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Wartezeitkündigung – Maßregelungsverbot

Eine schwerbehinderte Arbeitnehmerin eines DRK-Seniorenzentrums scheiterte vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz mit ihrer Kündigungsschutzklage. Trotz Schwerbehinderungsschutz sah das Gericht die Kündigung in der Wartezeit als rechtmäßig an, da keine unzulässige Maßregelung und keine soziale Rechtfertigung erforderlich war. Der Fall beleuchtet die rechtlichen Grauzonen bei Kündigungen von Schwerbehinderten in der Probezeit.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
  • Datum: 16.04.2024
  • Aktenzeichen: 6 SLa 15/24
  • Verfahrensart: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Arbeitsrecht, Kündigungsschutzrecht

Beteiligte Parteien:

  • Klägerin: Eine Arbeitnehmerin mit einem anerkannten Grad der Behinderung von 60, die als Aushilfe in einem Seniorenzentrum tätig war. Sie argumentierte, dass die Kündigung aufgrund der Nichtoffenlegung ihrer Krankheitsdiagnose eine unzulässige Maßregelung darstelle.
  • Beklagter: Arbeitgeber des Seniorenzentrums, der behauptete, die Kündigung sei aufgrund unzureichender Arbeitsleistung erfolgt und aus betrieblicher Notwendigkeit.

Um was ging es?

  • Sachverhalt: Die Klägerin wurde als Aushilfe befristet eingestellt, das Arbeitsverhältnis wurde später unbefristet fortgesetzt. Nach einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit kündigte der Arbeitgeber ihr Arbeitsverhältnis während der Wartezeit.
  • Kern des Rechtsstreits: War die Kündigung eine unzulässige Maßregelung nach § 612a BGB, weil die Klägerin ihre Krankheitsdiagnose nicht offenlegte?

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Die Berufung der Klägerin wurde zurückgewiesen und das Urteil des Arbeitsgerichts Trier bestätigt. Die Kündigung ist wirksam.
  • Begründung: Die Klägerin konnte nicht beweisen, dass ihre Rechtsausübung (Verweigerung der Diagnoseoffenlegung) das wesentliche Motiv für die Kündigung war. Die Kündigung war durch den Arbeitgeber ausreichend gegenüber dem Betriebsrat begründet und es lag keine Diskriminierung aufgrund der Behinderung vor.
  • Folgen: Das Arbeitsverhältnis endete zum 17. März 2023. Ein Weiterbeschäftigungsanspruch besteht nicht, und die Klägerin muss die Kosten des Verfahrens tragen. Eine Revision wurde nicht zugelassen.

Kündigungsschutz und Maßregelungsverbot: Ein Beispiel aus der Praxis

Das Arbeitsrecht ist ein komplexes Rechtsgebiet, das Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen betrifft. Im Spannungsfeld zwischen betrieblichen Interessen und individuellen Rechten spielen Kündigungsschutz und Maßregelungsverbot eine zentrale Rolle. Beschäftigte haben einen gesetzlichen Anspruch darauf, vor ungerechtfertigten Benachteiligungen und willkürlichen Kündigungen geschützt zu werden.

Die Wartezeitkündigung stellt dabei eine besondere Form der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses dar, die an spezifische rechtliche Bedingungen geknüpft ist. Das Maßregelungsverbot sichert Arbeitnehmer vor Nachteilen, wenn sie ihre gesetzlich verbrieften Rechte wahrnehmen oder sich gegen Ungleichbehandlung zur Wehr setzen. Der folgende Fall zeigt exemplarisch, wie diese arbeitsrechtlichen Prinzipien in der Praxis zur Anwendung kommen.

Der Fall vor Gericht


Schwerbehinderte Arbeitnehmerin scheitert mit Kündigungsschutzklage in der Wartezeit

Mitarbeitergespräch im Seniorenzentrum zur Kündigung während der Probezeit mit sichtbarem Kündigungsschreiben.
Kündigungsschutzklage während der Wartezeit | Symbolfoto: Flux gen.

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat die Berufung einer schwerbehinderten Arbeitnehmerin gegen ein Urteil des Arbeitsgerichts Trier zurückgewiesen. Die Klägerin, der ein Grad der Behinderung von 60 zuerkannt ist, wurde vom beklagten DRK-Seniorenzentrum zunächst befristet als Aushilfe in der Hauswirtschaft eingestellt. Nach einer Entfristung des Arbeitsverhältnisses erfolgte während der sechsmonatigen Wartezeit die Kündigung.

Telefonat und Kündigung nach Krankmeldung

Die Klägerin erkrankte Anfang Februar 2023 und legte eine dreiwöchige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. In einem Telefonat erkundigte sich der Einrichtungsleiter nach der Diagnose und einem möglichen Facharztbesuch. Die Klägerin machte hierzu keine Angaben. Am selben Tag schaltete das Seniorenzentrum eine Stellenanzeige für ihre Position. Ende Februar 2023 sprach der Arbeitgeber die Kündigung aus.

Streit um Kündigungsmotive

Die Klägerin sah in der Kündigung eine unzulässige Maßregelung, da sie die Diagnose nicht mitgeteilt hatte. Der Arbeitgeber führte hingegen an, die Kündigung sei wegen Leistungsmängeln und der Befürchtung eines längerfristigen Ausfalls erfolgt. Die vorzeitige Entfristung des Arbeitsverhältnisses sei ausschließlich einem Personalengpass geschuldet gewesen.

Rechtliche Bewertung des Landesarbeitsgerichts

Das Gericht sah keinen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot. Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Nichtmitteilung der Diagnose und der Kündigung reiche dafür nicht aus. Die Stellenausschreibung sei angesichts des dreiwöchigen krankheitsbedingten Ausfalls nachvollziehbar. Die Beteiligung des fünfköpfigen Betriebsrats sei ordnungsgemäß erfolgt, da diesem die wesentlichen Kündigungsgründe mitgeteilt wurden.

Ein Präventionsverfahren nach dem Sozialgesetzbuch musste der Arbeitgeber während der Wartezeit nicht durchführen. Die Klägerin hatte auch nicht dargelegt, dass etwaige Leistungsmängel auf ihre Schwerbehinderung zurückgingen und durch ein solches Verfahren hätten beseitigt werden können.

Da die sechsmonatige Wartezeit zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht abgelaufen war, bedurfte die Kündigung keiner sozialen Rechtfertigung. Die fristgerecht erhobene Kündigungsschutzklage blieb damit auch in zweiter Instanz erfolglos.


Die Schlüsselerkenntnisse

„Das Urteil verdeutlicht, dass auch während der Wartezeit vor Eintreten des Kündigungsschutzgesetzes eine Kündigung nicht willkürlich erfolgen darf und an gewisse rechtliche Grenzen gebunden ist. Besonders wichtig ist die Erkenntnis, dass Arbeitnehmer nicht verpflichtet sind, dem Arbeitgeber Details zu ihrer Krankheitsdiagnose mitzuteilen. Eine Kündigung, die auf die Verweigerung solcher Auskünfte gestützt wird, kann als Maßregelung gewertet werden und damit unwirksam sein.“

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie sich in der Wartezeit vor dem gesetzlichen Kündigungsschutz befinden und erkranken, müssen Sie Ihrem Arbeitgeber keine Details zu Ihrer Diagnose mitteilen – eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung reicht aus. Sollten Sie aufgrund der Verweigerung solcher privaten Gesundheitsinformationen gekündigt werden, könnte dies eine unzulässige Maßregelung darstellen. Besonders wichtig ist es in solchen Fällen, die Kommunikation mit dem Arbeitgeber zu dokumentieren und im Zweifelsfall rechtliche Beratung einzuholen. Auch während der Wartezeit haben Sie Rechte und müssen keine willkürlichen Kündigungen hinnehmen.

Benötigen Sie Hilfe?

Kündigung in der Wartezeit erhalten?

Das Urteil zeigt, dass auch in der Wartezeit Kündigungen nicht ohne Weiteres möglich sind. Arbeitnehmer haben Rechte, selbst wenn der volle Kündigungsschutz noch nicht greift. Gerade bei Kündigungen während einer Krankheit ist besondere Vorsicht geboten. Wurde Ihnen gekündigt, obwohl Sie eine AU vorgelegt haben? Wir prüfen Ihren Fall und beraten Sie zu Ihren Möglichkeiten. Sichern Sie sich Ihre Rechte und lassen Sie Ihre Kündigung von erfahrenen Anwälten überprüfen.

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Häufig gestellte Fragen zum Thema

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet die 6-monatige Wartezeit im Kündigungsschutz?

Die 6-monatige Wartezeit bezeichnet den Zeitraum zu Beginn eines Arbeitsverhältnisses, in dem das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) noch nicht anwendbar ist. In dieser Zeit kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ohne Angabe von Gründen unter Einhaltung der Kündigungsfrist beenden.

Rechtliche Grundlagen

Der gesetzliche Kündigungsschutz greift erst, wenn das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen länger als sechs Monate ohne Unterbrechung bestanden hat. Diese Regelung dient dazu, dem Arbeitgeber die Möglichkeit zu geben, sich ein Bild von der Leistung und Eignung des Arbeitnehmers zu machen.

Berechnung der Wartezeit

Für die Wartezeit ist der rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses maßgeblich, nicht die tatsächliche Beschäftigungsdauer. Unterbrechungen durch Krankheit, Urlaub oder andere Fehlzeiten haben keinen Einfluss auf den Lauf der Wartezeit.

Grenzen der Kündigungsfreiheit

Auch während der Wartezeit ist die Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers nicht grenzenlos. Die Kündigung darf nicht:

  • Sittenwidrig sein
  • Gegen das Maßregelungsverbot verstoßen
  • Diskriminierend sein

Wenn Sie beispielsweise während der Wartezeit erkranken und der Arbeitgeber kündigt ausschließlich wegen der Krankmeldung, verstößt dies gegen das Maßregelungsverbot. Ein anderes Beispiel wäre die Kündigung als Reaktion auf die berechtigte Forderung nach Urlaub – auch dies wäre unzulässig.

Unterschied zur Probezeit

Die Wartezeit ist nicht mit der Probezeit zu verwechseln. Die Probezeit ist eine arbeitsvertragliche Vereinbarung und kann bis zu sechs Monate dauern. In ihr gelten verkürzte Kündigungsfristen von zwei Wochen. Die Wartezeit hingegen ist gesetzlich geregelt und bestimmt den Beginn des Kündigungsschutzes.

Eine Verkürzung der Wartezeit ist durch Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer möglich. Eine Verlängerung über sechs Monate hinaus ist dagegen nicht zulässig.


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Welche Kündigungsschutzrechte haben Arbeitnehmer während der Wartezeit?

Während der ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses genießt der Arbeitgeber zwar eine weitgehende Kündigungsfreiheit, jedoch sind Sie als Arbeitnehmer nicht völlig schutzlos gestellt.

Grundlegender Schutz

Auch wenn der allgemeine Kündigungsschutz noch nicht greift, muss Ihre Kündigung bestimmte Mindestanforderungen erfüllen. Eine Kündigung während der Wartezeit darf nicht willkürlich, sittenwidrig oder diskriminierend sein.

Schutz durch das Maßregelungsverbot

Ein besonders wichtiger Schutz ergibt sich aus dem Maßregelungsverbot nach § 612a BGB. Wenn Sie in zulässiger Weise Ihre Rechte ausüben, darf der Arbeitgeber Sie dafür nicht mit einer Kündigung bestrafen. Dies gilt beispielsweise, wenn Sie:

  • Sich bei einer Erkrankung ordnungsgemäß krankmelden
  • Ihren Urlaubsanspruch geltend machen
  • Berechtigte Entgeltansprüche einfordern
  • An einem rechtmäßigen Streik teilnehmen

Formelle Anforderungen

Auch während der Wartezeit müssen bei einer Kündigung bestimmte Formalien eingehalten werden:

Die Kündigung muss schriftlich erfolgen und die vereinbarten oder gesetzlichen Kündigungsfristen müssen eingehalten werden. Die gesetzliche Grundkündigungsfrist beträgt vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats.

Besondere Schutzrechte

Bestimmte Schutzrechte gelten unabhängig von der Wartezeit. Ihre Kündigung darf nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßen. Das bedeutet, Sie dürfen nicht wegen Ihres Geschlechts, Alters, einer Behinderung, der ethnischen Herkunft, Religion oder sexuellen Identität gekündigt werden.

Wenn Sie schwerbehindert sind, muss der Arbeitgeber vor einer Kündigung ein Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX durchführen. Dies gilt auch während der Wartezeit.

Beweislast und Rechtsfolgen

Wenn Sie der Ansicht sind, dass Ihre Kündigung gegen eines dieser Schutzrechte verstößt, müssen Sie dies vor Gericht nachweisen. Bei einem Verstoß gegen das Maßregelungsverbot ist die Kündigung unwirksam. Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Ausübung Ihrer Rechte und der Kündigung kann als Indiz für einen Verstoß gewertet werden.


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Was ist das Maßregelungsverbot und wann greift es?

Das Maßregelungsverbot ist in § 612a BGB gesetzlich verankert und verbietet dem Arbeitgeber, einen Arbeitnehmer zu benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.

Geschützte Rechtsausübungen

Wenn Sie als Arbeitnehmer folgende Rechte wahrnehmen, sind Sie durch das Maßregelungsverbot geschützt:

  • Meldung von Mängeln im Arbeitsschutz
  • Geltendmachung von Entgeltansprüchen
  • Bemühungen zur Gründung eines Betriebsrats
  • Krankheitsbedingtes Fernbleiben mit ärztlicher Bescheinigung
  • Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik
  • Inanspruchnahme von Elternzeit oder Urlaub
  • Verweigerung von nicht vereinbarten Überstunden

Voraussetzungen für den Schutz

Das Maßregelungsverbot greift nur, wenn zwei wichtige Bedingungen erfüllt sind:

Die Rechtsausübung muss zulässig sein. Wenn Sie tatsächlich bestehende Rechte wahrnehmen, sind Sie geschützt. Bei Pflichtverletzungen darf der Arbeitgeber hingegen Sanktionen aussprechen.

Die Rechtsausübung muss der tragende Grund für die Benachteiligung sein. Es reicht nicht aus, wenn sie nur den äußeren Anlass bietet. Wenn Ihr Arbeitgeber beispielsweise eine Kündigung ausspricht, weil Sie sich krank gemeldet haben, muss die Krankmeldung das wesentliche Motiv für die Kündigung sein.

Beweislast und Rechtsfolgen

Wenn Sie sich auf das Maßregelungsverbot berufen, müssen Sie als Arbeitnehmer die Maßregelung vor Gericht nachweisen. Ein wichtiges Indiz ist dabei die zeitliche Nähe zwischen Ihrer Rechtsausübung und der benachteiligenden Maßnahme des Arbeitgebers. Wenn Sie beispielsweise zwei Tage nach einer Beschwerde über Arbeitsschutzmängel gekündigt werden, spricht dies für eine verbotene Maßregelung.

Verstößt eine Maßnahme gegen das Maßregelungsverbot, ist sie nichtig. Eine Kündigung wäre dann unwirksam, eine Versetzung müsste nicht befolgt werden. Das Maßregelungsverbot gilt dabei in allen Betrieben – unabhängig von der Größe oder der Dauer Ihrer Beschäftigung.


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Welche Besonderheiten gelten bei Kündigungen schwerbehinderter Menschen in der Wartezeit?

Die Wartezeit, auch Probezeit genannt, umfasst die ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses. Während dieser Zeit gelten für schwerbehinderte Arbeitnehmer besondere Regelungen.

Grundsätzliche Regelungen

In den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses ist keine Zustimmung des Integrationsamts für eine Kündigung erforderlich. Der Arbeitgeber muss dem Integrationsamt die Kündigung lediglich anzeigen.

Schutzrechte während der Wartezeit

Trotz des eingeschränkten Kündigungsschutzes bestehen folgende Schutzrechte:

  • Die Schwerbehindertenvertretung muss vor einer Kündigung angehört werden
  • Der Arbeitgeber muss ein Präventionsverfahren durchführen, wenn Schwierigkeiten auftreten
  • Eine Kündigung darf nicht wegen der Schwerbehinderung erfolgen, da dies eine verbotene Diskriminierung darstellt

Aktuelle Rechtsprechung zum Präventionsverfahren

Nach einem aktuellen Urteil des LAG Köln vom 12.09.2024 müssen Arbeitgeber auch innerhalb der ersten sechs Monate ein Präventionsverfahren durchführen. Dies bedeutet:

  • Der Arbeitgeber muss bei auftretenden Schwierigkeiten frühzeitig Präventionsmaßnahmen ergreifen
  • Die Schwerbehindertenvertretung und das Integrationsamt sind einzuschalten
  • Unterlässt der Arbeitgeber das Präventionsverfahren, muss er nachweisen, dass die Schwerbehinderung keinen Einfluss auf den Kündigungsentschluss hatte

Mindestanforderungen an die Kündigung

Auch während der Wartezeit gilt:

  • Eine Mindestkündigungsfrist von vier Wochen muss eingehalten werden
  • Die Kündigung darf nicht diskriminierend sein
  • Der Betriebsrat muss, sofern vorhanden, angehört werden
  • Die Kündigung muss schriftlich erfolgen

Wenn Probleme im Arbeitsverhältnis auftreten, muss der Arbeitgeber zunächst prüfen, ob diese durch angemessene Vorkehrungen oder Unterstützungsleistungen behoben werden können. Dies kann beispielsweise die behinderungsgerechte Anpassung des Arbeitsplatzes oder die Bereitstellung von Hilfsmitteln umfassen.


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Welche Rolle spielt die Betriebsratsanhörung bei Kündigungen in der Wartezeit?

Der Betriebsrat muss auch bei Kündigungen innerhalb der ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses (Wartezeit) zwingend angehört werden. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut des § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, der eine Anhörung „vor jeder Kündigung“ vorschreibt.

Anforderungen an die Betriebsratsanhörung

Bei Wartezeitkündigungen gelten besondere Maßstäbe für die Informationspflicht des Arbeitgebers. Es wird zwischen zwei Konstellationen unterschieden:

  • Stützt sich die Kündigung auf konkrete Tatsachen, müssen diese dem Betriebsrat mitgeteilt werden
  • Beruht die Kündigung auf subjektiven Werturteilen, reicht die bloße Mitteilung des Werturteils aus

Ein subjektives Werturteil wie „Der Arbeitnehmer genügt nach unserer allgemeinen, subjektiven Einschätzung leider nicht unseren Anforderungen“ ist in der Wartezeit als Begründung ausreichend.

Fristen und Formalien

Die regulären Fristen für die Betriebsratsanhörung gelten auch in der Wartezeit:

  • Bei ordentlichen Kündigungen hat der Betriebsrat eine Woche Zeit zur Stellungnahme
  • Bei außerordentlichen Kündigungen verkürzt sich die Frist auf drei Tage

Rechtsfolgen fehlerhafter Anhörung

Eine fehlerhafte oder unterlassene Betriebsratsanhörung führt auch bei Wartezeitkündigungen zur Unwirksamkeit der Kündigung. Dies gilt insbesondere wenn:

  • Die Anhörung ganz unterlassen wurde
  • Die mitgeteilten Informationen objektiv falsch sind
  • Die Fristen nicht eingehalten wurden

Wenn Sie als Arbeitgeber die Kündigung auf Tatsachen stützen, müssen diese vollständig mitgeteilt werden. Wählen Sie hingegen ein Werturteil als Grundlage, genügt dessen Mitteilung. Eine nachträgliche Änderung der Kündigungsgründe ist nicht möglich.


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Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar - Fachbegriffe aus dem Arbeitsrecht

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Wartezeitkündigung

Eine Kündigung während der ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses, in denen der gesetzliche Kündigungsschutz noch nicht gilt. In dieser Zeit kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ohne Angabe besonderer Gründe beenden, sofern keine diskriminierenden Motive vorliegen. Die Regelung basiert auf § 1 KSchG und soll dem Arbeitgeber die Möglichkeit geben, die Eignung des Arbeitnehmers zu prüfen. Beispiel: Ein Arbeitgeber kündigt einer Mitarbeiterin im vierten Monat ihrer Beschäftigung, weil er mit ihrer Arbeitsleistung unzufrieden ist.


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Maßregelungsverbot

Ein grundlegendes Arbeitnehmerschutzrecht nach § 612a BGB, das Benachteiligungen verbietet, wenn Arbeitnehmer ihre Rechte in zulässiger Weise ausüben. Der Arbeitgeber darf keine negativen Maßnahmen (wie Kündigung oder Versetzung) ergreifen, weil der Arbeitnehmer berechtigte Ansprüche geltend macht. Beispiel: Ein Arbeitgeber darf nicht kündigen, weil ein Mitarbeiter sich weigert, unbezahlte Überstunden zu leisten.


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Kündigungsschutzklage

Ein rechtliches Mittel für Arbeitnehmer, um sich gegen eine Kündigung zu wehren. Sie muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht eingereicht werden (§ 4 KSchG). Mit ihr kann die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt werden, etwa wegen fehlender sozialer Rechtfertigung oder Verletzung gesetzlicher Schutzvorschriften. Beispiel: Ein Arbeitnehmer klagt, weil er die betriebsbedingten Kündigungsgründe für vorgeschoben hält.


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Präventionsverfahren

Ein besonderes Verfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX zum Schutz schwerbehinderter Menschen. Der Arbeitgeber muss bei Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis frühzeitig mit der Schwerbehindertenvertretung und weiteren Stellen nach Lösungen suchen, um das Arbeitsverhältnis zu erhalten. Beispiel: Bei Leistungsproblemen eines schwerbehinderten Mitarbeiters wird gemeinsam nach technischen Hilfsmitteln oder Arbeitsplatzanpassungen gesucht.


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Soziale Rechtfertigung

Eine gesetzliche Anforderung nach § 1 KSchG für die Wirksamkeit einer Kündigung nach Ablauf der Wartezeit. Die Kündigung muss durch personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Gründe gerechtfertigt sein. Der Arbeitgeber muss nachweisen, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. Beispiel: Eine betriebsbedingte Kündigung ist sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitsplatz durch Umstrukturierung wegfällt.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Kündigungsschutzgesetz (KSchG): Das Kündigungsschutzgesetz schützt Arbeitnehmer vor sozial ungerechtfertigten Kündigungen. Es gilt für Betriebe mit mehr als zehn Mitarbeitern und für Arbeitsverhältnisse, die länger als sechs Monate bestehen. Kündigungen müssen sozial gerechtfertigt sein, das heißt, sie müssen durch Gründe in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers oder durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sein.

    Im vorliegenden Fall könnte die Kündigung der Klägerin unter das KSchG fallen, da sie eine unbefristete Anstellung innehatte und somit die Voraussetzungen für den Kündigungsschutz gegeben sind. Zudem wird strittig, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt war, insbesondere im Hinblick auf die Erkrankung der Klägerin und ihren Grad der Behinderung.

  • Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX): Das SGB IX regelt die Rechte von schwerbehinderten Menschen im Arbeitsleben. Es fördert die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt und schützt sie vor Benachteiligungen. Arbeitgeber sind verpflichtet, schwerbehinderte Arbeitnehmer bei Kündigungen besonders zu berücksichtigen und die Integration in den Betrieb zu fördern.

    Die Klägerin hat einen Grad der Behinderung von 60, wodurch das SGB IX Anwendung findet. Die Kündigung muss daher unter Berücksichtigung besonderer Schutzvorschriften für schwerbehinderte Arbeitnehmer geprüft werden, insbesondere ob der Arbeitgeber seine Integrationspflichten erfüllt hat.

  • Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG): Das Betriebsverfassungsgesetz regelt die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Bei Kündigungen ist der Betriebsrat in bestimmten Fällen vorab zu beraten und anzuhören. Eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung ist Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Kündigung.

    Im vorliegenden Fall ist strittig, ob der Betriebsrat ordnungsgemäß vor Ausspruch der Kündigung informiert und beteiligt wurde. Die Klägerin behauptet, dass die Anhörung fehlerhaft war, da der Betriebsrat nicht über das Ende der Probezeit informiert wurde, was die Rechtmäßigkeit der Kündigung beeinträchtigen könnte.

  • Teilzeit– und Befristungsgesetz (TzBfG): Das Teilzeit- und Befristungsgesetz regelt die Bedingungen für Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge. Es schützt Arbeitnehmer davor, ohne sachlichen Grund von einem befristeten in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis überführt zu werden oder umgekehrt. Zudem legt es fest, unter welchen Voraussetzungen Befristungen rechtlich zulässig sind.

    Die Klägerin hatte ursprünglich einen befristeten Arbeitsvertrag, der später unbefristet verlängert wurde. Die Bedingungen und Änderungen des Arbeitsvertrags sowie die Befristung könnten hier relevant sein, insbesondere ob die Vertragsänderung rechtmäßig erfolgt ist und ob sie Einfluss auf die Kündigung hatte.

  • Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG): Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz soll Diskriminierungen im Arbeitsleben verhindern, insbesondere aufgrund von Behinderung, Krankheit oder anderen persönlichen Merkmalen. Arbeitgeber dürfen keine diskriminierenden Kündigungen aussprechen und müssen Gleichbehandlungsgrundsätze beachten.

    Die Kündigung der Klägerin könnte nach dem AGG auf Diskriminierung wegen ihrer Behinderung oder ihres Gesundheitszustands überprüft werden. Insbesondere die Verbindung zwischen ihrer Krankheit und der Kündigung sowie ob sie dadurch benachteiligt wurde, sind unter dem AGG zu bewerten.


Das vorliegende Urteil


Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 6 SLa 15/24 – Urteil vom 16.04.2024


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