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Videoüberwachung im Betrieb – Geldentschädigungsanspruch des Arbeitsnehmers

ArbG Bocholt – Az.: 1 Ca 1646/11 – Urteil vom 23.12.2011

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.000,00 EUR zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen

3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 73 Prozent, die Beklagte zu 27 Prozent.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf Geldentschädigung wegen einer Videoüberwachung am Arbeitsplatz.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit Juli 1998 als Lagerarbeiter mit den Schwerpunkten Kommissionier- und Packarbeiten beschäftigt. Die Bruttomonatsvergütung beträgt 2.153,73 EUR. Der Kläger ist Mitglied des bei der Beklagten gewählten siebenköpfigen Betriebsrates.

Die Beklagte ist ein Handelsunternehmen für Geschenkartikel.

Auf dem Betriebsgelände der Beklagten sind insgesamt 22 Videokameras installiert. Zwei der Kameras wurden am 18.08.2006 in einer Höhe von etwa vier Metern (Blatt 126 der Akte) im Bereich des Eingangstores der Lager- und Kommissionierhalle installiert (Blatt 5 der Akte).

Die Beklagte schloss mit dem Betriebsrat am 09.03.2010 und noch einmal am 23.10.2010 eine Betriebsvereinbarung über die Videoüberwachungsanlage mit folgendem Inhalt (Blatt 22 f., 45 f. der Akte):

„[ … ]

1. Die Arbeitgeberin ist berechtigt, die Video-Überwachungsanlage zum Zwecke der Vermeidung und Aufklärung von Diebstählen und Unterschlagungen zu betreiben.

Die Beschreibung der Video-Überwachungsanlage ergibt sich aus der Anlage zu dieser Betriebsvereinbarung. Diese Anlage ist Bestandteil dieser Betriebsvereinbarung.

2. Der Betrieb der Überwachungsanlage dient nicht dem Zwecke der Leistungs- und Verhaltenskontrolle der Arbeitnehmer. Die Verwertung der Erkenntnisse zu diesem Zwecke ist unzulässig, mit Ausnahme bei Diebstählen oder Unterschlagungen durch Arbeitnehmer.

3. Eine laufende Kontrolle am Bildschirm der Überwachungsanlage ist unzulässig.

Die Videoaufzeichnungen werden automatisch überspielt. Eine weitere Speicherung der Daten ist außer zur Beweissicherung von Straftatbeständen allgemein nicht zulässig.

Einsichtnahme in die Videodaten wird nur bei konkret festgestelltem Warenschwund oder außergewöhnlichen Verdachtsmomenten durchgeführt.

[ … ]“

Videoüberwachung im Betrieb – Geldentschädigungsanspruch des Arbeitsnehmers
Symbolfoto: Von Fh Photo/Shutterstock.com

Wegen des weiteren Inhaltes der Betriebsvereinbarung wird auf den Akteninhalt Bezug genommen verwiesen.

Mit Schreiben vom 10.03.2010 forderte der Kläger die Beklagte auf, die Videokameras abzubauen (Blatt 6 f. der Akte). Dem kam die Beklagte nicht nach.

Im Rechtsstreit vor der Kammer mit dem Aktenzeichen 1 Ca 957/10 wurde die Beklagte mit Urteil vom 10.12.2010 (Blatt 8 ff. der Akte) verurteilt, die beiden am 18.08.2006 installierten Videokameras abzubauen. Die Entscheidung ist aufgrund Urteils des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14.04.2011 (15 Sa 125/11, Blatt 20 ff. der Akte) rechtskräftig. Das Landesarbeitsgericht Hamm begründet – wie zuvor auch die Kammer – seine Entscheidung damit, dass angesichts eines erheblichen Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers gemäß §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Artikel 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG eine Abbauverpflichtung der Beklagten bestehe. Die zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat geschlossene Betriebsvereinbarung halte einer Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht stand. Die Videoüberwachung zur Vermeidung von Diebstählen und Unterschlagungen sei nicht abhängig vom Vorliegen eines konkreten Tatverdachts und insbesondere auch nicht zeitlich beschränkt. Dies habe zur Folge, dass die bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer immer damit rechnen müssten, gefilmt zu werden. Dies bedeute einen permanenten Überwachungs- und Anpassungsdruck. Es komme auch nicht darauf an, zu welchen Teilen seiner Arbeitszeit sich der Kläger im Bereich der beiden Kameras aufhalte. Einer wiederholten und hartnäckigen Verletzung des Rechts am eigenen Bild stehe gleich, wenn der Arbeitnehmer, ohne dass eine Videokamera tatsächlich aufzeichne, allein durch die Ungewissheit darüber, ob die sichtbar angebrachten Kameras aufzeichneten oder nicht, einem ständigen Anpassungsdruck ausgesetzt sei.

Die Beklagte kam der Verpflichtung zum Abbau der beiden Videokameras nicht nach. Sie meinte, der rechtskräftig titulierten Abbauverpflichtung durch ein Abschalten der beiden Kameras nachgekommen zu sein.

Mit – ebenfalls rechtskräftigem – Beschluss der Kammer vom 08.09.2011 im Zwangsvollstreckungsverfahren mit dem Aktenzeichen 1 Ca 957/10 wurde der Kläger ermächtigt, auf Kosten der Beklagten die beiden Videokameras abbauen zu lassen. Die Beklagte wurde verpflichtet, die durch die vorzunehmende Handlung entstehenden Kosten in Höhe von 3.000,00 EUR vorauszuzahlen (vergleiche: Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 12.12.2011, 1 Ta 606/11, Blatt 113 ff. der Akte).

Die streitgegenständlichen Kameras sind – nach kurzer Unterbrechung am 22.11.2011 – nach wie vor installiert.

Der Kläger meint, ihm stehe angesichts des von der Kammer und vom Landesarbeitsgericht Hamm festgestellten schwerwiegenden Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eine Geldentschädigung zu. Es komme – wie bereits von der Kammer und vom Landesarbeitsgericht Hamm rechtskräftig entschieden – nicht darauf an, wie oft und wie lange er sich im Bereich der Kameras aufhalte. Unabhängig davon sei dies etwa die Hälfte seiner Arbeitszeit der Fall (Blatt 62 ff. der Akte).

Er sei zunächst davon ausgegangen, dass die Kameras ausschließlich als Diebstahlschutz nach Dienstschluss aufzeichneten. Dass die Kameras ständig aufzeichneten, habe keiner der Arbeitnehmer der Beklagten einschließlich des Betriebsrats gewusst. Der tatsächliche Betrieb der Kameras sei nach außen auch nicht erkennbar. Erst, als im Betrieb eine versteckte Kamera entdeckt worden sei, seien Betriebsrat und Arbeitnehmerschaft auf das Ausmaß der Videoüberwachung aufmerksam geworden. Der Kläger habe sich sodann umgehend gegen die Installation der Kameras gewandt.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Geldentschädigung, mindestens jedoch 15.000,00 EUR, zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, dem Kläger stehe kein Anspruch auf eine Geldentschädigung zu.

Es liege bereits kein schwerwiegender Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers vor. Der Kläger halte sich pro Arbeitstag maximal zwölf, gegebenenfalls 18 Minuten im Erfassungsbereich der Kameras auf. Es würden auch nur Teilbereiche der Halle erfasst. Durch sein prozessuales Vorgehen mache sich der Kläger der Begehung eines versuchten Prozessbetruges strafbar.

Ein etwaiger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers sei angesichts der geschlossenen Betriebsvereinbarung zudem nicht rechtswidrig. Durch die Zustimmung des Betriebsrats entfalle die Rechtswidrigkeit eines etwaigen Eingriffs. Die Beklagte behauptet zum einen unter Hinweis auf die geschlossene Betriebsvereinbarung sowie weitere Betriebsvereinbarungen, die Videoüberwachung diene „allein“ der Sicherung der Eigentumsrechte der Beklagten. Zugleich behauptet die Beklagte, sie sei wegen bestehender sicherheitsrechtlicher Bestimmungen verpflichtet, bestimmte Sicherheitsstandards einzuhalten. Diesem Zweck diene die Videoüberwachung „ausschließlich“. Eine Überwachung der Betriebsstätte „per Videoanlage“ sei daher erforderlich, um die „gesetzgeberischen und behördlichen Auflagen“ zu erfüllen.

Das „geschäftlich kaufmännisch völlig sinnvolle Verhalten“ der Beklagten könne auch nicht als vorsätzliche Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers angesehen werden. Bis zur Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14.04.2011 im Berufungsverfahren mit dem Aktenzeichen 15 Sa 125/11 habe die Beklagte angesichts der abgeschlossenen Betriebsvereinbarung davon ausgehen dürfen, die Videokameras installieren zu dürfen. Zudem bestehe die Eigentümerin des Betriebsgeländes und der Videokameras, eine Schwestergesellschaft der Beklagten, auf einer Installation und dem Betrieb der Kameras. Ein Verschulden scheide somit insgesamt aus.

Die Höhe des geltend gemachten Anspruchs sei überzogen. Selbst wenn dem Grunde nach ein Anspruch des Klägers bestehen sollte, stünde dem Kläger nach einem Gutachten ihres Steuerberaters in Analogie zum Strafverfolgungsentschädigungsgesetz – wenn überhaupt – ein Betrag in Höhe von 150,68 EUR zu (Blatt 77 der Akte). Der Kläger sei nicht gezwungen, sich ständig im Erfassungsbereich der Kameras zu bewegen. Er könne den Bereich zum Teil meiden.

Schließlich scheide ein Anspruch des Klägers aufgrund datenschutzrechtlicher Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes aus.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien und der von ihnen geäußerten Rechtsauffassungen wird gemäß § 313 Abs. 2 ZPO auf die mündlich vorgetragenen Inhalte der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

I.

Der Kläger hat gemäß § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 und Artikel 2 Abs. 1 GG gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 4.000,00 EUR.

1. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung, denn die Beklagte hat rechtswidrig und schuldhaft in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen. Es handelt sich um einen schwerwiegenden Eingriff. Die Beeinträchtigung kann auch nicht in anderer Weise als durch Zahlung einer Geldentschädigung befriedigend ausgeglichen werden.

a) Bei der Zubilligung einer Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handelt es sich nicht um eine Strafe im Sinne des Artikel 103 GG. Das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgerichtshof sehen den Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts vielmehr als ein Recht an, das auf den Schutzauftrag aus Artikel 1 Abs. 1 GG und Artikel 2 Abs. 1 GG zurückgeht. Demgemäß wird der Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 und Artikel 2 Abs. 1 GG hergeleitet (vergleiche Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 14.02.1973, 1 BvR 112/65 – Soraya; Bundesgerichtshof, Urteil vom 5. Dezember 1995, VI ZR 332/94; Urteil vom 12. Dezember 1995, VI ZR 223/94). Die Zubilligung einer Geldentschädigung im Fall einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass im Falle einer Persönlichkeitsrechtsverletzung keine Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen würden. Bei dieser Entschädigung steht – anders als beim Schmerzensgeld – regelmäßig der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund. Außerdem soll sie der Prävention dienen (vergleiche Bundesgerichtshof, Urteil vom 5. Dezember 1995, VI ZR 332/94; Urteil vom 12. Dezember 1995, VI ZR 223/94). Dementsprechend hat auch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, dass die zivil- und somit auch arbeitsgerichtliche Verurteilung zu einem immateriellen Schadensersatz bei einer Persönlichkeitsrechtsverletzung keine Strafe im Sinne des Artikel 103 Abs. 2 GG ist (vergleiche Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 14.02.1973, 1 BvR 112/65 – Soraya; vergleiche Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.02.1958, I ZR 151/56 – Herrenreiter; Urteil vom 19.09.1961, VI ZR 259/60 – Ginsengwurzel; Urteil 05.10.2004, VI ZR 255/03).

b) Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte schwerwiegend, rechtswidrig und schuldhaft in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen, indem sie seit dem 18.08.2006 die beiden streitgegenständlichen Videokameras im Arbeitsbereich des Klägers installiert hat.

aa) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst neben dem Recht am gesprochenen Wort auch das Recht am eigenen Bild. Es gehört zum Selbstbestimmungsrecht eines jeden Menschen darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise gegen ihn verwendet werden dürfen. Dabei fällt schon die Herstellung von Abbildungen in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Das als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gewährleistete Recht auf informationelle Selbstbestimmung bedarf dabei unter den Bedingungen der automatisierten Datenverarbeitung in besonderem Maße des Schutzes (vergleiche Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.12.2004, 1 ABR 34/04 m.w.N.).

Außerhalb des absoluten Kernbereichs privater Lebensgestaltung wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht allerdings nur in den Schranken der verfassungsgemäßen Ordnung garantiert. Diese besteht aus der Gesamtheit der Normen, die formell und materiell der Verfassung entsprechen. In das allgemeine Persönlichkeitsrecht kann deshalb insbesondere durch verfassungsgemäße Gesetze eingegriffen werden. Auch Betriebsvereinbarungen, die von den Betriebsparteien im Rahmen ihrer Regelungskompetenz geschlossen wurden, können Einschränkungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts rechtfertigen. Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer durch Betriebsvereinbarungen muss durch schutzwürdige Belange anderer Grundrechtsträger, etwa des Arbeitgebers, gerechtfertigt sein. Dafür ist eine Güterabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erforderlich (vergleiche Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.12.2004, 1 ABR 34/04 m.w.N.).

Die erforderliche Abwägung kann nicht abstrakt vorgenommen werden. Maßgeblich sind vielmehr die Gesamtumstände. Von Bedeutung für die Verhältnismäßigkeit einer Videoüberwachungsmaßnahme ist auch, ob die Betroffenen als Personen anonym bleiben, ob die Überwachung in einer Privatwohnung oder in Betriebs- oder Geschäftsräumen stattfindet, welche Umstände und Inhalte von Verhalten und Kommunikation erfasst werden können, welche Nachteile den Betroffenen aus der Maßnahme drohen oder von ihnen nicht ohne Grund befürchtet werden und in welcher Zahl unverdächtige Dritte mitbetroffen. Die Intensität einer Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hängt zudem maßgeblich von der Dauer und der Art der Überwachungsmaßnahme ab (vergleiche Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.12.2004, 1 ABR 34/04 m.w.N.).

bb) Im Falle des Klägers stellt die Videoüberwachung einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar (vergleiche so bereits: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 14.04.2011, 15 Sa 125/11; in der Vorinstanz: Arbeitsgericht Bocholt, Urteil vom 10.12.2010, 1 Ca 957/10).

(1) Die Rechtskraft der Entscheidungen der Kammer vom 10.12.2010 im Rechtsstreit mit dem Aktenzeichen 1 Ca 957/10 und des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14.04.2011 im Berufungsverfahren mit dem Aktenzeichen 15 Sa 125/11 erstreckt sich nicht gemäß § 322 Abs. 1 ZPO auf den vorliegenden Streitgegenstand. Die dort festgestellte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und die daraus resultierende Abbauverpflichtung präjudiziert nicht den vorliegend geltend gemachten Schadensersatzanspruch (vergleiche zum Verhältnis von Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch nur: Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.05.2002, I ZR 45/01 m.w.N.).

Die Kammer folgt dennoch in jeder Hinsicht den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts Hamm im Urteil vom 14.04.2011 (15 Sa 125/11) und wiederholt ihre vorhergehenden erstinstanzlichen Ausführungen im Urteil vom 10.12.2010 (1 Ca 957/10). Insoweit ist festgestellt, dass die Beklagte durch die Installation der beiden streitgegenständlichen Videokameras ohne Rechtfertigung in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen hat und dass es sich auch um einen schwerwiegenden Eingriff handelt.

(2) Mangels Rechtskrafterstreckung der genannten Entscheidungen, vor dem Hintergrund der vorliegend auf Zahlung einer Geldentschädigung gerichteten Klage und auf der Grundlage des insbesondere durch die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit erfolgten neuen Sachvortrags ergänzt die Kammer die bereits erfolgten gerichtlichen Ausführungen im Einzelnen wie folgt:

(a) Die Videoüberwachung im Arbeitsbereich des Klägers stellt einen erheblichen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar, weil der Kläger für die Dauer seiner Arbeitszeit einem ständigen Anpassungs- und Überwachungsdruck ausgesetzt wird. Er muss jederzeit damit rechnen, gefilmt zu werden.

Wie bereits in den Vorverfahren festgestellt, kommt es nicht auf die Dauer der Arbeitszeit des Klägers an, in der er sich im Erfassungsbereich der Videokameras aufhält (vergleiche so auch: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 29.06.2004, 1 ABR 21/03). Die Auseinandersetzung der Parteien über die tatsächliche Erfassung des Klägers durch die beiden streitgegenständlichen Kameras kann daher dahinstehen.

Ungeachtet dessen sind die Videokameras zwar unstreitig sichtbar angebracht. Für den Kläger ist jedoch ausweislich der übereinstimmenden Erklärungen der Parteien in der Kammerverhandlung vom 23.12.2011 (Blatt 126 der Akte) angesichts einer Höhe von vier Metern, in der die Kameras angebracht sind, nicht erkennbar, wann er sich tatsächlich in den Erfassungsbereich der Kameras bewegt. Diese Unsicherheit wird durch den jeweiligen Neigungswinkel der Kameras verstärkt. Die bestehende Unsicherheit wird besonders deutlich durch den sich widersprechenden Parteivortrag. Während der Kläger davon ausgeht, er halte sich etwa die Hälfte seiner Arbeitszeit im direkten Erfassungsbereich der Kameras auf, behauptet die Beklagte, dies sei lediglich für zwölf, maximal 18 Minuten pro Arbeitstag der Fall. Diese Aussagen müssen sich nicht widersprechen. Denn dem Kläger bleibt nichts anderes übrig, als seinen subjektiven Eindruck wiederzugeben. Gerade dieser subjektive Eindruck führt offenbar dazu, dass der Kläger sich etwa die Hälfte seiner Arbeitszeit überwacht und einem Anpassungsdruck ausgesetzt fühlt. Durch die Auseinandersetzung der Parteien wird für die Kammer besonders anschaulich dargelegt, dass es – wie bereits in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und in den beiden Vorverfahren hervorgehoben – in keiner Weise auf die tatsächliche Erfassung eines Arbeitnehmers durch am Arbeitsplatz installierte Videokameras ankommt und ankommen kann. Dies hat die Beklagte bereits im vorhergehenden Zwangsvollstreckungsverfahren betreffend die ihr obliegende Abbauverpflichtung (Arbeitsgericht Bocholt, 1 Ca 957/10; Landesarbeitsgericht Hamm, 1 Ta 606/11) verkannt, indem sie stets vortrug, die Kameras seien zwar nicht abgebaut, aber abgeschaltet worden. Dies müsse genügen (vergleiche hierzu zusammenfassend: Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 12.12.2011, 1 Ta 606/11). Auch im vorliegenden Rechtsstreit verkennt die Beklagte mit ihrem Vortrag zur tatsächlichen Erfassungsdauer und der Meinung, der Kläger mache sich mit seinem Vortrag zur Geltendmachung eines Geldentschädigungsanspruchs der Begehung zumindest eines versuchten Prozessbetrugs strafbar, wiederum diese bereits umfassend in den vorhergehenden Urteilen und Beschlüssen der Kammer und des Landesarbeitsgerichts Hamm hervorgehobene Rechtslage.

Schließlich ist zu berücksichtigen – auch dies verkennt die Beklagte -, dass die Beklagte nach den vom Kläger unstreitig geschilderten Arbeitsabläufen gegebenenfalls auch durch die Zeiten Aufschluss über den Kläger und sein Verhalten am Arbeitsplatz erhält, in denen sich der Kläger nicht im Erfassungsbereich der beiden Videokameras aufhält. Erscheint der Kläger gegebenenfalls längere Zeit nicht im Erfassungsbereich, kann dies bei der Beklagten ein Anhaltspunkt für ein eventuell auffälliges Verhalten sein. Auch hierdurch wird deutlich, dass nicht nur die tatsächliche Erfassung durch Videokameras einen Anpassungs- und Überwachungsdruck verursachen, sondern dies ganz generell durch die Installation von Videokameras am Arbeitsplatz der Fall sein kann.

(b) Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers erfolgte auch rechtswidrig.

(aa) Der Kläger hat in die Videoüberwachung nicht gemäß § 4 Abs. 1 BDSG – zumindest konkludent – eingewilligt (vergleiche hierzu den Hinweis- und Auflagenbeschluss der Kammer vom 08.12.2011, Blatt 88 ff. der Akte).

Zum einen bestehen nach Auffassung der Kammer bereits ganz generell erhebliche Bedenken gegen die Möglichkeit der Annahme einer konkludenten Einwilligung in eine Videoüberwachung (vergleiche BT-Drucksache 16/12011, Seite 33; vergleiche Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 14.12.2004, 1 ABR 34/03; vergleiche Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329, 335 f. unter Hinweis auf Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 23.02.2007, 1 BvR 2368/06; vergleiche weiter: Joussen, NZA 2010, 254, 254; Joussen, NZA-Beilage 2011, 35, 37; Franzen, RdA 2010, 257, 257 ff.;).

Zum anderen bedarf eine entsprechende Einwilligung in eine Videoüberwachung gemäß § 4a Abs. 1 Satz 3 BDSG der Schriftform. Eine andere Form kann nur bei Vorliegen „besonderer Umstände“ gewählt werden. Das Vorliegen solcher „besonderer Umstände“ ist trotz des ausdrücklichen gerichtlichen Hinweis- und Auflagenbeschlusses der Kammer vom 08.12.2011 von der insofern darlegungsbelasteten Beklagten nicht vorgetragen worden und somit nicht erkennbar (vergleiche zur Darlegungs- und Beweislast: Landesarbeitsgericht Hessen, Urteil vom 25.10.2010, 7 Sa 1586/09).

(bb) Aufgrund entsprechender Teilnichtigkeit kann sich die Beklagte auch nicht gemäß § 4 Abs. 1 BDSG auf die Betriebsvereinbarung vom 09.03.2010/ 23.10.2010 berufen (vergleiche wiederum: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 14.04.2011, 15 Sa 125/11; Arbeitsgericht Bocholt, Urteil vom 10.12.2010, 1 Ca 957/10; vergleiche zur Betriebsvereinbarung als Rechtfertigungsgrundlage: Thüsing, NZA 2011, 16, 17 f. m.w.N.).

Zudem ist die Betriebsvereinbarung erst am 09.03.2010/ 23.10.2010 abgeschlossen worden. Die Kameras hängen jedoch bereits seit dem 18.08.2006. Entgegen der in den vorhergehenden Verfahren zu prüfenden Abbauverpflichtung ist vorliegend eine Geldentschädigung als Ausgleich für einen bereits erfolgten rechtswidrigen Verstoß in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers streitgegenständlich. Zumindest für den Zeitraum vom 18.08.2006 bis zum 09.03.2010 kann daher die später abgeschlossene Betriebsvereinbarung ohnehin nicht einen bereits über mehr als dreieinhalb Jahre erfolgten Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers rechtfertigen. Der Vortrag der Beklagten zu angeblich weiteren Betriebsvereinbarungen ist völlig unsubstantiiert.

Schließlich ist die Betriebsvereinbarung vom 09.03.2010/ 23.10.2010 im vorliegenden Rechtsstreit nicht mehr von Bedeutung, weil die Beklagte – in ihrem Vortrag teils widersprüchlich und zudem im Gegensatz zu ihrem Vortrag im vorhergehenden Erkenntnisverfahren – nunmehr auf ihre sicherheitsrechtlichen Pflichten hinweist. Die Kameras dienten der Einhaltung dieser Verpflichtungen. Dieser Zweck findet sich nicht in der geschlossenen Betriebsvereinbarung. Hier wird ausdrücklich und ausschließlich auf die Vermeidung von Diebstählen und Unterschlagungen Bezug genommen. Es heißt in der Betriebsvereinbarung unter anderem:

„[ … ]

Die Arbeitgeberin ist berechtigt, die Video- Überwachungsanlage zum Zwecke der Vermeidung und Aufklärung von Diebstählen und Unterschlagungen zu betreiben.

[ … ]

Die Verwertung der Erkenntnisse zu diesem Zwecke ist unzulässig, mit Ausnahme bei Diebstählen oder Unterschlagungen durch Arbeitnehmer.

[ … ]

Einsichtnahme in die Videodaten wird nur bei konkret festgestelltem Warenschwund oder außergewöhnlichen Verdachtsmomenten durchgeführt.

[ … ]“

Soweit die Beklagte meint, wegen sicherheitsrechtlicher Vorgaben zur Installation von Videokameras verpflichtet zu sein, würde sie durch die – ohnehin zumindest teilnichtige – Betriebsvereinbarung hierzu mitbestimmungsrechtlich nicht legitimiert. Es läge ein Verstoß gegen § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG vor.

(cc) Auch eine Legitimation der Beklagten zur Videoüberwachung gemäß § 32 BDSG scheidet aus.

Die Beklagte beruft sich im Hinblick auf die durchgeführte Videoüberwachung nicht auf Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses der Parteien, so dass eine Einschlägigkeit der Regelung in § 32 BDSG ohnehin ausscheidet (vergleiche zur Begrifflichkeit „zum Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses“: Joussen, NZA 2010, 254, 258; vergleiche auch Erfurter Kommentar-Wank, 12. Auflage 2012, § 32 BDSG, Rdn. 2). Auch steht der Kläger nicht in Verdacht, im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen zu haben, § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG. Auf Fälle schlichter Prävention ist diese Vorschrift jedoch nicht anwendbar (vergleiche Joussen, NZA-Beilage 2011, 35, 39).

Daher kann dahinstehen, dass § 32 BDSG in der derzeitigen Fassung erst am 01.09.2009 in Kraft getreten ist, es vorliegend jedoch um einen Anspruch auf Geldentschädigung wegen einer Videoüberwachung bereits seit dem 18.08.2006 geht.

(dd) Weiter vermögen auch die von der Beklagten angeführten sicherheitsrechtlichen Aspekte einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG auszuschließen (vergleiche zum Verhältnis der Regelungen in § 32 BDSG und § 28 BDSG: Joussen, NZA 2010, 254, 258; Franzen, RdA 2010, 257, 260).

Es spricht bereits manches dafür, dass die Vorschrift des § 28 BDSG zur Rechtfertigung von Videoaufzeichnungen durch nicht öffentliche Stellen ohnehin nicht genügt. Immerhin hat der Gesetzgeber auch für die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume die Regelungen in §§ 13, 14 BDSG nicht als ausreichend erachtet, sondern mit § 6 b BDSG (siehe zur nicht gegebenen Einschlägigkeit dieser Regelung im vorliegenden Fall bereits: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 14.04.2011, 15 Sa 125/11) eine spezielle Ermächtigungsnorm für erforderlich gehalten (offen gelassen: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 29.06.2004, 1 ABR 21/03; vergleiche kritisch: Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329, 336).

Auch die Frage der Anwendbarkeit des § 28 BDSG kann jedoch dahin stehen. Denn selbst wenn § 28 BDSG grundsätzlich geeignet sein sollte, Videoaufzeichnungen von Personen zu rechtfertigen, sind jedenfalls die nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG erforderlichen Voraussetzungen hier nicht erfüllt. Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG kann eine Videoüberwachung unter Umständen dann zulässig sein, soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt. Inwieweit sicherheitsrechtliche Interessen der Beklagten das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers überwiegen, ist nicht erkennbar. Dies gilt deshalb, weil die Beklagte im Rahmen ihres umfassenden Sachvortrages hierzu nicht ansatzweise dargelegt hat, ob und inwieweit gerade die beiden streitgegenständlichen Videokameras und warum überhaupt eine Videoüberwachung erforderlich sowie nicht zum Beispiel eine Überwachung durch Personen ausreichend und ebenso möglich ist.

(c) Die Beklagte hat schuldhaft in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen.

(aa) Entgegen der Ansicht der Beklagten trifft diese an der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers auch ein Verschulden. Die Beklagte hat die Installation der Videokamera veranlasst (vergleiche hierzu bereits umfassend: Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 12.12.2011, 1 Ta 606/11). Sie hat dabei nicht dafür Sorge getragen, dass die Arbeitnehmer erkennen können, dass ihr Arbeitsbereich von dieser Videokamera nicht erfasst wird. Dabei hat die Beklagte, wenn nicht vorsätzlich, so doch zumindest grob fahrlässig gehandelt (vergleiche zum Verschulden im Falle rechtswidriger Videoüberwachung am Arbeitsplatz: Landesarbeitsgericht Hessen, Urteil vom 25.10.2010, 7 Sa 1586/09).

Auch der Einwand der Beklagten, die Eigentümerin des Betriebsgeländes und der Videokameras bestehe auf einer Installation der Videokameras, kann ein Verschulden der Beklagten nicht ausschließen. Angesichts der Relativität von Schuld- und somit auch Miet- bzw. Pachtverhältnissen wäre dies im Arbeitsverhältnis zum Kläger nicht von Bedeutung. Im Übrigen bestehen erhebliche rechtliche Bedenken, ob die Beklagte derartige Vorgaben der Vermieterin bzw. Verpächterin überhaupt hinnehmen müsste (vergleiche hierzu ebenfalls bereits: Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 12.12.2011, 1 Ta 606/11).

(bb) Das angebliche Vertrauen der Beklagten in die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung ist nicht schutzwürdig.

Zudem hat die Kammer bereits erhebliche Zweifel, ob die Beklagte insofern überhaupt ein schutzwürdiges Vertrauen hatte. Nach ihrem nunmehr erfolgten Vortrag zur erforderlichen Einhaltung sicherheitsrechtlicher Bestimmungen existierte diesbezüglich keine betriebliche Regelung. Eine Betriebsvereinbarung wurde lediglich zur Vermeidung von Diebstählen und Unterschlagungen geschlossen. Über die wahren bzw. zumindest auch gegebenen Motive der Videoüberwachung hat die Beklagte den Betriebsrat zumindest nach dem Inhalt ihres jetzigen Prozessvortrages im Unklaren gelassen.

Schließlich ist nicht erkennbar, weshalb – wie von der Beklagten vorgetragen – ein etwaiges Vertrauen erst durch die zweitinstanzliche Entscheidung vom 14.04.2011 im Berufungsverfahren (15 Sa 125/11) erschüttert worden wäre und nicht bereits durch die Entscheidung der Kammer vom 10.12.2010 (1 Ca 957/10).

2. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 4.000,00 EUR.

a) Die Höhe eines Geldentschädigungsanspruchs wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab (vergleiche Bundesgerichtshof, Urteil 05.10.2004, VI ZR 255/03 m.w.N.; vergleiche Landesarbeitsgericht Hessen, Urteil vom 14.07.2010, 6 Sa 1587/09; Urteil vom 25.10.2010, 7 Sa 1586/09).

b) Nach diesen Grundsätzen hält die Kammer eine Geldentschädigung in Höhe von 4.000,00 EUR für angemessen.

aa) Angesichts des widersprüchlichen Vortrages der Beklagten zum Zweck der Videoüberwachung – einerseits: Schutz vor Diebstahl und Unterschlagungen, andererseits: Einhaltung sicherheitsrechtlicher Bestimmungen – ist für die Kammer nicht erkennbar, was tatsächlich Anlass und Beweggrund für die Beklagte ist, die beiden streitgegenständlichen Videokameras im Bereich des Eingangstores der Lager- und Kommissionierhalle zu installieren. Insbesondere ist nicht erkennbar, warum gerade die beiden streitgegenständlichen Kameras der in diesem Rechtsstreit hervorgehobenen Einhaltung sicherheitsrechtlichen Bestimmungen dient.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Kameras zunächst mehr als dreieinhalb Jahre lang installiert und in Betrieb genommen hat, ohne das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zu beachten. Der diesbezügliche Vortrag der Beklagten zu weiteren Betriebsvereinbarungen ist völlig unsubstantiiert und kann daher nicht berücksichtigt werden. Die Kammer könnte sich nur auf Mutmaßungen stützen.

Schließlich hat die Kammer angesichts des auch präventiven Charakters einer Geldentschädigung das nach rechtskräftiger Verurteilung zum Abbau der Kameras erfolgte Verhalten der Beklagten zu berücksichtigen (vergleiche hierzu: Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 12.12.2011, 1 Ta 606/11, Seite 4 f.). Die Beklagte hat nach Auffassung der Kammer ganz offensichtlich Schwierigkeiten, entsprechend der geltenden Rechtsordnung rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen zu akzeptieren und sich danach zu richten. Auf diese Weise hat die Beklagte mit allen erdenklichen Mitteln versucht, sich der rechtskräftig titulierten Abbauverpflichtung zu entziehen. Offenbar herrscht auf Seiten der Beklagten entsprechend dem Inhalt ihres Prozessvortrages nach wie vor keinerlei Einsicht, was bei der Bestimmung der Höhe der Geldentschädigung zu berücksichtigen ist (vergleiche so auch: Landesarbeitsgericht Hessen, Urteil vom 25.10.2010, 7 Sa 1586/09).

bb) Dem Vortrag der Beklagten, der Kläger habe sich dem Erfassungsbereich der Kameras dadurch entziehen können, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit einen anderen Weg durch das Logistikzentrum der Beklagten wählt, vermag sich die Kammer nicht anzuschließen. Die Beklagte kann nicht ernsthaft erwarten, dass ihre Lagerarbeiter im Rahmen der Kommissioniertätigkeiten Umwege durch das Logistikzentrum und hier durch die unterschiedlichen Hallen und Hochregalreihen vornehmen, nur um nicht von installierten Videokameras erfasst zu werden.

Allerdings muss sich der Kläger gemäß § 254 BGB ganz erheblich entgegenhalten lassen, sich zunächst mehr als dreieinhalb Jahre lang nicht an den sichtbar installierten Videokameras gestört zu haben (vergleiche hierzu den Hinweis- und Auflagenbeschluss der Kammer vom 08.12.2011, Blatt 88 ff. der Akte).

Er hat zwar vorgetragen, er sei zunächst davon ausgegangen, die Kameras zeichneten nur nachts und außerhalb der Arbeitszeit auf. Weshalb er hiervon ausging, ist jedoch nicht ersichtlich. Gerade wenn nicht erkennbar ist, wann die Kameras tatsächlich aufzeichnen, muss auch aus Sicht des Klägers zumindest theoretisch die Möglichkeit bestanden haben, dass die Kameras auch während der Arbeitszeit aufzeichnen. Wie bereits eingehend erörtert, kommt es – und dies ist in allen zuvor anhängigen Verfahren und in diesem Rechtsstreit auch stets Auffassung des Klägers gewesen – eben gerade nicht auf die tatsächlichen Aufzeichnungen an. Auch der Kläger pocht auf die Abbauverpflichtung und weist zu Recht immer wieder darauf hin, dass ein Abschalten nicht ausreicht. Dies gilt, weil gerade auch Attrappen einen Anpassungs- und Überwachungsdruck ausüben können. Dieser Anpassungsdruck hätte dann aber auch in der Zeit vom 18.08.2006 (Installation der Kameras) bis zu 10.03.2010 (erstes Anschreiben des späteren Prozessbevollmächtigten des Klägers) bestanden. In dieser Zeit hat sich der Kläger daher, ohne dass der Kammer die Gründe hierfür erkennbar wären, der gegebenen Situation gefügt. Dies muss er sich, wenn auch nicht als konkludente Einwilligung, so doch im Wege des Mitverschuldens bei der Bestimmung der Höhe der von der Beklagten zu zahlenden Geldentschädigung entgegen halten lassen.

cc) Nach alledem geht die Kammer davon aus, dass nach Sinn und Zweck des Persönlichkeitsschutzes, der Intensität des Eingriffs und aus den Gründen von Genugtuung und Prävention einer zu zahlenden Geldentschädigung ein Betrag in Höhe von 4.000,00 EUR angemessen ist.

3. Die von der Beklagten angeführte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes vom 24.11.2011 (C-468/10 und C-469/10) ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Im Falle eines unbezifferten Leistungsantrages ist im Rahmen der Kostenentscheidung der mangelnden Gewissheit des Klägers bei Klageerhebung Rechnung zu tragen. Abweichungen von 20 bis 25 Prozent sind daher zu vernachlässigen, so dass insoweit eine Teilabweisung und Kostenquotelung ausscheidet. Erst ab einem höheren Verlust ist die Klage teilweise abzuweisen und der Kläger nach dem Verhältnis von Streitwert und Zuspruch an den Kosten zu beteiligen (vergleiche Oberlandesgericht Frankfurt/Main, Beschluss vom 08.04.1982, 22 W 9/82; Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 15.06.1989, 5 U 331/88; Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 13.10.1989, 18 U 37/88).

Da der zugesprochene Betrag um 73 Prozent hinter dem vom Kläger angegebenen Mindestwert zurückbleibt, hatte eine Teilabweisung zu erfolgen. Der Kläger ist anteilig an den Kosten zu beteiligen.

III.

Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes begründet sich auf §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit §§ 39 ff. GKG, §§ 3 ff. ZPO.

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