltensbedingte ordentliche Kündigung notwendige negative Prognose erst nach einer Abmahnung treffen lassen, denn entscheidend ist, dass der Arbeitgeber nicht mehr erwarten kann, dass sich der Arbeitnehmer künftig vertragsgerecht verhält (BAG vom 09.06.2011 – 2 AZR 284/10, NZA-RR 2012, 12; BAG vom 03.11.2011 – 2 AZR 748/10, juris, Rn. 20; BAG vom 27.9.2012 – 2 AZR 811/11, BeckRS 2013, 67175, Rn. 16; BAG vom 25.10.2012 – 2 AZR 495/11, juris, Rn. 16; BAG vom 20.6.2013 – 2 AZR 583/12, NZA 2013, 1345, Rn. 24; BAG vom 23.01.2014 – 2 AZR 638/13 -, juris, Rn. 16; BAG vom 31.07.2014 – 2 AZR 434/13, juris, Rn. 19; BAG vom 1.7.2014 – 2 AZR 434/13, NZA 2015, 358; BAG vom 19.11.2015 – 2 AZR 217/15, NZA 2016, 540; ErfK/Oetker, 20. Aufl. 2020, KSchG § 1 Rn. 188ff.).

Für die Frage, ob das Verhalten des Arbeitnehmers im Sinne von § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG eine Kündigung „bedingt“, gilt ein objektiver Maßstab. Maßgeblich ist nicht, ob ein bestimmter Arbeitgeber meint, ihm sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten und ob er weiterhin hinreichendes Vertrauen in einen Arbeitnehmer hat. Es kommt vielmehr darauf an, ob dem Kündigenden die Weiterbeschäftigung – bei der ordentlichen Kündigung auch über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus – aus der Sicht eines objektiven und verständigen Betrachters unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zumutbar ist oder nicht (BAG vom 19.11.2015 – 2 AZR 217/15, NZA 2016, 540).

2. Die von der Beklagten behaupteten und vom Kläger bestrittenen Sachverhalte können als zutreffend unterstellt werden. Den vom Kläger bestrittenen Ausführungen der Beklagten lassen sich keine Pflichtverletzungen des Klägers entnehmen, die entweder für sich genommen oder in der Gesamtschau ohne vorherige Abmahnung eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen.

a) Die Beklagte wirft dem Kläger vor, er störe durch sein Verhalten den Betriebsfrieden.

Verhaltensbedingte Kündigung bei Störung Betriebsfrieden
(Symbolfoto: Von fizkes/Shutterstock.com)

Der Begriff des Betriebsfriedens ist abhängig und wird bestimmt von der Summe aller derjenigen Faktoren, die – unter Einschluss des Betriebsinhabers (Arbeitgeber) – das Zusammenleben und Zusammenwirken der in einem Betrieb tätigen Betriebsangehörigen ermöglichen, erleichtern oder auch nur erträglich machen. Der Betriebsfrieden als ein die Gemeinschaft aller Betriebsangehörigen umschließender Zustand ist daher immer dann gestört, wenn das störende Ereignis einen kollektiven Bezug aufweist, mögen unmittelbar hiervon auch nur wenige Arbeitnehmer betroffen sein. Um eine Störung des Betriebsfriedens anzunehmen, ist es nicht erforderlich, dass die gesamte oder die Mehrheit der Belegschaft oder ganze Betriebsabteilungen über einen Vorgang im Betrieb in Unruhe geraten, in Empörung ausbrechen oder ihren Unmut in spontanen Kundgebungen äußern (BAG vom 09.12.1982 – 2 AZR 620/80, NJW 1984, 1142). Eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gemäß § 241 Abs. 2 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers durch eine Störung des Betriebsfriedens kann eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen (BAG vom 24.06.2004 – 2 AZR 63/03, NZA 2005, 158; BAG vom 09.06.2011 – 2 AZR 284/10, NZA-RR 2012, 12; BAG vom 03.11.2011 – 2 AZR 748/10, NZA 2012, 607; BAG vom 19.11.2015 – 2 AZR 217/15, NZA 2016, 540; BAG vom 1.6.2017 – 6 AZR 720/15, NZA 2017, 1332; LAG Berlin vom 05.01.2005 – 17 Sa 1308/04, juris, Rn. 19). Der Arbeitnehmer muss dabei das Zusammenleben und Zusammenwirken der in dem Betrieb tätigen Betriebsangehörigen konkret und nachhaltig in einer Weise beeinträchtigt haben, die es dem Arbeitgeber, der gemeinsam mit dem Betriebsrat für eine friedliche Zusammenarbeit der Mitarbeiter verantwortlich ist, unmöglich macht, das Arbeitsverhältnis mit dem störenden Arbeitnehmer fortzusetzen. Der Arbeitgeber hat ein berechtigtes Interesse an der Wahrung des Betriebsfriedens und der Einhaltung der betrieblichen Ordnung als Voraussetzung einer funktionierenden Arbeitsorganisation. Allerdings reicht allein eine Beeinträchtigung des Betriebsfriedens ohne konkrete Feststellung einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung noch nicht aus, um einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund annehmen zu können (BAG vom 24.06.2004 – 2 AZR 63/03, NZA 2005, 158; BAG vom 27.9.2012 – 2 AZR 646/11, AP BGB § 626 Nr. 240 Rn. 45; BeckOK ArbR/Rolfs, 54. Ed. 1.12.2019, KSchG § 1 Rn. 315; Linck/Krause/Bayreuther/Krause, 16. Aufl. 2019, KSchG § 1 Rn. 608). Der Arbeitgeber ist für die arbeitsvertragliche Pflichtverletzung darlegungs- und beweisbelastet.

Den Betriebsfrieden störende Handlungen können sich z.?B. ergeben bei Streitigkeiten mit Kollegen, Diskriminierungen des Arbeitgebers oder Kollegen, Denunziation, Mobbing oder ausländerfeindlichen Äußerungen (Ascheid/Preis/Schmidt-/Vossen, 5. Aufl. 2017, KSchG § 1 Rn. 299, m.w.N.). Ebenso kann der Betriebsfriede dadurch gestört werden, dass ein Arbeitnehmer einer Kollegin/einem Kollegen unter bewusster Missachtung ihres/seines entgegenstehenden Willens im Betrieb oder im Zusammenhang mit der geschuldeten Tätigkeit beharrlich nachstellt, sog. „Stalking“ (BAG vom 19.4.2012 – 2 AZR 258/11, NZA-RR 2012, 567, Rn. 33).

b) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kann eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung, die ohne vorherige Abmahnung eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigt, nicht festgestellt werden, auch wenn zugunsten der Beklagten unterstellt werden kann, dass der Betriebsfrieden im Lager gestört ist, da Kollegen und Fahrer von Speditionen sich über den Kläger beschwert haben und Diskussionen und Streitigkeiten den betrieblichen Ablauf stören. Neben pauschalen Vorwürfen gegenüber dem Kläger lassen sich den Ausführungen der Beklagten nur wenige konkrete Sachverhalte entnehmen. Im Einzelnen:

aa) Die vom Kläger an den Mitarbeiter H. versendeten Nachrichten vom 27.12.2018, 04.01.2019 sowie 16.01.2019 rechtfertigen unabhängig von der Frage ihrer Verwertbarkeit im Kündigungsschutzprozess jedenfalls keine verhaltensbedingte Kündigung ohne vorherige Abmahnung.

(1) Allein die Tatsache, dass der Kollege H. sich belästigt fühlt und sich bei der Beklagten beschwert hat, ist nicht maßgeblich. Die Versendung der Nachrichten erreicht auch nicht die Qualität eines „Stalking“. Stellt ein Arbeitnehmer einer Kollegin/einem Kollegen unter bewusster Missachtung ihres/seines entgegenstehenden Willens im Betrieb oder im Zusammenhang mit der geschuldeten Tätigkeit beharrlich nach, ist dies an sich sogar als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an (vgl. § 238 StGB), sondern auf die mit diesem Verhalten verbundene Störung des Betriebsfriedens. In einem derartigen Verhalten liegt nicht nur eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Betroffenen, sondern zugleich eine erhebliche Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers gemäß § 241 Abs. 2 BGB (BAG vom 19.04.2012 – 2 AZR 258/11,juris, Rn. 33).

Die Beklagte hat allerdings nicht dargelegt, ob und wann der Kollege H. vor den Nachrichten vom 27.12.2018, 04.01.2019 und 16.01.2019 dem Kläger unmissverständlich mitgeteilt hat, dass er jegliche Kontaktaufnahme des Klägers über seine private Telefonnummer ablehne. Der bloße Verweis in der Berufungsbegründung auf den vom Mitarbeiter H. angeblich beschrittenen „Privatklageweg“ ist ohne konkrete Angaben, insbesondere von Daten, nicht aussagekräftig. Auch die Anzahl der Nachrichten an den Kollegin H. belegt keinen belästigenden Charakter. Insgesamt hat der Kläger drei Nachrichten innerhalb eines Zeitraumes von ca. drei Wochen an den Kollegen H. versandt. Somit hat die private Kommunikation auch vom Umfang her nicht den Charakter eines „Stalking“. Aus dem Wortlaut der SMS vom 16.01.2019 folgt eingangs sogar, dass der Kollege H. den Kläger zuvor gebeten hatte, diesem eine SMS zu schreiben. Aus dem gesamten Schriftverkehr des Klägers gegenüber dem Kollegin H. wird zudem deutlich, dass nicht nur ein beruflicher Kontakt, sondern auch ein privater bestand.

Es erscheint bereits fraglich, ob man die Kontaktaufnahme von Kollegen über die private Telefonnummer außerhalb der Arbeitszeit als arbeitsvertragliche Pflichtpflichtverletzung gegenüber dem Arbeitgeber werten kann. Selbst wenn man dies zugunsten der Beklagten unterstellt, da die private Kommunikation zwischen dem Kläger und dem Kollegen H. auch Auswirkungen im Betrieb hatte, so kann in den Nachrichten des Klägers an den Kollegin H. jedenfalls keine derart schwerwiegende Pflichtverletzung gesehen werden, die ohne vorherige Abmahnung eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigt. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Beklagten, dass der Kläger, nachdem der Kollege H. seinen WhatsApp Account für den Kläger gesperrt habe, am 19.02.2019 an den Account der Ehefrau des Kollegin H. eine weitere Nachricht versandt habe. Es kann nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass eine Abmahnung keine Verhaltensänderung bewirkt hätte. Das Versenden von Nachrichten an die private Telefonnummer eines Kollegen stellt auch bei einem erkennbaren entgegenstehenden Willen keine derart schwerwiegende Pflichtverletzung der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht dar, die vom Arbeitgeber erkennbar nicht hingenommen werden muss. Dies kann allenfalls dann gelten, wenn die Nachrichten das Ausmaß eines Stalkings erreichen, was wie oben ausgeführt hier nicht festgestellt werden kann.

(2) Die Nachrichten enthalten auch inhaltlich keine Äußerungen, die eine verhaltensbedingte Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen.

Der Kläger verweist zunächst zurecht darauf, dass die Beklagte bereits nicht vorträgt, welchen verfahrensrelevanten Inhalt die Mitteilungen haben. Es sind auch keine Äußerungen erkennbar, die eine sofortige Kündigung ohne vorherigen Ausspruch einer Abmahnung rechtfertigen, insbesondere keine groben Beleidigungen von Kollegen des Klägers.

(a) Beleidigungen gegenüber Kollegen sind grundsätzlich geeignet, eine verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen, wenn dadurch der Betriebsfrieden nachhaltig gestört wird. Sachliche Kritik kann eine Kündigung hingegen nicht rechtfertigen. Missstände im Betrieb dürfen aufgezeigt werden. Kritik darf auch gegebenenfalls polemisch und überspitzt formuliert werden. Auch dies unterfällt der Meinungsfreiheit des Artikel 5 Abs. 1 GG. Ihre Grenzen erfährt die Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers im Recht der persönlichen Ehre als auch in den allgemeinen Regeln im Arbeitsverhältnis, die der Aufrechterhaltung des Betriebsfriedens dienen. Dementsprechend unterfallen bewusst falsche Tatsachenbehauptungen sowie eine reine Schmähkritik nicht mehr dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG (Münchener Kommentar zum BGB-Hergenröder, 8. Aufl. 2006, § 1 KSchG, Rn. 288 f.; Grobys/Panzer-Heemeyer, StichwortKommentar, Arbeitsrecht, 3. Aufl., Edition 10/2019, Kündigung, verhaltensbedingte, Rn. 34 ff.; BAG vom 11.07.1991 – 2 AZR 633/90, AP LPVG Bayern Art. 6 Nr. 1; BAG vom 06.02.1997 – 2 AZR 38/96, juris; BAG vom 06.11.2003 – 2 AZR 177/02, BeckRS 2004, 40345; zu Art. 626 Abs. 1 BGB vgl. nur BAG vom 18.12.2014 – 2 AZR 265/15, AP BGB § 626 Nr. 250). Es kommt nicht auf die strafrechtliche Wertung, sondern darauf an, ob dem Arbeitgeber nach dem gesamten Sachverhalt die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses noch zuzumuten ist (BAG vom 06.11.2003 – 2 AZR 177/02, Beck RS 2004, 40345). Stets ist auch in diesem Fall eine vorherige Abmahnung zu prüfen. Diese kann dann entbehrlich sein, wenn das Vertrauensverhältnis durch die Beleidigung so stark belastet ist, dass eine weitere Zusammenarbeit unzumutbar erscheint. Hierbei sind sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (BAG vom 06.02.1997 – 2 AZR 38/96, BeckRS 1997, 30368988).

(b) Den von der Beklagten eingereichten Anlagen können keine Äußerungen entnommen werden, die grobe Beleidigungen enthalten. Die Äußerungen fallen überwiegend in den Schutzbereich des Art. 5 GG. Allenfalls der Vorwurf des Mobbing könnte bei unterstellter Unwahrheit gegebenenfalls nicht vom Schutzbereich des Art. 5 GG gedeckt sein. Ein derartiger in einer privaten Kommunikation geäußerter Vorwurf rechtfertigt jedoch nicht die Annahme der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ohne vorherigen Ausspruch einer Abmahnung.

(3) Eine Abmahnung ist auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil aufgrund des Verhaltens des Klägers angenommen werden kann, dass eine vorherige Abmahnung ohnehin keine Verhaltensänderung seitens des Klägers bewirkt hätte.

Die Tatsache, dass verschiedene Gespräche geführt wurden und der Kläger auch im Nachgang zu diesen Gesprächen noch Nachrichten an den Kollegen H. versandt hat, führt nicht zu der Annahme, dass eine Abmahnung den Kläger nicht von seinem Verhalten abgebracht hätte. Die geführten Gespräche drehten sich nach den Ausführungen der Beklagten zunächst darum, dass der Kläger Verbesserungsvorschläge gemacht habe, die aus Sicht der Beklagten über seine Kompetenzen hinausgingen. Mit der Versendung von Nachrichten an Kollegen über private Kommunikationskanäle hat dies ersichtlich nichts zu tun. Auch in den weiter geschilderten Gruppengesprächen ging es nach der Darstellung der Beklagten nicht um die private Kontaktaufnahme, sondern um die gegenseitigen Einschätzungen zur Zusammenarbeit im Betrieb. Für die Kammer war daher in keiner Weise erkennbar, wieso aufgrund von Gesprächen über Unruhen im Betrieb, die zu keiner Besserung geführt haben, eine vorherige Abmahnung im Hinblick auf eine Belästigung von Kollegen über private Kommunikationskanäle entbehrlich sein soll. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hätte es geboten, dem Kläger zunächst mittels einer Abmahnung deutlich zu machen, dass die weitere Versendung von Nachrichten an den Kollegen H. entgegen dessen Willen sein Arbeitsverhältnis gefährdet.

bb) In der Versendung der Nachrichten an Frau L. sowie Herrn H. vermochte die Kammer bereits keine Pflichtverletzung zu erkennen. Die Nachricht an Herrn H. hat der Kläger erkennbar unter dem Eindruck der ihm mitgeteilten Entscheidung der Arbeitgeberseite, man wolle sein Arbeitsverhältnis fristlos beenden, geschrieben. Dass von irgendeiner Seite ein Verbot ausgesprochen wurde, den Mitarbeiter H. zu kontaktieren, ist nicht vorgetragen. Gleiches gilt für die WhatsApp an Frau L. vom 07.02.2019. Die Kläger versucht ersichtlich, seine Position angesichts der ihm drohenden Kündigung zu rechtfertigen, was von der Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG gedeckt ist. Die Ausführungen der Beklagten lassen auch nicht erkennen, welche Aussagen des Klägers aus ihrer Sicht eine Pflichtverletzung darstellen. Allein die Versendung von Nachrichten an Kollegen stellt keine Pflichtverletzung dar. Die pauschale Behauptung der Beklagten, die Mitarbeiter würden die Nachrichten als belästigend oder bedrohlich empfinden, entbehrt einer hinreichenden Tatsachengrundlage.

cc) Die Ausführungen der Beklagten, der Kläger protokolliere Fehler seiner Kollegen mit Fotos, hinterfrage Arbeitsabläufe, missachte Arbeitsanweisungen und bleibe der Arbeit für Gespräche fern, sind unsubstantiiert. Dies gilt ebenso für den Vorwurf des schroffen Umgangstons und des respektlosen Auftretens gegenüber den Kollegen. Die Beklagte hätte hier konkreter die einzelnen Pflichtverletzungen darlegen müssen. Eines gerichtlichen Hinweises nach § 139 ZPO bedurfte es insofern nicht, da sowohl die Prozessbevollmächtigten des Klägers als auch das Arbeitsgericht bereits auf diesen Mangel aufmerksam gemacht haben.

dd) Der Vortrag, der Kläger bezeichne Kollegen als seine Mitarbeiter, mag eine Fehleinschätzung des Klägers über seine Kompetenzen aufzeigen. Eine Pflichtverletzung, die ohne vorherige Abmahnung eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigt, liegt hierin nicht. Eine Abmahnung ist auch nicht entbehrlich, wenn der Personalreferent H. den Kläger darauf hingewiesen hat, dass er seine Kompetenzen überschreite. Soweit die Abmahnung als notwendige Vorstufe zu einer Kündigung dienen soll, muss sie mit dem eindeutigen und unmissverständlichen Hinweis verbunden sein, dass bei künftigen gleichartigen Pflichtverletzungen Inhalt oder Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet sind (Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 11. Auflage 2015, § 2, Rn. 8). Diese Qualität erreicht die von der Beklagten vorgetragene Erklärung gegenüber dem Kläger nicht.

ee) Die Kammer hat zugunsten der Beklagten unterstellt, dass der Kläger gegenüber einem Fahrer einer Spedition gesagt habe, dass ein Kollege des Klägers „zu doof sei, seine Arbeit zu machen“. Eine solche Äußerung stellt eine despektierliche Äußerung gegenüber einem Kollegen dar, die, ohne dass es auf eine strafrechtliche Bewertung ankommt, eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung darstellt. Selbst wenn der Kläger diese Äußerung getätigt hat, so handelt es sich von der Schwere der Pflichtverletzung her jedenfalls nicht um eine solche, die ohne Ausspruch einer vorherigen Abmahnung die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt. Darüber hinaus muss eine Äußerung stets aus dem Kontext heraus bewertet werden. Diesen Kontext hat die Beklagte nicht dargelegt.

Auch die Äußerungen des Klägers im Gespräch mit der Personalleiterin am 15.01.2019 stellen keine groben Beleidigungen dar. Der Vorwurf des Mobbings mag, wenn keine konkreten Sachverhalte benannt werden, als Pflichtverletzung bewertet werden. Gleiches gilt für die Aussage, Herr L. habe den Kläger „verarscht“. Diese Äußerungen sind jedoch ersichtlich vor dem Hintergrund erfolgt, dass der Kläger sich aus seiner Sicht ungerechtfertigten Anschuldigungen ausgesetzt sieht. Sie sind jedenfalls nicht als grobe Beleidigungen zu bewerten, die eine verhaltensbedingte Kündigung ohne vorherige Abmahnung zulassen.

Der Vorwurf des Klägers, man habe sein Persönlichkeitsrecht verletzt, ist die Äußerung einer Rechtsauffassung, in der bereits keine Pflichtverletzung gesehen werden kann. Der Auffassung liegen nachvollziehbare Erwägungen zugrunde, da die Beklagte private Kommunikation des Klägers in den Kündigungsschutzprozess eingeführt hat.

ff) Die Behauptung, der Kläger provoziere Kollegen, indem er Fehler anspreche, die keine tatsächlichen Fehler seien, ist ebenfalls zu pauschal. Die Beklagte hätte hier einzelne Situationen darlegen müssen.

Gleiches gilt für die Vorwürfe, der Kläger habe den Fahrer einer weiteren Spedition permanent schikaniert. Hinsichtlich der angeblichen Aussage des Klägers gegenüber diesem Fahrer, dass er „hier der Chef sei und der Fahrer auf ihn zu hören habe“, gilt das oben Gesagte. Eine solche Äußerung mag eine Verletzung der Rücksichtnahmepflicht sein, allerdings keine, die ohne vorherige Abmahnung eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigt. Die weiteren Vorwürfe des schroffen Umgangs sowie des respektlosen Auftretens sind erneut pauschal und unsubstantiiert.

gg) Schließlich lässt sich auch aufgrund des Vortrags der Beklagten, der Kläger sei im Januar an insgesamt 9 Stunden aufgrund von Diskussionen mit Vorgesetztem, dem Betriebsrat und der Personalabteilung nicht an seinem Arbeitsplatz anwesend gewesen, keine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung entnehmen, die ohne vorherige Abmahnung eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigt. Die Beklagte hat bereits nicht hinreichend konkret das Vorliegen einer Pflichtverletzung dargelegt. Sofern die Beklagte darauf verweist, dass der Kläger ohne Abmeldung fernbleibe, fehlt es an konkreten Angaben von Vorfällen und der Darlegung, ob und welche konkrete Anweisung bezüglich einer Abmeldung galt. Jedenfalls wäre diesbezüglich eine vorherige Abmahnung erforderlich.

c) Auch die Ausführungen der Beklagten zum Verhalten des Klägers nach Zugang der Kündigung rechtfertigen keine andere Beurteilung. Insbesondere folgt aus dem Verhalten des Klägers nicht, dass eine Abmahnung in Bezug auf die oben dargelegten oder unterstellten Pflichtverletzungen entbehrlich gewesen wäre. Die Wirksamkeit einer Kündigung ist grundsätzlich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zugangs zu beurteilen. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach den §§ 9, 10 KSchG dienen (vgl. nur BAG vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227, Rn. 52ff., m. w. N.). Nachträglich eingetretene Umstände können für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen. Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde. Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch die Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden. Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen gilt nichts anderes (BAG vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227, Rn. 52ff., Rn. 53, m. w. N.).

Die Beklagte argumentiert, dass das Verhalten des Klägers nach Zugang der Kündigung zeige, dass er sich auch durch eine Abmahnung nicht von weiteren Nachrichten an Kollegen mit belästigenden Charakter und einer weiteren Störung des Betriebsfriedens abbringen lasse. Diese Würdigung hält die Kammer für unzutreffend. Mit dem Ausspruch der Kündigung ist die Interessenlage nunmehr eine völlig andere. Der Kläger muss sich im Kündigungsschutzverfahren gegenüber den Vorwürfen der Beklagten behaupten, um den Bestand seines Arbeitsverhältnisses zu erreichen. Anders als in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis kann er sich somit nicht jeglicher Äußerungen in Bezug auf die Streitigkeiten im Betrieb enthalten. Dass er sich mit Vehemenz gegen die ausgesprochene Kündigung wehrt und auch Kollegen kontaktiert, besagt nichts darüber, dass eine Abmahnung im bestehenden Arbeitsverhältnis keine Verhaltensänderung des Klägers bewirkt hätte.

II. Zurecht hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass die Kündigung auch nicht als sogenannte „echte Druckkündigung“ aus betriebsbedingten Gründen gerechtfertigt ist. Es kann dahinstehen, ob der Betriebsrat überhaupt zu einer betriebsbedingten Kündigung angehört wurde, jedenfalls liegen die Voraussetzungen einer betriebsbedingten Druckkündigung nicht vor.

1. Nach der Rechtsprechung des BAG kann das ernstliche Verlangen eines Dritten, der unter Androhung von Nachteilen vom Arbeitgeber die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers fordert, auch dann einen Grund zur Kündigung bilden, wenn es an einer objektiven Rechtfertigung der Drohung fehlt. Allerdings unterliegt eine solche „echte“ Druckkündigung – unabhängig von ihrer rechtlichen Einordnung als betriebsbedingte oder personenbedingte Kündigung strengen Anforderungen. Insbesondere darf der Arbeitgeber einem Kündigungsverlangen seitens der Belegschaft oder eines Teils der Mitarbeiter nicht ohne weiteres nachgeben. Er muss sich vielmehr schützend vor den Betroffenen stellen und alles Zumutbare versuchen, um die Belegschaft von ihrer Drohung abzubringen (Linck/Krause/Bayreuther, Kündigungsschutzgesetz, 16. Aufl. 2019, § 1 KSchG, Rn. 315). Nur wenn trotz solcher Bemühungen die Verwirklichung der Drohung in Aussicht gestellt wird und dem Arbeitgeber dadurch schwere wirtschaftliche Nachteile drohen, kann eine Kündigung gerechtfertigt sein. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Kündigung das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel ist, um die Schäden abzuwenden. Zu berücksichtigen ist auch das eigene Verhalten des Arbeitgebers. Insbesondere kann er sich nicht auf eine Drucksituation berufen, die er selbst in vorwerfbarer Weise herbeigeführt hat – etwa wenn er für die ablehnende Haltung der Belegschaft gegenüber dem Arbeitnehmer selbst den Anlass gegeben hat. Umgekehrt kann auch das Verhalten des Arbeitnehmers von Bedeutung sein. Auch er muss aufgrund der ihn treffenden Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) nach Möglichkeit Nachteile für den Arbeitgeber vermeiden und vermeiden helfen (BAG vom 19.06.1986 – 2 AZR 563/85, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 33; BAG vom 31.01.1996 – 2 AZR 158/95, NZA 1996, 581; BAG vom 8.7.2013 – 6 AZR 420/12, NZA 2014, 109, beck-online, Rn. 37ff.; BAG vom 19.7.2016 – 2 AZR 637/15, NZA 2017, 116, beck-online, Rn. 28ff.; Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht – Oetker, 20. Auflage 2020, § 1 KSchG, Rn. 183).

Die Dritten müssen auch ausdrücklich die Entlassung des Mitarbeiters fordern. Es ist nicht ausreichend, wenn sich der Dritte auch damit zufrieden gibt, dass der Arbeitnehmer nur zurechtgewiesen wird. Dem Arbeitgeber müssen erhebliche Nachteile drohen, wenn er der Kündigungsforderung nicht nachgibt. Einfache Störungen werden als nicht ausreichend angesehen (Settekorn/Fasholz: „Der muss gehen“ – Die echte Druckkündigung im Licht der Rechtsprechung, ArbRAktuell 2016, 521). In dem Fall, über den das BAG am 18.7.2013 (6 AZR 420/12, NZA 2014, 109) zu entscheiden hatte, hatte die den Kündigungsdruck ausübende Bank beispielsweise damit gedroht, die für die Betriebsfortführung notwendige Verlustübernahmeerklärung zu verweigern. Hätte die Bank ihre Drohung wahrgemacht, hätte der Betrieb stillgelegt werden müssen. Angesichts des Ausmaßes des von der Bank angekündigten Nachteils, hat das BAG in diesem Fall die Möglichkeit einer „echten“ Druckkündigung angenommen. Das BAG betont stets den Ausnahmecharakter der echten Druckkündigung. Gerechtfertigt ist diese nur, wenn sie sich als „letzter Ausweg“ zur Abwendung eines dem Arbeitgeber andernfalls drohenden massiven Schadens darstellt. Dies folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der das gesamte Kündigungsrecht beherrscht. Die Anforderung an den Arbeitgeber, sich schützend vor den Arbeitnehmer zu stellen, beruht auf dessen Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen der jeweils anderen Vertragspartei (§ 241 Abs. 2 BGB). Die auf dieser Grundlage gebotenen Maßnahmen lassen sich – schon wegen der Vielzahl denkbarer Ursachen, auf denen das Kündigungsverlangen eines Dritten beruhen kann – nicht für alle Sachverhalte abschließend beschreiben. Es ist jedenfalls nicht generell auszuschließen, dass zu diesen Initiativen im Einzelfall auch das Angebot einer Mediation rechnen kann (BAG vom 19.7.2016 – 2 AZR 637/15, NZA 2017, 116, beck-online, Rn. 34).

2. Der Fall des Klägers lässt unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe schon keine hinreichende Drucksituation erkennen.

Allein der Kollege H. hat gegenüber der Beklagten am 27.12.2018 mit der Kündigung seines Arbeitsverhältnisses gedroht. Die weiteren Äußerungen der Kollegen des Klägers lassen zwar erkennen, dass auch diese – bis auf einzelne Kollegen – eine Zusammenarbeit mit dem Kläger als schwierig empfinden. Allerdings lässt sich den Aussagen entnehmen, dass dies nicht immer so war. So trägt die Beklagte beispielsweise vor, dass Herr L. mitgeteilt habe, die Arbeitsqualität des Klägers habe „nachgelassen“. Der Mitarbeiter N. habe angegeben, der Kläger müsse sich „wieder mehr integrieren und mitarbeiten“. Auch die Äußerung des Kollegen H., er „glaube nicht“, noch mit dem Kläger zusammenarbeiten zu können, ist eher vorsichtig formuliert. Die Beklagte selbst hat im Übrigen vorgetragen, dass der Kläger erst seit Sommer des vergangenen Jahres Unruhe in den Betrieb bringe. Dementsprechend hat der Kläger zuvor offensichtlich beanstandungsfrei seine Arbeitsleistung erbracht, was auch im Zwischenzeugnis vom 27.08.2018 zum Ausdruck kommt. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine langjährige beanstandungsfreie Zusammenarbeit vorlag, ist nicht erkennbar, dass die Aussagen der Kollegen die Forderung beinhalten, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zu beenden. Abgesehen von der Forderung des Kollegen H. hat die Beklagte keine derartige konkrete Aussage eines Kollegen behauptet. Der Betriebsrat hat sich ebenfalls schützend vor den Kläger gestellt und mitgeteilt, dass aus seiner Sicht eine Versetzung zu prüfen sei. Die Gesamtwürdigung der Äußerungen der Kollegen ergibt daher die Forderung der Belegschaft, dass sich generell etwas ändern muss, was aber nicht allein als Aufforderung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger gewertet werden muss. Des Weiteren hat das Arbeitsgericht zu Recht zutreffend darauf verwiesen, dass die beiden Speditionen nicht angekündigt haben, die Zusammenarbeit mit der Beklagten zu beenden. Allein die Tatsache, dass einzelne Fahrer sich beschwert haben, vermag dieses Risiko nicht zu begründen. Daran ändert auch der Verweis auf die besondere Bedeutung des Versandbereichs und der Spedition M. als Dienstleister für Spezialtransporte nichts.

3. Darüber hinaus hat die Beklagte auch nicht alles Zumutbare versucht, um eine Kündigung abzuwenden. Das Führen von vielen Gesprächen allein genügt nicht aus. Es mag sein, dass die Beklagte aus ihrer Sicht viele Gespräche anlässlich der Unruhe im Betrieb geführt hat. Die Beklagte hat jedoch in diesen Gesprächen den Kollegen des Klägers nicht deutlich gemacht, dass dem Kläger die Kündigung des Arbeitsverhältnisses und damit der Verlust des sozialen Besitzstandes droht. Die von der Beklagten geschilderten Gespräche, insbesondere die Gruppengespräche, lassen eher den Eindruck aufkommen, dass es in erster Linie darum ging, negative Äußerungen von Kollegen gegenüber dem Kläger zu erhalten, um eine Grundlage für die Kündigung zu schaffen. Die Beklagte hat sich bei der Prüfung der Versetzungsmöglichkeit anscheinend auch damit begnügt, freie Arbeitsplätze für eine Weiterbeschäftigung des Klägers in Erwägung zu ziehen. Die Beklagte hat allerdings offensichtlich nicht geprüft, ob ein Tausch des Arbeitsplatzes mit einem Kollegen möglicherweise zu einer Entzerrung des Konflikts beigetragen hätte. Die Beklagte hat die vom Betriebsrat angesprochene Beschäftigung des Klägers in einem anderen Bereich nicht aufgegriffen. Auch wenn kein freier Arbeitsplatz vorhanden war, so kann der Arbeitgeber durch Ausübung seines Weisungsrechts – zum Beispiel durch einen Tausch der Arbeitsplätze mit einem anderen Arbeitnehmer – Konflikte im Betrieb mäßigen. Im Fall des Klägers bestehen deutliche Anzeichen dafür, dass die Ursache der Unruhe zumindest auch in privaten Streitigkeiten des Klägers mit dem Mitarbeiter H. liegen. Möglicherweise hätten daher Maßnahmen, die die Zusammenarbeit auf andere Kollegen verlagert hätte, zu einer Besserung des Betriebsklimas geführt. Die Annahme der Beklagten, dass dies von vorneherein aussichtslos sei, ist nicht hinreichend fundiert begründet. Im Gegenteil spricht gerade die jahrelange beanstandungslose Beschäftigungszeit des Klägers dafür, dass eine Besserung entweder durch eine Umsetzungsmaßnahme oder durch Mediationsgespräche denkbar gewesen wäre.

III. Die Kündigung ist auch nicht aus personenbedingten Gründen gerechtfertigt.

1. Eine Druckkündigung kann auch aus personenbedingten Gründen gerechtfertigt sein. Die fehlende Eignung oder nicht steuerbare Leistungsmängel wie etwa ein autoritärer Führungsstil und mangelnde Fähigkeit zur Menschenführung sind als Gründe in der Person des Arbeitnehmers anzusehen, die zu einer eine Druckkündigung rechtfertigenden Drucksituation führen kann (BAG vom 31.01.1996 – 2 AZR 158/95, NZA 1996, 581). In Abgrenzung zur verhaltensbedingten Kündigung ist Anknüpfungspunkt, dass der Druck nicht auf einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers, sondern aufgrund persönlicher Fähigkeiten, Eigenschaften oder nicht vorwerfbaren Einstellungen entsteht (Grobys/Panzer-Heemeier, StichwortKommentar Arbeitsrecht, 3. Aufl., Edition 10 2019, Kündigung, personenbedingte Rn. 3). Zu Recht verweist die Beklagte darauf, dass bei Vorliegen eines personenbedingten Kündigungsgrundes eine vorherige Abmahnung entbehrlich ist, da in diesem Fall das Verhalten gerade nicht steuerbar und damit nicht durch den Ausspruch einer Abmahnung beeinflussbar ist.

2. Es kann jedoch nicht unterstellt werden, dass der Kläger aufgrund seiner persönlichen Konstitution nicht in der Lage ist, auch nach entsprechender Abmahnung der Beklagten Fehlverhalten (Kontaktaufnahme gegenüber Kollegen entgegen ausdrücklicher vorheriger Willensäußerung, Verlassen des Arbeitsplatzes ohne vorherige Meldung, despektierliche Äußerungen gegenüber oder über Kollegen) zu unterlassen. Allein die bloße Möglichkeit, dass der Kläger sein Verhalten nicht steuern kann, genügt hierfür nicht. Die Beklagte ist darlegungs- und beweisbelastet für das Vorliegen des Kündigungsgrundes. Im Falle eines personenbedingten Kündigungsgrundes erfordert dies die Darlegung, dass die Steuerbarkeit des Verhaltens ausgeschlossen ist. Bloße Mutmaßungen ohne tatsächliche Anhaltspunkte genügen dem nicht. Auch der Verweis der Beklagten auf die weiteren vom Kläger gegenüber seinen Kollegen versandten Nachrichten nach Ausspruch der Kündigung genügen nicht für die Annahme fehlenden Steuerungsfähigkeit geführt. Dies ist eine bloße Spekulation der Beklagten.

Eine personenbedingte Kündigung scheitert jedenfalls ohnehin an einer vorherigen Anhörung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG zu einer personenbedingten Kündigung. Die von der Beklagten als Anlage 9 zur Akte gereichte Betriebsratsanhörung bezieht sich ausweislich der Seite 1 der Anhörung auf eine fristgerechte verhaltensbedingte Kündigung. Auch die Anlage 1 zum Anhörungsschreiben, von der Beklagten erstmalig vorgelegt mit Schriftsatz vom 17.01.2020, bezeichnet die beabsichtigte Kündigung in der Überschrift als verhaltensbedingte Kündigung. An keiner Stelle der Begründung wird erwähnt, dass möglicherweise eine personenbedingte Ursache gegeben und eine Abmahnung entbehrlich ist. Im Gegenteil argumentiert die Beklagte beispielsweise, dass die Vielzahl der geführten Gespräche nicht zu einer Verhaltensänderung geführt habe. Dies impliziert, dass sie grundsätzlich von der Steuerungsfähigkeit ausgeht.

C. Der als Hilfsantrag gestellte Auflösungsantrag hat keinen Erfolg.

Es bedurfte keiner weiteren Aufklärung, ob die Kündigung bereits wegen unzureichender Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG unwirksam ist und ein Auflösungsantrag bereits deshalb ausscheidet (vgl. hierzu nur BAG vom 22.9.2016 – 2 AZR 700/15, NZA 2017, 304; Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/Kiel, 20. Aufl. 2020, KSchG § 9 Rn. 10 jeweils m.w.N.). Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG liegen jedenfalls nicht vor, da zumindest nicht festgestellt werden kann, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht zu erwarten ist.

I. Der Auflösungsantrag des Arbeitgebers nach § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG setzt voraus, dass Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Die Gründe müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist, ob die objektive Lage bei Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz die Besorgnis rechtfertigt, eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit sei gefährdet (BAG vom 19.11.2015 – 2 AZR 217/15, NZA 2016, 540, Rn. 60). Auch das Verhalten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Parteien zur Verteidigung ihrer Rechte schon im Hinblick auf das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) alles vortragen dürfen, was als rechts-, einwendungs- oder einredebegründender Umstand prozesserheblich sein kann. Anerkannt ist insbesondere, dass ein Verfahrensbeteiligter starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen darf, um seine Rechtsposition zu unterstreichen, selbst wenn er seinen Standpunkt vorsichtiger hätte formulieren können. Das gilt freilich nur in den Grenzen der Wahrheitspflicht. Zudem dürfen die Parteien nicht leichtfertig Tatsachenbehauptungen aufstellen, deren Unhaltbarkeit ohne weiteres auf der Hand liegt (BAG vom 24.03.2011 – 2 AZR 674/09, NZA-RR 2012, 243 Rn. 22; BAG vom 23.02.2010 – 2 AZR 554/08 NZA 2010, 1123 Rn. 32). Als Auflösungsgrund geeignet sind Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen. Überdies können bewusst wahrheitswidrig aufgestellte Tatsachenbehauptungen – insbesondere wenn sie den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen – die Rechte eines Arbeitgebers in gravierender Weise verletzen und eine gedeihliche künftige Zusammenarbeit infrage stellen. Der Arbeitnehmer kann sich dafür nicht auf sein Recht zur freien Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) berufen. Falsche Tatsachenbehauptungen sind nicht vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG umfasst (BAG vom 29.8.2013 – 2 AZR 419/12, NZA 2014, 660 Rn. 35).

Der Geeignetheit als Auflösungsgrund steht es nicht von vornherein entgegen, dass das Verhalten des Arbeitnehmers die Kündigung selbst nicht rechtfertigen konnte. Der Arbeitgeber kann sich zur Begründung seines Auflösungsantrags auch auf Gründe berufen, auf die er zuvor – erfolglos – die ausgesprochene Kündigung gestützt hat. In diesen Fällen muss er indes im Einzelnen vortragen, weshalb die unzureichenden Kündigungsgründe einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit entgegenstehen sollen (BAG vom 19.11.2015 – 2 AZR 217/15, NZA 2016, 540, Rn. 60; Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/Kiel, 20. Aufl. 2020, KSchG, § 9 Rn. 23). Der Vortrag des Arbeitgebers muss so beschaffen sein, dass sich das Gericht, wollte es die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf dieses Vorbringen stützen, nicht in Widerspruch zu seiner Beurteilung des Kündigungsgrundes als unzureichend setzen müsste (BVerfG vom 22.10.2004 – 1 BvR 1944/01, NZA 2005, 41 [zu II 3?b cc]). Bei der Feststellung, ob Gründe für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses vorliegen, sind strenge Anforderungen zu stellen. Dies ergibt sich aus dem Bestandsschutz als primäres Ziel des Kündigungsschutzgesetzes. Der Arbeitnehmer soll vor einer Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durch eine sozialwidrige Kündigung geschützt werden (BAG v. 24.5.2018 – 2 AZR 73/18, NZA 2018, 1131).

II. Es liegen keine Gründe vor, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht erwarten lassen.

Die Beklagte hat nachvollziehbar dargelegt, dass es sich bei der Versandabteilung der Beklagten um einen für das Unternehmen und dessen wirtschaftlichen Erfolg wichtigen Betriebsbereich handelt. Des Weiteren unterstellt das Gericht, dass in diesem Bereich Unruhen entstanden sind, die sich auch über diesen Betriebsbereich hinaus auf den Betriebsablauf ausgewirkt haben. Die Kammer unterstellt auch, dass der Kläger zu diesen Unruhen beigetragen hat. Die von der Beklagten vorgelegten Nachrichten des Klägers an Kollegen, die zum Teil vor Ausspruch der Kündigung, zum Teil auch während des laufenden Kündigungsschutzprozesses versandt wurden, sind von großer Emotionalität geprägt. Die Sorge der Beklagten, dass der Kläger hier betriebliche Ressourcen bindet, indem er Streitigkeiten mit Kollegen in den Betrieb trägt, ist nachvollziehbar. Die Kammer geht dennoch davon aus, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit möglich ist, wenn die Beklagte etwaigen zukünftigen Pflichtverletzungen des Klägers mit Abmahnungen begegnet oder gegebenenfalls eine Umsetzung des Klägers im Betrieb geprüft. Bei der Gesamtabwägung war insbesondere auch zu berücksichtigen, dass der Kläger im Zeitraum vom 01.10.2012 bis Mitte 2018 bei der Beklagten beanstandungsfrei gearbeitet hat. Die Kammer hat berücksichtigt, dass sich ein Teil des von der Beklagten geschilderten Risikos durch die Kündigung des Mitarbeiters H. möglicherweise bereits realisiert hat. Die Kündigung des Mitarbeiters H. bietet jedoch andererseits gerade die Möglichkeit einer zukünftigen beanstandungsfreien Zusammenarbeit, denn der Konflikt war anscheinend auch im privaten Verhältnis zwischen dem Kläger und Herrn H. begründet. Andere Arbeitnehmer haben nach der Würdigung der Kammer nicht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gedroht, sondern nur allgemein angeprangert, dass sich am Verhalten des Klägers etwas ändern müsse. Dem kann durch weiteren Vermittlungsversuchen seitens der Beklagten oder auch Abmahnungen des Klägers, sofern dieser Pflichtverletzungen begeht, begegnet werden. Auch die vom Betriebsrat vorgeschlagene Versetzung des Klägers wäre ein möglicherweise geeignetes Mittel, um die Unruhen im Betrieb zu beenden. Der Kläger hat zwar auch nach dem Urteil erster Instanz ein Verhalten gezeigt, welches hoch emotional ist und deutlich macht, dass er sich durch den Ausspruch der Kündigung und die vorherigen Vorgänge im Betrieb im höchsten Maße ungerechtfertigt behandelt fühlt. Dass dies ein massives und rational kaum nachvollziehbares Verhalten darstellt, welches eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit unmöglich macht, ist nach Auffassung der Kammer jedoch nicht zutreffend. Das Schreiben des Klägers vom 05.08.2019, was ohne weiteres verwertbar sein dürfte, da der Kläger dieses an dienstliche Kollegen mit Bezug zum Arbeitsverhältnis gesandt hat, enthält Äußerungen, die vom Grundrecht der Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG gedeckt sind. Die Ausführungen des Klägers sind allenfalls zum Teil wenig nachvollziehbar und hochemotional. Der als Anlage 19 eingereichten E-Mail an Herrn I. vermochte die Kammer nicht die Bedeutung beizumessen, die die Beklagte offensichtlich in ihr sieht. Den Ausführungen ist nicht zu entnehmen, dass der Kläger Mitarbeiter diskreditiert. Aufgrund seiner Tätigkeit als Sicherheitsbeauftragter und dem obsiegenden Urteil in erster Instanz hat der Kläger sich vertretbarerweise subjektiv im Recht gefühlt, zu betrieblichen Belangen Stellung zu nehmen. Die weiteren von der Beklagten angesprochenen Mails vom 07.08.2019 konnten für die Bewertung des Auflösungsantrages nicht ins Gewicht fallen, da die Beklagte diese in der Berufungsbegründung nur erwähnt, ohne näher anzugeben, wer Adressat und was Inhalt dieser E-Mails war. Die Beklagte hat diese Mails auch nicht als Anlage vorgelegt. Auch die Ausführungen der Beklagten zur angeblichen Belästigung eines Herrn P. sowie der Belästigung des Betriebsrates sind unsubstantiiert.

D. Die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels waren gemäß §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO der Beklagten aufzuerlegen.

Da der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zukommt, noch die Voraussetzungen einer Divergenzrevision ersichtlich sind, bestand für die Zulassung der Revision an das Bundesarbeitsgericht kein gesetzlicher Grund (vgl. § 72 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ArbGG).

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