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Weiterbeschäftigungsanspruch nach Kündigung während der Wartezeit nach § 1 KSchG

Eine schwerbehinderte Mitarbeiterin verliert ihren Job in der Probezeit – trotz Widerspruchs des Betriebsrats. Das Arbeitsgericht Hamburg entschied, dass der besondere Kündigungsschutz für Schwerbehinderte in den ersten sechs Monaten nicht greift und die Genossenschaft daher ohne Angabe von Gründen kündigen durfte. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die rechtlichen Grauzonen des Kündigungsschutzes in der Probezeit.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Arbeitsgericht Hamburg
  • Datum: 04.07.2024
  • Aktenzeichen: 29 Ca 110/24
  • Verfahrensart: Kündigungsschutzklage
  • Rechtsbereiche: Arbeitsrecht, Betriebsverfassungsrecht

Beteiligte Parteien:

  • Klägerin: Die Klägerin, eine schwerbehinderte kaufmännische Angestellte bei einer Wohnungsbaugenossenschaft, argumentiert, dass die Kündigung aufgrund fehlender sozialer Rechtfertigung unwirksam sei. Sie habe ihre Schwerbehinderung mitgeteilt, und die Beklagte habe von dieser Schwerbehinderung durch die Lohnsteuerfreibeträge Kenntnis haben müssen. Zudem beansprucht sie einen Weiterbeschäftigungsanspruch.
  • Beklagte: Eine Wohnungsbaugenossenschaft, vertritt die Auffassung, dass die Kündigung während der Probezeit wegen unzureichender Leistung gerechtfertigt ist. Sie streitet ab, vor der Kündigung Kenntnis von der Schwerbehinderung gehabt zu haben und lehnt den Weiterbeschäftigungsanspruch ab.

Um was ging es?

  • Sachverhalt: Die Klägerin, eine schwerbehinderte Person, wurde während der Probezeit von ihrer Arbeit als kaufmännische Angestellte gekündigt. Sie argumentiert, dass die Kündigung diskriminierend sei und verlangt Weiterbeschäftigung.
  • Kern des Rechtsstreits: Kann der Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 BetrVG geltend gemacht werden, obwohl das Arbeitsverhältnis noch in der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG liegt und somit nicht dem allgemeinen Kündigungsschutz unterfällt?

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Die Klage wurde abgewiesen. Die Kosten trägt die Klägerin.
  • Begründung: Das Kündigungsschutzgesetz ist nicht anwendbar, da die 6-monatige Wartezeit nicht abgelaufen war. Der betriebsverfassungsrechtliche Weiterbeschäftigungsanspruch aus § 102 Abs. 5 BetrVG scheidet aus, um Wertungswidersprüche zu vermeiden, da der Kündigungsschutz während der Wartezeit nicht greift.
  • Folgen: Die Klägerin trägt die Verfahrenskosten. Das Urteil klärt, dass § 102 Abs. 5 BetrVG während der Wartezeit nicht anzuwenden ist. Die Berufung ist bezüglich des Weiterbeschäftigungsantrags zugelassen.

Weiterbeschäftigungsanspruch: Rechte von Arbeitnehmern nach Kündigung klargestellt

Der Weiterbeschäftigungsanspruch ist ein zentraler Aspekt des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) und betrifft insbesondere die Rechte von Arbeitnehmern nach einer Kündigung. Während der Wartezeit, die in § 1 KSchG geregelt ist, genießen Arbeitnehmer besonderen Schutz. In dieser Zeit sind Arbeitgeber verpflichtet, bestimmte Kündigungsgründe nachweisen zu können, bevor sie ein Arbeitsverhältnis beenden können. Dieser rechtliche Rahmen sichert die sozialen Rechte der Mitarbeiter und fördert eine faire Behandlung während des oft belastenden Prozesses der Kündigung.

Für viele Beschäftigte stellt sich die Frage der Kündigungsfrist und der rechtlichen Ansprüche auf Weiterbeschäftigung. Der Betriebsrat kann hier eine wichtige Rolle spielen, um die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten. Die folgenden Ausführungen beleuchten einen konkreten Fall, in dem es um den Weiterbeschäftigungsanspruch nach einer Kündigung in der fraglichen Wartezeit geht.

Der Fall vor Gericht


Kein Weiterbeschäftigungsanspruch während der Probezeit trotz Betriebsratswiderspruch

Vorgesetzte übergibt Mitarbeiterin am Schreibtisch einen weißen Briefumschlag
Probezeitkündigung und Weiterbeschäftigungsanspruch (Symbolfoto: Flux gen.)

In einem wegweisenden Urteil hat das Arbeitsgericht Hamburg entschieden, dass der betriebsverfassungsrechtliche Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 BetrVG während der Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes keine Anwendung findet.

Streit um Probezeit-Kündigung einer schwerbehinderten Mitarbeiterin

Eine Wohnungsbaugenossenschaft hatte einer kaufmännischen Angestellten während der Probezeit gekündigt. Die zu 100 Prozent schwerbehinderte Mitarbeiterin war seit Oktober 2023 als qualifizierte Kundenberaterin beschäftigt. Die Arbeitgeberin begründete die Kündigung damit, dass sich die Einarbeitung zäh und mühsam gestalte und die Arbeitsleistung weit hinter den Erwartungen zurückbleibe.

Betriebsrat widersprach der Kündigung

Der Betriebsrat wurde am 28. Februar 2024 zur beabsichtigten Kündigung angehört. Erst während des laufenden Anhörungsverfahrens informierte die Mitarbeiterin über ihre Schwerbehinderung. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung und verwies auf eine freie Stelle als Allround-Sachbearbeiterin. Dennoch kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis zum 30. April 2024.

Gericht: Wertungswiderspruch zum Kündigungsschutzgesetz

Das Arbeitsgericht Hamburg wies die Klage der Mitarbeiterin ab. Die Kündigung sei wirksam, da das Kündigungsschutzgesetz während der sechsmonatigen Wartezeit keine Anwendung finde. In dieser Zeit könne der Arbeitgeber ohne Angabe von Gründen kündigen, solange die Kündigung nicht aus anderen Gründen unwirksam sei.

Der betriebsverfassungsrechtliche Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 BetrVG setze jedoch voraus, dass das Kündigungsschutzgesetz Anwendung finde. Das Gericht sah einen Wertungswiderspruch darin, dass der Betriebsrat aus Gründen widersprechen könne, die bei einer Wartezeitkündigung unerheblich seien. Die Widerspruchsgründe in § 102 Abs. 3 BetrVG seien den Gründen der Sozialwidrigkeit nach § 1 KSchG nachgebildet.

Historische Auslegung bestätigt Urteil

Das Gericht stützte seine Entscheidung auch auf die historische Auslegung des Gesetzes. Der Gesetzgeber habe bei der Neufassung des § 4 KSchG im Jahr 2004 nicht beabsichtigt, den Anwendungsbereich des betriebsverfassungsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruchs zu erweitern. Die Teleologische Reduktion stehe zudem im Einklang mit dem Schutzgedanken der Kleinbetriebsklausel.

Zustimmung des Integrationsamts nicht erforderlich

Die fehlende Zustimmung des Integrationsamts machte die Kündigung ebenfalls nicht unwirksam. Bei Arbeitsverhältnissen, die noch keine sechs Monate bestanden haben, ist diese nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX nicht erforderlich.


Die Schlüsselerkenntnisse


Das Arbeitsgericht Hamburg stärkt die Position von Arbeitgebern während der Probezeit. Der betriebsverfassungsrechtliche Weiterbeschäftigungsanspruch nach einem Betriebsratswiderspruch gilt nicht in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses. Dies gilt auch bei schwerbehinderten Beschäftigten, wenn deren Schwerbehinderung erst während des laufenden Kündigungsverfahrens mitgeteilt wird. Das Gericht beseitigt damit einen Wertungswiderspruch zwischen dem allgemeinen Kündigungsschutz und dem Betriebsverfassungsrecht.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie in der Probezeit gekündigt werden, haben Sie auch bei einer Schwerbehinderung keinen automatischen Anspruch auf Weiterbeschäftigung – selbst wenn der Betriebsrat der Kündigung widerspricht. In den ersten sechs Monaten können Sie sich nur auf grundlegende Schutzrechte wie das Diskriminierungsverbot berufen. Informieren Sie Ihren Arbeitgeber deshalb frühzeitig über eine Schwerbehinderung, am besten schon bei der Einstellung. Der besondere Kündigungsschutz für Schwerbehinderte gilt erst nach sechs Monaten Betriebszugehörigkeit. Eine Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung ist in der Probezeit nicht erforderlich.


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Häufig gestellte Fragen zum Thema

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Welche besonderen Kündigungsschutzrechte haben Arbeitnehmer während der Probezeit?

Während der Probezeit besteht kein allgemeiner Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Dies gilt für die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses.

Grundlegende Schutzrechte

Arbeitnehmer sind dennoch nicht völlig schutzlos. Eine Kündigung ist unwirksam, wenn sie treuwidrig oder sittenwidrig ist. Dies gilt beispielsweise bei diskriminierenden Kündigungen oder widersprüchlichem Verhalten des Arbeitgebers.

Besonderer Kündigungsschutz für bestimmte Personengruppen

Schwangere Arbeitnehmerinnen genießen auch während der Probezeit einen besonderen Kündigungsschutz nach § 17 MuSchG. Die Schwangerschaft muss dem Arbeitgeber innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt werden.

Betriebsratsrechte

In Betrieben mit Betriebsrat muss dieser vor jeder Kündigung angehört werden. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat zwar Kündigungsgründe nennen, es reicht jedoch ein einfaches Werturteil wie „die Weiterbeschäftigung liegt nicht im Interesse des Betriebs“.

Kündigungsfristen

Die gesetzliche Kündigungsfrist in der Probezeit beträgt zwei Wochen. Diese Frist gilt nur, wenn eine Probezeit ausdrücklich vereinbart wurde. Ohne vereinbarte Probezeit gilt die reguläre Kündigungsfrist von vier Wochen.

Krankheit während der Probezeit

Bei Krankheit während der Probezeit besteht Lohnfortzahlung erst nach vier Wochen Betriebszugehörigkeit. Die Probezeit verlängert sich nicht automatisch durch krankheitsbedingte Fehlzeiten.


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Was bedeutet die Wartezeit nach dem Kündigungsschutzgesetz?

Die Wartezeit nach dem Kündigungsschutzgesetz beträgt sechs Monate und beginnt mit dem ersten Arbeitstag des Beschäftigungsverhältnisses. Während dieser Zeit können Sie ohne Angabe von Gründen gekündigt werden, sofern die Kündigung nicht gegen ein gesetzliches Verbot verstößt oder sittenwidrig ist.

Bedeutung für Ihren Kündigungsschutz

In den ersten sechs Monaten Ihrer Beschäftigung gilt der Grundsatz der Kündigungsfreiheit. Der Arbeitgeber muss in diesem Zeitraum weder personen-, verhaltens- noch betriebsbedingte Gründe für eine Kündigung nachweisen. Diese Zeit dient dem Arbeitgeber dazu, sich ein Bild von Ihrer Leistung und Führung zu machen.

Berechnung der Wartezeit

Für die Wartezeit ist die rechtliche Dauer des Arbeitsverhältnisses maßgeblich, nicht die tatsächliche Beschäftigungszeit. Unterbrechungen durch Krankheit, Urlaub oder Streik haben keinen Einfluss auf den Lauf der Wartezeit. Die Wartezeit beginnt mit dem vertraglich vereinbarten Arbeitsbeginn, auch wenn Sie die Arbeit erst später aufnehmen.

Besonderheiten und Schutzrechte

Auch während der Wartezeit genießen Sie einen arbeitsrechtlichen Mindestschutz. Die Kündigung darf nicht:

  • diskriminierend sein
  • gegen das Maßregelungsverbot verstoßen
  • sittenwidrig sein
  • gegen Treu und Glauben verstoßen

Besondere Schutzvorschriften, wie etwa der Mutterschutz oder der Schutz schwerbehinderter Menschen, gelten unabhängig von der Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes.


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Welche Sonderregelungen gelten bei der Kündigung schwerbehinderter Menschen in der Probezeit?

Bei der Kündigung schwerbehinderter Menschen in der Probezeit gelten besondere rechtliche Bestimmungen, die sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer kennen sollten.

Grundlegende Regelungen

In den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses ist keine Zustimmung des Integrationsamts für eine Kündigung erforderlich. Der Arbeitgeber muss die Kündigung dem Integrationsamt jedoch innerhalb von vier Tagen anzeigen.

Präventionspflichten des Arbeitgebers

Auch während der Probezeit muss der Arbeitgeber bei auftretenden Schwierigkeiten ein Präventionsverfahren durchführen. Dies bedeutet:

  • Die Schwerbehindertenvertretung muss vor der Kündigung angehört werden
  • Alternative Beschäftigungsmöglichkeiten müssen geprüft werden
  • Mögliche Hilfen und Änderungen am Arbeitsplatz sind zu erörtern

Aktuelle Rechtsprechung

Nach der neueren EuGH-Rechtsprechung ist eine Kündigung in der Probezeit nicht ohne weiteres möglich. Der Arbeitgeber muss prüfen, ob der schwerbehinderte Mitarbeiter auf einem anderen, geeigneten Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann. Eine Kündigung ohne vorherige Präventionsmaßnahmen kann als Benachteiligung aufgrund der Schwerbehinderung gewertet werden.

Kündigungsfristen

Die regulären Kündigungsfristen der Probezeit gelten auch für schwerbehinderte Beschäftigte. Die sonst übliche Mindestkündigungsfrist von vier Wochen für schwerbehinderte Menschen findet in der Probezeit keine Anwendung.

Die Kündigung eines schwerbehinderten Beschäftigten kann auch in der Probezeit unwirksam sein, wenn der Arbeitgeber seine Präventionspflichten verletzt oder keine alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten geprüft hat.


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Ab wann besteht ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung nach einer Kündigung?

Der Weiterbeschäftigungsanspruch unterscheidet sich je nach betrieblicher Situation und Verfahrensstand im Kündigungsschutzprozess.

Betriebsverfassungsrechtlicher Weiterbeschäftigungsanspruch

Wenn in Ihrem Betrieb ein Betriebsrat existiert, können Sie einen Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 BetrVG geltend machen. Dieser greift, wenn der Betriebsrat der Kündigung form- und fristgerecht widersprochen hat. Sie müssen dann:

  • Die Weiterbeschäftigung noch innerhalb der Kündigungsfrist verlangen
  • Eine Kündigungsschutzklage erheben
  • Den Antrag auf Weiterbeschäftigung mit der Klage verbinden

Allgemeiner Weiterbeschäftigungsanspruch

Ohne Betriebsrat oder wenn dieser der Kündigung nicht widersprochen hat, gilt der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch. Dieser besteht in zwei Fällen:

Vor dem erstinstanzlichen Urteil, wenn:

  • Die Kündigung offensichtlich unwirksam ist
  • Oder Sie ohne Weiterbeschäftigung schwerwiegende, nicht hinnehmbare Nachteile erleiden würden

Nach dem erstinstanzlichen Urteil, wenn:

  • Das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage für begründet erklärt hat
  • Das Beschäftigungsinteresse das Beendigungsinteresse des Arbeitgebers überwiegt

Ausnahmen und Einschränkungen

Der Arbeitgeber kann sich von der Weiterbeschäftigungspflicht befreien lassen, wenn:

  • Die Kündigungsschutzklage aussichtslos erscheint
  • Die Weiterbeschäftigung zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung führen würde
  • Der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war

Während der Weiterbeschäftigung haben Sie dieselben Rechte und Pflichten wie in einem normalen Arbeitsverhältnis. Der Anspruch besteht bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens.


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Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar - Fachbegriffe aus dem Arbeitsrecht

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Weiterbeschäftigungsanspruch

Ein gesetzlich verankertes Recht des Arbeitnehmers, nach einer Kündigung vorläufig weiterbeschäftigt zu werden, bis über die Wirksamkeit der Kündigung rechtskräftig entschieden ist. Dieser Anspruch ist besonders relevant, wenn der Betriebsrat der Kündigung widersprochen hat (§ 102 Abs. 5 BetrVG). Im Normalfall muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer dann zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Beispiel: Ein gekündigter Mitarbeiter klagt gegen seine Kündigung und der Betriebsrat hat der Kündigung widersprochen – dann muss er bis zum Urteil weiterbeschäftigt werden.


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Wartezeit

Die ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses, in denen der allgemeine Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz noch nicht gilt (§ 1 KSchG). Während dieser Zeit kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ohne Angabe von Gründen kündigen, sofern die Kündigung nicht gegen andere gesetzliche Vorschriften verstößt. Die Wartezeit dient der Erprobung des Arbeitsverhältnisses. Beispiel: Eine Mitarbeiterin wird nach 4 Monaten ohne Angabe von Gründen gekündigt – dies ist während der Wartezeit grundsätzlich möglich.


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Wertungswiderspruch

Ein juristischer Fachbegriff, der einen inhaltlichen Konflikt zwischen verschiedenen Rechtsnormen oder deren Auslegung beschreibt. Er liegt vor, wenn die Anwendung einer Rechtsnorm zu einem Ergebnis führt, das mit den Wertungen einer anderen Norm nicht vereinbar ist. Dabei geht es um die innere Stimmigkeit der Rechtsordnung. Beispiel: Wenn der Betriebsrat einer Kündigung aus Gründen widersprechen könnte, die während der Wartezeit gar keine Rolle spielen dürfen, läge ein Wertungswiderspruch vor.


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Teleologische Reduktion

Eine juristische Auslegungsmethode, bei der der Anwendungsbereich einer Vorschrift eingeschränkt wird, wenn ihre wörtliche Anwendung über ihren eigentlichen Zweck hinausgehen würde. Diese Methode wird angewandt, wenn der Gesetzestext zu weit gefasst ist und zu Ergebnissen führen würde, die dem Sinn und Zweck der Norm widersprechen. Der Begriff leitet sich aus dem griechischen „telos“ (Zweck) ab. Beispiel: Eine Vorschrift wird nicht angewendet, obwohl sie dem Wortlaut nach einschlägig wäre, weil dies dem Gesetzeszweck widerspräche.


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Integrationsamtes

Eine Behörde, die für den Schutz schwerbehinderter Menschen im Arbeitsleben zuständig ist. Ihre Zustimmung ist normalerweise für die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers erforderlich (§ 168 SGB IX). Das Amt prüft, ob die Kündigung mit den Schutzrechten schwerbehinderter Menschen vereinbar ist. Eine Kündigung ohne erforderliche Zustimmung ist unwirksam. Beispiel: Ein Arbeitgeber möchte einem schwerbehinderten Mitarbeiter nach 2 Jahren kündigen – dafür braucht er die vorherige Zustimmung des Integrationsamtes.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 1 Abs. 1 KSchG: Das Kündigungsschutzgesetz regelt die Voraussetzungen, unter denen eine Kündigung in Deutschland sozial gerechtfertigt ist. Es stellt sicher, dass Arbeitnehmer nicht willkürlich entlassen werden, indem es einen allgemeinen Kündigungsschutz bietet, der vor allem für Arbeitnehmer gilt, die länger als sechs Monate im Unternehmen beschäftigt sind. Im vorliegenden Fall ist die Klägerin erst seit Oktober 2023 bei der Beklagten tätig, was bedeutet, dass sie während der Probezeit keinen umfassenden Kündigungsschutz genießt und ihre Kündigung daher ohne rechtliche Folgen bleibt.
  • § 102 Abs. 3 BetrVG: Dieser Paragraph behandelt die Mitbestimmung des Betriebsrats beiigungen von Arbeitnehmern. Der Betriebsrat hat das Recht, vor der Kündigung angehört zu werden, und kann Einwände erheben, die der Arbeitgeber berücksichtigen muss. Im konkreten Fall hat der Betriebsrat Widerspruch gegen die Kündigung eingelegt und auf eine freie Stelle innerhalb des Unternehmens hingewiesen, was auf die Bedeutung der Mitbestimmung hinweist, jedoch nicht ausreichend war, um die Kündigung zu verhindern.
  • § 102 Abs. 5 Betr: Hierbei handelt es sich um die Regelung zum Weiterbeschäftigungsanspruch von Arbeitnehmern während eines Kündigungsschutzprozesses. Allerdings wird dieser Anspruch nur relevant, wenn der allgemeine Kündigungsschutz greift. In diesem Fall war die Klägerin während der Probezeit und der Kündigungsschutz war nicht anwendbar, somit fand der Weiterbeschäftigungsans keine Anwendung.
  • § 173 SGB IX: Diese Vorschrift regelt die Beteiligung des Integrationsamtes bei der Kündigung von schwerbehinderten Menschen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, das Integrationsamt vor der Kündigung über die Absicht zu informieren, um sicherzustellen, dass die Rechte der schwerbehinderten Arbeitnehmer gewahrt bleiben. Im vorliegenden Fall zeigte die Beklagte dem Integrationsamt die Kündigung an, was die korrekte rechtliche Vorgehensweise darstellt, auch wenn die Kündigung im Rahmen der Probezeit rechtlich zulässig war.
  • § 164 SGB IX: Dieser Paragraph beschreibt die allgemeinen Rechte von schwerbehinderten Menschen im Arbeitsleben, einschließlich der Pflicht des Arbeitgebers zur Berücksichtigung der Behinderung bei der Kündigung und der obligation zur Schaffung von Arbeitsbedingungen, die für schwerbehinderte Arbeitnehmer geeignet sind. Im Kontext des Falls hat die Beklagte jedoch die Schwerbehinderung der Klägerin erst nach der Kündigungsankündigung zur Kenntnis genommen und argumentierte, dass dies die Leistungsbewertung nicht ändere, was die Herausforderung der Berücksichtigung der Schwerbehinderung im Kündigungsprozess verdeutlicht.

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    Dieser Artikel erläutert die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Kündigungen während der Probezeit, insbesondere die Kündigungsfrist von zwei Wochen ab Zugang der Kündigung. Es wird betont, dass die Kündigung schriftlich erfolgen muss und alternative Kommunikationswege wie E-Mail oder SMS nicht zulässig sind. Zudem wird auf die Bedeutung der korrekten Formulierung und Durchführung einer Probezeitkündigung hingewiesen, um rechtliche Fallstricke zu vermeiden. → → Rechtliche Vorgaben zur Kündigung während der Probezeit
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Das vorliegende Urteil

ArbG Hamburg – Az.: 29 Ca 110/24 – Urteil vom 04.07.2024


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