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Verjährung von Urlaubsabgeltungsansprüchen – Mitwirkung des Arbeitgebers

Landesarbeitsgericht Düsseldorf – Az.: 5 Sa 463/19 – Urteil vom 21.01.2020

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 06.06.2019 – Az.: 5 Ca 3087/18 – wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltungsansprüche.

Der Kläger war auf der Basis eines Vertrages „über freie Mitarbeit“ bei der Beklagten in der Zeit von April 2007 bis 30.06.2010 als Pauschalist in L. (2007) und E. (2008 – 2010) tätig.

In dieser Zeit arbeitete er fünf Tage pro Woche in den Redaktionsräumlichkeiten der Beklagten, in denen ein Arbeitsplatz für ihn eingerichtet war. Der Kläger arbeitete in der Online-Redaktion in L. in der Zeit von 10:00 Uhr bis mindestens 18:30 Uhr. In der Online-Redaktion in E. wurde in einem Schichtsystem gearbeitet, wobei jede Schicht eine Länge von 8 Stunden inklusive Pause hatte. Seine Tätigkeit bestand im Schreiben von aktuellen Nachrichten und der Steuerung der Web-Site. Der Kläger war damit befasst, die Texte der Print-Kollegen Online-gerecht aufzuarbeiten und zu veröffentlichen. In L. war der Kläger der Redaktionsleitung der Lokalredaktion L. unterstellt. In E. war er die einzige Vollzeitkraft in der Online-Redaktion neben einer festangestellten Kollegin mit einer 50%-Stelle, daher wurde erwartet, dass er die Redaktion im Tagesgeschäft leitete. Die festangestellte Kollegin wurde während ihrer urlaubsbedingten Abwesenheiten vom Kläger vertreten. Die Online-Redaktion war direkt der Chefredaktion unterstellt. Die Teilnahme an den Konferenzen der Printredaktion zur Abstimmung Online-Print war für den Kläger verpflichtend.

Im Jahr 2007 stellte der Kläger der Beklagten jeden Arbeitstag mit 130,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer in Rechnung, ab dem Jahr 230,00 EUR zahlte die Beklagte 230,00 EUR pro Arbeitstag zzgl. Umsatzsteuer.

Noch während des Bestehens dieses Vertragsverhältnisses schlossen die Parteien unter dem 16.04.2010 einen Anstellungsvertrag, ausweislich dessen der Kläger ab dem 01.07.2010 als Online-Redakteur in der Zentralredaktion E. beschäftigt wurde. In diesem Anstellungsvertrag, wegen dessen Einzelheiten im Übrigen auf Bl. 37 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen wird, vereinbarten die Parteien folgendes:

„§ 1 Beginn des Arbeitsverhältnisses

Das Arbeitsverhältnis beginnt am 01.07.2010.

§ 4 Berufsjahre

Für die Zeit bis zum Beginn des Arbeitsverhältnisses (§ 1) werden vom Verlag als Berufsjahre angerechnet 3 Jahre 3 Monate.

§ 5 Gehalt

Der Redakteur wird in Gehaltsgruppe II B des Gehaltstarifs vom 10.11.2008 eingestuft.

Sein monatliches tarifliches Bruttogehalt beträgt 3.467,00 EUR.

Für das Vertragsverhältnis gelten im Übrigen die jeweiligen Tarifverträge für Redakteure an Tageszeitungen.

§ 7 Urlaub

Der Redakteur erhält einen Urlaub, dessen Dauer sich nach den Bestimmungen des Manteltarifvertrages richtet.

§ 14 Zusätzliche Vereinbarungen

Mit den Zeitungen T. er Tageblatt und S. er General-Anzeiger besteht eine Redaktionsgemeinschaft. Die Arbeit für diese Zeitungen gehört mit zu den Obliegenheiten des Redakteurs.

In die Aufgaben des Redakteurs eingeschlossen ist die Mitarbeit bei Onlineauftritten des Unternehmens sowie allen sonstigen Projekten im Bereich der neuen Medien. Bezüglich des Urheberrechtes wird auf § 18 des Manteltarifvertrages für Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen in seiner jeweiligen Fassung verwiesen.

Da die Tätigkeit mit Arbeiten am Bildschirm verbunden ist, verpflichtet sich der Redakteur, eine betriebsärztliche Augen-Untersuchung durchführen zu lassen.

Für alle neu eintretenden Mitarbeiter/innen gilt ein absolutes Rauchverbot.“

In §§ 9 Abs. 5 und 18 Abs. 1 des Manteltarifvertrages für Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen (im Folgenden: MTV) heißt es:

㤠9 Urlaub/Freistellung

5. Der Urlaub muss innerhalb des laufenden Urlaubsjahres, spätestens bis zum 31. März des folgenden Jahres gewährt und genommen werden, und zwar grundsätzlich zusammenhängend. Er kann aus betrieblichen Gründen in höchstens zwei Abschnitte geteilt werden, auch auf Wunsch der Redakteurin/des Redakteurs ist eine Teilung möglich, sofern betriebliche Gründe nicht entgegenstehen.

§ 18 Anspruchsverfolgung und Schlichtung

1.Mit Ausnahme der Regelung für den Urlaub (§ 9 Abs. 5) und für die Altersversorgung (§ 11) sind nicht erfüllte Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb dreier Monate nach Fälligkeit geltend zu machen. Lehnt eine Partei die Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs schriftlich ab, so muss dieser innerhalb eines halben Jahres nach Fälligkeit gerichtlich geltend gemacht werden. Bei späterer Geltendmachung als nach Satz 1 und Satz 2 kann die Erfüllung verweigert werden.“

Das Arbeitsverhältnis endete am 30.09.2014. Für die Zeit der Beschäftigung als Pauschalist gewährte die Beklagte dem Kläger keinen Urlaub. Erstmals mit Schreiben vom 01.08.2018 machte der Kläger Urlaubsabgeltungsansprüche geltend.

Mit seiner am 27.12.2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage, die der Beklagten am 14.01.2019 zugestellt worden ist, begehrt der Kläger die Zahlung von Urlaubsabgeltung für den Zeitraum April 2007 bis Juni 2010 in Höhe von 13.450,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer, insgesamt 14.391,50 EUR.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei entgegen der Vertragsbezeichnung im Zeitraum April 2007 bis Juni 2010 nicht als freier Mitarbeiter, sondern tatsächlich als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen, da er weder im Wesentlichen frei seine Tätigkeit habe gestalten noch seine Arbeitszeit frei habe bestimmen können. Zumindest sei er arbeitnehmerähnliche Person gewesen, da er im genannten Zeitraum überwiegend für die Beklagte tätig gewesen sei. Insgesamt stehe ihm, ausgehend vom gesetzlichen Mindesturlaub, ein Urlaubsabgeltungsanspruch für insgesamt 65 Urlaubstage zu (15 Urlaubstage aus 2007, je 20 Urlaubstage aus 2008 und 2009, 10 Tage aus 2010). Die Beklagte sei zudem verpflichtet, auf den Urlaubsabgeltungsanspruch 7% Umsatzsteuer zu zahlen.

Die Beklagte hat sich auf die Verjährung etwaiger Urlaubsabgeltungsansprüche berufen.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 14.391,50 EUR brutto Urlaubsabgeltung zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 16.08.2018.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei als Pauschalist weder Arbeitnehmer noch arbeitnehmerähnliche Person gewesen, da er selbstbestimmt, weisungsfrei und mit eigener Zeiteinteilung bei einer durchschnittlichen Beschäftigungszeit von 17 Tagen pro Monat beschäftigt gewesen sei.

Darüber hinaus sei der geltend gemachte Anspruch – ein Arbeitsverhältnis unterstellt – sowohl verfallen als auch verjährt. § 5 des Arbeitsvertrages enthalte eine Globalverweisung auf die Tarifverträge für Redakteure an Tageszeitungen. Demnach hätte der Kläger nach § 18 MTV einen etwaigen Anspruch binnen drei Monaten nach Fälligkeit geltend machen müssen.

Der Anspruch sei zudem verjährt. Ein etwaiger Anspruch sei zum 30.06.2010 fällig geworden und damit mit Ablauf des 31.12.2013 verjährt. Selbst wenn man von einem einheitlichen Arbeitsverhältnis ausgehen würde, sei ein Anspruch am 30.09.2014 entstanden und am 31.12.2017 verjährt.

Der Kläger hat dazu die Auffassung vertreten, die Beklagte könne sich nicht auf die tarifvertraglichen Verfallfristen berufen, da es sich bei der Verweisung in § 5 um eine Einzelverweisung auf tarifliche Regelungen handele, die das Gehalt beträfen. Die Ansprüche seien auch nicht verjährt. Der EuGH habe in der Entscheidung „King“ festgestellt, dass Urlaubsansprüche auch über Verjährungsfristen hinaus übertragen werden könnten. Dies gelte dann auch für die bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses entstehenden Urlaubsabgeltungsansprüche. Auch diese unterfielen nicht der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist. Erst nach den Entscheidungen des EuGH vom 29.11.2017 – C 214/06 – und 06.11.2018 – C 684/18 – habe er davon ausgehen können, dass er seine Urlaubsansprüche nicht im laufenden Kalenderjahr habe nehmen müssen und dass daher noch Urlaubsabgeltungsansprüche offen stünden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 06.06.2019 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei in der Zeit vom April 2007 bis Juni 2010 zwar als Arbeitnehmer bzw. arbeitnehmerähnliche Person tätig gewesen, so dass sowohl Urlaubs- als auch Urlaubsabgeltungsansprüche entstanden seien. Die Urlaubsabgeltungsansprüche seien jedoch mit Ablauf des 31.12.2017 verjährt.

Gegen dieses, ihm am 25.06.2019 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 17.07.2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese – nach einer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 25.09.2019 – mit einem am 25.09.2019 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Kläger ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe unrichtig entschieden, soweit es von einer Verjährung seines Urlaubsabgeltungsanspruches ausgegangen sei. Es sei zwar zutreffend, dass sein während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses nicht der Verjährung unterliegender Urlaubsanspruch bis zum 30.09.2014 fortbestanden und sich dann in einen Urlaubsabgeltungsanspruch umgewandelt habe. Dieser sei jedoch nicht als reiner Geldanspruch mit Ablauf des 31.12.2017 verjährt. Gerade aus dem Sinn und Zweck der unbefristeten Übertragbarkeit des Urlaubsanspruches während des bestehenden Arbeitsverhältnisses ergebe sich, dass auch der Urlaubsabgeltungsanspruch weder tariflichen Verfallklauseln noch dem gesetzlich geregelten Verjährungsrecht unterliege. Nach der Entscheidung des EuGH vom 29.11.2017 (- C 214/16 -) müsse ein Arbeitgeber, der einen Arbeitnehmer nicht in die Lage versetzt habe, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub auszuüben, im bestehenden Arbeitsverhältnis die sich hieraus ergebenden Folgen, also die unbefristete Übertragung der Urlaubsansprüche, tragen. Dies sei nach dem EuGH erforderlich, da anderenfalls im Ergebnis ein Verhalten bestätigt würde, das zu einer unrechtmäßigen Bereicherung des Arbeitgebers führe und dem eigentlichen Zweck der Richtlinie, die Gesundheit des Arbeitnehmers zu schützen, zuwiderlaufe. Diese Argumentation müsse auf den Fall der Urlaubsabgeltungsansprüche übertragen werden. Es mache keinen Unterschied, ob das Arbeitsverhältnis beendet sei oder nicht, die Bereicherung des Arbeitgebers sei dieselbe. Zudem diene auch die Erfüllung des Urlaubsabgeltungsanspruches nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Gesundheitsschutz, weil damit der Grundsatz „ohne Arbeit kein Geld“ durchbrochen werde. Sowohl die tatsächliche Gewährung von Urlaub als auch die Urlaubsabgeltung versetzten den Arbeitnehmer in die Lage, sich bei gesichertem Lebens unterhalt zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen.

Das unbefristete Fortbestehen des Urlaubsabgeltungsanspruches müsse jedenfalls solange gelten, bis der Arbeitgeber, dem die Initiativlast zur Erfüllung des Urlaubsanspruches obliege, den Arbeitnehmer unter Hinweis darauf, dass die Ansprüche sonst verfielen bzw. verjährten, aufgefordert habe, den Urlaubsabgeltungsanspruch geltend zu machen. Die Verjährung des Urlaubsabgeltungsanspruches könne erst mit dem Schluss des Jahres beginnen, in dem der Arbeitgeber dieser Verpflichtung nachgekommen sei. Ein grundsätzlich schützenswertes Interesse des Arbeitgebers, aus lange zurückliegenden Sachverhalten nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, wenn er seiner Initiativlast nicht genügt habe, existiere nicht.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 06.06.2019 (5 Ca 3087/18) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 14.391,50 EUR brutto Urlaubsabgeltung zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.08.2018.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Urlaubsabgeltungsansprüche des Klägers seien sowohl verfallen als auch verjährt. Ein Urlaubsabgeltungsanspruch sei spätestens zum 30.09.2014 entstanden und mit Ablauf des 31.12.2014 verfallen. Für ihn habe unter Berücksichtigung des anwendbaren § 18 MTV eine dreimonatige Geltendmachungsfrist gegolten, die der Kläger nicht gewahrt habe. Urlaubsabgeltungsansprüche unterfielen tariflichen Verfallfristen.

Sie ist weiter der Ansicht, der Urlaubsabgeltungsanspruch sei zumindest verjährt. Die Rechtsprechung zum Fortbestand von Urlaubsansprüchen im bestehenden Arbeitsverhältnis könne nicht auf Urlaubsabgeltungsansprüche übertragen werden. Der Urlaubsabgeltungsanspruch diene nicht dem Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers, sondern nur einem finanziellen Ausgleich, denn nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses sei der Arbeitgeber nicht mehr für die Gesundheit des ehemaligen Arbeitnehmers mitverantwortlich. Für den Abgeltungsanspruch gölten daher unverändert wie für alle Geldansprüche die nationalen Verjährungsregeln. Der Hinweis des Klägers auf eine ungerechtfertigte Bereicherung des Arbeitgebers gehe fehl. Jede Verjährung führe zu einer Blockade berechtigter Ansprüche und damit zu einer Bereicherung des Schuldners, die von der Rechtsordnung als rechtmäßig anerkannt werde. Aus den europarechtlichen Geboten der Effizienz und Äquivalenz folge entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht, dass die Verjährungsfrist erst dann beginnen dürfe, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aufgefordert habe, seinen Abgeltungsanspruch geltend zu machen. Bei einem Geldanspruch sei niemand gehalten, den anderen auf diesen Anspruch aufmerksam zu machen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zugrunde liegenden Sachverhaltes sowie des widerstreitenden Sachvortrages wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

I.

Es bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung. Sie ist nach Maßgabe der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist auch statthaft gemäß § 64 Abs. 1, 2 Ziffer b ArbGG.

II.

Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass ein Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers zwar entstanden, jedoch mit Ablauf des 31.12.2017 verjährt ist.

1.

Dem Kläger stand bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2014 ein Urlaubsabgeltungsanspruch für 65 Arbeitstage gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG zu.

a.

Während des Bestehens des Vertragsverhältnisses als Pauschalist im Zeitraum 01.04.2007 bis 30.06.2010 ist zu Gunsten des Klägers ein Urlaubsanspruch im Umfang von 65 Urlaubstagen entstanden.

aa.

Nach § 1 BUrlG hat ein Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Der Kläger war, entgegen der ausdrücklichen Bezeichnung im schriftlichen „Vertrag über freie Mitarbeit“, im streitgegenständlichen Zeitraum als Arbeitnehmer bei der Beklagten beschäftigt.

(1)

Nach § 611a Abs. 1 BGB wird ein Arbeitnehmer durch den Arbeitsvertrag im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an. Die zwingenden gesetzlichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Widersprechen sich Vereinbarung und praktische Durchführung, ist letztere maßgeblich, weil sich aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen am ehesten Rückschlüsse darauf ziehen lassen, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragsparteien ausgegangen sind, was sie also wirklich gewollt haben (st. Rechtsprechung vgl. zuletzt BAG v. 21.05.2019 – 9 AZR 295/18 – juris; BAG v. 21.11.2017 – 9 AZR 117/17 – juris).

(2)

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze war der Kläger im Zeitraum April 2007 bis Juni 2010 als Arbeitnehmer bei der Beklagten tätig. Dies ergibt eine Gesamtbetrachtung der Umstände, unter denen der Kläger die vertraglich geschuldete Leistung erbracht hat. Er konnte weder seine Arbeitszeit noch den Ort, an dem die Arbeit erbracht werden musste, frei wählen. Vielmehr hat er im Rahmen einer 5-Tage-Woche zunächst arbeitstäglich von 10:00 Uhr bis mindestens 18:30 Uhr gearbeitet und war später in das bei der Beklagten geltende Schichtsystem eingebunden. Abwesenheitszeiten musste er mit einem freien Mitarbeiter abstimmen. Sein Arbeitsplatz befand sich in der Redaktion der Beklagten. Hinzu kommt, dass der Kläger die Online-Redaktion leiten sowie die Kollegin während ihrer Abwesenheit vertreten und an den verpflichtenden Konferenzen teilnehmen musste. Zudem war er der Chefredaktion unterstellt und auch insoweit weisungsgebunden tätig.

Insgesamt gesehen, bestand damit im fraglichen Zeitraum zwischen den Parteien kein freies Mitarbeiterverhältnis, sondern vielmehr ein Arbeitsverhältnis.

bb.

Der gesetzliche Mindesturlaub beträgt – ausgehend von einer 6-Tage-Woche – jährlich 24 Werktage. Dem Kläger, der in einer 5-Tage-Woche beschäftigt war, stand damit ein jährlicher Urlaubsanspruch im Umfang von 20 Arbeitstagen zu. Im streitgegenständlichen Zeitraum sind demnach 65 Urlaubstage entstanden (anteilig 15 Urlaubstage für 2007, jeweils 20 Arbeitstage für 2008 und 2009, anteilig 10 Urlaubstage für 2010).

b.

Nach § 7 Abs. 4 BUrlG ist der Urlaub abzugelten, wenn er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann.

Der im genannten Umfang entstandene Urlaubsanspruch wandelte sich mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.09.2014 in einen Urlaubsabgeltungsanspruch um, da er zu diesem Zeitpunkt noch in voller Höhe bestand und nicht mehr in natura genommen werden konnte.

aa.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Entstehung des Urlaubsabgeltungsanspruches ist nicht der 30.06.2010, an dem das Arbeitsverhältnis als Pauschalist endete, sondern vielmehr der 30.09.2014. Das Arbeitsverhältnis als Pauschalist bildete mit dem sich daran anschließenden Arbeitsverhältnis als Online-Redakteur ein einheitliches Arbeitsverhältnis, das insgesamt mit Ablauf des 30.09.2014 sein Ende gefunden hat.

(1)

Ein einheitliches Arbeitsverhältnis liegt vor, wenn zu einem vorherigen Arbeitsverhältnis ein derart enger sachlicher Zusammenhang besteht, dass es sich als ein durchgehendes Arbeitsverhältnis darstellt. Ob ein solcher enger sachlicher Zusammenhang vorliegt, ist anhand der Umstände des Einzelfalls festzustellen (vgl. zu einem sachlichen Zusammenhang zweier Ausbildungsverhältnisse BAG v. 12.12.2015 – 6 AZR 831/13 – juris, s. a. BAG v. 20.06.2013 – 2 AZR 790/11 – juris zur Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG).

(2)

Im vorliegenden Fall ist von einem einheitlichen Arbeitsverhältnis auszugehen, das im April 2007 begonnen und am 30.09.2014 geendet hat. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass zwischen den Arbeitsverhältnissen keine zeitliche Unterbrechung liegt, da die Parteien das am 01.07.2010 beginnende zweite Arbeitsverhältnis zeitlich unmittelbar an das vorherige Arbeitsverhältnis angeschlossen haben. Zudem haben die Parteien das zweite Arbeitsverhältnis noch während des Bestehens des ersten Arbeitsverhältnisses unter dem 16.04.2010 schriftlich vereinbart. Auch nahmen sie in § 4 des Arbeitsvertrages vom 16.04.2010 Bezug auf das vorhergehende Vertragsverhältnis, indem sie die Vorbeschäftigungszeit von drei Jahren und drei Monaten angerechnet haben. Schlussendlich änderte sich die Tätigkeit des Klägers mit dem 01.07.2010 nicht.

bb.

Der Urlaubsanspruch bestand zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis noch in Höhe von 65 Tagen.

(1)

Der Urlaubsanspruch ist nicht durch Erfüllung untergegangen. Urlaub für den Zeitraum April 2007 bis Juni 2010 wurde dem Kläger nicht gewährt.

(2)

Der Urlaubsanspruch aus dem Zeitraum April 2007 bis Juni 2010 ist auch nicht gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG verfallen.

(a)

Nach der Konzeption des BUrlG ist der gesetzliche Urlaubsanspruch für die Dauer des Urlaubsjahres befristet und erlischt mit Ablauf des Kalenderjahres bzw. mit Ablauf des Übertragungszeitraums gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG.

Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, bedarf es jedoch unter Berücksichtigung der Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes in der Entscheidung vom 06.11.2018 (- C-684/16 – juris) einer richtlinienkonformen Auslegung des § 7 BUrlG. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erlischt der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub nach einer mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG konformen Auslegung von § 7 BUrlG nur dann am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Bei einem richtlinienkonformen Verständnis von § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG trifft den Arbeitgeber die Initiativlast bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs. Die Erfüllung der hieraus in richtlinienkonformer Auslegung abgeleiteten Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers ist grundsätzlich Voraussetzung für das Eingreifen des urlaubsrechtlichen Fristenregimes des § 7 Abs. 3 BUrlG (BAG v. 22.10.2019 – 9 AZR 98/19 – juris; BAG v. 19.02.2019 – 9 AZR 423/16 – juris).

Die Befristung des Urlaubsanspruchs nach § 7 Abs. 3 BUrlG setzt damit grundsätzlich voraus, dass der Arbeitgeber konkret und in völliger Transparenz dafür Sorge trägt, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Er muss den Arbeitnehmer – erforderlichenfalls förmlich – auffordern, seinen Urlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfällt, wenn er ihn nicht beantragt (BAG v. 22.10.2019 – 9 AZR 98/19 – a.a.O.; BAG v. 19.02.2019 – 9 AZR 423/16 – a.a.O.). Zudem darf der Arbeitgeber, will er seinen Mitwirkungsobliegenheiten genügen, den Arbeitnehmer nicht in sonstiger Weise daran hindern, den Urlaub wahrzunehmen (BAG v. 22.10.2019 – 9 AZR 98/19 – a.a.O., m. w. N.).

Hat der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht entsprochen, tritt der am 31. Dezember des Urlaubsjahres nicht verfallene Urlaub zu dem Urlaubsanspruch hinzu, der am 1. Januar des Folgejahres entsteht. Für ihn gelten, wie für den neu entstandenen Urlaubsanspruch, die Regelungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BUrlG. Der Arbeitgeber kann deshalb das uneingeschränkte Kumulieren von Urlaubsansprüchen aus mehreren Jahren dadurch vermeiden, dass er seine Mitwirkungsobliegenheiten für den Urlaub aus zurückliegenden Urlaubsjahren im aktuellen Urlaubsjahr nachholt. Nimmt der Arbeitnehmer in einem solchen Fall den kumulierten Urlaubsanspruch im laufenden Urlaubsjahr nicht wahr, obwohl es ihm möglich gewesen wäre, verfällt der Urlaub am Ende des Kalenderjahres bzw. eines (zulässigen) Übertragungszeitraums (BAG v. 22.10.2019 – 9 AZR 98/19 – a.a.O.; BAG v. 19.02.2019 – 9 AZR 423/19 – a.a.O.).

(b)

Ihrer Obliegenheit, den Kläger in die Lage zu versetzen, seinen Urlaub aus dem Zeitraum April 2007 bis Juni 2010 tatsächlich in Anspruch zu nehmen, ist die Beklagte im vorliegenden Fall nicht nachgekommen. Sie hat den Kläger während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses weder darauf hingewiesen, dass und in welcher Höhe ihm für die Zeit, in der er als Pauschalist tätig war, ein Urlaubsanspruch zustand, noch ihn aufgefordert, diesen Urlaub zu nehmen. Die zu Gunsten des Klägers entstandenen Urlaubsansprüche konnten demnach während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses nicht verfallen und haben sich mit Ablauf des 30.09.2014 in einen Urlaubsabgeltungsanspruch umgewandelt.

2.

Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist mit Ablauf des 31.12.2017 verjährt und kann daher vom Kläger nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden.

a.

Bei dem Rechtsinstitut der Verjährung handelt es sich um eine Einrede, die ausdrücklich erhoben werden muss. Diese Verjährungseinrede hat die Beklagte im Rahmen ihrer erstinstanzlichen Klageerwiderung erhoben.

b.

Für den Urlaubsabgeltungsanspruch gilt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren, § 195 BGB. Die Verjährungsfrist begann mit Ablauf des 31.12.2014 und endete mit Ablauf des 31.12.2017.

aa.

Entgegen der Auffassung des Klägers begann die Verjährungsfrist für den geltend gemachten Anspruch auf Urlaubsabgeltung, obwohl die Beklagte den Kläger auf diesen Anspruch nicht hingewiesen hat.

Urlaubsabgeltungsansprüche können selbst dann verjähren, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer – wie im vorliegenden Fall – nicht ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass ihm zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch Urlaubsansprüche zugestanden haben. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts handelt es sich bei Urlaubsabgeltungsansprüchen um reine Geldansprüche, die grundsätzlich denselben Bedingungen unterliegen wie alle übrigen Zahlungsansprüche der Arbeitsvertragsparteien (vgl. zu tariflichen Ausschlussfristen BAG v. 22.01.2019 – 9 AZR 149/17 – juris; BAG v. 06.05.2014 – 9 AZR 758/12 – juris; BAG v. 21.02.2012 – 9 AZR 486/10 – juris; vgl. auch Sächsisches OVG v. 03.09.2019 – 2 A 910/17 – juris). Nichts anderes ergibt sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesarbeitsgerichts zum Verfall von Urlaubsansprüchen im bestehenden Arbeitsverhältnis. Die Interessenlage der Arbeitsvertragsparteien im bestehenden Arbeitsverhältnis ist nicht deckungsgleich mit derjenigen nach dem Ende der arbeitsvertraglichen Beziehungen, so dass die Grundsätze, die das Bundesarbeitsgericht zu den Obliegenheiten des Arbeitgebers im Rahmen der Urlaubsansprüche im bestehenden Arbeitsverhältnis aufgestellt hat, nicht auf die Frage übertragen werden können, ob Urlaubsabgeltungsansprüche verjähren können.

Soweit der Kläger ausgeführt hat, gerade aus dem Sinn und Zweck der unbefristeten Übertragbarkeit des Urlaubsanspruchs während des bestehenden Arbeitsverhältnisses ergebe sich, dass auch der Urlaubsabgeltungsanspruch nicht den für das Arbeitsverhältnis geltenden tariflichen Verfallklauseln und dem gesetzlich geregelten Verjährungsrecht unterliegen könne, folgt dem die Kammer nicht. Die Gewährung von Urlaub im bestehenden Arbeitsverhältnis dient maßgeblich dazu, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zu erholen und über einen Zeitraum der Entspannung und Freizeit zu verfügen, um im Anschluss daran seinen Arbeitspflichten wieder nachkommen zu können. Dementsprechend ist es während des bestehenden Arbeitsverhältnisses auch unzulässig, den Urlaub finanziell abzugelten. Diese Erholungsfunktion tritt bei der Urlaubsabgeltung in den Hintergrund. Der Arbeitnehmer ist frei darin, diese finanzielle Abgeltung nach seinem Belieben einzusetzen. Dabei ist es ihm unbenommen, die Urlaubsabgeltung dazu zu nutzen, sich für einen bestimmten Zeitraum arbeitsfreie Erholung zu ermöglichen. Notwendig ist dies jedoch nicht. Auch für den Arbeitgeber tritt nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses der Erholungsaspekt im Hinblick darauf, dass er künftig vom Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung mehr verlangen kann, zurück.

Der Hinweis des Klägers darauf, der europäische Gerichtshof habe in seiner Entscheidung vom 29.11.2017 (- C 214/16 – juris) darauf abgestellt, dass ein Arbeitgeber, der einen Arbeitnehmer nicht in die Lage versetzt habe, den Urlaub tatsächlich nehmen zu können, die sich hieraus ergebenden Folgen tragen müsse, führt ebenfalls nicht dazu, die Verjährbarkeit des Urlaubsabgeltungsanspruches zu verneinen. Der Europäische Gerichtshof befasste sich in der vorgenannten Entscheidung mit Urlaubsansprüchen in einem bestehenden Arbeitsverhältnis. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist die beidseitige Interessenlage der Arbeitsvertragsparteien eine andere.

Ebenso verfängt der Einwand des Klägers nicht, bei einer Verjährung des Urlaubsabgeltungsanspruchs werde im Ergebnis das nicht rechtskonforme Verhalten des Arbeitgebers bestätigt mit der Folge, dass seine unrechtmäßige Bereicherung perpetuiert werde. Dem Verjährungsrecht ist immanent, dass nach Ablauf eines gewissen Zeitraums berechtigte Ansprüche nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden können. Dies ist nicht zu beanstanden. Die dreijährige Verjährungsfrist hindert nicht die praktische Wirksamkeit des europäischen Rechts. Im Hinblick auf den mit der Verjährung verfolgten Zweck, Rechtssicherheit zu schaffen, ist eine dreijährige Verjährungsfrist angemessen (vgl. EuGH v. 24.03.2009 – Rs. C-445/06 – juris).

bb.

Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem zum einen der Anspruch entstanden ist, und in dem zum anderen der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen können.

Verjährungsbeginn im vorliegenden Fall war der Ablauf des 31.12.2014. Der Urlaubsabgeltungsanspruch entstand mit Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis am 30.09.2014. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger auch Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners.

(1)

Die von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB geforderte Kenntnis ist vorhanden, wenn der Gläubiger aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Klage erheben kann, die bei verständiger Würdigung so viel Erfolgsaussicht hat, dass sie dem Gläubiger zumutbar ist. Die erforderliche Kenntnis setzt keine zutreffende rechtliche Würdigung voraus, es genügt vielmehr die Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände (BAG v. 17.12.2014 – 5 AZR 8/13 – juris; BAG v. 24.09.2014 – 5 AZR 593/12 – juris; BAG v. 13.03.2013 – 5 AZR 424/12 – juris). Nur ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis den Verjährungsbeginn hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage besteht, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag; denn in diesem Fall fehlt es an der Zumutbarkeit einer Klageerhebung (BAG v. 24.09.2014 – 5 AZR 593/12 – a.a.O.).

(2)

Ausreichende Kenntnis der tatsächlichen Umstände, die einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung begründen konnten, hatte der Kläger bereits vor Ablauf des Jahres 2017. Dabei ist es zutreffend, dass erst mit den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs vom 29.11.2017 – C 214/06 – und 06.11.2018 – C 684/18 – Klarheit darüber bestanden hat, dass Urlaubsansprüche im bestehenden Arbeitsverhältnis bei fehlender Erfüllung der Obliegenheitsverpflichtungen des Arbeitgebers nicht dem Fristenregime des § 7 Abs. 3 BUrlG unterfallen. Dennoch war dem Kläger eine entsprechende Klage vor Ablauf des Kalenderjahres 2017 zumutbar.

Die Frage, ob der Arbeitgeber von sich aus Urlaub gewähren muss und welche Rechtsfolgen sich aus einer Obliegenheitsverpflichtung ergeben, war bereits einige Jahre zuvor streitig. So hat bereits das LAG Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 12.06.2014 (- 21 Sa 221/14 – juris) die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber sei verpflichtet, von sich aus den Urlaubsanspruch aus dem Bundesurlaubsgesetz zu erfüllen, anderenfalls stehe dem Arbeitnehmer ein Schadensersatzanspruch in Form eines Ersatzurlaubsanspruchs zu, der nach § 251 Abs. 1 BGB abzugelten sei, wenn er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr realisiert werden könne. Von einer Unzumutbarkeit der Klageerhebung vor dem Ablauf des Jahres 2017 kann demnach nicht ausgegangen werden.

Soweit das Sächsische Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 03.09.2019 (- 2 A 910/17 – juris) entschieden hat, im Falle des Urlaubsabgeltungsanspruchs einer Beamtin, die ihren Urlaub aus krankheitsbedingten Gründen vor ihrem Ausscheiden nicht nehmen konnte, verschiebe sich der Verjährungsbeginn auf den Ablauf des 31.12.2009, da der dortigen Klägerin erst mit Kenntnis der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes vom 20.01.2009 (C-350/06 und C-520/06 – Schultz-Hoff – u. a., juris) eine Klageerhebung zumutbar gewesen sei, führt diese Argumentation nicht dazu, im vorliegenden Fall den Verjährungsbeginn nach hinten zu verschieben. Bereits das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 18.08.2010 (- 12 Sa 650/10 – juris) zutreffend ausgeführt, das Vertrauen auf eine ständige Rechtsprechung sei weder im Allgemeinen noch im Anwendungsbereich der §§ 199 Abs. 1 Nr. 2, 206 BGB schutzwürdig. Dies gilt insbesondere im Bereich der sich seit mehreren Jahren „im Fluss“ befindenden Rechtsprechung zum Urlaubsrecht.

cc.

Die Verjährung des Urlaubsabgeltungsanspruchs trat nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist mit Ablauf des 31.12.2017 ein. Zu diesem Zeitpunkt war die Klage noch nicht erhoben.

B.

I.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 97 Abs. 1 ZPO.

II.

Die Kammer hat bezüglich der Frage der Verjährung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG bejaht und entsprechend die Revision für den Kläger zugelassen.

Berichtigungsbeschluss vom 29. Juni 2020:

Das Urteil vom 21.01.2020 wird gem. §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 319 Abs. 1 ZPO aufgrund eines offensichtlichen Schreibversehens dahingehend berichtigt, dass es im Tatbestand auf Seite 2 des Urteils statt:

Im Jahr 2007 stellte der Kläger der Beklagten jeden Arbeitstag mit 130,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer in Rechnung, ab dem Jahr 230,00 EUR zahlte die Beklagte 230,00 EUR pro Arbeitstag zzgl. Umsatzsteuer.

lauten muss:

Im Jahr 2007 stellte der Kläger der Beklagten jeden Arbeitstag mit 130,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer in Rechnung, ab dem Jahr 2008 zahlte die Beklagte 230,00 EUR pro Arbeitstag zzgl. Umsatzsteuer.

Gründe:

Das Urteil war gemäß § 319 Abs. 1 ZPO nach Anhörung der Parteien von Amts wegen zu berichtigen. Es handelt sich um eine offensichtliche Unrichtigkeit aufgrund eines Schreibfehlers.

Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

 

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