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Weiterbeschäftigung im Eilverfahren nach Betriebsratswiderspruch: Eile nötig?

Ein Arbeitnehmer forderte nach seinem Betriebsratswiderspruch die sofortige Weiterbeschäftigung im Eilverfahren, um seine Kündigung anzufechten. Trotz des scheinbar klaren Rechtsanspruchs verlor er den Prozess, weil das Gericht unerwartete Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Widerspruchs stellte.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 14 GLa 78/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
  • Datum: 14.03.2025
  • Aktenzeichen: 14 GLa 78/25
  • Verfahren: Eilverfahren (Berufung)
  • Rechtsbereiche: Kündigungsrecht, Betriebsverfassungsrecht, Prozessrecht

  • Das Problem: Ein freigestellter Arbeitnehmer wollte nach seiner Kündigung im Eilverfahren seine sofortige Weiterbeschäftigung erzwingen. Er begründete dies mit dem Widerspruch seines Betriebsrats gegen die Kündigung.
  • Die Rechtsfrage: Muss ein Arbeitnehmer im Eilverfahren sowohl den ordnungsgemäßen Widerspruch des Betriebsrats beweisen als auch zusätzlich einen dringenden Grund für die sofortige Weiterbeschäftigung nachweisen?
  • Die Antwort: Ja. Das Gericht wies den Antrag ab, weil der Arbeitnehmer den Betriebsratswiderspruch nicht ausreichend beweisen konnte. Zudem ist auch für diesen Anspruch ein besonderer, dringender Notfallgrund (Verfügungsgrund) notwendig.
  • Die Bedeutung: Der gesetzliche Anspruch auf Weiterbeschäftigung nach einem Betriebsratswiderspruch allein reicht nicht aus, um diesen im Eilverfahren durchzusetzen. Betroffene müssen stets die Dringlichkeit der sofortigen Entscheidung nachweisen.

Gekündigt und trotzdem weiterarbeiten? Warum der Widerspruch des Betriebsrats allein nicht immer genügt

Einem gekündigten Arbeitnehmer, dessen Betriebsrat der Entlassung widerspricht, scheint das Gesetz einen starken Trumpf in die Hand zu geben: den Anspruch, bis zum Ende des Rechtsstreits weiterzuarbeiten. Doch ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 14. März 2025 (Az. 14 GLa 78/25) zeigt mit beeindruckender Klarheit, dass dieser Weg mit zwei entscheidenden Hürden gepflastert ist. Der Fall enthüllt, dass nicht nur der Widerspruch des Betriebsrats selbst über jeden Zweifel erhaben sein muss, sondern dass der Arbeitnehmer oft auch eine besondere Dringlichkeit nachweisen muss, die über die bloße Kündigung hinausgeht.

Was war der genaue Auslöser des Rechtsstreits?

Betriebsrats-Widerspruch reicht nicht immer für Weiterbeschäftigung nach Kündigung. | Symbolbild: KI

Die Geschichte beginnt mit einer Kündigung. Ein als Solution Architect angestellter Mann verliert seinen Job. Sein Arbeitgeber hatte ihn bereits von der Arbeit freigestellt. Doch der Betriebsrat des Unternehmens war mit der Kündigung nicht einverstanden und legte fristgerecht Widerspruch ein. Gestärkt durch diesen Rückhalt, zog der Arbeitnehmer vor das Arbeitsgericht Hannover. Sein Ziel war es, per Eilverfahren – einer sogenannten einstweiligen Verfügung – seine sofortige Weiterbeschäftigung durchzusetzen, und zwar bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in seinem eigentlichen Kündigungsschutzprozess.

Er stützte seine Forderung auf eine zentrale Vorschrift im Betriebsverfassungsgesetz. Doch das Arbeitsgericht wies seinen Antrag ab. Unbeirrt legte der Mann Berufung beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen ein. Er war überzeugt: Das Gesetz gäbe ihm ein klares Recht, und die hohen Anforderungen des Gerichts würden dieses Recht in der Praxis aushöhlen. Der Arbeitgeber sah das naturgemäß anders. Er zog nicht nur die Rechtmäßigkeit des Betriebsrats-Widerspruchs massiv in Zweifel, sondern argumentierte auch, dass für einen so drastischen Eingriff wie eine erzwungene Weiterbeschäftigung die strengen Voraussetzungen des Eilrechts gelten müssten. Damit lag der Ball nun beim Landesarbeitsgericht in Hannover.

Welche Gesetze entscheiden über eine schnelle Rückkehr an den Arbeitsplatz?

Um die Entscheidung des Gerichts nachzuvollziehen, müssen Sie zwei zentrale juristische Konzepte verstehen, die in diesem Fall aufeinandertrafen.

Das erste ist der Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG). Diese Norm ist ein mächtiges Instrument für Arbeitnehmer. Sie besagt: Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung form- und fristgerecht widersprochen und hat der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhoben, so muss der Arbeitgeber ihn auf Verlangen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits weiterbeschäftigen. Auf den ersten Blick klingt das wie eine klare, fast automatische Regelung.

Hier kommt jedoch das zweite Konzept ins Spiel: das Eilverfahren, auch einstweiliges Verfügungsverfahren genannt. Dieses Verfahren dient dazu, in dringenden Fällen schnell eine vorläufige Regelung zu treffen, weil das Abwarten eines normalen Hauptverfahrens zu nicht wiedergutzumachenden Nachteilen führen würde. Die Zivilprozessordnung (ZPO) knüpft eine solche einstweilige Verfügung an strenge Bedingungen. Gemäß § 940 ZPO muss der Antragsteller nicht nur glaubhaft machen, dass ihm der Anspruch zusteht (der sogenannte Verfügungsanspruch), sondern auch, dass die Sache eilig ist (der sogenannte Verfügungsgrund). Ein Verfügungsgrund liegt vor, wenn eine besondere Dringlichkeit besteht, etwa weil wesentliche Nachteile drohen, die später nicht mehr korrigiert werden können.

Der Kernkonflikt des Falles lag genau an der Schnittstelle dieser beiden Regelungen: Gilt der spezielle Anspruch aus dem BetrVG für sich allein oder muss er sich den allgemeinen Regeln des Eilverfahrens unterordnen? Mit anderen Worten: Reicht der Widerspruch des Betriebsrats als „Ticket“ für die Weiterbeschäftigung oder braucht der Arbeitnehmer zusätzlich einen handfesten Beweis für eine besondere Dringlichkeit?

Warum scheiterte der Arbeitnehmer vor Gericht – eine Analyse in zwei Akten

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen wies die Berufung des Arbeitnehmers zurück und bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz. Die Richter stützten ihre Entscheidung auf zwei voneinander unabhängige Säulen. Das Scheitern des Arbeitnehmers an nur einer dieser Hürden hätte bereits zur Abweisung seiner Klage genügt.

Akt 1: Die zweifelhafte E-Mail – Warum die Glaubhaftmachung des Widerspruchs misslang

Die erste Hürde war rein formaler Natur, aber von entscheidender Bedeutung. Ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung nach § 102 Abs. 5 BetrVG steht und fällt mit einem wirksamen Widerspruch des Betriebsrats. Der Arbeitgeber hatte genau hier angesetzt und das Zustandekommen des Widerspruchs fundamental infrage gestellt. Er bestritt nicht pauschal, ein Schreiben erhalten zu haben. Stattdessen argumentierte er detailliert, dass er Zweifel an der ordnungsgemäßen Beschlussfassung habe: Wurden alle Betriebsratsmitglieder rechtzeitig und mit der korrekten Tagesordnung geladen? War das Gremium überhaupt beschlussfähig? Fand eine ordnungsgemäße Abstimmung statt?

In einem Eilverfahren muss der Antragsteller die anspruchsbegründenden Tatsachen nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts beweisen, aber er muss sie „glaubhaft machen“. Das bedeutet, er muss Tatsachen oder Beweismittel vorlegen, die das Gericht überwiegend wahrscheinlich von seiner Darstellung überzeugen. Um die Zweifel des Arbeitgebers auszuräumen, legte der Arbeitnehmer im Gerichtstermin eine Kopie einer E-Mail vom 3. Januar 2025 vor, die den Widerspruch dokumentieren sollte.

Doch dieser Versuch scheiterte aus mehreren Gründen, die das Gericht penibel auflistete:

  • Die verspätete Vorlage: Die E-Mail wurde erst im mündlichen Verhandlungstermin vorgelegt, was der Arbeitgeber als verspätet rügen konnte.
  • Die Form: Es handelte sich lediglich um eine einfache Abschrift, kein Original oder eine beglaubigte Kopie. Dem Vertreter des Arbeitgebers wurde nicht einmal eine eigene Kopie übergeben.
  • Die inhaltlichen Widersprüche: Der Arbeitgeber konnte plausibel darlegen, dass die in der E-Mail genannten Zeitangaben im Widerspruch zu anderen, bereits früher im Verfahren vorgetragenen Fakten standen, etwa zum Zeitpunkt der Signaturabgabe.

Das Gericht schlussfolgerte, dass diese vage und widersprüchliche Beweislage nicht ausreichte, um die substantiierten Zweifel des Arbeitgebers zu entkräften. Der Arbeitnehmer hatte die erste, grundlegende Voraussetzung seines Anspruchs – den ordnungsgemäß zustande gekommenen Widerspruch – nicht hinreichend glaubhaft gemacht.

Akt 2: Das fehlende Eilbedürfnis – Warum ein guter Grund allein nicht ausreicht

Selbst wenn der Widerspruch des Betriebsrats perfekt nachgewiesen worden wäre, hätte der Arbeitnehmer den Prozess verloren. Das Gericht errichtete eine zweite, ebenso hohe Hürde: die Notwendigkeit eines Verfügungsgrundes.

Der Arbeitnehmer hatte argumentiert, dass § 102 Abs. 5 BetrVG eine Spezialregelung sei, die den allgemeinen Anforderungen der Zivilprozessordnung vorgehe. Die Pflicht zur Weiterbeschäftigung entstehe direkt aus dem Gesetz, sobald der Betriebsrat widerspricht. Zusätzliche Hürden wie ein Eilbedürfnis zu fordern, würde den Zweck des Gesetzes vereiteln, da ein Hauptsacheverfahren schlicht zu lange dauere.

Das Landesarbeitsgericht folgte dieser Argumentation jedoch nicht. Die Richter begründeten ihre Haltung mit einem Blick auf die Systematik des Gesetzes:

  • Die ZPO als Grundregel: Die Vorschriften über die einstweilige Verfügung in der Zivilprozessordnung, insbesondere § 940 ZPO, stellen den Regelfall dar. Ein Eilverfahren erfordert grundsätzlich immer einen Verfügungsgrund.
  • Fehlende Ausnahme: Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit, Ausnahmen von dieser Regel zu schaffen. In anderen Gesetzen, wie etwa in § 885 Abs. 1 oder § 899 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), hat er explizit festgelegt, dass in bestimmten Fällen kein Verfügungsgrund erforderlich ist. Eine solche Ausnahmebestimmung fehlt jedoch für den Weiterbeschäftigungsanspruch im Betriebsverfassungsgesetz.
  • Verweis auf das Hauptsacheverfahren: Da der Anspruch auf Weiterbeschäftigung auch im regulären Kündigungsschutzprozess eingeklagt werden kann, sahen die Richter keinen Grund, auf die strengen Voraussetzungen des Eilrechtsschutzes zu verzichten.

Der Arbeitnehmer hatte es versäumt, über seinen Anspruch hinaus darzulegen, warum er nicht auf das Ergebnis des Hauptverfahrens warten konnte. Er trug keine besonderen Gründe vor, die eine unzumutbare Härte oder einen nicht wieder gutzumachenden Schaden belegen würden. Damit fehlte es an der für ein Eilverfahren zwingend erforderlichen Dringlichkeit.

Was bedeutet dieses Urteil jetzt für Sie?

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen ist eine wichtige Mahnung für alle Arbeitnehmer, die nach einer Kündigung auf eine schnelle Weiterbeschäftigung hoffen. Sie verdeutlicht, dass der Widerspruch des Betriebsrats zwar ein starkes Fundament ist, aber allein oft nicht ausreicht, um im Eilverfahren erfolgreich zu sein. Die folgende Checkliste fasst die zentralen Lehren aus dem Urteil zusammen.

Checkliste: Ihr Weg zur vorläufigen Weiterbeschäftigung

  • 1. Der Widerspruch des Betriebsrats muss „wasserdicht“ sein:
    • Verlassen Sie sich nicht darauf, dass der Arbeitgeber den Widerspruch des Betriebsrats einfach akzeptiert.
    • Sprechen Sie mit Ihrem Betriebsrat und stellen Sie sicher, dass der gesamte Prozess der Beschlussfassung (Einladung, Tagesordnung, Beschlussfähigkeit, Abstimmungsergebnis) lückenlos dokumentiert ist. Ein formeller Fehler kann Ihren gesamten Anspruch zunichtemachen.
  • 2. Sichern Sie die Beweismittel frühzeitig und vollständig:
    • Eine einfache E-Mail-Kopie reicht im Streitfall nicht aus. Bitten Sie den Betriebsrat um eine Kopie des unterzeichneten Sitzungsprotokolls oder des offiziellen Widerspruchsschreibens.
    • Diese Beweismittel müssen Sie Ihrem Anwalt sofort zur Verfügung stellen, damit sie von Beginn an im Verfahren vorgelegt werden können und nicht als verspätet gelten.
  • 3. Begründen Sie Ihre besondere Dringlichkeit (Verfügungsgrund):
    • Gehen Sie davon aus, dass ein Gericht von Ihnen eine plausible Erklärung verlangt, warum Sie nicht auf das Urteil im Hauptverfahren warten können.
    • Der bloße Verlust des Arbeitsplatzes und des Gehalts reicht dafür in der Regel nicht aus, da dies die normale Folge einer Kündigung ist.
  • 4. Sammeln Sie Argumente für eine unzumutbare Härte:
    • Überlegen Sie gemeinsam mit Ihrem Anwalt, welche besonderen Nachteile Ihnen durch die Nichtbeschäftigung drohen. Mögliche Argumente könnten sein (Erfolg nicht garantiert):
      • Drohender Verlust von aktuellem Fachwissen in einer sich schnell wandelnden Branche.
      • Ausschluss von entscheidenden Projektphasen oder unternehmensinternen Entwicklungen.
      • Gefahr des Verfalls wichtiger Lizenzen oder Zertifikate, die an eine aktive Tätigkeit geknüpft sind.
      • Eine existenzbedrohende finanzielle Notlage, die über das Übliche hinausgeht.
  • 5. Verstehen Sie die Grenzen des Eilverfahrens:
    • Ein Eilverfahren ist eine vorläufige Entscheidung unter Zeitdruck. Eine Niederlage hier bedeutet nicht automatisch, dass Sie auch Ihren Kündigungsschutzprozess verlieren. Im Hauptverfahren werden alle Beweise umfassend und ohne den gleichen Zeitdruck gewürdigt.

Die Urteilslogik

Ein bloßer Widerspruch des Betriebsrats verschafft dem gekündigten Arbeitnehmer keine automatische Garantie auf eine sofortige Weiterbeschäftigung im Eilverfahren.

  • Beweismittel müssen formellen Anforderungen genügen: Wer im Eilverfahren Ansprüche durchsetzen will, muss die beweisenden Tatsachen frühzeitig und in einer Form vorlegen, die den substanziierten Zweifeln der Gegenseite standhält.
  • Der Betriebsratswiderspruch erfordert lückenlose Dokumentation: Der Arbeitnehmer muss die ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats im Eilverfahren stichhaltig glaubhaft machen, da formelle oder inhaltliche Mängel den gesamten Weiterbeschäftigungsanspruch negieren.
  • Die Pflicht zur Weiterbeschäftigung verlangt einen Verfügungsgrund: Der spezielle Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung unterliegt den strengen Regeln des Eilrechtsschutzes und setzt den Nachweis einer besonderen, über die Kündigung hinausgehenden Dringlichkeit voraus.

Arbeitnehmer müssen im Eilverfahren sowohl den formalen Anspruch wasserdicht belegen als auch eine nicht aufschiebbare Notwendigkeit für die richterliche Anordnung darlegen.


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Ist ein Verfügungsgrund für Ihre einstweilige Weiterbeschäftigung erforderlich? Kontaktieren Sie uns für eine professionelle rechtliche Ersteinschätzung Ihrer Situation.


Experten Kommentar

Wer glaubt, der Widerspruch des Betriebsrats sei das automatische Ticket zurück an den Schreibtisch, muss hier genau hinsehen. Das Landesarbeitsgericht stellt klar, dass die spezialgesetzliche Regelung im Eilverfahren die allgemeinen Anforderungen der Zivilprozessordnung nicht aushebelt. Arbeitnehmer brauchen neben einem formal einwandfreien Widerspruch zusätzlich eine handfeste Begründung für die Dringlichkeit, den sogenannten Verfügungsgrund. Die bloße Kündigung reicht dafür nicht; man muss im Eilverfahren darlegen, warum das Warten auf den Hauptprozess einen nicht wieder gutzumachenden Schaden anrichtet.


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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Muss mein Arbeitgeber mich nach einem Widerspruch des Betriebsrats sofort weiterbeschäftigen?

Die kurze Antwort lautet: Nein, nicht automatisch. Zwar schafft der Widerspruch des Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG die gesetzliche Grundlage für Ihren Weiterbeschäftigungsanspruch (Verfügungsanspruch). Für eine schnelle Durchsetzung im Eilverfahren reicht dieser Anspruch jedoch allein nicht aus. Das Gericht verlangt zusätzlich den Nachweis einer besonderen Dringlichkeit – den sogenannten Verfügungsgrund.

Der Grund liegt in der Kollision zwischen zwei Rechtsnormen. Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) regelt den Anspruch auf Weiterbeschäftigung als Spezialrecht. Da der Gesetzgeber aber keine explizite Ausnahme geschaffen hat, muss sich dieser Anspruch den allgemeinen Regeln der Zivilprozessordnung (ZPO) unterordnen. Die ZPO verlangt für eine einstweilige Verfügung grundsätzlich neben dem Anspruch auch einen gesonderten Nachweis der Eilbedürftigkeit, geregelt in § 940 ZPO.

Arbeitnehmer machen oft den Fehler, ausschließlich mit dem Gehaltsverlust zu argumentieren. Dieser Schaden gilt jedoch als normale Folge der Kündigung und reicht daher nicht aus. Gerichte knüpfen das Recht auf sofortige Weiterbeschäftigung an den Beweis einer unzumutbaren Härte oder eines nicht wieder gutzumachenden Schadens. Konkret: Liegt der Verlust von aktuellem Fachwissen in einer schnelllebigen Branche oder der Verfall wichtiger Lizenzen durch Inaktivität vor, kann dies die Dringlichkeit belegen.

Prüfen Sie gemeinsam mit Ihrem Anwalt sofort, ob Ihre Klageschrift bereits konkrete Argumente für eine unzumutbare Härte durch die Freistellung enthält.


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Wann gilt mein Weiterbeschäftigungsanspruch im Eilverfahren als dringend oder unzumutbar?

Gerichte akzeptieren den bloßen Verlust des Gehalts in einem Eilverfahren selten als ausreichende Begründung für die Dringlichkeit. Um den Verfügungsgrund zu bejahen, müssen Sie stattdessen einen nicht wiedergutzumachenden Schaden nachweisen. Dies bedeutet, dass die drohenden Nachteile irreparabel sein müssen, bevor das Hauptverfahren beginnt.

Die Regel ist, dass der Entgeltausfall die normale Folge einer Kündigung darstellt und im Hauptsacheverfahren durch Lohnnachzahlung korrigiert werden kann. Eine besondere Dringlichkeit liegt erst vor, wenn die drohende finanzielle Notlage die übliche Folge des Jobverlusts objektiv übersteigt oder die berufliche Existenz unwiederbringlich gefährdet ist. Gerichte verlangen oft schlüssige Argumente, die den Verlust Ihrer beruflichen Substanz belegen.

Konzentrieren Sie sich auf strategische Argumentationslinien, die den Verfall von aktuellem Fachwissen betreffen. Nehmen wir an, Sie arbeiten in einer schnelllebigen IT-Branche. Eine längere Freistellung kann dazu führen, dass Sie firmenspezifische Software-Kenntnisse verlieren oder wichtige, branchenspezifische Zertifikate ihre Gültigkeit einbüßen. Wenn der Ausschluss von entscheidenden Projektphasen oder internen Entwicklungen die spätere Wiedereingliederung faktisch unmöglich macht, kann dies als unzumutbare Härte gewertet werden.

Erstellen Sie umgehend eine detaillierte Liste jener spezifischen Projekte, Tools oder Software-Versionen, deren Kenntnis Sie bei längerer Freistellung verlieren, um Ihren Schaden glaubhaft zu machen.


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Wie weise ich den formal korrekten Widerspruch des Betriebsrats vor Gericht richtig nach?

Der Nachweis des Betriebsrats-Widerspruchs erfordert eine lückenlose Dokumentation, da formale Mängel den gesamten Antrag gefährden können. Verlassen Sie sich keinesfalls auf einfache Kopien oder interne E-Mails. Gerichte verlangen den Beweis, dass der Widerspruch ordnungsgemäß zustande kam, was als Glaubhaftmachung bezeichnet wird. Entscheidend ist die frühzeitige Vorlage offizieller, formal korrekter Schriftstücke, um den Anspruch rechtssicher zu belegen.

Der Arbeitgeber greift den Widerspruch in der Regel nicht inhaltlich an, sondern sät substantiierte Zweifel an der internen Beschlussfassung des Betriebsrats. Diese Zweifel können sich auf die korrekte Ladung der Mitglieder, die Tagesordnung oder die Beschlussfähigkeit des Gremiums beziehen. Solche formalen Angriffe können die Gültigkeit des Weiterbeschäftigungsanspruchs vollständig aufheben. Eine einfache Abschrift des Widerspruchs genügt nicht, um diese weitreichenden Einwände des Arbeitgebers zu entkräften und die ordnungsgemäße Willensbildung des Betriebsrats nachzuweisen.

Die Rechtsprechung, etwa das Landesarbeitsgericht Niedersachsen, bestätigt, dass Beweismittel frühzeitig und in der richtigen Form vorliegen müssen. Die verspätete Vorlage einer einfachen E-Mail-Kopie erst im mündlichen Termin kann der Arbeitgeber als nicht ausreichend rügen. Um diese Fehlerquelle zu vermeiden, benötigen Sie das offizielle Widerspruchsschreiben an den Arbeitgeber und vor allem eine beglaubigte Kopie des dazugehörigen, unterzeichneten Sitzungsprotokolls. Dieses Dokument belegt die Einhaltung aller formellen Schritte und ist der stärkste Beweis für einen wirksamen Widerspruch.

Kontaktieren Sie sofort den Betriebsrat und fordern Sie eine beglaubigte Kopie des Protokolls sowie des offiziellen Widerspruchsschreibens an den Arbeitgeber an.


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Was passiert, wenn mein Eilantrag auf Weiterbeschäftigung vor dem Landesarbeitsgericht scheitert?

Ein gescheiterter Eilantrag bedeutet keinesfalls das Ende Ihres Kündigungsschutzprozesses. Sie haben lediglich eine vorläufige Entscheidung in einem beschleunigten Verfahren verloren. Richter treffen im Eilverfahren nur eine summarische Prüfung, ob die strengen Voraussetzungen für eine sofortige Regelung vorliegen. Das eigentliche Urteil über die Rechtmäßigkeit Ihrer Kündigung steht noch aus.

Die Niederlage besagt in der Regel nur, dass Sie die strengen Hürden der Eilbedürftigkeit oder der Glaubhaftmachung nicht nehmen konnten. Für eine einstweilige Verfügung müssen Sie sowohl den Anspruch als auch die Dringlichkeit (den sogenannten Verfügungsgrund) glaubhaft machen. Argumente, die ausschließlich am fehlenden Verfügungsgrund scheiterten, sind im Hauptsacheverfahren bedeutungslos. Dieses Urteil trifft keine Aussage darüber, ob Ihre Kündigungsschutzklage am Ende Erfolg haben wird.

Im Hauptsacheverfahren haben Sie die Möglichkeit, alle Beweismittel umfassend und ohne den Zeitdruck des Eilverfahrens vorzulegen. Gab es im Eilantrag formale Mängel, etwa bei der mangelhaften Form des Betriebsrats-Widerspruchs, können Sie diese Lücken nun schließen. Das Gericht würdigt dann alle Fakten neu, um abschließend zu entscheiden, ob die Kündigung wirksam war. Das Landesarbeitsgericht urteilte lediglich über die vorläufige Weiterbeschäftigung, nicht über den Kündigungsschutzprozess selbst.

Lassen Sie umgehend analysieren, an welcher der beiden Hürden (Anspruch oder Dringlichkeit) der Eilantrag konkret scheiterte, um diese Mängel gezielt für den Hauptprozess zu beheben.


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Welche Argumente helfen, eine unzumutbare Härte für die sofortige Weiterbeschäftigung zu begründen?

Gerichte akzeptieren den bloßen Gehaltsverlust nicht als Argument für eine unzumutbare Härte im Eilverfahren. Sie müssen einen nicht wiedergutzumachenden Schaden belegen, der Ihre berufliche Substanz gefährdet. Entscheidend ist der Nachweis, dass das Warten auf das Hauptverfahren einen irreparablen Nachteil schafft. Diesen Zustand bezeichnen Richter als Verfügungsgrund.

Konkrete Argumente betreffen oft den drohenden Verlust von aktuellem Fachwissen. Wenn Sie in einer schnelllebigen Branche wie der IT arbeiten, kann eine erzwungene Inaktivität dazu führen, dass Ihr Spezialwissen schnell obsolet wird. Eine Freistellung entfremdet Sie von den internen Entwicklungen und der Technologie-Roadmap der Firma. Dadurch erschwert sich Ihre spätere Wiedereingliederung erheblich, selbst wenn Sie den Kündigungsschutzprozess gewinnen.

Argumentieren Sie mit dem Ausschluss von entscheidenden Projektphasen oder spezifischen internen Entwicklungen. Ein weiteres starkes Argument ist der drohende Verfall firmengebundener Lizenzen oder wichtiger Zertifikate, deren Gültigkeit an die aktive Tätigkeit geknüpft ist. Eine existenzbedrohende finanzielle Notlage kann ebenfalls eine unzumutbare Härte darstellen. Dieser Nachweis muss jedoch objektiv weit über die übliche Folge eines Jobverlusts hinausgehen.

Erstellen Sie zur Belegung dieser Dringlichkeit eine detaillierte Aufstellung jener Projekte und Zeitpunkte, an denen Ihr Fachwissen ohne aktive Beteiligung verfallen wird.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar für Fachbegriffe aus dem Arbeitsrecht: Der Schriftzug 'Glossar' vor dem Foto einer belebten Baustelle

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Eilverfahren (einstweilige Verfügung)

Das Eilverfahren, oft als einstweilige Verfügung bezeichnet, ist ein gerichtlicher Schnellschuss, der dazu dient, dringende rechtliche Situationen rasch und vorläufig zu regeln, ohne das langwierige Hauptverfahren abwarten zu müssen. Juristen nutzen dieses beschleunigte Verfahren, um irreparable Nachteile abzuwenden, wenn eine normale Klage zu spät käme oder zu nicht wieder gutzumachenden Schäden führen würde.

Beispiel:
Im vorliegenden Fall versuchte der Arbeitnehmer, per einstweiliger Verfügung eine sofortige Wiederaufnahme seiner Tätigkeit zu erreichen, da er nicht auf das endgültige Urteil warten wollte.

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Glaubhaftmachung

Glaubhaftmachung ist ein reduzierter Beweisstandard im Eilverfahren, bei dem der Antragsteller die anspruchsbegründenden Tatsachen nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts beweisen muss, sondern sie dem Richter lediglich als überwiegend wahrscheinlich darstellen muss. Weil im Eilrechtsschutz eine schnelle Entscheidung nötig ist, ersetzt dieser Standard den aufwendigen vollen Beweis, verlangt aber trotzdem, dass die Fakten durch eidesstattliche Versicherungen oder lückenlose Dokumente gestützt werden.

Beispiel:
Die Richter hielten die Glaubhaftmachung des Betriebsrats-Widerspruchs für unzureichend, da der Arbeitnehmer lediglich eine einfache, verspätet vorgelegte Kopie einer E-Mail präsentierte.

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Hauptsacheverfahren

Das Hauptsacheverfahren ist der reguläre, umfassende Gerichtsprozess, in dem über den eigentlichen Streitgegenstand – beispielsweise die Wirksamkeit einer Kündigung – abschließend und rechtskräftig entschieden wird. Dieses Verfahren gewährt den Parteien ausreichend Zeit und Raum, alle Beweise detailliert vorzutragen und die Tatsachen vollumfänglich zur Überzeugung des Gerichts zu führen, im Gegensatz zur summarischen Prüfung im Eilverfahren.

Beispiel:
Scheitert der Antrag auf sofortige Weiterbeschäftigung, muss der Arbeitnehmer das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens abwarten, um Klarheit über die Rechtmäßigkeit seiner Entlassung zu erhalten.

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Verfügungsanspruch

Als Verfügungsanspruch bezeichnen Juristen den materiellen Rechtsanspruch, den der Antragsteller im Eilverfahren glaubhaft machen muss, um überhaupt eine vorläufige Regelung zu erhalten. Er stellt das „Was“ der Forderung dar und muss im Arbeitsrecht häufig durch eine spezielle gesetzliche Grundlage, wie den Weiterbeschäftigungsanspruch aus dem BetrVG, belegt werden.

Beispiel:
Der Verfügungsanspruch des Solution Architects war im gesetzlichen Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 des Betriebsverfassungsgesetzes begründet.

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Verfügungsgrund

Der Verfügungsgrund ist die zweite, oft entscheidende Voraussetzung für eine einstweilige Verfügung und beschreibt die besondere Dringlichkeit oder Eilbedürftigkeit, ohne die der Antragsteller nicht auf das Ergebnis des Hauptverfahrens warten kann. Das Gesetz verlangt diesen gesonderten Nachweis, um sicherzustellen, dass das Gericht nur in Fällen einschreitet, in denen ein Zuwarten zu unzumutbaren oder nicht wiedergutzumachenden Schäden führen würde.

Beispiel:
Da der Arbeitnehmer lediglich den üblichen Gehaltsverlust anführte, konnte er dem Landesarbeitsgericht keinen schlüssigen Verfügungsgrund für eine sofortige Anordnung der Weiterbeschäftigung belegen.

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Weiterbeschäftigungsanspruch (§ 102 Abs. 5 BetrVG)

Der Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 BetrVG ist ein spezielles Recht, das Arbeitnehmern zusteht, wenn der Betriebsrat form- und fristgerecht gegen ihre ordentliche Kündigung widersprochen hat. Diese Norm soll die Verhandlungsposition des Arbeitnehmers stärken und ihn vorläufig im Betrieb halten, bis die Wirksamkeit der Kündigung im regulären Kündigungsschutzprozess geklärt ist.

Beispiel:
Der Arbeitgeber zog die Rechtmäßigkeit des Weiterbeschäftigungsanspruchs massiv in Zweifel, da er behauptete, der Widerspruch des Betriebsrats sei nicht ordnungsgemäß zustande gekommen.

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Das vorliegende Urteil


Landesarbeitsgericht Niedersachsen – Az.: 14 GLa 78/25 – Urteil vom 14.03.2025


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