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Vorsicht bei arbeitsgerichtlichen Abfindungsvergleichen – Anspruch auf Arbeitslosengeld kann Ruhen!

Landessozialgericht NRW, Az.: L 9 AL 49/14, Urteil vom 11.12.2014

Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht während der Zeit, für die die oder der Arbeitslose Arbeitsentgelt erhält oder zu beanspruchen hat. Hat die oder der Arbeitslose wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Urlaubsabgeltung erhalten oder zu beanspruchen, so ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit des abgegoltenen Urlaubs. Der Ruhenszeitraum beginnt mit dem Ende des die Urlaubsabgeltung begründenden Arbeitsverhältnisses (vgl. § 157 SGB III). Löst ein Arbeitsgericht ein Arbeitsverhältnis wegen einer sozialwidrigen ordentlichen Kündigung auf, weil dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist (§ 9 Abs 1 KSchG), so erfolgt dies zu dem Zeitpunkt, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte (§ 9 Abs 2 KSchG). Die dem Arbeitnehmer in diesen Fällen zugesprochene Abfindung (§ 9 Abs 1 iVm § 10 KSchG) enthält daher keine Arbeitsentgeltanteile, sondern dient voll dem Ausgleich für den Verlust des sozialen Besitzstandes. In diesen Fällen tritt daher keine Ruhenswirkung bzgl. des Arbeitslosengeldes nach § 157 SGB III ein, da das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers aufgelöst wurde. Anders verhält es sich bei Auflösungen durch Urteil im Anschluß an eine unbegründete außerordentliche Kündigung. Ergibt sich aus der Klage, dass dem Arbeitnehmer trotz Unbegründetheit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar ist, hat das Gericht das Arbeitsverhältnis aufzulösen und zwar zu dem Zeitpunkt, zu dem es bei begründeter außerordentlicher Kündigung geendet hätte (§ 13 Abs 1 KSchG iVm § 9 Abs 2 KSchG). Daraus folgt zugleich, dass die in diesen Fällen festzusetzende Abfindung in aller Regel das dem Arbeitnehmer in der Kündigungsfrist entgangene Arbeitsentgelt enthält, so dass § 157 SGB III zur Anwendung kommt und der Anspruch des Arbeitsnehmers auf Arbeitslosengeld ruht. Wegen vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährte Abfindungen, Entschädigungen und ähnliche Leistungen enthalten nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in pauschaliertem Umfang auch Arbeitsentgeltteile, so dass sie zu einem Ruhen des Arbeitslosengeldanspruches führen können.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 15.01.2014 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

anspruch arbeitslosengeld bei abfindungsvergleich

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) im Zeitraum vom 01.11.2012 bis zum 30.11.2012.

Der im Juli 1983 geborene Kläger stand vom 21.01.2003 bis zum 31.10.2012 in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis als Industriekaufmann bei der Firma G Befestigungstechnik GmbH (im Folgenden: Arbeitgeberin). Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos zum 31.10.2012. Hiergegen erhob der Kläger beim Arbeitsgericht J Kündigungsschutzklage (Az.: 2 Ca 00/12). Dort schlossen der Kläger und die Arbeitgeberin folgenden Vergleich:

1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Fortführung für den Kläger gemäß § 13 KSchG mit dem 31.10.2012 sein Ende gefunden hat.

2. Die Beklagte zahlt an den Kläger als Abfindung entsprechend §§ 9,10 KSchG

25.000,00 EUR (i.W.: fünfundzwanzigtausend Euro) brutto.

… „

Der Kläger meldete sich am 31.10.2012 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg.

Mit Bescheid vom 28.11.2012 bewilligte die Beklagte dem Kläger zunächst vorläufig Alg für die Zeit vom 24.01.2013 bis zu 22.10.2013 in Höhe von 35,98 Euro pro Tag. Für die Zeit vom 01.11.2012 bis zum 23.01.2013 bewilligte sie zunächst kein Alg und kündigte insoweit ein gesondertes Schreiben an, weil sie den Eintritt einer Sperrzeit prüfen wollte. Ab 01.11.2012 erhielt der Kläger zunächst Arbeitslosengeld II vom Jobcenter N in Höhe von 529,81 Euro monatlich.

Nach Abschluss des arbeitsgerichtlichen Vergleichs erließ die Beklagte unter dem 01.03.2013 einen Änderungsbescheid, der keinen Vorläufigkeitsvorbehalt mehr enthielt. Darin setzte sie den Anspruch auf Alg für die Zeit vom 01.11.2012 bis zum 11.03.2012 wegen einer Entlassungsentschädigung gemäß § 158 SGB III auf 0,00 Euro fest und bewilligte Alg für die Zeit vom 12.03.2013 bis zum 10.03.2014 in Höhe von 35,98 Euro pro Tag (1.079,40 Euro monatlich). Mit weiterem Bescheid vom gleichen Tage lehnte die Beklagte die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 01.11.2012 bis zum 11.03.2013 wegen der von der Arbeitgeberin zu zahlenden Entlassungsentschädigung in Höhe von 25.000,- Euro ab. Mit einem Schreiben vom gleichen Tage erfolgte eine Anhörung zur Rückforderung von Alg für den Zeitraum vom 24.01.2013 bis zum 28.02.2013 in Höhe von 1.367,24 Euro.

Gegen die Bescheide legte der Kläger am 14.03.2013 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, er habe als Betriebsratsmitglied ohnehin nur fristlos gekündigt werden können. § 13 KSchG sehe die Zahlung einer entsprechenden Entschädigung ausdrücklich vor, so dass ein Ruhenstatbestand nicht erfüllt sei.

Mit zwei Änderungsbescheiden vom 26.03.2013 bewilligte die Beklagte nunmehr Alg für die Zeit vom 01.12.2012 bis zum 30.11.2013 und lehnte die Bewilligung von Alg nur noch für den Zeitraum vom 01.11.2012 bis zum 30.11.2012 wegen Ruhens des Anspruchs aufgrund der Entlassungsentschädigung ab. Darüber hinaus wies die Beklagte den Kläger daraufhin, dass er in Höhe des ihm im Zeitraum vom 01.12.2012 bis zum 23.01.2013 gezahlten Alg II wegen eines entsprechenden Erstattungsanspruchs des Jobcenters keinen Anspruch auf Alg habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.03.2013 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Anspruch auf Alg ruhe gemäß § 158 Abs. 1 und 2 SGB III im Zeitraum vom 01.11.2012 bis zum 30.11.2012. Das Arbeitsverhältnis sei vorzeitig beendet worden, weil die ordentliche Kündigungsfrist einen Monat betragen habe und die ordentliche Kündigungsfrist auch dann maßgeblich sei, wenn, wie beim Kläger, die ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber zeitlich begrenzt ausgeschlossen sei (§ 158 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB III). Der Kläger habe auch wegen der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine Entlassungsentschädigung in Höhe von 25.000,- Euro zu beanspruchen. Der Anspruch auf Alg ruhe daher vom Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist geendet hätte (§ 158 Abs. 1 Satz 1 SGB III), d.h. hier bis zum 30.11.2012.

Der Kläger hat am 11.04.2013 Klage beim Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben. Er hat im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend die Auffassung vertreten, die Regelung des § 13 KSchG unterfalle nicht der Anwendung des § 158 SGB III. Im Übrigen habe der Regelungsbereich des § 158 SGB III mit dem hier zu entscheidenden Fall nicht das Geringste zu tun. Die „Verkürzung der Kündigungsfrist“ erfolge nicht im Hinblick auf die Zahlung einer Entlassungsentschädigung, sondern aus Gründen, die seitens des Arbeitsgerichts dargelegt worden seien und nicht im Verantwortungsbereich des Klägers lägen.

Das SG ist davon ausgegangen, dass der Kläger sinngemäß beantragt hat, die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 01.03.2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26.03.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2013 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen für den Zeitraum vom 01.11. bis 30.11.2012 auszuzahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat zum 13.05.2013 eine neue versicherungspflichte Beschäftigung aufgenommen, woraufhin die Beklagte die Bewilligung von Alg ab dem 13.05.2013 aufgehoben hat.

Mit Urteil im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung vom 15.01.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch des Klägers auf Alg ruhe gemäß § 158 Abs. 1 SGB III im Zeitraum vom 01.11.2012 bis zum 30.11.2012. Der Kläger habe wegen der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine Entlassungsentschädigung in Höhe von 25.000,- Euro erhalten. Ruhensbegründend seien alle im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlten Leistungen, unabhängig von ihrer Bezeichnung und dem Zweck der Leistung. Sie könne auch durch ein Auflösungsurteil nach §§ 9,13 KSchG festgelegt sein. Ohne Beendigung des Arbeitsverhältnisses hätte der Kläger diesen Betrag nicht erhalten, so dass der erforderliche ursächliche Zusammenhang anzunehmen sei. Begrenzt sei der Zeitraum des Ruhens auf den Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ohne Mitwirkung des Arbeitnehmers hätte beenden können. Für nicht oder nur eingeschränkt kündbare Arbeitnehmer habe der Gesetzgeber in § 158 Abs. 1 Satz 3 und 4 SGB III fiktive Kündigungsfristen festgelegt. Danach sei bei einem zeitlich begrenzten Ausschluss der ordentlichen Kündigung, wie es bei dem Kläger als Betriebsratsmitglied der Fall sei, ebenfalls die ordentliche Kündigungsfrist zugrunde zu legen (§ 158 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 1. Alt. SGB III). Bei dem Kläger habe unter Außerachtlassung seiner Betriebsratszugehörigkeit eine Kündigungsfist von einem Monat gegolten, so dass die Beklagte zu Recht ihre früheren Entscheidungen korrigiert und nur einen Ruhenszeitraum von einem Monat bis zum 30.11.2012 angenommen habe.

Gegen dieses seinem Prozessbevollmächtigten am 28.01.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.02.2014 Berufung eingelegt. Er meint, § 158 SGB III sei in seinem Fall nicht einschlägig, weil zu seinen Gunsten § 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG zur Anwendung gekommen sei. Etwas anderes sei auch noch nicht entschieden worden. Dementsprechend habe auch der Arbeitsrichter zutreffend ausgeführt, dass die Abfindung „arbeitsamtsunschädlich“ sei. § 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG stelle eine Schutzvorschrift zugunsten des Arbeitnehmers, dem bei unberechtigter außerordentlicher Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht möglich sei, dar. Er habe dementsprechend die 25.000,- Euro nicht wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten, sondern weil ihm nach unberechtigter außerordentlicher Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden konnte. § 158 SGB III wolle demgegenüber diejenigen Fälle regeln, in denen quasi als Ausgleich für eine verkürzte Kündigungsfrist eine Geldleistung erbracht werde. Exakt darum gehe es hier nicht. Es bestehe deshalb auch kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Zahlung der Geldleistung, sondern es bestehe ein kausaler Zusammenhang zwischen der Nichtzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und der Zahlung der Geldleistung. Die Leistung des Arbeitgebers diene vorliegend auch nicht wie sonst der Sicherung des Lebensunterhalts. Im Übrigen enthalte § 13 Abs. 1 Satz 4 KSchG eine eigene Fristenregelung für die hier fragliche Kündigung nämlich dergestalt, dass die Kündigung zum Zeitpunkt des Ausspruchs der außerordentlichen Kündigung erfolge, so dass im vorliegenden Fall der Zeitpunkt der außerordentlichen Kündigung mit dem Zeitpunkt, zu dem eine ordentliche Kündigung hätte erfolgen können, identisch sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß schriftsätzlich, das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 15.01.2014 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheid vom 26.03.2013 und unter Abänderung des Änderungsbescheids vom 26.03.2013 zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 01.11.2012 bis zum 30.11.2012 Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt sinngemäß schriftsätzlich, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der Beratungen des Senats gewesen sind, Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Senat durfte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

I. Die Berufung ist nach Maßgabe von §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch ohne die unterbliebene Zulassung durch das SG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 750,- Euro (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).

Der Beschwerdegegenstand ist danach zu bestimmen, was das SG dem Kläger versagt hat und was von diesem mit seinen Berufungsanträgen weiterverfolgt wird (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 144 Rn. 14.; Sommer, in: Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 144 Rn. 17, jeweils m.w.N.). Das SG hat ausgehend von dem auch im Berufungsverfahren weiterverfolgten Antrag des Klägers über die Gewährung von Arbeitslosengeld im Zeitraum vom 01.11.2012 bis zum 30.11.2012 entschieden. Der Kläger begehrt demnach Alg für einen Monat, d.h. in Höhe von 1.079,40 Euro. Der Betrag von 750,- Euro wird deshalb deutlich überschritten. Dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum zugleich Alg II in Höhe von 529,81 Euro erhalten hat, führt zu keiner anderen Bewertung. Zwar würde das gezahlte Alg II im Falle des Erfolgs der Berufung des Klägers gemäß § 107 Abs. 1 i.V.m. § 104 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) auf das für den streitgegenständlichen Zeitraum zu zahlenden Alg angerechnet. Der Kläger begehrt jedoch die Gewährung von Alg für den Monat November 2012 lediglich dem Grunde nach (§ 130 SGG), d.h er möchte einen Bescheid über die Bewilligung von Alg auch für November 2012 erhalten, unabhängig davon, wie viel Alg ihm anschließend tatsächlich nachzuzahlen wäre. Er hat zudem seinen Antrag betragsmäßig nicht auf die Differenz zwischen dem Monatsbetrag des Alg und dem gezahlten Alg II beschränkt (vgl. zum Ganzen auch BSG, Urt. v. 23.02.2011 – B 11 AL 15/10 R -, juris Rn. 13 f.; Sommer, a.a.O., Rn. 20).

II. Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die zulässige Klage zu Recht abgewiesen.

1. Gegenstand der vom Kläger erhobenen statthaften kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alt, Abs. 4, 56 SGG sind allerdings nur die Bescheide vom 26.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.03.2013 (§ 95 SGG). Der Änderungsbescheid vom 26.03.2013 und der Ablehnungsbescheid vom 26.03.2013, die letztlich beide die Gewährung von Alg für die Zeit vom 01.11.2012 bis zum 30.11.2012 ablehnen und deshalb eine rechtliche Einheit bilden (vgl. hierzu auch (vgl. BSG, Urt. v. 06.02.2003 – B 7 AL 72/01 R -, juris Rn. 12 m.w.N.), haben die vorangegangenen Bescheide vom 01.03.2013 ersetzt und sind deshalb gemäß § 86 SGG alleine Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden.

2. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Alg im Zeitraum vom 01.11.2012 bis zum 30.11.2012, weil der durch die Arbeitslosmeldung am 31.10.2012 zum 01.11.2011 gemäß §§ 136 Abs. 1 Nr. 1, § 137 Abs. 1 SGB III dem Grunde nach entstandene Anspruch auf Alg gemäß § 158 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 Nr. 2 SGB III im Zeitraum vom 01.11.2012 bis zum 30.11.2012 geruht hat. Der Senat schließt sich den in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid sowie des SG in dem angefochtenen Urteil an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf sie Bezug (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 136 Abs. 3, § 153 Abs. 2 SGG).

Das Berufungsvorbringen führt zu keiner anderen Bewertung.

Der Kläger hat wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Entlassungsentschädigung im Sinne von § 158 Abs. 1 SGB III erhalten. Die dem Kläger ausweislich des vor dem Arbeitsgericht J geschlossenen Vergleichs von seiner Arbeitgeberin gezahlte Entschädigung nach § 13 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. §§ 9,10 KSchG stellt eine Entlassungsentschädigung in diesem Sinne dar. Dies ist, was dem Kläger offensichtlich nicht bekannt ist, schon lange höchstrichterlich geklärt. So hat das BSG zu § 117 Abs. 2 AFG, dem § 158 Abs. 1 Satz 1 SGB III entspricht, im Leitsatz des Urteils vom 08.12.1987 – 7 RAr 48/86 -, juris ausdrücklich festgehalten:

„Vom Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach § 117 AFG sind nicht die Fälle ausgenommen, in denen nach einer unbegründeten außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis durch arbeitsgerichtliches Urteil zum Zeitpunkt der Kündigung gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst wird (§ 13 Abs 1 S 3 KSchG).“

In den Gründen der Entscheidung hat es sodann ausgeführt:

„Entgegen der Auffassung des Klägers steht dem Ruhen des Alg-Anspruchs nicht entgegen, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers durch Urteil des Arbeitsgerichts aufgelöst worden ist. Schon nach dem Wortlaut des Gesetzes sind Fälle der vorzeitigen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch arbeitsgerichtliche Gestaltungsurteile nicht von der Regelung des § 117 Abs 2 AFG ausgenommen. § 117 Abs 2 Satz 1 AFG differenziert insoweit nicht zwischen verschiedenen Rechtshandlungen oder Rechtsakten. Soweit der Kläger vorträgt, § 117 Abs 2 AFG sehe das Ruhen nur vor, wenn das Arbeitsverhältnis vorzeitig durch Vergleich oder Aufhebungsvertrag gelöst wurde, irrt er. § 117 Abs 2 AFG idF des 4. AFG-ÄndG enthält diese Einschränkung nicht. Lediglich in der hier nicht mehr anzuwendenden Vorläuferregelung waren Beendigungstatbestände dieser Art aufgeführt. Dort war jedoch ausdrücklich auch das Ruhen angeordnet, wenn das Arbeitsverhältnis vorzeitig nach einer vom Arbeitgeber ausgesprochenen unbegründeten außerordentlichen Kündigung gegen Abfindung durch Urteil nach den Regeln des KSchG beendet worden ist (vgl § 117 Abs 2 Satz 1 AFG idF vom 25. Juni 1969 – BGBl I 582). § 117 Abs 2 AFG aF nahm mithin nur die Fälle aus, in denen eine Abfindung gezahlt wurde, obwohl der Arbeitgeber berechtigterweise fristlos gekündigt hatte; im Ergebnis ist dies auch seit der Gesetzesänderung durch das 4. AFG-ÄndG nicht anders (§ 117 Abs 2 Satz 2 Nr 3 AFG; vgl dazu BSG SozR 4100 § 117 Nr 14). Hier unterstellt das Gesetz, daß die Abfindung ausschließlich aus sozialen Gründen und nicht mehr zur Abgeltung von Entgeltansprüchen erfolgt.

An diesem Ergebnis ändert nichts der Wortlaut von § 117 Abs 2 Satz 2 AFG, worauf das SG seine Entscheidung gestützt hat. Wie schon ausgeführt wurde, regelt diese Vorschrift lediglich, wann der Ruhenszeitraum bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen im konkreten Einzelfall beginnt. Sie knüpft insoweit an den Tag der Kündigung, bei deren Fehlen an den Tag der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses an. Für die Erwähnung der Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Urteil bestand kein Bedürfnis; denn dieses kommt nur in Betracht, wenn eine Kündigung ausgesprochen (und angefochten) worden ist (vgl §§ 9, 13 KSchG). Aus dem Fehlen eines Hinweises auf derartige Gestaltungsurteile in § 117 Abs 2 Satz 2 AFG rechtfertigt sich deshalb keine Schlußfolgerung auf den Inhalt des § 117 Abs 2 Satz 1 AFG.

Der dargestellte Inhalt des § 117 Abs 2 AFG folgt nicht nur aus Rechtsentwicklung und Wortlaut, sondern entspricht auch der Absicht des Gesetzgebers. So ist in der Regierungsbegründung zur Änderung des § 117 AFG durch das 4. AFG-ÄndG ausgeführt, daß der Anspruch auf Alg künftig immer dann ruhen soll, wenn der Arbeitnehmer gegen Zahlung einer Abfindung ohne Einhaltung der Kündigungsfrist des Arbeitgebers ausgeschieden ist. Eine Ausnahme soll allein dann gelten, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis hätte fristlos kündigen können, weil in diesen Fällen eine etwa gezahlte Abfindung allein der Entschädigung für den Verlust des sozialen Besitzstandes dient (vgl BT-Drucks 8/857, Begründung zu Nr 8 des Gesetzesentwurfs -S 9-). Der Bundestagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung hat die Regelung ausdrücklich einhellig begrüßt (vgl BT-Drucks 8/1053, Bericht des Abgeordneten Müller-Remscheid – unter I Ziffer 2).

Es ist schließlich kein vernünftiger Grund ersichtlich, Abfindungen aufgrund von arbeitsgerichtlichen Gestaltungsurteilen im Anschluß an eine unbegründete fristlose (außerordentliche) Kündigung von der Ruhenswirkung des § 117 Abs 2 AFG auszunehmen. Zweck des § 117 Abs 2 AFG ist es in erster Linie, den Doppelbezug von Arbeitsentgelt und Alg zu verhindern; der Inhalt seiner Regelung soll zugleich Manipulationen zur Umgehung dieses Zweckes erschweren (vgl BSGE 46, 20, 29 ff = SozR 4100 § 117 Nr 2; BSG SozR 4100 § 117 Nr 17). Unter anderem drückt sich dies darin aus, daß § 117 Abs 2 und 3 AFG die unwiderlegbare Vermutung aufstellen, daß in den wegen vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährten Abfindungen, Entschädigungen und ähnlichen Leistungen in pauschaliertem Umfang auch Arbeitsentgeltteile enthalten sind (vgl BSG SozR 4100 § 117 Nr 13).

Eine solche Sachlage ist aber gerade bei Abfindungen aufgrund von Gestaltungsurteilen im Anschluß an eine unbegründete fristlose Kündigung gegeben. Löst das Arbeitsgericht das Arbeitsverhältnis wegen einer sozialwidrigen o r d e n t l i c h e n Kündigung auf, weil dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist (§ 9 Abs 1 KSchG), so erfolgt dies zu dem Zeitpunkt, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte (§ 9 Abs 2 KSchG). Die dem Arbeitnehmer in diesen Fällen zugesprochene Abfindung (§ 9 Abs 1 iVm § 10 KSchG) enthält folglich keine Arbeitsentgeltanteile, sondern dient voll dem Ausgleich für den Verlust des sozialen Besitzstandes (vgl BSGE 52, 47, 50 = SozR 4100 § 117 Nr 7 mwN; ebenso Herschel/Löwisch, Komm z KSchG, 6. Aufl, RdNr 1 zu § 9, RdNrn 11, 12 zu § 10). § 117 Abs 2 AFG nimmt darauf Bedacht; denn da hier das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers aufgelöst wurde, tritt keine Ruhenswirkung in bezug auf einen anschließenden Alg-Anspruch ein (§ 117 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 AFG).

Anders verhält es sich bei Auflösungen durch Urteil im Anschluß an eine unbegründete a u ß e r o r d e n t l i c h e Kündigung. Ergibt sich auf Klage hier, daß dem Arbeitnehmer trotz Unbegründetheit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar ist, hat das Gericht das Arbeitsverhältnis aufzulösen, und zwar zu dem Zeitpunkt, zu dem es bei begründeter außerordentlicher Kündigung geendet hätte (§ 13 Abs 1 KSchG iVm § 9 Abs 2 KSchG; vgl auch hierzu BSGE 52, 47, 50 = SozR 4100 § 117 Nr 7 mwN, ebenso Herschel/Löwisch, aaO, RdNr 21 zu § 13). Daraus folgt zugleich, daß die in diesen Fällen festzusetzende Abfindung in aller Regel das dem Arbeitnehmer in der Kündigungsfrist entgangene Arbeitsentgelt enthält (BSG aaO; Herschel/Löwisch aaO). Folglich besteht für die Anwendung des § 117 Abs 2 AFG in solchen Fällen guter Grund.

Der Einwand des Klägers, § 117 Abs 2 AFG sei hier deshalb nicht heranzuziehen, weil bei Gestaltungsurteilen dieser Art Manipulationsmöglichkeiten ausgeschlossen seien, greift demgegenüber nicht durch. Abgesehen davon, daß die Verhinderung von Manipulationen nur e i n Ziel des § 117 Abs 2 AFG ist, widerlegt der vorliegende Fall die Auffassung des Klägers. Ausweislich des Protokolls der Verhandlung vor dem Arbeitsgericht vom 27. Oktober 1981 beendeten die Parteien das Arbeitsverhältnis nur deshalb nicht einvernehmlich, weil sie die Anwendung des § 117 Abs 2 AFG umgehen wollten. Daß hieran, wenn auch rechtsirrig, sogar das Arbeitsgericht mitwirkte, ändert nichts an der auch zur Herbeiführung solcher Gestaltungsurteile vorhandenen Manipulationsmöglichkeit, im Gegenteil.

Schließlich macht der Kläger ohne Erfolg geltend, die Anwendung des § 117 Abs 2 AFG auf Fälle der vorliegenden Art verstoße gegen das Grundgesetz. Auf die Entscheidung des BVerfG vom 12. Mai 1976 – 1 BvL 31/73 – (BVerfGE 42, 176 = SozR 4100 § 117 Nr 1) beruft er sich zu Unrecht. Die dortigen Ausführungen des BVerfG, daß der Arbeitsrichter bei der Festsetzung der Abfindung nach § 9 KSchG eher den sozialen Besitzstand des Arbeitnehmers als den Ausfall seines Arbeitsentgelts berücksichtigen wird, betreffen ersichtlich nicht Abfindungen aufgrund Entscheidungen nach § 13 Abs 1 KSchG, um die es hier geht. Im übrigen hat das BVerfG inzwischen entschieden, daß die Vorschriften des § 117 Abs 2 und 3 AFG idF des 4. AFG-ÄndG nicht verfassungswidrig sind (Beschluss vom 14. Dezember 1981 – 1 BvL 1011/81 – SozR 4100 § 117 Nr 8). Dem entspricht die Rechtsprechung des Senats (BSGE 46, 20, 25 = SozR 4100 § 117 Nr 2). Das gilt auch für die Einbeziehung solcher Abfindungen in den Regelungsgehalt des § 117 Abs 2 AFG, die aufgrund von Gestaltungsurteilen nach § 13 Abs 1 KSchG zustehen. Soweit der Kläger es als eine den Art 3 GG verletzende Ungleichbehandlung ansieht, daß Abfindungen nach einer unbegründeten fristlosen Kündigung bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Ruhen von Alg-Ansprüchen auslösen können, Abfindungen nach einer berechtigten fristlosen Kündigung hingegen nicht, hat er nicht beachtet, daß es sich insoweit auch um unterschiedliche Sachverhalte handelt. Art 3 GG verbietet jedoch nicht unterschiedliche rechtliche Lösungen für verschiedene Sachverhalte. Dies gilt bei ähnlichen Sachverhalten um so mehr, wenn für die unterschiedliche Behandlung sachgerechte Gründe vorliegen, wie es für § 117 Abs 2 und 3 AFG der Fall ist.“

Diesen Ausführungen, die sämtliche Einwände des Klägers widerlegen und mit denen sich der Kläger auch nicht auseinander gesetzt hat, schließt sich der Senat an. Lediglich ergänzend sei ausgeführt, dass die Argumentation des Klägers auch nicht schlüssig ist. Selbstverständlich wird eine Abfindung nach § 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt. Wenn der Grund für die Abfindung die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitnehmer ist, dient die Abfindung erkennbar gerade dazu, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass er seinen Arbeitsplatz vorzeitig aufgeben muss, weil ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ja selbst bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar ist. Damit enthält die Abfindung zwangsläufig den Arbeitsentgeltanteil, den der Kläger bei Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist erhalten hätte. Der Zweck des § 158 Abs. 1 Satz 1 SGB III, eine gleichzeitige Zahlung von Arbeitslosengeld und von – in der Abfindung kraft unwiderlegbarer Vermutung enthaltenem – Arbeitsentgelt zu vermeiden, ist deshalb durchaus einschlägig.

Darüber hinaus regelt § 158 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB III im Falle des Klägers klar und abschließend den Zeitpunkt, bis zum der Anspruch auf Alg wegen der Entlassungsentschädigung ruht. Die arbeitsrechtliche Vorschrift des § 13 Abs. 1 Satz 4 KSchG gibt für die Frage des Ruhens des Anspruchs auf Alg nichts her.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.

 

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