Skip to content

Weiterbeschäftigungsanspruch nach Befristungsablauf

Landesarbeitsgericht weist Berufung im Fall der Weiterbeschäftigung zurück

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat in einem aktuellen Urteil über die Berufung eines Verfügungsklägers entschieden. Der Kläger strebte im Rahmen eines Eilverfahrens die Weiterbeschäftigung nach Ablauf seines befristeten Arbeitsvertrags an. Das Landesarbeitsgericht wies die Berufung jedoch kostenpflichtig zurück.

Direkt zum Urteil Az: 8 SaGa 8/21 springen.

Hintergrund und Streitgegenstand

Die Parteien des Rechtsstreits waren uneins über die Frage, ob der Kläger nach dem Auslaufen seines befristeten Arbeitsvertrags weiterbeschäftigt werden sollte. Der Kläger hatte eine Klage auf Entfristung eingereicht, über die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht noch nicht entschieden worden war.

Die Beklagte betreibt ein IT-Unternehmen, während der Kläger ursprünglich bei der Muttergesellschaft der Beklagten in Indien beschäftigt war. Ab dem Jahr 2016 arbeitete der Kläger vorübergehend in Deutschland für die Beklagte. Es wurden mehrere befristete Arbeitsverträge abgeschlossen, deren Laufzeit sich immer wieder verlängerte. Ursprünglich sollte der Kläger im Sommer 2019 nach Indien zurückkehren, doch er verblieb in Deutschland und vereinbarte erneut eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.05.2021.

Der Kläger erhielt eine befristete Aufenthaltserlaubnis von der zuständigen Stadt A-Stadt. Diese Erlaubnis wurde mehrmals verlängert, zuletzt bis zum 28.10.2021. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht gab der Kläger an, dass seine Aufenthaltserlaubnis aufgrund des anstehenden Verkündungstermins im erstinstanzlichen Verfahren zur Entfristungsklage bis Ende November 2021 erneut verlängert worden sei.

Argumente des Verfügungsklägers und erstinstanzliche Entscheidung

Der Verfügungskläger argumentierte in erster Instanz, dass das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten offensichtlich fortbestehe und nicht wirksam befristet sei. Er habe zudem über das vorgesehene Befristungsende hinaus weitergearbeitet, ohne dass die Beklagte dies beanstandet hätte. Erst am 24.06.2021 habe die Beklagte ihn aufgefordert, Arbeitsmaterialien herauszugeben und ihm den Zugang entzogen. Der Kläger argumentierte weiterhin, dass eine eilige Entscheidung erforderlich sei, da das langwierige Entfristungsverfahren nicht rechtzeitig zu einem Beschäftigungsanspruch führen könne. Besonders aufgrund des Auslaufens der Aufenthaltserlaubnis sei eine schnelle Entscheidung geboten.

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen wies den Antrag des Verfügungsklägers in erster Instanz zurück. Die Richter argumentierten, dass die Voraussetzungen für eine einstweilige Verfügung nicht erfüllt seien und der Kläger den Ausgang des Entfristungsverfahrens abwarten müsse. Der Verfügungskläger legte daraufhin Berufung ein.

Entscheidung des Landesarbeitsgerichts und Fazit

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen zurückgewiesen. Der Kläger wurde dazu verurteilt, die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Voraussetzungen für eine einstweilige Verfügung nicht gegeben seien. Insbesondere sei der Kläger nicht in seinen Rechten verletzt worden, da das Arbeitsverhältnis nach Ansicht des Gerichts wirksam befristet war. Es wurde festgestellt, dass die Schriftform bei Abschluss der Arbeitsverträge eingehalten wurde. Zudem konnte der Kläger nicht nachweisen, dass er über das vereinbarte Befristungsende hinaus vorbehaltlos weiterbeschäftigt wurde. Die vom Kläger angeführte Eilbedürftigkeit wurde vom Gericht ebenfalls nicht anerkannt.

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz stellt somit fest, dass der Kläger keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung nach Ablauf seines befristeten Arbeitsvertrags hat. Der Ausgang des Entfristungsverfahrens bleibt weiterhin abzuwarten.


Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 8 SaGa 8/21 – Urteil vom 02.11.2021

Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 10.08.2021, Az. 4 Ga 8/21, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wege des Einstweiligen Verfügungsverfahrens um die Weiterbeschäftigung des Klägers nach Ablauf der Befristung des Arbeitsvertrags. Der Kläger hat eine Entfristungsklage erhoben, über die erstinstanzlich im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht noch nicht entschieden worden war.

Die Beklagte führt ein IT-Unternehmen. Der Kläger war zunächst seit 2006 bei der Muttergesellschaft der Beklagten in Indien beschäftigt. Ab dem Jahr 2016 wurde das indische Arbeitsverhältnis vorübergehend ruhend gestellt und der Kläger erbrachte seine Arbeitsleistung in Deutschland für die Beklagte. Hierzu schlossen die Parteien einen ersten Arbeitsvertrag am 07.07.2016, welcher einen Beschäftigungsbeginn ab 01.08.2016 und eine Befristung bis 31.07.2018 vorsah. Zudem legte der Kläger einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag vom 12.11.2016 vor. Am 07.05.2018 vereinbarten die Parteien eine erneute Befristung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.05.2019.

Nach deren Ablauf sollte der Kläger im Sommer 2019 mit seiner Familie nach Indien zurückkehren. Eine Rückreise war einvernehmlich für den 30.09.2019 avisiert, jedoch verblieb der Kläger in A-Stadt und vereinbarte mit der Beklagten erneut eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.05.2021.

Dem Kläger wurde von der A-Stadt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, die bis zum 31.07.2021 befristet war. Die Stadt teilte dem Kläger mit, dass eine Verlängerung der Erlaubnis unter anderem von der Sicherung des Lebensunterhalts abhängig sei. Die Erlaubnis wurde bis zum 28.10.2021 verlängert. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht hat der Kläger erklärt, wegen des Verkündungstermins im erstinstanzlichen Hauptsacheverfahren (der Entfristungsklage) am 15.11.2021 sei die Aufenthaltserlaubnis bis Ende November 2021 erneut verlängert worden.

Mit bei dem Arbeitsgericht Ludwigshafen am 21.06.2021 eingegangener Klage (Aktenzeichen 4 Ca 797/21) macht der Kläger den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses über den 31.05.2021 hinaus geltend und hat mit Klageerweiterung vom 02.08.2021 auch einen Weiterbeschäftigungsantrag anhängig gemacht.

Erstinstanzlich hat der Verfügungskläger vorgetragen, das Arbeitsverhältnis mit der Beklagte stehe offensichtlich weiterhin und unbefristet fort. Eine Befristung sei offensichtlich nicht wirksam zustande gekommen, da die erforderliche Schriftform bei Abschluss der Arbeitsverträge nicht gewahrt worden sei. Zudem sei er vorbehaltlos weiterbeschäftigt worden über das vorgesehene Befristungsende 31.05.2021 hinaus. Erst am 24.06.2021 habe die Beklagte ihn aufgefordert, Arbeitsmaterialien herauszugeben und ihm die Zugangsberechtigung entzogen. Die Entscheidung sei auch eilbedürftig. Das Entfristungsverfahren sei aufgrund seiner Dauer nicht geeignet, dem Beschäftigungsanspruch zur rechtzeitigen Durchsetzung zu verhelfen. Insbesondere wegen des Auslaufens der Aufenthaltserlaubnis sei eine schnelle Entscheidung geboten.

Erstinstanzlich hat der Verfügungskläger beantragt, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, den Antragssteller bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung in dem vor dem ArbG Ludwigshafen zum Aktenzeichen 4 Ca 797/21 anhängigen Entfristungsklageverfahren zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Systemanalyst zu beschäftigen.

Die Verfügungsbeklagte hat erstinstanzlich beantragt, den Antrag abzuweisen.

Sie hat hierzu erstinstanzlich vorgetragen, der letzte Arbeitsvertrag enthalte eine wirksame Projektbefristung, wobei die Einzelheiten hinsichtlich der Unterschriftsleistungen noch intern recherchiert werden müssten. Keinesfalls handele es sich aber um eine offensichtlich unwirksame Befristung. Es sei von Anfang an betont worden, dass der Kläger nur vorübergehend in Deutschland und dann wieder bei der indischen Muttergesellschaft eingesetzt werden solle. Ein Einsatz in Deutschland sei auch gar nicht mehr möglich, da es die Rolle des Klägers im On-Site-Projekt der Beklagten nicht mehr gebe, sie sei nach Indien verlagert. Bis zur Entscheidung der ersten Instanz sei grundsätzlich ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung anzuerkennen. Der Kläger sei auch nicht nach Befristungsablauf tatsächlich weiterbeschäftigt worden. Er habe lediglich automatisierte E-Mails erhalten, die das System standardisiert versende. Seit 2019 sei der Kläger nur „on bench“, das heißt, er nehme keine tatsächlichen Einsätze wahr.

Es bestehe auch keine Eilbedürftigkeit. Für die Erteilung des Aufenthaltstitels komme es auf das Bestehen des Arbeitsverhältnisses an. Selbst ein Obsiegen des Klägers im vorliegenden Rechtsstreit könne ihm bei seinem Ziel, der Wiedererlangung des Aufenthaltstitels, nicht helfen.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf Erlass der Einstweiligen Verfügung mit Urteil vom 10.08.2021 zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, es bestünden bereits Zweifel, ob ein Verfügungsanspruch vorliege. Das Bundesarbeitsgericht gehe davon aus, dass in der Regel während einer erstinstanzlichen Bestandsstreitigkeit nach dem streitigen Beendigungstermin die Ungewissheit des Prozessausgangs ein schutzwertes Interesse des Arbeitsgebers an der Nichtbeschäftigung während des laufenden Prozesses begründe. Etwas anderes solle gelten, wenn die Kündigung oder die Befristung offensichtlich unwirksam sei. Im vorliegenden Fall liege eine solche offensichtliche Unwirksamkeit nicht zweifelsfrei vor. Denn aus dem Vortrag der Beklagten alleine folge noch kein unzweifelhaft feststehender Sachverhalt, der zur Unwirksamkeit der Befristungen führen würde. Es fehle jedenfalls an einem Verfügungsgrund. Es sei nicht ersichtlich, dass der Verfügungskläger auf die sofortige Erfüllung des Beschäftigungsanspruchs dringend angewiesen sei. Obwohl er seine Entfristungsklage erst am letzten Tag der dreiwöchigen Klagefrist anhängig gemacht und dann weitere sechs Wochen bis zur Einreichung der einstweiligen Verfügung verstreichen ließ, stünden noch drei Monate für die Durchführung des Hauptsacheverfahrens zur Verfügung. Hätte er die Fristen nicht ausgereizt, stünde deutlich mehr Zeit offen. Die Weiterbeschäftigung sei auch nicht erforderlich, um den Aufenthaltstitel zu sichern. Hierbei komme es vielmehr darauf an, dass der Lebensunterhalt gesichert sei, dass also entweder das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten fortbestehe oder der Kläger ein neues Arbeitsverhältnis begründe. Die Notwendigkeit, auf Entgeltzahlungen angewiesen zu sein, begründe keinen Verfügungsgrund für eine einstweilige Verfügung auf Beschäftigung.

Wegen der weiteren erstinstanzlichen Begründung wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

Das Urteil wurde dem Kläger am 12.08.2021 zugestellt. Er hat mit am 13.09.2021 bei dem LAG Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz hiergegen Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

Zur Begründung der Berufung trägt der Verfügungskläger vor, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts handele es sich um eine offensichtlich unwirksame Befristung, so dass ein Verfügungsanspruch gegeben sei. Die Beklagte selbst lasse offen, ob die Schriftform gewahrt worden sei. Es fehle auch nicht an einem Verfügungsgrund. Im Wege des Hauptsacheverfahrens könne nicht sichergestellt werden, dass bis zum 28.10.2021 eine Entscheidung erzielt werden könne. Dass der Kläger seine Klage- und Rechtsmittelfristen ausgeschöpft habe, könne ihm nicht zur Last gelegt werden. Auch habe das Arbeitsgericht verkannt, dass der Kläger seinen Aufenthaltstitel durch die Weiterbeschäftigung sichern könne. Aus Sicht der Ausländerbehörde würde die Weiterbeschäftigung genügend Anlass bieten, von einem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses auszugehen. Die Weiterbeschäftigung führe auch zu einem Vergütungsanspruch. Auch wenn dieser gegebenenfalls in einem gesonderten Verfahren geltend gemacht werden müsse, ändere dies nichts daran, dass die Weiterbeschäftigung Entgeltansprüche begründe. Für die Ausländerbehörde sei dies gleichbedeutend mit einem bestehenden Arbeitsverhältnis.

Zweitinstanzlich hat der Verfügungskläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 10.08.2021 zum Aktenzeichen 4 Ga 8/21, dem Kläger zugestellt am 12.08.2021, zu ändern und der Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, den Antragssteller/ Kläger bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung in dem von dem Arbeitsgericht Ludwigshafen zum Aktenzeichen 4 Ca 797/21 anhängigen Entfristungsklageverfahren zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Systemanalyst zu beschäftigen.

Die Verfügungsbeklagte hat zweitinstanzlich beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt dazu vor, der befristete Einsatz bei der Beklagten sei projektgebunden gewesen und als vorübergehend konzipiert. Seit 2019 habe der Kläger keine aktive Rolle mehr in keinem einzigen Projekt ausgeübt. Da sich die Parteien -insoweit unstreitig- im Juli 2019 über die Rückreise des Klägers nach Indien am 30.09.2019 geeinigt hatten, sei das nunmehrige Vorgehen des Klägers rechtsmissbräuchlich und widersprüchlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Verfügungsklägers ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden.

II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf Erlass der Einstweiligen Verfügung zu Recht zurückgewiesen.

1. Der Verfügungskläger begehrt mit seinem Antrag seine vorläufige Weiterbeschäftigung über das im Arbeitsvertrag genannte Befristungsende hinaus bis zum Erlass einer erstinstanzlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren. Eine derartige Leistungsverfügung ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Gläubiger auf die sofortige Erfüllung dringend angewiesen ist und eine Entscheidung im ordentlichen Verfahren seine Interessen nicht ausreichend wahren kann. Es bedarf eines Verfügungsanspruchs und eines Verfügungsgrundes. An beidem fehlt es im Streitfall.

2. Verfügungsanspruch

Der Kläger hat vorliegend gegen die Verfügungsbeklagte keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung im befristeten Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Befristung.

a. Der Anspruch auf Weiterbeschäftigung im gekündigtem oder befristeten Arbeitsverhältnis nach dessen Ende beruht nach allgemeiner Ansicht unmittelbar auf der sich für den Arbeitgeber aus § 242 BGB unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen der Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG über den Persönlichkeitsschutz ergebenden arbeitsvertraglichen Förderungspflicht der Beschäftigungsinteressen des Arbeitnehmers.

Da der Weiterbeschäftigungsanspruch aus einer sich aus Treu und Glauben ergebenden Pflicht des Arbeitgebers herzuleiten ist, muss er allerdings dort zurücktreten, wo überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen. Der Arbeitgeber ist nach Treu und Glauben nicht verpflichtet, die Interessen des Arbeitnehmers ohne Rücksicht auf eigene überwiegende und schutzwerte Interessen zu fördern. Wird nämlich das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber gekündigt oder von Anfang an befristet vereinbart und wird das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses streitig, so verändert sich dadurch die Interessenlage der Arbeitsvertragsparteien im Hinblick auf eine weitere tatsächliche Beschäftigung des Arbeitnehmers. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsprozesses oder des Entfristungsprozesses herrscht aber Ungewissheit über die objektive Rechtslage. Gerade diese Ungewissheit ist es, die sich auf die Interessenlage auswirkt und sie verändert. Bis zur Entscheidung der ersten Instanz ist nach Ablauf der Kündigungsfrist/ Befristung ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers anzuerkennen (für den Fall des Ablaufs der Kündigungsfrist BAG, Beschluss vom 27. Februar 1985 – GS 1/84, BAGE 48, 122 ff.; LAG Köln, Beschluss vom 15.04.2020, 4 Ta 55/20, Rn. 47).

Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann diese Ungewissheit über den Fortbestand des gekündigten Arbeitsvertrags nur dann nicht zu einer Verschiebung der Interessenlage der Arbeitsvertragsparteien gegenüber der Zeit des unangefochtenen Bestands des Arbeitsverhältnisses führen, wenn die umstrittene Kündigung oder der sonstige umstrittene Beendigungstatbestand offensichtlich unwirksam ist. Bei offensichtlicher Unwirksamkeit besteht in Wahrheit kein ernstzunehmender Zweifel am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, so dass in einem solchen Fall allein mit der rein subjektiven Ungewissheit des Arbeitgebers über den Prozessausgang kein der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehendes überwiegendes Interesse des Arbeitgebers begründet werden kann. In solchen Fällen besteht nämlich objektiv gar keine Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, so dass sie auch nicht zum Anlass genommen werden kann, den Arbeitnehmer vorübergehend nicht weiter zu beschäftigen (BAG, Beschluss vom 27. Februar 1985 – GS 1/84, BAGE 48, 122 ff.).

Der Begriff der Offensichtlichkeit verlangt dabei, dass sich schon aus dem eigenen Vortrag des Arbeitgebers ohne Beweiserhebung und ohne dass ein Beurteilungsspielraum gegeben wäre, jedem Kundigen die Unwirksamkeit der Kündigung bzw. des Beendigungstatbestands geradezu aufdrängen muss. Die Unwirksamkeit muss also ohne jeden vernünftigen Zweifel in rechtlicher und in tatsächlicher Hinsicht offen zu Tage liegen (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26. Februar 2015 – 5 SaGa 7/14, Rn. 38: LAG Köln, Beschluss vom 15.04.2020, 4 Ta 55/20, Rn. 48). Nur bei einem solchen Verständnis des Begriffs der offensichtlichen Unwirksamkeit ist es gerechtfertigt, für den Weiterbeschäftigungsanspruch davon auszugehen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien fortbesteht (BAG, Beschluss vom 27. Februar 1985 – GS 1/84, BAGE 48, 122 ff.; LAG Köln, Beschluss vom 15. April 2020 – 4 Ta 55/20 –, Rn. 50).

b. Gemessen an diesen hohen Anforderungen kann eine offensichtliche Unwirksamkeit der Befristung vorliegend nicht angenommen werden.

Es reicht hierzu nicht aus, dass die Beklagte in diesem Verfahren die Schriftform der Befristung entgegen der Anforderungen des § 138 ZPO nicht ausreichend substantiiert dargelegt hat. Da die Unwirksamkeit in tatsächlicher Hinsicht offen zu Tage treten muss, kann es nicht ausreichen, dass sie sich aufgrund von Verstößen gegen Prozessförderungspflichten herleiten lässt.

Wie die Verträge vorliegend zustande kamen und ob und wie sie unterzeichnet wurden, ist, wie das Arbeitsgericht zu Recht angenommen hat, unklar. Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vorgetragen, dass das Arbeitsgericht im Kammertermin keine abschließende Entscheidung über die Wirksamkeit der Befristung getroffen hat. Das Gericht hat einen Verkündungstermin anberaumt, ohne dass dies aus rein formalen Gründen, wie etwa dem Abschluss eines widerrufbaren Vergleichs, erforderlich geworden wäre. Auch dies spricht gegen eine „sich jedem Kundigen aufdrängende“ Unwirksamkeit der Befristung. Angesichts der Unklarheiten über das tatsächliche Zustandekommen der Verträge und einer nicht völlig eindeutigen rechtlichen Bewertung der Befristungen kann von einer offensichtlichen Unwirksamkeit der Befristung nicht ausgegangen werden.

Von daher ist von dem Grundsatz des überwiegenden Interesses des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung nach einem streitigen Beendigungstatbestand vorliegend keine Ausnahme zu machen.

3. Zudem und insbesondere fehlt es vorliegend, wie das Arbeitsgericht ebenfalls zutreffend festgestellt hat, auch an einem Verfügungsgrund für die beantragte Leistungsverfügung.

Der Verfügungskläger hat kein besonderes Beschäftigungsinteresse dargelegt, aufgrund dessen er nunmehr auf die sofortige Erfüllung des von ihm geltend gemachten Anspruchs auf Weiterbeschäftigung derart dringend angewiesen sein könnte, dass ihm ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens nicht zugemutet werden kann.

a. Das im Synallagma zur Beschäftigung stehende Vergütungsinteresse wird im Allgemeinen ausreichend durch § 615 BGB gesichert. Das wirtschaftliche Interesse an der Erzielung von Lohneinkünften kann keine Beschäftigungsverfügung rechtfertigen, weil ein entsprechender Weiterbeschäftigungstitel überhaupt keine Verurteilung zur Lohnzahlung enthielte und daher ungeeignet wäre, die wirtschaftliche Existenz des Arbeitnehmers zu sichern (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26. Juni 2019 – 2 SaGa 4/19 –, Rn. 16; Urteil vom 08. Mai 2018,- 8 SaGa 1/18- ; Urteil vom 14.April 2016, – 2 SaGa 3/16- ; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 20. April 2012 – 5 SaGa 1/12 – Rn. 17).

b. Dagegen, dass der Verfügungskläger aus ideellen Gründen oder wegen einer besonderen Notwendigkeit seiner tatsächlichen Erbringung der Arbeitsleistung im Hinblick auf sein berufliches Fortkommen auf den Beschäftigungstitel angewiesen wäre, spricht bereits, dass er nach nicht näher bestrittenem Vortrag der Beklagten seit zwei Jahren „on bench“ war, also keine Einsätze und damit keine Arbeitsleistungen verbrachte.

c. Schließlich benötigt der Kläger einen Beschäftigungstitel auch nicht deswegen dringend, weil seine Aufenthaltserlaubnis hiervon abhinge und ihm durch die Nichtbeschäftigung ein ansonsten gegebener Anspruch auf den Aufenthalt vereitelt würde. Die zuständige Behörde hat die Erteilung der Erlaubnis eindeutig von der Sicherung des Lebensunterhalts abhängig gemacht, nicht davon, ob der Kläger tatsächlich tätig wird oder nicht. Die Behörde sieht die Abhängigkeit vom Bestand des Arbeitsverhältnisses, nicht von der kurzen Phase zwischen Erlass einer einstweiligen Verfügung und der erstinstanzlichen Entscheidung über die Entfristungsklage. Dies bestätigt auch die weitere kurzfristige Verlängerung der Erlaubnis bis Ende November 2021, die gerade wegen des laufenden Entfristungsverfahrens erteilt wurde (und nicht wegen dieses einstweiligen Verfügungsverfahrens). Würde der Kläger für die kurze Zeitspanne zwischen einer obsiegenden Entscheidung in diesem Rechtsstreit und der erstinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache seine Beschäftigung durchsetzen, erhielte er zwar hierfür Vergütung, dies könnte aber für die Behörde wegen der zeitlichen Beschränkung und Abhängigkeit vom Entfristungsverfahren nicht maßgeblich sein. Daher ist nicht ersichtlich, weswegen der seit 2019 unbeschäftigte Kläger nunmehr dringend auf eine tatsächliche Beschäftigung – bei der Beklagten- angewiesen sein sollte.

Das Arbeitsgericht hat somit zu Recht den Antrag zurückgewiesen und die Berufung hatte keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 72 Abs. 4 ArbGG).

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Arbeitsrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Arbeitsrecht. Vom Arbeitsvertrag bis zur Kündigung. Nehmen Sie noch heute Kontakt zu uns auf.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Arbeitsrecht einfach erklärt

Weitere interessante arbeitsrechtliche Urteile

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!