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Verhaltensbedingte Kündigung – unwirksam bei fehlender Abmahnung

LAG Berlin-Brandenburg – Az.: 15 Sa 1992/10 – Urteil vom 05.01.2011

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 06.08.2010 – 28 Ca 9707/10 – abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 15.06.2010 zum 30.09.2010 beendet worden ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten Bedingungen als Service-Techniker weiter zu beschäftigen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung vom 15. Juni 2010 und den vorläufigen Weiterbeschäftigungsanspruch.

Der Kläger war seit dem 1. Juli 2002 bei der Beklagten als Service-Techniker gegen ein Bruttomonatsentgelt von zuletzt 2.800,– € beschäftigt. Die Beklagte vertreibt und wartet Druckmaschinen.

Am 15. Juni 2010 fand auf Veranlassung des Klägers ein Personalgespräch statt, an dem der Geschäftsführer der Beklagten und der Vorgesetzte des Klägers, Herr L., teilnahmen. Hierbei ging es u. a. um atmosphärische Störungen im Verhältnis zwischen dem Kläger und seinem Vorgesetzten. Nach einem längeren Gespräch fand auf Veranlassung der Beklagtenvertreter eine Unterbrechung statt, wobei der Zeitraum der Pause zwischen den Parteien streitig ist. Danach übergaben diese das Kündigungsschreiben vom 15. Juni 2010 (Bl. 3 d. A.) und den Text einer Vereinbarung (Bl. 39 d. A.). Dieser lautet:

„Vereinbarung

(zwischen Kläger und Beklagten)

anlässlich des Ausscheidens per 30.09.2010.

1. Das zwischen der Gesellschaft und Herrn V. bestehende Anstellungsverhältnis endet gemäß Kündigung vom 15.06.2010 zum 30.09.2010.“

In vier weiteren Punkten waren u. a. Regelungen zur Freistellung und zur Rückgabe des Dienstwagens enthalten. Der Kläger hat diese Vereinbarung ebenfalls unterschrieben.

Mit der am 23. Juni 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 1. Juli 2010 zugestellten Klage setzt der Kläger sich gegen die Kündigung zur Wehr.

Er hat behauptet, das Gespräch am 15. Juni 2010 habe nur ca. 5 Minuten gedauert. Man habe ihm erklärt, eine Unterzeichnung der Vereinbarung sei notwendig, um offene Formalitäten zu regeln. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, in Ziffer 1 der Vereinbarung läge nur eine Tatsachenerklärung.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parten nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 15.06.2010 zum 30.09.2010 beendet werden wird;

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten Bedingungen als Service-Techniker weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Erhebung der Kündigungsschutzklage stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar. Die Parteien hätten sich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses geeinigt und hierüber Einvernehmen erzielt.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 6. August 2010 die Klage abgewiesen. Es hat hierbei im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe im Wege der einvernehmlichen Vereinbarung vom 15. Juni 2010 auf seinen Kündigungsschutz verzichtet. Zwar hätte die Klageverzichtserklärung klarer formuliert werden können, doch ändere dies nichts an dem Ergebnis, dass der Kläger mit dem vorgesehenen Ausscheiden aus dem Betrieb seinen Frieden gemacht habe.

Dieses Urteil ist dem Kläger am 18. August 2010 zugestellt worden. Die Berufung und Begründung gingen am 10. September 2010 beim Landesarbeitsgericht ein.

Der Kläger ist der Ansicht, dass das Arbeitsverhältnis im Wesentlichen unbelastet gewesen sei. Dies ergebe sich schon daraus, dass ihm mit Schreiben vom 28. April 2008 unstreitig eine Gehaltserhöhung trotz der wirtschaftlich schwierigen Lage zugebilligt worden sei (Bl. 73 d. A.). Am 15. Juni 2010 habe man ca. eine Stunde die atmosphärischen Probleme besprochen. Die Beklagte habe dann die Unterredung für ca. fünf Minuten, eine Zigarettenlänge, unterbrochen. Danach habe er unvermittelt die Kündigung erhalten.

Der Kläger beantragt,

1. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 06.08.2010 zum Gz. 28 Ca 9707/10 festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 15.06.2010 zum 30.09.2010 beendet worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten Bedingungen als Service-Techniker weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass ein Klageverzicht eine Abwicklungsvereinbarung immanent sei. Hier sei ein Vergleichsvertrag zur Streitbeilegung geschlossen worden. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei vereinbart worden. Die Einigkeit ergebe sich aus den entsprechenden Unterschriften. Das Arbeitsverhältnis sei schon seit langem belastet gewesen. Bereits im Sommer 2005 habe es Beschwerden des Kunden über ein aggressives Verhalten des Klägers gegeben. Nach einem Einsatz des Klägers vom 1. bis 12. März 2010 habe der Zeuge Z. gebeten, den Kläger nicht mehr weiter einzusetzen, was sich auch aus dem Schreiben vom 5. August 2010 ergebe (Bl. 131 d. A.). In einem Telefongespräch des Zeugen L. mit dem Kläger am 11. März 2010 sei der Kläger ausgerastet. Er habe sich in diesem Telefonat uneinsichtig gezeigt. Der Zeuge habe den Kläger auch darauf hingewiesen, dass er mit drastischen Konsequenzen rechnen müsse. Der Kläger habe sich entschuldigt, was sich aus dessen Mail vom 14. März 2010 (Bl. 133 d. A.) ergebe. Die Beklagte behauptet, der Kläger sei bei seinem Einsatz am 1. Juni 2010 in B. 2 ½ Stunden zu spät erschienen. Er habe sich nicht entschuldigt und sei unwirsch aufgetreten. Lediglich nach einem Telefonat mit dem Zeugen L. sei der Kläger bereit gewesen, die erforderlichen Arbeiten durchzuführen. Dies habe zu Verunsicherungen bei dem Kunden geführt, der sich hierzu schriftlich geäußert habe (Bl. 134 d. A.).

Auch in dem Gespräch am 15. Juni 2010 habe der Kläger sich äußerst uneinsichtig gezeigt. Er habe angekündigt, genauso weiter zu machen. In diesem Gespräch sei ihm die Dringlichkeit der Lage vor Augen geführt worden. Danach sei das Gespräch für ca. 45 Minuten unterbrochen worden. Der Geschäftsführer der Beklagten habe danach darauf hingewiesen, dass eine gütliche Trennung wohl das Beste sei. Insofern sei dem Kläger der Entwurf der Vereinbarung übergeben worden. Das Interesse des Klägers sei berücksichtigt worden, da er 3 ½ Monate freigestellt worden sei. Man habe die einzelnen Klauseln besprochen, vor allem was die Rückgabe des Dienstwagens angehe. Das Datum sei offen gewesen. Dieses sei vom Kläger genannt worden. Der Kläger habe sich die Kündigung und die Vereinbarung in Ruhe durchgelesen und dann geäußert: „Dann ist das eben so.“ Der Kläger sei ausreichend gewarnt gewesen, so dass auch ohne Abmahnung eine Kündigung ausgesprochen hätte werden können.

Der Kläger verweist darauf, dass bei seinem Einsatz im März 2010 sich keinerlei Probleme mit dem Zeugen Z. ergeben hätten. Er sei dort danach auch weiterhin eingesetzt worden. Am 1. Juni 2010 habe er sich auf einer Baustelle in I. befunden. Nach einem Anruf durch den Zeugen L. zu einem Einsatz in B. habe er geäußert, dass er wahrscheinlich mittags dort eintreffen werde. Die zu installierende Maschine hätte wegen nicht ausreichender Standfestigkeit nicht auf Euro-Paletten gestellt werden können. Deswegen sei er von dem Zeugen L. beschimpft worden. Ursprünglich sollte das Aggregat ohne Podest aufgestellt werden, was wegen der Kettenhöhe von 4 m jedoch nicht möglich gewesen sei.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Kündigung vom 15. Juni 2010 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet. Im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts liegt ein Klageverzichtsvertrag nicht vor. Der Kläger hat auch einen Anspruch darauf, weiterbeschäftigt zu werden. Insofern war das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin abzuändern und der Klage stattzugeben.

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch die Kündigung vom 15. Juni 2010 beendet worden.

1.1 Der Kläger ist nicht gehindert, die Unwirksamkeit der Kündigung anzugreifen. Im Gegensatz zur Auffassung des Arbeitsgerichts liegt ein Klageverzichtsvertrag nicht vor.

1.1.1 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Arbeitnehmer nach Ausspruch der Kündigung durch den Arbeitgeber auf die Erhebung oder Durchführung einer Kündigungsschutzklage verzichten (BAG vom 06.09.2007 – 2 AZR 722/06 – NZA 2008, 219 Rn. 15). Aus Gründen der Rechtsklarheit verlangt das Bundesarbeitsgericht jedoch, dass ein Verzicht in einer vertraglichen Erklärung unmissverständlich zum Ausdruck kommen müsse (BAG vom 17.05.2001 – 2 AZR 460/00 – EzA § 620 BGB Kündigung Nr. 3). Dies könne nach Ansicht des BAG etwa in der Weise geschehen, dass der Arbeitnehmer erklärt, er wolle von seinem Recht, das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses geltend zu machen, Abstand nehmen oder eine mit diesem Ziel bereits erhobene Klage nicht mehr durchführen. Gleiches gelte für eine Erklärung des Arbeitnehmers, gegen die Kündigung erhebe er keine Einwendungen. Nur so sei sichergestellt, dass der Arbeitnehmer bei der Unterschriftenleistung die Bedeutung und Tragweite seiner Erklärung erkennt und dass spätere Unklarheiten über den Erklärungswillen des Arbeitnehmers weitgehend ausgeräumt werden (BAG vom 03.05.1979 – 2 AZR 679/77 – EzA § 4 KSchG n. F. Nr. 15).

1.1.2 Bei Anwendung dieser Grundsätze kann nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass ein Klageverzichtsvertrag vorliegt. Dies scheitert daran, dass in Ziffer 1 der Vereinbarung auch eine reine Wissenserklärung ohne eigenständigen Regelungsgehalt gesehen werden kann.

Die Beklagte ist allerdings der Ansicht, dass sich schon aus der Überschrift „Vereinbarung“ und den Unterschriften ergebe, dass insofern eine Regelung vorliege. Dem ist so nicht zu folgen. Unstreitig haben die Parteien Regelungen jedoch getroffen. Dies betrifft z. B. die Freistellung, die Nutzung des Dienstwagens und die Übergabe von Betriebsunterlagen. Damit stellt sich aber der gesamte Text nicht automatisch als Regelung dar. So wird in Ziffer 2 der Vereinbarung das Gehalt des Klägers ausdrücklich mit 2.800,– € brutto erwähnt, hinsichtlich des Reisekostenvorschusses wird die Höhe von 1.540,– € angegeben. Bei konsequenter Anwendung der Rechtsansicht der Beklagten müsste hierin auch eine Regelung gesehen werden. Dafür liegen jedoch keine Anhaltspunkte vor, denn hierüber hat kein Streit bestanden. Insofern ergibt sich, dass der Text der Vereinbarung neben vertraglichen Regelungen auch das Bestehen unstreitiger Tatsachen festhält.

Ziffer 1 der Vereinbarung kann auch so gelesen werden, dass nur wiedergegeben wird, wie es zu dem in der Betreffzeile angegebenen „Ausscheiden per 30.09.2010“ kommt, nämlich durch die Kündigung vom 15. Juni 2010, die eine Beendigung zum 30. September 2010 vorsieht.

Hätte man eine eigenständige Regelung gewollt, dann hätte man eine Formulierung wählen können, die eindeutig ist. So heißt es z. B. häufig in gerichtlichen Vergleichen: „Die Parteien sind sich darüber einig, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung vom … am … endet.“ Eine solche Formulierung hätte klargestellt, dass es der eigenständige und gemeinsame Wille der Parteien ist, zu dem entsprechenden Zeitpunkt eine Beendigungswirkung herbeizuführen.

Gegen eine eigenständige Regelung spricht auch, dass dies in keiner Weise dem Interesse des Klägers entsprochen hätte. Dieser hatte um das Gespräch gebeten, um u. a. atmosphärische Störungen mit seinem Vorgesetzten zu besprechen. Er selbst hat nach eigener Darstellung vorgetragen, wie und warum er sich bei einzelnen Montageaufträgen verhalten hatte. Aus seiner Perspektive war er sich eines relevanten Fehlverhaltens nicht bewusst, was die Beklagte als „uneinsichtig“ charakterisiert. Die von der Beklagten vorgeschlagene Freistellung von 3 ½ Monaten war durchaus nicht so attraktiv, um auf ein langjähriges Arbeitsverhältnis zu verzichten, zumal der hier klagende Arbeitnehmer selbst davon ausging, dass ein Fehlverhalten nicht vorliegt.

Auch wenn das Bundesarbeitsgericht schon nach seiner bisherigen Rechtsprechung an die Eindeutigkeit der Verzichtserklärung besonders strenge Anforderungen stellt, so ist dies in rechtlicher Hinsicht inzwischen verschärft worden. Die Beklagte muss sich entgegenhalten lassen, dass nach § 305 c Abs. 2 BGB Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders gehen. Gem. § 310 Abs. 3 Ziff. 2 BGB findet diese Regelung Anwendung bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher, soweit es sich um vorformulierte Vertragsbedingungen handelt, selbst wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Unstreitig ist ein Arbeitnehmer Verbraucher im Sinne dieser Norm. Die Beklagte hatte die Vereinbarung vom 15. Juni 2010 ebenfalls unstreitig vorformuliert. Die Beklagte selbst trägt auch nur vor, dass das Datum für die Nutzung des Dienstfahrzeuges offen gewesen sei. Eine tatsächliche Einflussnahme des Klägers auf Ziffer 1 der Vereinbarung wird von ihr nicht behauptet. Insofern sind die Zweifel bei der Auslegung der Ziffer 1 der Vereinbarung, ob es sich um eine Willens- oder nur um eine Wissenserklärung handelt, zu Lasten der Beklagten auszulegen. Dies hat zur Folge, dass von einer reinen Wissenserklärung auszugehen ist.

Es kann offen bleiben, ob Ziffer 1 der Vereinbarung vom 15. Juni 2010 auch deswegen unwirksam ist, weil sie gegen § 305 c Abs. 1 BGB verstößt. Danach werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Dies ist hier deswegen zweifelhaft, weil die Vereinbarung auch von ihrem äußeren Umfang im Wesentlichen die Folgen der Freistellung, die Nutzung des Dienstwagens und die Rückgabe von Betriebsgegenständen regelt. Die viel gewichtigere Folge eines Klageverzichts wird gerade nicht ausdrücklich angesprochen. Insofern kann in dieser Klausel auch ein Überrumpelungseffekt im Sinne von § 305 c Abs. 1 BGB gesehen werden.

1.2 Die Kündigung vom 15. Juni 2010 ist unwirksam, da sie nicht nach § 1 KSchG, welches unstreitig zur Anwendung kommt, gerechtfertigt ist.

1.2.1 Die vom Kläger begehrte Feststellung ist nicht etwa deshalb entbehrlich, weil die Parteien sich in der Vereinbarung vom 15. Juni 2010 einvernehmlich auf eine Beendigung zum 30. September 2010 geeinigt haben. Die Beklagte betont in ihren Schriftsätzen selbst, dass mit dieser Vereinbarung kein eigenständiger Beendigungstatbestand geschaffen worden sei. Im Übrigen gilt hier dasselbe wie unter 1.1.2. Auch insofern verbleiben Zweifel, ob Ziffer 1 der Vereinbarung eine Willens- oder nur eine Wissenserklärung darstellt.

1.2.2 Die Kündigung des Klägers ist nicht gerechtfertigt. Dies ergibt sich schon daraus, dass es an einer Abmahnung gegenüber dem Kläger fehlt.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BAG, dass vor Ausspruch einer ordentlichen oder auch außerordentlichen Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine einschlägige Abmahnung zu verlangen ist. Diese dient der Objektivierung der negativen Prognose (BAG vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 – NZA 2010, 1227, Rn. 36). Einer Abmahnung bedarf es jedoch auch in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG a. a. O., Rn. 37).

Bei Anwendung dieser Kriterien war auch im vorliegenden Fall der Ausspruch einer vorangegangenen Abmahnung zu verlangen. Das nach Darstellung der Beklagten vom Kläger an den Tag gelegte unwirsche oder auch aggressive Verhalten im Tonfall ist unzweifelhaft abmahnungsfähig. Unterstellt man die Behauptungen der Beklagten als zutreffend, dann kann ohne eine solche Abmahnung nicht mit der erforderlichen Sicherheit prognostiziert werden, dass der Kläger sein Verhalten auch unter dem Druck einer in Aussicht gestellten Kündigung nicht geändert hätte. Hier kommt hinzu, dass die Beklagte den Kläger trotz des von ihr behaupteten Fehlverhaltens im Sommer 2005 und im Januar 2010 sehr wohl weiterhin bei Kunden eingesetzt hatte. Insofern war entsprechend der Kriterien des BAG für den Kläger nicht offensichtlich erkennbar, dass die Beklagte nunmehr von einem Tag auf den anderen diese Verhaltensweise zur Grundlage für den Ausspruch einer Kündigung nehmen würde. Insofern hat es die Beklagte schon versäumt, den Kläger eindeutig darauf hinzuweisen, dass bei Fortsetzung seines Verhaltens er mit dem Ausspruch einer Kündigung rechnen müsse.

Daher kann hier offen bleiben, ob der Kläger nach dem von der Beklagten gerügten Einsatz im März 2010 weiterhin bei der A. S. AG eingesetzt worden ist auch braucht nicht geklärt zu werden, ob der verspätete Einsatz am 1. Juni 2010 durch die vorangegangene Montage in I. verursacht worden ist. Auch bestehen erhebliche Zweifel, ob die behauptete mangelhafte Entschuldigung beim Kunden und das dortige „unwirsche“ Auftreten allein geeignet gewesen wären, eine Kündigung selbst nach erfolgter Abmahnung zu rechtfertigen. Ebenfalls braucht nicht geklärt zu werden, ob die dort vom Kläger vorgenommene Änderung hinsichtlich des Aufbaus eines Podestes aus technischen Gründen zur Sicherstellung einer ausreichenden Standsicherheit erforderlich war.

2. Da der Kläger mit seiner Kündigungsschutzklage obsiegt hat, war die Beklagte auch zu verurteilen, ihn vorläufig bis zum Abschluss des hiesigen Kündigungsschutzverfahrens als Service-Techniker weiter zu beschäftigen.

III.

Die Beklagte hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 ZPO).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, da es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt und von den Rechtsgrundsätzen des BAG nicht abgewichen wird. Auf die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72 a ArbGG) wird hingewiesen.

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