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Weihnachtsgratifikation – Wann liegt eine betriebliche Übung vor?

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 5 Sa 203/20 – Urteil vom 21.01.2021

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 8. Juni 2020, Az. 8 Ca 209/20, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2019.

Der Kläger ist seit 01.10.2000 bei der Beklagten als Entwickler zu einer Monatsvergütung von € 4.025,00 brutto beschäftigt. Am 01.06.2012 hatte das Amtsgericht Mainz über das Vermögen der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet (280 IN 90/12). Der Insolvenzverwalter verkaufte die Gesellschaftsanteile im Juni 2013 an die jetzigen Gesellschafter. Mit Beschluss vom 15.07.2013 hat das Amtsgericht das Insolvenzverfahren aufgehoben.

In den Jahren 2013, 2016, 2017 und 2018 zahlte die Beklagte dem Kläger mit der Dezemberabrechnung eine Gratifikation in Höhe von 20 Prozent des jeweiligen Bruttoentgelts. Dem Kläger wurde in diesen Jahren mit der Zahlung jeweils ein Schreiben mit folgendem Wortlaut überreicht:

„Wir freuen uns, Ihnen mitteilen können, dass wir im Jahr […] in der Lage sind, Ihnen eine Weihnachtsgratifikation zu zahlen.

In diesem Zusammenhang möchten wir Sie darauf hinweisen, dass die Weihnachtsgratifikation eine freiwillige einmalige Zahlung ohne jeden Rechtsanspruch ist.

Ihnen und Ihrer Familie wünschen wir ein schönes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins Neue Jahr.“

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei aufgrund betrieblicher Übung im Jahr 2019 zur Zahlung einer Weihnachtsgratifikation verpflichtet. Der Anspruch folge aber auch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Er sei der einzige Mitarbeiter, dem die Beklagte 2019 keine Weihnachtsgratifikation gezahlt habe. Die Nichtzahlung an ihn sei „rein willkürlich“.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 805,00 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.01.2020 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Mainz hat die Klage mit Urteil vom 08.06.2020 abgewiesen und zur Begründung – zusammengefasst – ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch aufgrund betrieblicher Übung, denn die Beklagte habe bei jeder Leistung erklärt, dass es sich um eine einmalige Zahlung ohne jeden Rechtsanspruch handele. Ein Anspruch folge nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Nach dem Vorbringen des Klägers habe die Beklagte „rein willkürlich“ geleistet. Demnach sei sie keinem bestimmten, erkennbaren und generalisierenden Prinzip gefolgt, so dass der Gleichbehandlungsgrundsatz keine Anwendung finde. Mangels Schlüssigkeit des Klägervortrags müsse nicht auf das Vorbringen der Beklagten zu den Gründen einer ungleichartigen Behandlung eingegangen werden. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das am 25.06.2020 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 24.07.2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 24.08.2020 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Kläger macht geltend, soweit er den Klageanspruch auf die Grundsätze zur betrieblichen Übung stütze, habe sich das Arbeitsgericht mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in den Entscheidungen vom 13.05.2015 (10 AZR 266/14) und vom 22.02.2013 (10 AZR 177/12) nicht auseinandergesetzt. Jedenfalls könne er den Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2019 auf eine Gesamtzusage stützen. Die Beklagte habe in einem Schreiben vom 08.11.2000, das er nunmehr in Augenschein genommen habe, auszugsweise folgendes ausgeführt:

„Gratifikation 2000

Die Zahlung der Gratifikation erfolgt freiwillig und mit dem Vorbehalt, in kommenden Jahren eventuell anders zu entscheiden. Ein Rechtsanspruch auf Zahlung einer Gratifikation in der Zukunft kann daraus nicht hergeleitet werden. Mit Entgegennahme der Zahlung wird diese Bedingung anerkannt. Voraussetzung für die Zahlung ist eine ununterbrochene Betriebszugehörigkeit von mindestens 2 Monaten und das Bestehen eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses am Auszahlungstermin. …“

Weihnachtsgratifikation – Wann liegt eine betriebliche Übung vor?
(Symbolfoto: giggsy25/Shutterstock.com)

Das Schreiben vom 08.11.2000 sei eine Gesamtzusage, die den Anspruch an die Betriebszugehörigkeit knüpfe. Die Beklagte wolle die Betriebstreue der Arbeitnehmer belohnen. Für das Jahr 2019 habe sie sich entschlossen, den Arbeitnehmern eine Weihnachtsgratifikation zu gewähren. Er sei zum Auszahlungszeitpunkt 2019 länger als zwei Monate bei der Beklagten beschäftigt, das Arbeitsverhältnis bestehe bis heute ungekündigt fort. Der Anspruch bestehe mithin.

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich, das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 08.06.2020, Az. 8 Ca 209/20, abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 805,00 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.01.2020 zu zahlen,

2. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Weihnachtsgratifikation, die in ihrer Höhe billigem Ermessen entspricht, nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.01.2020 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen und den zweitinstanzlich gestellten Hilfsantrag abzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Soweit der Kläger den Anspruch in zweiter Instanz auf ein Schreiben vom 08.11.2000 stütze, handele es sich um verspäteten neuen Vortrag, der nicht zu berücksichtigen sei. Im Übrigen ergebe sich schon aus dem Wortlaut des Schreibens keine Anspruchsgrundlage für den Kläger. Es sei ein rechtswirksamer Vorbehalt formuliert worden, der erkennen lasse, dass kein Rechtsbindungswille vorgelegen habe. Hinzu komme, dass sie die Gesellschaftsanteile aus der Insolvenz heraus erworben habe. Nach dem Erwerb im Jahr 2013 sei die neue Geschäftsleitung installiert und der jetzige Geschäftsführer berufen worden. Sie bestreite daher mit Nichtwissen, dass der Kläger Adressat des Schreibens vom 08.11.2000 gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Sie ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet.

I.

Die Berufung ist unzulässig, soweit der Kläger den Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2019 auf die Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes stützt.

1. Eine Berufungsbegründung muss gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergeben. Bei mehreren Streitgegenständen muss für jeden eine solche Begründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem Streitgegenstand, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Begründetheit des einen Anspruchs denknotwendig von der des anderen abhängt (vgl. BAG 19.02.2020 – 5 AZR 189/18 – Rn. 12 mwN).

2. Die Berufungsbegründung des Klägers genügt diesen Anforderungen nur in Bezug auf den Streitgegenstand eines Zahlungsanspruchs aus betrieblicher Übung. Sie genügt den Anforderungen hingegen nicht, soweit der Kläger den Anspruch auf eine Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes stützt. Das Arbeitsgericht hat angenommen, dass der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nur dann anwendbar sei, wenn ein Arbeitgeber Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewähre. Dem eigenen Vortrag des Klägers zufolge leiste die Beklagte die Weihnachtsgratifikation jedoch „rein willkürlich“. Demnach folge sie gerade nicht einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip, weshalb der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz bereits nach dem Vortrag des Klägers keine Anwendung finde. Mit dieser Begründung setzt sich die Berufung nicht auseinander. Dies war indes erforderlich, weil es sich bei dem geltend gemachten Anspruch auf Zahlung einer Weihnachtsgratifikation wegen Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes um einen eigenen Streitgegenstand und damit einen eigenen Anspruch im prozessualen Sinn handelt. Die Berufung des Klägers ist deshalb insoweit bereits unzulässig.

II.

Soweit die Berufung zulässig ist, ist sie unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Weihnachtsgratifikation iHv. € 805,00 brutto für das Jahr 2019 aus betrieblicher Übung oder aufgrund einer Gesamtzusage. Der zweitinstanzlich angebrachte Hilfsantrag auf Zahlung einer Weihnachtsgratifikation, die in ihrer Höhe billigem Ermessen entspricht, ist unzulässig.

1. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Anspruch auf Zahlung einer Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2019 nicht aus betrieblicher Übung folgt.

a) Bei Zahlung einer über das arbeitsvertraglich vereinbarte Gehalt hinausgehenden Vergütung ist durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln, ob sich der Arbeitgeber nur zu der konkreten Leistung (bspw. Gratifikation im Kalenderjahr) oder darüber hinaus auch für die Zukunft verpflichtet hat. Eine dauerhafte Verpflichtung kann sich insbesondere aus einem Verhalten mit Erklärungswert wie einer betrieblichen Übung ergeben. Unter einer betrieblichen Übung versteht man die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern regelmäßig stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen für die Zukunft. Entscheidend ist dabei nicht, ob der Erklärende einen Verpflichtungswillen hatte, sondern ob der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) dahin verstehen konnte und durfte, der Arbeitgeber wolle sich zu einer über seine gesetzlichen, tarifvertraglichen und vertraglichen Pflichten hinausgehenden Leistung verpflichten. Dies ist im Wege der Auslegung des Verhaltens des Arbeitgebers zu ermitteln (vgl. BAG 08.12.2010 – 10 AZR 671/09 – Rn. 11 mwN).

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Berufungskammer folgt, kann ein bei der jeweiligen Zahlung erklärter Freiwilligkeitsvorbehalt das Entstehen eines Rechtsanspruchs auf eine künftige Sonderzahlung wirksam verhindern. Der Arbeitgeber kann – außer bei laufendem Arbeitsentgelt – einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers grundsätzlich ausschließen und sich eine Entscheidung darüber vorbehalten, ob und in welcher Höhe er zukünftig Sonderzahlungen gewährt. Er bleibt grundsätzlich in seiner Entscheidung frei, ob und unter welchen Voraussetzungen er zum laufenden Arbeitsentgelt eine zusätzliche Leistung erbringen will. Gibt es einen bei der Zahlung erklärten klar und verständlich formulierten Freiwilligkeitsvorbehalt, der jeden Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf eine Sonderzahlung ausschließt, fehlt es an einer versprochenen Leistung iSd. § 308 Nr. 4 BGB. In diesen Fällen wird eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Leistung der Sonderzahlung unabhängig von dem mit der Sonderzuwendung verfolgten Zweck von vornherein nicht begründet (vgl. BAG 16.01.2013 – 10 AZR 26/12 – Rn. 22 mwN; Schaub/Linck ArbR-HdB 18. Aufl. § 35 Rn. 101).

b) Im vorliegenden Fall hat die Beklagte bei den Zahlungen, die sie in den Jahren 2013, 2016, 2017 und 2018 geleistet hat, jeweils in einem gesonderten Schreiben ausdrücklich darauf hingewiesen, dass „die Weihnachtsgratifikation eine freiwillige einmalige Zahlung ohne jeden Rechtsanspruch“ sei. Damit war ein Rechtsanspruch auf die Sonderzahlung klar und verständlich ausgeschlossen.

c) Die von der Berufung herangezogenen Entscheidungen des Zehnten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 13.05.2015 (10 AZR 266/14) und vom 22.02.2013 (10 AZR 177/12) betreffen anders gelagerte Sachverhalte.

Im Fall, der der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.05.2015 (10 AZR 266/14) zugrunde lag, hat der Arbeitgeber einen als Sonderzahlung ausgewiesenen Betrag in drei Jahren hintereinander – vorbehaltlos – jeweils zum Jahresende ausgezahlt. Einen entsprechenden Vorbehalt hatte die Arbeitgeberin auch nicht konkludent erklärt. Im Streitfall ist der Sachverhalt im Tatsächlichen wesentlich anders gelagert. Die Beklagte hat mit der Zahlung der Weihnachtsgratifikation in den Jahren 2013, 2016, 2017 und 2018 jeweils einen klar und verständlich formulierten Vorbehalt erklärt, indem sie in einem gesonderten Schreiben ausgeführt hat, dass „die Weihnachtsgratifikation eine freiwillige einmalige Zahlung ohne jeden Rechtsanspruch“ sei. Auch der herangezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22.02.2013 (10 AZR 177/12) lag kein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Dort war im schriftlichen Formulararbeitsvertrag ein Rechtsanspruch auf ein Weihnachtsgeld begründet worden. Dieser Rechtsanspruch konnte nicht durch einen Freiwilligkeitsvorbehalt ausgeschlossen werden. Der Streitfall ist anders gelagert, denn ein Anspruch des Klägers aus betrieblicher Übung wurde durch einen bei jeder Zahlung erklärten Vorbehalt verhindert.

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2019 aus einer Gesamtzusage im Schreiben der Beklagten vom 08.11.2000.

a) Der Kläger hat in der Berufungsinstanz einen neuen Streitgegenstand in den Prozess eingeführt. Die Voraussetzungen für eine Klageerweiterung in der Berufungsinstanz nach § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 533 ZPO sind erfüllt. Danach ist eine Klageänderung in der Berufungsinstanz nur zulässig, wenn die Gegenseite einwilligt oder das Gericht die Änderung für sachdienlich erachtet und wenn die Klageänderung auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat.

Die Beklagte hat die Klageänderung zwar nicht ausdrücklich, aber in der Berufungserwiderung vom 26.10.2020 dadurch beanstandet, dass sie eine Zurückweisung des neuen Vortrags wegen Verspätung beantragt hat. Die Klageerweiterung ist aber sachdienlich iSv. § 263 ZPO. Nach ständiger Rechtsprechung kommt es für die Frage der Sachdienlichkeit allein auf die objektive Beurteilung der Frage an, ob und inwieweit die Zulassung der Klageänderung den sachlichen Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits ausräumt und einem andernfalls zu gewärtigenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt. Dabei sind auf die – hier vorliegende – nachträgliche Klageerweiterung die Grundsätze der Klageänderung entsprechend anzuwenden. Unter diesem Gesichtspunkt ist nicht die beschleunigte Erledigung des Rechtsstreits, sondern die Erledigung der Streitpunkte zwischen den Parteien bedeutsam (vgl. BAG 13.04.2016 – 4 AZR 13/13 – Rn. 87 mwN). Besteht zwischen mehreren Streitgegenständen ein innerer rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang, so ist es regelmäßig sachdienlich, diese Streitgegenstände auch in einem Verfahren zu erledigen (vgl. BAG 06.12.2001 – 2 AZR 733/00 – Rn. 34 mwN).

Danach ist die vom Kläger vorgenommene Klageerweiterung sachdienlich. Sie steht in einem inneren tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang mit den bereits anhängigen Streitgegenständen. Vorliegend kann ein weiterer Prozess vermieden werden, wenn ein Anspruch des Klägers auf eine Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2019 aus allen rechtlichen Gesichtspunkten geprüft wird, die der Kläger anführt.

b) Die geänderte Klage ist zulässig. Sie genügt den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Eine alternative Klagehäufung, bei der der Kläger ein einheitliches Klagebegehren aus mehreren prozessualen Ansprüchen (Streitgegenständen) herleitet und dem Gericht die Auswahl überlässt, auf welchen Klagegrund es die Verurteilung stützt, verstößt grundsätzlich gegen das Gebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, den Klagegrund bestimmt zu bezeichnen. Der Kläger muss daher eine Rangfolge bilden, um zu vermeiden, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird. Das kann auch konkludent geschehen (vgl. BAG 03.07.2019 – 10 AZR 499/17 – Rn. 40 mwN). Der Kläger hat – bei wohlwollender Auslegung – noch hinreichend konkret zum Ausdruck gebracht, in welcher Abfolge er die streitgegenständlichen Ansprüche zur Entscheidung stellt. Der Kläger stützt den Anspruch vorrangig auf betriebliche Übung und nachrangig auf die Gesamtzusage, die er im Schreiben der Beklagten vom 08.11.2000 sieht.

c) Die Klage ist unbegründet. Entgegen der Ansicht der Berufung kann der Kläger den Anspruch nicht auf das Schreiben vom 08.11.2000 stützen, das er „nunmehr“ – gemeint ist wohl nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils vom 08.06.2020 – „in Augenschein nehmen“ konnte.

aa) Eine Gesamtzusage ist die an alle Arbeitnehmer des Betriebs oder einen nach abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen in allgemeiner Form gerichtete ausdrückliche Willenserklärung des Arbeitgebers, bestimmte Leistungen erbringen zu wollen. Eine ausdrückliche Annahme des in der Erklärung enthaltenen Antrags iSv. § 145 BGB wird dabei nicht erwartet und es bedarf ihrer auch nicht. Das in der Zusage liegende Angebot wird gemäß § 151 Satz 1 BGB angenommen und ergänzender Inhalt des Arbeitsvertrags. Die Arbeitnehmer – auch die nachträglich in den Betrieb eintretenden – erwerben einen einzelvertraglichen Anspruch auf die zugesagten Leistungen, wenn sie die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen. Dabei wird die Gesamtzusage bereits dann wirksam, wenn sie gegenüber den Arbeitnehmern in einer Form verlautbart wird, die den einzelnen Arbeitnehmer typischerweise in die Lage versetzt, von der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Auf dessen konkrete Kenntnis kommt es nicht an (vgl. BAG 30.01.2019 – 5 AZR 450/17 – Rn. 46 mwN).

bb) In welcher Form und wann das Schreiben vom 08.11.2000 „verlautbart“ worden ist, hat der Kläger weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt. Er hat weder dargelegt, wie er im Jahr 2020 in den Besitz dieses Schreibens gelangt ist noch wann und wie es von der Beklagten vor zwanzig Jahren gegenüber der Belegschaft abgegeben worden sein soll. Da in den Jahren von 2012 bis 2013 ein Insolvenzverfahren (AG Mainz 280 IN 90/12) über das Vermögen der Beklagten durchgeführt worden ist und die jetzigen Gesellschafter die Anteile vom Insolvenzverwalter erworben haben, durften sie zulässigerweise mit Nichtwissen bestreiten, dass der Kläger Adressat des Schreibens vom 08.11.2000 gewesen ist. Einen konkreten Sachverhalt zu Art, Ort und Zeit der Verlautbarung hat der Kläger nicht vorgetragen; ein Beweisantritt fehlt.

3. Der im Berufungsverfahren gestellte Hilfsantrag ist unzulässig. Der Kläger will mit dem Hilfsantrag für das Jahr 2019 eine Weihnachtsgratifikation, die in ihrer Höhe billigem Ermessen entspricht. Der Kläger stellt nur einen Hilfsantrag. Für diesen Antrag ist überhaupt keine Klagebegründung iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO oder sonst ein relevantes Vorbringen erfolgt. Zu den wesentlichen Formerfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO gehört außer einem bestimmten Antrag die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs. Den Ausführungen in der Berufungsbegründungsschrift lässt sich nicht andeutungsweise entnehmen, aus welchem Grund der Kläger hilfsweise einen unbezifferten Zahlungsantrag stellt und eine Gratifikation „nach billigem Ermessen“ begehrt. Eine ohne jede Tatsachenangabe erhobene Klage ist indessen unzulässig (vgl. BGH 17.03.2016 – III ZR 200/15 – Rn. 19; MüKoZPO/Becker-Eberhard 6. Aufl. ZPO § 253 Rn. 82).

III.

Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

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