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Verspätete Schlüsselrückgabe durch Arbeitnehmer – Schadensersatzpflicht

ArbG Aachen, Az.: 8 Ca 2034/16 d, Urteil vom 10.11.2016

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe der Kosten für den Austausch der kompletten GHS-Anlage in der Rechtsanwaltskanzlei der Klägerin, … , zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Vorschuss auf den Schadensersatz nach Ziff. 1 in Höhe von 1.163,99 EUR (i.W. eintausendeinhundertdreiundsechzig Euro, Cent wie nebenstehend) nebst 5%-Punkten Zinsen über dem Basiszins seit dem 26.04.2016 zu zahlen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

4. Streitwert: 1.551,99 EUR.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dafür einzustehen hat, die Kosten für den Austausch der Generalhauptschlüsselanlage (= GHS) in der Kanzlei der Klägerin zu tragen.

Die Beklagte, die schwer behindert ist, war bei der Klägerin in deren Kanzlei Aushilfskraft und verfügte über einen Kanzleischlüssel.

Verspätete Schlüsselrückgabe durch Arbeitnehmer - Schadensersatzpflicht
Symbolfoto: dymentyd/Bigstock

Am 03.03.2016 überbrachte die Klägerin persönlich der Beklagten unter ihrer Privatadresse ein Kündigungsschreiben und forderte die Beklagte zur Herausgabe des Kanzleischlüssels auf. Die Beklagte verweigerte die Herausgabe des Schlüssels und entgegnete sinngemäß nur „alles über meinen Anwalt“.

Mit Faxschreiben vom 09.03.2016 teilte der Beklagtenvertreter der Klägerin mit, dass er seit dem 03.03.2016 im Besitz des Kanzleischlüssels sei und um kurzfristige Rückäußerung bitte, auf welchem Weg dieser zurück gelangen solle (Bl. 17 der Akte). Die Klägerin telefonierte nach Erhalt dieses Schreibens mit dem Büro der Beklagtenvertreter und forderte die Herausgabe des Schlüssels bis 17:00 Uhr am gleichen Tag in ihren Büroräumen. Die Sekretärin Frau L. sicherte die Herausgabe in diesem Telefonat zu. Gleichwohl kam es am 09.03.2016 nicht zur Herausgabe des Schlüssels.

Mit Faxschreiben vom 11.03.2016 teilte der Beklagtenvertreter der Klägerin mit, dass der Schlüssel in nächster Zeit leider nicht in Düren vorbeigebracht werden könne, jedoch jederzeit im dortigen Büro zur Abholung bereit läge (Bl. 19 f der Akte). Mit Fax vom 11.03.2016 an die Beklagtenvertreter forderte die Klägerin neuerlich die sofortige Herausgabe des Zentralschlüssels, andernfalls kündige sie Schadensersatzansprüche für den Austausch der Schließanlage an (Bl. 21 der Akte). Ihre Forderung wiederholte sie mit Faxschreiben vom 14.03.2016 (Bl. 23 f der Akte).

Mit Schreiben vom 14.03.2016 – versandt per Einschreiben/Rückschein – übermittelte der Beklagtenvertreter den Zentralschlüssel an die Klägerin. Dieser Brief kam bei der Klägerin mit einem zerrissenen Briefumschlag und einem an den Brief getackerten Klarsichthüllenstück, in dem der Schlüssel befestigt war und das eine erkennbare Öffnung aufwies, ohne Schlüssel an (vgl. Fotos Bl. 28 ff der Akte). Nach einem telefonischen Hinweis, dass dem Schreiben des Beklagtenvertreters kein Schlüssel bei gelegen habe, forderte die Klägerin mit Faxschreiben vom 15.03.2016 neuerlich die Schlüsselherausgabe (Bl. 22 der Akte).

Die Klägerin ließ in ihrer Kanzlei durch die Firma R. Schlüsselnotzylinder einbauen und erhielt von der Firma R. ein Angebot zum Austausch der GHS-Anlage über 1.163,99 EUR ohne Mehrwertsteuer (Bl. 45 f der Akte). Mit Schreiben vom 24.03.2016 lehnte der Beklagtenvertreter jegliche Ansprüche auf Kostenübernahme nach Grund und Höhe ab (Bl. 27 der Akte).

Auf den Nachforschungsauftrag der Klägerin vom 23.03.2016 bei der Deutschen Post AG hin übermittelte diese der Klägerin mit Schreiben vom 13.04.2016 den zwischenzeitlich bei der Post gefundenen Kanzleischlüssel (Bl. 69 der Akte).

Mit der am 01.04.2016 anfangs beim Amtsgericht Düren eingegangenen und dann ans Arbeitsgericht verwiesenen Klage ist die Klägerin der Auffassung, dass die Beklagte für die Kosten des Austauschs der GHS-Anlage einzustehen habe. Bei der Herausgabe eines Schlüssels handele es sich um eine Bringschuld, die zuerst durch die Weigerung der Beklagten selbst vom 03.03.2016, dann durch die Nichteinhaltung der telefonischen Zusage persönlicher Überbringung vom 09.03.2016, durch die Weigerung des Beklagtenvertreters mit Schreiben vom 11.03.2016 und letztlich durch die Einschaltung der Deutschen Post nicht erfüllt worden sei. Da der Kanzleischlüssel zumindest vom 14.03.2016 bis zum 13.04.2016 „in Umlauf“ und dem Zugriff Dritter ausgesetzt gewesen sei, müsse die Schließanlage zum Schutz ihrer Kanzlei ausgetauscht werden, zumal auch Sicherheitsschlüssel auf dem freien Markt nachgemacht werden könnten. Da eine Wiederherstellung der jetzigen Anlage den Neupreis übersteige, orientiere sich die Klägerin an dem Angebot der Firma R..

Die Klägerin beantragt zuletzt,

1) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe der Kosten für den Austausch der kompletten GHS-Anlage in der Rechtsanwaltskanzlei der Klägerin, … , zu zahlen.

2) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Vorschuss auf den Schadensersatz nach Ziff. 1) i.H.v. 1.163,99 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszins ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, sie habe für den Austausch der Schließanlage nicht zu haften. Das Ergebnis der Nachforschungen bei der Deutschen Post habe letztlich bestätigt, dass die Mitarbeiterinnen des Beklagtenvertreters den Schlüssel dem Anschreiben vom 14.03.2016 beigefügt hätten.

Die Beklagte habe keinerlei Sorgfaltspflichten verletzt. Er sei völlig legitim gewesen, den Schlüssel in die Obhut des Beklagtenvertreters zu übergeben, zumal eine persönliche Übergabe angesichts des derart zerrütteten Verhältnisses zwischen den Parteien nicht hätte erwartet werden können. Dass der Schlüssel nach der Einlieferung des Einschreibens bei der Post zeitweise verloren gegangen sei, liege nicht im Einflussbereich des Beklagten oder des Beklagtenvertreters. Insoweit müsse sich die Klägerin an die Deutsche Post halten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Beklagte hat für den Austausch der Schlüsselanlage den Kanzleiräumen der Klägerin einzustehen und Schadensersatz zu leisten.

Die Beklagte hat als Arbeitnehmerin auf die Aufforderung des Arbeitgebers in ihren Händen befindliche Betriebsschlüssel herauszugeben, ohne dass ihr ein Zurückbehaltungsrecht zur Seite stünde. Dies gilt erst recht, wenn der Arbeitgeber – wie vorliegend – eine Kündigung ausgesprochen hat und das Arbeitsverhältnis als beendet ansieht.

Für die Kammer ist noch nachvollziehbar, dass die Beklagte am 03.03.2016 angesichts der Vorgeschichte zwischen den Parteien unmittelbar die Herausgabe des Schlüssels verweigerte und ihn zwecks Herausgabe an die Klägerin dem Beklagtenvertreter zuleitete. Soweit die Beklagte im Kammertermin erklärte, zu diesem Zeitpunkt habe sie den Schlüssel schon nicht mehr gehabt und ihn bereits an ihren Prozessbevollmächtigten übergeben, blieb unwidersprochen, dass sie dies am 03.03.2016 jedenfalls nicht angesprochen hat. Dann aber muss sich die Beklagte das Verhalten ihrer Prozessbevollmächtigten, deren Mitarbeitern und der eingeschalteten Deutschen Post nach § 278 BGB zurechnen lassen. Hier ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die telefonische Zusage der Sekretärin Frau L. vom 09.03.2016 auf Herausgabe des Schlüssels in der Kanzlei der Klägerin noch am gleichen Tag nicht eingehalten wurde, wozu die Beklagtenseite keinerlei Erklärung oder Entschuldigung abgibt. Zum anderen versteigt sich der Beklagtenvertreter im Schreiben vom 11.03.2016 auf die unzutreffende Rechtsansicht, bei der Herausgabe des Schlüssels handele es sich um eine Holschuld. Erst auf weitere Intervention der Klägerin schaltet der Beklagtenvertreter zur Erfüllung der Herausgabeverpflichtung als Bringschuld die Deutsche Post ein, bei der prompt der Schlüssel aus dem Briefumschlag und der Klarsichthülle abhandenkommt und zeitweise für knapp einen Monat verloren geht. Der Hinweis der Beklagten, dass die Klägerin sich mit ihrem Schadensersatzanspruch an die Deutsche Post halten solle, geht fehl. Da es sich bei der Herausgabe des Schlüssels um eine Bringschuld handelt, liegt es in der Sphäre der Beklagten, bzw. ihrer Vertreter, wenn die Herausgabe unter Einschaltung eines Dritten erbracht wird. Vertragspartner der Deutschen Post ist nicht die Klägerin, sondern die Beklagte, bzw. deren Vertreter.

Durch die Verzögerung der Herausgabe des Kanzleischlüssels ist der Klägerin auch ein Schaden entstanden, der durch das verspätete nachträgliche Auffinden des Schlüssels bei der Deutschen Post nicht ausgeräumt wird. Die Klägerin war und ist gehalten, ihre Kanzleiräume und deren Aktenbestände und sonstigen Inhalt jederzeit vor dem Zugriff Dritter zu schützen, dem sie als Sofortmaßnahme durch den Einbau der Notzylinder erst einmal nachgekommen ist. Da die Umstände des Schlüsselverlusts bei der Deutschen Post nicht aufklärbar sind, stets zumindest fest, dass der Kanzleischlüssel unbeteiligten Dritten für einen Zeitraum von etwa einem Monat zur Verfügung hätte stehen können und mit den Angaben zur Anschrift der Klägerin auf dem Brief vom 14.03.2016 eine Zuordnung des Schlüssels zu einer konkreten Adresse möglich gewesen wäre. Die Beklagte hat denn auch unbestritten gelassen, dass selbst Sicherheitsschlüssel einer Schließanlage bedauerlicherweise inzwischen unproblematisch kopiert werden können, und damit auch die Gefahr nicht auszuschließen ist, dass von einem etwaigen Nachschlüssel auch später noch Gebrauch gemacht werden könnte.

Ebenfalls unbestritten hat die Beklagte gelassen, dass nach Auskunft der Firma R. eine Reparatur oder Wiederherstellung der bestehenden Anlage den Preis für eine neue Anlage übersteigen würde, und dass auf die Klägerin zur Schadensbeseitigung gemäß Angebot der Firma R. Kosten von 1.163,99 EUR netto zukommen.

Der Feststellungsklage gerichtet auf Schadensersatz dem Grunde nach wie auch der Zahlungsklage auf einen Kostenvorschuss in Höhe des Angebots der Firma R. war daher stattzugeben.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO und auf § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 3, 5 ZPO, wobei der Zahlungsantrag mit seinem Nominalwert und der Feststellungsantrag mit einem Drittel des Zahlungsantrages in Ansatz gebracht wurde.

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