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Wartezeitkündigung – Treuwidrigkeit der Kündigung – Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers

Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 11 Sa 280/18 – Urteil vom 12.12.2018

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 06.03.2018 – 4 Ca 2651/17 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung und Vergütungsansprüche aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs.

Die Klägerin war langjährig bei der Firma G als Personalreferentin tätig. Vorgesetzte war bis zum Jahre 2010 Frau Z .

Unter dem 13.12.2016 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag. Hiernach begann das Arbeitsverhältnis zum 01.04.2017. Sie vereinbarten eine sechsmonatige Probezeit mit einer zweiwöchigen Kündigungsfrist innerhalb der Probezeit, § 2 Nr.1, Nr. 2 des Anstellungsvertrages. Als reguläre Kündigungsfrist nach Ablauf der Probezeit war gemäß § 6 Nr. 1 des Arbeitsvertrages eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende vereinbart. Wegen der weiteren Einzelheiten des Anstellungsvertrages vom 13.12.2016 wird auf Bl. 5 ff. d.A. verwiesen.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 31.07.2017 zum 15.08.2017.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 06.03.2018 (Bl. 87 ff. d.A.) die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses keines Kündigungsgrundes im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG bedurfte, weil es zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch keine sechs Monate bestanden habe. Die Kündigung sei auch nicht treuwidrig, weil die Klägerin nicht mit einem Versprechen aus dem Vorarbeitsverhältnis abgeworben sei, wonach sie genauso geschützt sei, wie bei dem vorherigen Arbeitgeber. Aufgrund der wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 15.08.2017 bestehe auch kein Lohnanspruch ab dem 16.08.2017. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens und der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Gegen das ihr am 27.03.2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16.04.2018 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 26.06.2018 begründet.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Kündigungsgrund sei ein Machtkampf zwischen den Vorstandsmitgliedern H und L gewesen. Die Kündigung sei ausschließlich als Reaktion auf Streitigkeiten innerhalb des Vorstands erfolgt, betriebswirtschaftliche Gründe seien nicht gegeben. Zudem sei die Klägerin abgeworben worden und habe sehr gute Leistungen erbracht. Das Bewerbungsverfahren sei eine reine Formalie gewesen. Aufgrund der Einstellungszusage der Head of Human Resources, Frau Z , sei klar gewesen, dass die Klägerin auf Dauer bei der Beklagten tätig sein solle.

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 06.03.2018 (Geschäftsnummer: 4 Ca 2651/17) abzuändern und nach den Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.790,– brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2018 zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.040,– brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2018 zu zahlen;

4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.040,– brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2018 zu zahlen;

5. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.690,– brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2018 zu zahlen;

6. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.690,– brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2018 zu zahlen;

7. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.690,– brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2018 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin und Berufungsklägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 06.03.2018, Az. 4 Ca 2651/17, zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Kündigung lägen betriebswirtschaftliche Erwägungen zugrunde. Zum Zeitpunkt der Kündigung habe ein erheblicher Kostendruck bestanden. Umsatz- und Ergebnisprognose hätten nach unten korrigiert werden müssen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 25.06.2018, 04.07.2018 und 27.08.2018, die Sitzungsniederschrift vom 12.12.2018 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.  Die Berufung der Klägerin ist zulässig, denn sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b), c) ArbGG statthaft und wurde ordnungsgemäß innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet.

II.  Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend die Klage abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung der Beklagten vom 31.07.2017 zum 15.08.2017 aufgelöst worden. Aus diesen Gründen besteht auch kein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten auf Zahlung einer Vergütung aus Gründen des Annahmeverzuges nach den §§ 293 ff. BGB.

1.  Ein Arbeitnehmer ist nach nationalem Recht auch während der gesetzlichen Wartezeit des § 1 KSchG vor einer sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers geschützt. In dieser Zeit ist das Vertrauen des Arbeitnehmers in den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses allerdings dadurch beschränkt, dass er mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses ohne den Nachweis von Gründen rechnen muss. Auch unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben verstößt eine Kündigung in der Wartezeit deshalb nur dann gegen § 242 BGB, wenn sie Treu und Glauben aus Gründen verletzt, die von § 1 KSchG nicht erfasst sind. Eine solche Kündigung ist nicht willkürlich, wenn für sie ein irgendwie einleuchtender Grund besteht (BAG, Beschl. v. 08.12.2011 – 6 AZN 1371/11 – m.w.N.). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen derjenigen Tatsachen, aus denen sich die Treuwidrigkeit ergibt, liegt beim Arbeitnehmer. Der verfassungsrechtlich gebotene Schutz des Arbeitnehmers wird durch eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast gewährleistet. In einem ersten Schritt muss der Arbeitnehmer, soweit er die Überlegungen des Arbeitgebers, die zu seiner Kündigung geführt haben, nicht kennt, lediglich einen Sachverhalt vortragen, der die Treuwidrigkeit der Kündigung nach § 242 BGB indiziert. Der Arbeitgeber muss sich sodann nach § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen auf diesen Vortrag einlassen, um ihn zu entkräften. Kommt der Arbeitgeber dem nicht nach, gilt der schlüssige Sachvortrag des Arbeitnehmers gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (BAG, Urt. v. 24.01.2008 – 6 AZR 96/07 – m.w.N.).

2.  Im Streitfall hat die Beklagte im Einzelnen betriebswirtschaftliche Gründe zur Begründung der Kündigung angeführt. Sie hat unter Vorlage einer Tabelle (Bl. 70 d.A.) dargetan, dass zum Zeitpunkt der im Jahresbudget (AOP) eingeplante Umsatz von 17,2 Mio. EUR auf 15,4 Mio. EUR und das Vorsteuerergebnis (OR) von 4,7 Mio. EUR auf 3,7 EUR reduziert werden musste. Damit hat sie nachvollziehbar einen Kostendruck beschrieben, der es „irgendwie“ einleuchtend erscheinen lässt, die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses objektiv zu begründen. Die Klägerin hat die Zahlen zwar in allgemeiner Form bestritten, jedoch nicht substantiiert dargetan, was an dem vorgelegten Zahlenwerk konkret unzutreffend sein soll. Sie beschränkt sich im Wesentlichen auf vermutete Beweggründe für den Ausspruch der Kündigung. Es bleibt im Unklaren, welche Streitigkeiten im Vorstand aus welchem Grund bestanden und wieso diese geeignet und kausal waren für den Ausspruch der streitigen Kündigung. Die enttäuschte subjektive Erwartung der Klägerin in den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ist zwar aus menschlicher Hinsicht verständlich, jedoch musste ihr das Risiko des Arbeitsplatzverlustes als langjährige Personalreferentin aufgrund der ausdrücklichen Probezeitvereinbarung im Arbeitsvertrag vom 13.12.2016 bewusst sein, wie das Arbeitsgericht bereits zutreffend im Einzelnen ausgeführt hat.

III.  Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.  Die Revision wurde nicht zugelassen, da die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.

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