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Verhaltensbedingte Kündigung – Missbrauch betrieblicher Kontrolleinrichtungen

ArbG Iserlohn – Az.: 5 Ca 2911/08 – Urteil vom 16.04.2009

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 11.12.2008 nicht aufgelöst wurde.

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin als gewerbliche Arbeitnehmerin zu gleichbleibenden Bedingungen weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 05.12.2007 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert wird auf 18.828,60 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Die am 12.10.1960 geborene Klägerin ist verheiratet und zwei Kindern gegenüber unterhaltspflichtig. Seit dem 22.09.2003 ist sie im Betrieb der Beklagten, die ca. 80 Arbeitnehmer beschäftigt, als Arbeiterin tätig. Sie erzielte zuletzt ein durchschnittliches Bruttomonatsentgelt in Höhe von 3.138,10 EUR.

Am 05.12.2007 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Abmahnung. Darin heißt es u. a.:

„Seit dem 12.11.2007 sind Sie wieder arbeitsfähig und an Ihrem alten Arbeitsplatz in der Bohrerei zurück gekehrt. Seit Ihrer Arbeitsaufnahme schlug das während Ihrer Abwesenheit ausgeglichene Arbeitsklima sofort in ein angespanntes Arbeitsklima um. Es liegen mehrere Beschwerden der Mitarbeiter der Bohrerei vor. Gegenüber einem Mitarbeiter einer Leasingfirma haben Sie geäußert, dass Sie zusammen mit Ihrer Schwägerin Frau H. schon dafür sorgen würden, das Frau H. (Leasingfirma) die Abteilung verlässt und Herr W. in die Bohrerei kommt. Sie überschreiten damit Ihre Kompetenzen. Personalentscheidungen gehören nicht zu Ihrem Aufgabengebiet.

Außerdem beschweren sich die Mitarbeiter des Werkzeugbaus darüber, dass sie von Ihnen angemault werden, wenn sie die Maschinen umbauen.

Bei der Arbeitsvorbereitung beschweren Sie sich des Öfteren über „schlechte Arbeit“. Sie haben in der Bohrerei wie alle anderen Mitarbeiter der Abteilung die Ihnen zugewiesenen Arbeiten zu erledigen.

Mit Ihrem Verhalten stören Sie massiv den Betriebsfrieden und überschreiten Ihre Kompetenzen.“

Wegen der weiteren Einzelheiten des Schreibens wird auf die Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 22.01.2009 verwiesen.

Im Betrieb der Beklagten werden die Arbeitszeiten in mehreren Systemen erfasst. Beginn und Ende der Arbeitszeit werden elektronisch per Chip aufgezeichnet. Daneben gibt es weitere Zeiterfassungskarten, die je nach ausgeübter Tätigkeit betätigt werden, da bestimmte Tätigkeiten im Leistungslohn, andere im Stundenlohn und wieder andere im Durchschnittslohn vergütet werden. Falls ein Mitarbeiter insoweit irrtümlich eine Änderung der Tätigkeit nicht vermerkt, kann eine Korrektur vorgenommen werden. Unter anderem hierüber verhält sich eine Hausmitteilung vom 24.02.1994 (wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 08.04.2009 verwiesen).

Seit Juli 2008 hat die Klägerin Korrekturen mit einem sog. Tipp-Ex-Roller vorgenommen. Unter anderem hat sie am 07.11.2008 eine Fertigungslohnkarte hinsichtlich der Zeit korrigiert, weil sie vergessen hatte abzustempeln, als sie von Akkordtätigkeiten zu Putzarbeiten wechselte, die wiederum im Durchschnittslohn vergütet werden. Daneben erfolgten Korrekturen bei der Angabe der Stückzahlen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 02.03.2009 nebst Anlagen verwiesen.

Am 01.12.2008 wurde die Vorgehensweise der Klägerin mit dieser erörtert. In diesem Gespräch erklärt die Klägerin, ihr sei nicht bekannt gewesen, dass Korrekturen per Tipp-Ex nicht erlaubt seien.

Mit Schreiben vom 11.12.2008, das vom Geschäftsführer M. der Beklagten unterzeichnet wurde, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos.

Gegen diese Kündigung wehrt sich die Klägerin mit ihrer am 15.12.2008 bei Gericht eingegangenen Klage.

Die Klägerin behauptet, es sei betriebsüblich, Korrekturen auf den Zeiterfassungskarten mit Tipp-Ex, Edding oder Kugelschreiber vorzunehmen (Beweis: Zeugnis der H.). Die Mitarbeiterin H. habe unstreitig wegen der gleichen Vorgehensweise eine Abmahnung erhalten.

Die Klägerin beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 11.12.2008 aufgelöst ist, sondern ungekündigt fortbesteht;

2. die Beklagte zu verurteilen, sie als gewerbliche Arbeitnehmerin zu sonst gleichbleibenden Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen;

3. die Beklagte zu verurteilen, die ihr mit Datum vom 05.12.2007 erteilte Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Widerklagend beantragt die Beklagte, das Arbeitsverhältnis aufzulösen.

 

Sie behauptet, die Tipp-Ex-Korrekturen seien erstmals Ende November 2008 beim Ausrechnen der Akkordkarten aufgefallen. In dem Gespräch am 01.12.2008 habe die Klägerin angegeben, den Tipp-Ex-Roller im letzten Monat gekauft zu haben. Sie habe weiter die Korrekturen der Zeitangabe beim Wechsel von Akkord- zu Putzarbeiten zugegeben. Sie, die Beklagte, gehe davon aus, dass die Klägerin Angaben zu den gefertigten Stücken zu ihren Gunsten manipuliert habe. Durch die Tipp-Ex-Korrekturen seien die vorherigen Eintragungen nicht nachvollziehbar. Das Vertrauensverhältnis sei dadurch nachträglich zerstört. Der Arbeitnehmerin H. sei lediglich mit Rücksicht auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses seit 1990 nicht gekündigt worden.

Die Klägerin beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Sie behauptet, Gegenstand des Gesprächs vom 01.12.2008 sei lediglich die Korrektur der Zeiterfassung, nicht die Korrektur der Stückzahlen gewesen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 27.03.2009 sowie die Schriftsätze der Beklagten vom 02.03. und 08.04.2009 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet, die Widerklage ist unbegründet.

A.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf die begehrte Feststellung.

Die Kündigung vom 11.12.2008 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst.

I.

Für die an diesem Tag ausgesprochene Kündigung liegt kein wichtiger Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB vor.

Nach dieser Vorschrift kann das Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Beklagte kann sich zur Rechtfertigung ihrer Kündigung nicht darauf berufen, die Klägerin habe die Zeiterfassungskarten sowohl hinsichtlich der Arbeitszeiten wie der Stückzahlen unberechtigter Weise mit Hilfe eines Tipp-Ex-Rollers korrigiert.

1.

Grundsätzlich ist anerkannt, dass der Missbrauch von betrieblichen Kontrolleinrichtungen, denen irgendeine Bedeutung zukommt, geeignet ist, eine verhaltensbedingte – auch außerordentliche Kündigung – zu rechtfertigen (vergleiche BAG vom 08.09.1988 – 2 ABR 18/88 –; KR-Fischermeyer, 8. Aufl., § 626 BGB Rd.-Nr. 444). Gleiches gilt für den Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber sonst kaum sinnvoll zu kontrollierende Arbeitszeit oder Arbeitsmenge korrekt zu dokumentieren. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch an. Überträgt ein Arbeitgeber den Nachweis der täglich geleisteten Arbeitszeit dem Arbeitnehmer selbst, und füllt der Arbeitnehmer die dafür zur Verfügung gestellten Formulare falsch aus, so stellt dies in aller Regel einen schweren Vertrauensmissbrauch dar (vergleiche BAG vom 21.04.2005 – 2 AZR 255/04 –).

2.

Es steht bereits nicht fest, ob die Klägerin – wie die Beklagte unterstellt – falsche Angaben zu den gefertigten Stückzahlen eingetragen hat. Die Beklagte schließt dies lediglich daraus, dass die vorherigen Eintragungen aufgrund der Korrektur mittels Tipp-Ex nicht mehr nachvollziehbar sind. Weitere Anhaltspunkte für ihre Schlussfolgerung hat sie nicht vorgetragen. Vor diesem Hintergrund bleibt als Verstoß gegen arbeitsvertragliche Verpflichtungen lediglich die Art der Korrektur. Dieses Verhalten ist nicht zu schwerwiegend, als dass nicht zuvor der Ausspruch einer Abmahnung erforderlich gewesen wäre.

a.

Nach dem Ultima-Ratio-Prinzip hat der Arbeitgeber bei einem Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten jeweils mit dem mildesten zur Verfügung stehenden Mittel zu reagieren. Daher ist vor dem Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung stets grundsätzlich der Ausspruch einer einschlägigen Abmahnung erforderlich.

Auch bei Störungen im Vertrauensbereich ist das Abmahnungserfordernis stets zu prüfen und eine Abmahnung jedenfalls dann vor Ausspruch der Kündigung erforderlich, wenn es um ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers geht und eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann. Das bedeutet, dass bei einer Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen eine Abmahnung nur dann entbehrlich ist, wenn es um schwere Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne Weiteres erkennbar ist und bei dem eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (vergleiche BAG vom 10.02.1999 – 2 ABR 31/98 –).

b.

Eine einschlägige Abmahnung liegt nicht vor.

Die Abmahnung vom 05.12.2007 – ihre Wirksamkeit unterstellt – betrifft allein das Verhalten der Klägerin gegenüber Kollegen. Damit bezieht sie sich auf einen völlig anderen Pflichtenkreis.

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, die Hausmitteilung aus dem Jahr 1994 stelle eine vorweggenommene Abmahnung dar. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass und ggf. wie die erst 2003 in den Betrieb eingetretene Klägerin Kenntnis von dieser Hausmitteilung erlangt haben soll.

c.

Das Fehlverhalten der Klägerin ist nicht als so schwerwiegend anzusehen, als dass nicht – trotz der gegenteiligen Behauptung der Beklagten – die Wiederherstellung des Vertrauens möglich wäre. Zunächst ist davon auszugehen, dass die Klägerin wirklich nur fehlerhafte Eintragungen korrigieren wollte. Insoweit muss sich die Beklagte nach Auffassung der Kammer vorhalten lassen, ein fehleranfälliges System zu praktizieren. Denkbar wäre z. B. – wie es gerichtsbekannt in anderen Betrieben praktiziert wird – eine Korrektur nur mit Gegenzeichnung durch den Vorgesetzten zuzulassen. Auch das Verhalten der Beklagten gegenüber der Arbeitnehmerin H. zeigt, dass eine Wiederherstellung des Vertrauens möglich ist. Insoweit widerspricht sich die Beklagte, wenn sie sich in Bezug auf diese Arbeitnehmerin auf die lange Beschäftigungszeit beruft. Denn gerade diese lange Beschäftigungszeit führt dazu, dass die Arbeitnehmerin H. sicher Kenntnis von der Hausmitteilung aus dem Jahr 1994 hatte, während bei der Klägerin davon auszugehen ist, dass sie diese Hausmitteilung nicht kannte. Darüber hinaus kommt in Bezug auf die Arbeitnehmerin H. hinzu, dass diese ausweislich dieser Hausmitteilung sogar besondere Kompetenzen zur Gegenzeichnung von blauen und gelben Zeiterfassungskarten hatte.

Angesichts dieser Umstände hätte die Beklagte, bevor sie zum schärfsten zur Verfügung stehenden Mittel – der außerordentlichen Kündigung – greift, zunächst eine Abmahnung aussprechen müssen. Anhaltspunkte dafür, dass sich die Klägerin nicht durch eine solche Abmahnung zu korrektem Verhalten in der Zukunft würde anhalten lassen, sind nicht ersichtlich.

II.

Die Kündigung vom 11.12.2008 ist auch nicht sozial gerechtfertigt, § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG.

Nach dieser Vorschrift ist eine Kündigung u. a. dann sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe bedingt ist, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen.

Auch insoweit gelten die vorstehenden Ausführungen. Das Abmahnungserfordernis gilt erst recht für den Ausspruch einer fristgerechten Kündigung.

B.

Der Auflösungsantrag der Beklagten war abzuweisen.

I.

Stellt das Gericht in einem Kündigungsrechtsstreit fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung aufgelöst worden ist, hat es nach § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine dem Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob eine dem Betriebszweck dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erwarten ist, ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz. Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber gem. § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG kommen solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm überstellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen allerdings nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Vielmehr kommt es darauf an, ob die objektive Lage beim Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz beim Arbeitgeber die Besorgnis aufkommen lassen kann, dass die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist. Auch das Verhalten eines Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bedingen, wobei jedoch zu berücksichtigen ist, dass gerade Erklärungen im laufenden Kündigungsschutzverfahren durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können (vergleiche insgesamt BAG vom 23.06.2005 – 2 AZR 256/04 –).

II.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Das Gericht hat zwar festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die hilfsweise ausgesprochene fristgerechte Kündigung der Beklagten beendet wurde. Es liegen jedoch keine objektiven Gründe vor, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht erwarten lassen.

Insoweit darf auf die vorstehenden Ausführungen zum Abmahnungserfordernis verwiesen werden. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, die Klägerin habe im Gespräch am 01.12.2008 keine Angaben zur Korrektur der Stückzahlen gemacht. Dem Vortrag der Beklagten lässt sich nicht entnehmen, was genau Gegenstand des Gesprächs war. Es ist nicht klar, ob z. B. bei dem Gespräch die fraglichen Karten vorlagen und der Klägerin vorgehalten wurden. Die der Klägerin vorgehaltenen Korrekturen aus dem Monat November betrafen Eintragungen vom Anfang des Monats. Wurde die Klägerin daher nur allgemein auf Korrekturen ohne Vorlage der Karten angesprochen, ist es nicht zwingend, dass die Klägerin bewusst Informationen zurückgehalten hat, wenn sie nur die Änderungen im Zusammenhang mit den Putzarbeiten angesprochen hat. Es ist nicht auszuschließen, dass sie in der Gesprächssituation an die Korrekturen der Stückzahlen nicht gedacht hat, wenn sie nach Korrekturen auf Zeiterfassungskarten gefragt wurde.

C.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung vom 07.12.2007 aus der Personalakte.

I.

Grundsätzlich kann der Arbeitnehmer die Berechtigung einer Abmahnung überprüfen lassen, wenn sie nach Inhalt oder Form seine Rechtsstellung beeinträchtigt. Dies ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung der §§ 242, 1004 BGB. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Abmahnung zu Recht erteilt wurde, kommt es allein darauf an, ob der Arbeitgeber ein tatsächlich geschehenes Verhalten des Arbeitnehmers als vertragswidriges Fehlverhalten ansieht und es zukünftig nicht mehr sanktionslos hinnehmen will. Es kommt nicht darauf an, ob das Verhalten dem Arbeitnehmer subjektiv vorwerfbar ist. Entscheidend ist nur, ob Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis nicht oder nicht richtig erfüllt wurden. Ob dieses Fehlverhalten dem Arbeitnehmer zum Vorwurf gemacht werden kann, ist ggf. in einem nachfolgenden Kündigungsschutzgesetz zu prüfen (vergleiche BAG vom 18.01.1996 – 6 AZR 314/95 –). Eine Abmahnung ist auch dann zu Unrecht erteilt, wenn sie das beanstandete Verhalten des Arbeitnehmers nicht konkret genug beschreibt. Eine Abmahnung muss das Verhalten, das dem Arbeitnehmer zum Vorwurf gemacht wird, genau bezeichnen. Dazu ist erforderlich, dass das gerügte Verhalten exakt nach Art und Zeitpunkt beschrieben wird. Schlagwortartige Bezeichnungen, Pauschalurteile oder übertriebene Darstellungen der Folgen des Verhaltens verbieten sich (vergleiche Arbeitsgericht Wetzlar, DB 1990, 2480; Praxis Arbeitsrecht – Bertram, Teil III Rd.-Nr. 19, 21). Werden in einer Abmahnung mehrere Pflichtverletzungen gerügt, so müssen alle Vorwürfe diesen Anforderungen entsprechen (vergleiche BAG vom 13.03.1991 – 5 AZR 133/90).

II.

Diesen Anforderungen entspricht die Abmahnung vom 05.12.2007 nicht.

Die Beklagte beschreibt pauschal Beschwerden anderer Arbeitnehmer, ohne diese Vorfälle zeitlich und inhaltlich zu konkretisieren. Diese pauschalen Vorwürfe sind nicht geeignet, einem Dritten bewertbare Informationen über die Klägerin zu vermitteln.

D.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen.

Der Arbeitnehmer hat im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung, soweit nicht überwiegend schutzwerte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen. Ist ein Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Kündigung anhängig, so überwiegt in dieser Zeit der Unsicherheit das Interesse des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen. Diese Interessenlage ändert sich, sobald durch eine Entscheidung erster Instanz der Kündigungsschutzprozess zugunsten des Arbeitnehmers ausgegangen ist. Will der Arbeitgeber auch für diesen Fall die Beschäftigung verweigern, so muss er zusätzliche Umstände anführen, aus denen sich sein überwiegendes Interesse an der Nichtbeschäftigung ergibt (BAG NZA 1985, 702).

Solche Umstände hat die Beklagte nicht vorgetragen.

E.

Die Kostenentscheidung ergeht gem. §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO. Die Beklagte hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Streitwert wurde gem. §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 42 Abs. 4 GKG, 3 ff. ZPO in Höhe des sechsfachen Bruttomonatsentgeltes festgesetzt. Dabei wurde der Feststellungsantrag mit drei Bruttomonatsentgelten, der Weiterbeschäftigungsantrag mit zwei Bruttomonatsentgelten und der Antrag auf Entfernung der Abmahnung mit einem Bruttomonatsentgelt bewertet. Dem Auflösungsantrag der Beklagten kommt ein eigener Wert nicht zu.

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