Skip to content

Wiedergehende Arbeitsunfähigkeit – Mitteilungspflicht des Arbeitnehmers bei Arbeitgeber

Landesarbeitsgericht Thüringen – Az.: 4 Sa 97/17 – Urteil vom 16.08.2018

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil Arbeitsgerichts Erfurt vom 14.12.2016 (3 Ca 1362/16) wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung und den Anspruch der Klägerin auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte.

Die am 1986 geborene Klägerin war bei der Beklagten seit dem 01.02.2014 als Produktionsmitarbeiterin im 3-Schichtbetrieb beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis lag ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 20.1.2014 (Bl. 11 – 14 d. A.) zugrunde. Darüber hinaus gibt es bei der Beklagten eine Arbeitsordnung vom 01.03.2009 (Bl. 135 – 170 d. A.) und eine Betriebsvereinbarung vom 29.10.2015 (Bl. 102 d. A.) in denen Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer u.a. bei Arbeitsverhinderung geregelt sind. Bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden betrug ihr Verdienst monatlich 2.050,29 € brutto. Vom 28.09.2015 bis zum 21.10.2015 war die Klägerin arbeitsunfähig krank. Am 18.10.2015 war die Klägerin zum Arbeitseinsatz in der Nachtschicht (21:50 Uhr bis 06:00 Uhr) eingeplant. Zu dieser Nachtschicht erschien die Klägerin nicht.

Unter dem 23.10.2015 erhielt die Klägerin eine Abmahnung (Bl. 21 d. A.) mit der ihr vorgeworfen wurde, am 18.10.2015 ihre Nachtschicht nicht angetreten zu haben, ohne die Beklagte über ihre Verhinderung zu informieren und die Beklagte über ihre Arbeitsunfähigkeit erst am 19.10.2015 unterrichtet zu haben.

Am 09.11.2015 und 10.11.2015 blieb die Klägerin erneut den ihr zugewiesenen Schichten (Frühschichten von 05:50 Uhr bis 14:00Uhr) fern.

Im Weiteren hörte die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 11.11.2015 (Bl. 60 – 64 d. A.) zur beabsichtigten ordentliche Kündigung der Klägerin an und kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin im Weitern mit Schreiben vom 17.11.2015 (Bl. 22 d. A.) ordentlich zum 31.12.2015.

Mit der am 25.11.2015 beim Arbeitsgericht Erfurt eingegangenen Klage wandte sich die Klägerin sowohl gegen diese Kündigung, als auch gegen die Abmahnung vom 23.10.2015.

Die Klägerin begründete ihre Klage erstinstanzlich damit, dass die Abmahnung ungerechtfertigt sei. Am 18.10.2015 habe sie ihre Teamleiterin nicht persönlich über Ihre Erkrankung informiert, da diese nicht zugegen gewesen sei. Vielmehr habe sie am 18.10.2015 gegen 22 Uhr ihre Kollegin ….. in Kenntnis gesetzt, dass sie nicht zum Dienst erscheinen könne, und sich so bei der Beklagten vorschriftsmäßig abgemeldet. Am 09.11.2015 sowie am 10.11.2015 habe sie sich vorschriftsmäßig bei ihrer Teamleiterin abgemeldet. Sie habe die Teamleiterin gegen 06:05 Uhr angerufen und mitgeteilt, dass sie aufgrund von Schlafstörungen, welche mit dem ständigen Schichtdienst einhergehen, nicht zum Dienst erscheinen könne und deshalb jeweils einen Tag Urlaub benötige. Insoweit habe sich unverzüglich abgemeldet und nicht vertragswidrig verhalten. Aus diesen Gründen sei auch die Kündigung nicht rechtswirksam. Es fehle an einer Abmahnung. Die Klägerin bestreitet erstinstanzlich auch die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates zur Kündigung.

Die Beklagte hielt erstinstanzlich sowohl die Kündigung, als auch die Abmahnung für gerechtfertigt. Die Klägerin habe wiederholt gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten zum pünktlichen Arbeitsantritt und rechtzeitigen Anzeige einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit verstoßen. Die Klägerin sei verpflichtet gewesen, jede Dienstverhinderung unverzüglich anzuzeigen. Dies sei Voraussetzung für einen ungestörten und ordnungsgemäßen Betriebsablauf bei der Beklagten. Die Abmahnung vom 23.10.2015 enthalte keine unrichtige Tatsachenbehauptung. Die Klägerin habe ihre krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit am 18.10.2015 nicht angezeigt. Trotz der Abmahnung sei es dann im Weiteren am 09.11.2015 dazugekommen, dass die Klägerin erst 15 Minuten nach Schichtbeginn ihre Teamleiterin angerufen habe mit dem Hinweis, dass sie die Nacht nicht geschlafen habe und deshalb um einen Tag Urlaub bitte. Auch am nächsten Tag habe die Klägerin wiederum verspätet gegen 06:05 Uhr bei der Teamleiterin angerufen und mitgeteilt, sie könne nicht kommen, weil sie wieder die ganze Nacht nicht geschlafen habe. Damit habe sich die Klägerin mehrfach vertragswidrig verhalten und den Betriebsablauf nachhaltig gestört. Dies zeige deutlich, dass die Klägerin nicht willens sei, die Vorgaben zur Einhaltung der Arbeitszeit einzuhalten. Die Beklagte habe sich dann zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses entschlossen. Einer weitergehenden Abmahnung habe es nicht bedurft, da die Klägerin bereits aus der Abmahnung ohne weiteres habe erkennen können, dass ihr Verhalten nicht gebilligt werde. Im Rahmen der vorgenommenen Interessenabwägung habe man gegenüber dem Beendigungsinteresse bei der Klägerin berücksichtigt, dass die Klägerin nur eine kurze Betriebszugehörigkeit aufweise und weder Unterhaltsverpflichtungen unterliege, noch schwer behindert sei. Den Betriebsrat habe man mit Schreiben vom 11.11.2015 ordnungsgemäß angehört. Ihm seien die Gründe mitgeteilt worden, auf die man die Kündigung habe stützen wollen.

Von der weitergehenden Darstellung des Tatbestandes und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 14.12.2016 abgewiesen und seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die Abmahnung vom 23.10.2015 gerechtfertigt sei. Die Klägerin habe am 18.10.2015 der Beklagten nicht unverzüglich mitgeteilt, dass sie ihre Schicht nicht antreten werde. Unverzüglich bedeutet in diesem Zusammenhang, dass eine Mitteilung an den Arbeitgeber unmittelbar nach Eintritt des Hinderungsgrundes zu erfolgen habe. Auch am 09.11.2015 und am 10.11.2015 habe die Klägerin ihr Ausbleiben nicht rechtzeitig mitgeteilt. Unter Beachtung einer Anfahrzeit von ca. 30 min. vom Wohnort bis zu ihrem Arbeitsplatz hätte die Meldung, dass sie aufgrund Schlafausfalls nicht zur Schicht erscheinen könne, deutlich vor Schichtbeginn erfolgen müssen. Diese erneuten Verstöße gegen die vertragliche Nebenpflicht zur unverzüglichen Anzeige der Arbeitsunfähigkeit und deren Fortdauer, rechtfertige eine ordentliche Kündigung jedenfalls in den Fällen, in denen wie vorliegend eine erfolglose Abmahnung vorausging. Aus dem Verhalten der Klägerin folge auch eine die Zukunft gerichtete Prognose, dass auch zukünftig mit weiteren derartigen Vertragsverletzung zu rechnen ist. Blick auf die sich aus der nicht rechtzeitigen Mitteilung ergebenden betrieblichen Ablaufstörungen durch notwendige Umorganisation bis hin zum Produktionsausfall sei es der Beklagten daher nicht mehr zumutbar gewesen das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Schließlich sei auch die Betriebsratsanhörung, welche die Beklagte mit Schreiben vom 11.11.2015 vorgenommen habe nicht zu beanstanden, so dass die Kündigung sozial gerechtfertigt sei. Auf die die weitergehenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen (Bl. 236 ff. d. A.) wird Bezug genommen.

Die Klägerin hat gegen dieses Urteil, welches ihr am 03.01.2017 zugestellte wurde, am 09.03.2017 Berufung mit Begründung beim Thüringer Landesarbeitsgericht eingelegt. Zuvor hatte die Klägerin mit Schriftsatz vom 02.02.2017, der am 02.02.2017 beim Thüringer Landesarbeitsgericht einging, unter Beifügung eines unterschriebenen Entwurfs der Berufung und Berufungsbegründung, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Mit Beschluss des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 02.03.2017, der der Klägerin am 06.03.2017 zuging, wurde der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt. Auf den gerichtlichen Hinweis vom 16.03.2017, dass der Berufung kein Wiedereinsetzungsantrag beigefügt war, beantragte die Klägerin mit Schriftsatz vom 24.03.2017, der am gleichen Tage per Telefax beim Thüringer Landesarbeitsgericht einging, die Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist und vorsorglich Wiedereinsetzung in die versäumte Wiedereinsetzungsfrist. Mit Beschluss vom 21.06.2017 (Bl. 295 d. A.) wurde der Klägerin die Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist gewährt.

Die Klägerin vertritt in der Berufung weiterhin die Auffassung, dass die Abmahnung vom 23.10.2015 nicht gerechtfertigt sei, so dass es für die Kündigung vom 17.11.2015 an einer wirksamen vorhergehenden Abmahnung fehle. Die Klägerin verweist auf ihrer Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum vom 28.09.2015 bis 21.10.2015 und darauf, dass sie ihre Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig nachgewiesen habe. Die Klägerin nimmt Bezug auf § 7 1.2 des Arbeitsvertrages. Hiernach habe der der Arbeitnehmer im Falle der Erkrankung, die länger als drei Kalendertage andauere, eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens am darauf folgenden Arbeitstag vorzulegen. Mit der 3. Folgebescheinigung vom 19.10.2015 sei ihre Arbeitsunfähigkeit bis zum 31.10.2015 festgestellt worden, so dass sie sich völlig ordnungsgemäß verhalten habe. Eine Verpflichtung ihre Arbeitsunfähigkeit unverzüglich am 18.10.2015 anzuzeigen, könne auch nicht auf die Arbeitsordnung vom 01.03.2009 gestützt werden. Ihr Arbeitsverhältnis falle nicht unter den räumlichen Geltungsbereich der Arbeitsordnung. Auch auf § 5 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz könne eine Pflichtverletzung nicht gestützt werden. Des Weiteren sei bei der Beurteilung, ob die Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht des Arbeitnehmers zur Kündigung führen könne, nach der Rechtsprechung auch zu berücksichtigen, ob es über die Nichterfüllung der vertraglichen Nebenpflicht auch zu nachteiligen Auswirkungen im Bereich des Arbeitgebers gekommen sei. Zu konkreten Störungen des Arbeitsablaufs, der Arbeitsorganisation oder des Betriebsfriedens habe die Beklagte nicht vorgetragen. Sie habe den Eintritt der Folgeerkrankung gegenüber der Beklagten auch unverzüglich am 18.10.2015 angezeigt. So habe Sie sich am 18.10.2015 gegen ca. 22:00 Uhr vorschriftsmäßig abgemeldet, indem sie die Mitarbeiterin ….. davon in Kenntnis gesetzt habe, dass sie nicht zum Dienst erscheinen könne, da sie arbeitsunfähig krank sei und zum Arzt gehe. Ihre Teamleiterin, ……sei zu diesem Zeitpunkt nicht anwesend gewesen. Ihre Teamleiterin sei jedoch von der Mitarbeiterin …. über ihr Ausbleiben informiert worden. Dies könne die Zeugin ….. bestätigen. Auf die weitergehenden Ausführungen im Schriftsatz vom7.3.2017 (Bl. 247 ff. der Akte) wird Bezug genommen. Es liege für die Kündigung jedenfalls keine einschlägige Abmahnung vor. Mit der Abmahnung vom 23.10.2015 sei die nicht rechtzeitige Anzeige einer Arbeitsunfähigkeit gerügt worden, der Kündigung läge jedoch ein anderer Sachverhalt zugrunde. Auf die weitergehenden Ausführungen im Schriftsatz vom 2.7.2018 (Bl. 328 ff. der Akte) wird Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 17.11.2015, der Klägerin zugegangen am 17.11.2015, nicht aufgelöst worden ist, und die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 23.10.2015, der Klägerin zugegangen am 30.10.2015, aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.

Die Beklagte beantragt in der Berufung, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts und verweist darauf, dass die Klägerin sich am 18.10.2015 nicht rechtzeitig arbeitsunfähig gemeldet habe. Sie wiederholt den Vortrag, dass sich die Klägerin erst am Vormittag des 19.10.2015 bei der Beklagten gemeldet und ihre Erkrankung mitgeteilt habe. Die der Klägerin erteilte Abmahnung sei daher berechtigt gewesen. Die Kündigung sei auch sozial gerechtfertigt. Ein Kündigungsgrund liege in der Verletzung arbeitsvertraglicher Haupt, Nebenpflichten durch die Klägerin. Die Beklagte verweist auf § 7 Ziffer 1.2 des Arbeitsvertrages, der zusätzlich zu der unverzüglichen Anzeigepflicht festlege, dass ein Arbeitnehmer immer auch eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen habe. Letztlich liege im Verhalten der Klägerin Verstoß gegen § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz. Nach dieser Vorschrift sei der Arbeitnehmer verpflichtet seine Arbeitsunfähigkeit unverzüglich anzuzeigen. Dies gelte insbesondere in dem Fall, dass die Arbeitsunfähigkeit über einen zunächst angegebenen Termin hinaus fortbestehe. Im Rahmen der Interessenabwägung verweist die Beklagte darauf, dass die Klägerin wiederholt ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt habe und dies trotz der erst kurz zuvor erteilten Abmahnung. Im Übrigen nimmt die Beklagte Bezug auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Auf die weitergehenden Ausführungen im Schriftsatz vom 19.4.2017 (Bl. 277 ff. d. A.) wird Bezug genommen.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Berufungskammer hat Beweis erhoben auf der Grundlage des Beweisbeschlusses vom 07.6.2018 (Bl. 320 d. A.) über die Behauptung der Klägerin, dass die Mitarbeiterin der Beklagten, ….., bereits am 18.10.2015 darüber informiert worden sei, dass die Klägerin nicht zur Nachtschicht erscheinen kann bzw. gegenbeweislich über die Behauptung der Beklagten eine Information sei erst am 19.10.2015 erfolgt, durch Vernehmung der Zeugin ……Für das Beweisergebnis wird auf die Vernehmungsniederschrift vom 16.8.2018 (Bl. 339 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die gem. § 64 Abs. 2 c ArbGG statthafte Berufung wurde, unter Berücksichtigung der mit Beschluss vom 21.06.2017 gewährten Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist, form- und fristgerecht von der Klägerin eingelegt und ist damit zulässig.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Abmahnung vom 23.10.2015 nicht zu beanstanden und damit rechtswirksam erteilt wurde und dass die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 17.11.2015 sozial gerechtfertigt ist und damit das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 31.12.2015 aufgelöst hat.

Auf die zutreffende und überzeugende Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung, der die Kammer folgt, kann zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Darüber hinaus gibt die Berufung des Beklagten Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen zur Abmahnung und Kündigung.

1. Gegenstand der Abmahnung war der zwischen den Parteien streitige Umstand eines krankheitsbedingten Ausbleibens der Klägerin zur Nachtschicht am 18.10.2015, ohne die Beklagte hierüber noch am 18.10.2015 zu Schichtbeginn zu unterrichten. Bei einer krankheitsbedingten Verhinderung an der Erbringung der vertraglichen Arbeitsleistung besteht bereits aus § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG eine gesetzliche Verpflichtung des Arbeitnehmers die Verhinderung unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) dem Arbeitgeber mitzuteilen. Hiervon zu unterscheiden ist die ebenfalls in § 5 Abs. 1 EFZG geregelte Nachweispflicht des Arbeitnehmers durch Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die erst zeitlich später einsetzt. Für die Mitteilungspflicht kommt es aufgrund der gesetzliche Regelung auf die Frage, ob entsprechende Regelungen auch über eine Arbeitsordnung oder eine Betriebsvereinbarung für das Arbeitsverhältnis der Klägerin gelten, nicht entscheidungserheblich an.

Nach der Beweisaufnahme steht für die Kammer fest, dass die Klägerin ihrer Mitteilungspflicht nicht nachgekommen ist und dadurch ihre Mitteilungspflicht verletzt hat. Die Zeugin hat die Behauptung der Klägerin, sie habe bereits am 18.05.2015 über ihr Ausbleiben zur Nachtschicht informiert, nicht bestätigt. Sie hat im Gegenteil bekundet, dass sie keine Information von der Klägerin vor Schichtbeginn erhalten habe und die Schicht am 18.10.2015 ohne die Klägerin lief. Die Aussagen der Zeugin zur Nachtschicht am 18.10.2015 waren für die Kammer auch glaubhaft. Bei der Zeugin handelt es sich um die Schichtleiterin die die für ca. 10 zur Schicht gehörende Personen, zu denen auch die Klägerin gehörte, verantwortlich war. Sie konnte die einzelnen Abläufe wie in der Abteilung durch einen Anruf auf das Betriebstelefon über eine Verhinderung zu informieren ist genau wiedergeben und schilderte hierzu widerspruchsfrei, dass bei Ausbleiben eines Mitarbeiters zusätzlich herumgefragt wurde, ob jemand etwas über den Verbleib sagen könne. Informationen über den Verbleib der Klägerin am 18.10.2015 habe es nicht gegeben. Die Information, dass die Klägerin krank sei habe sie erst am 19.10.2015 nach Schichtende von ihrer Vorgesetzen erhalten.

Die Mitteilungspflicht wurde auch nicht dadurch aufgehoben, dass die Klägerin vor dem 18.10.2015 krank war. Da der Beklagten für den 18.10.2015 keine anderslautende Mitteilung vorlag konnte sie die Klägerin für die Nachtschicht einplanen. Einer ausdrücklichen Gesundmeldung der Klägerin hätte es hierzu nicht bedurft. Erkennt ein Arbeitnehmer, dass er über einen zunächst mitgeteilten Zeitraum hinaus arbeitsunfähig krank ist, löst dies eine erneute Mitteilungspflicht aus. Die Klägerin hätte also über ihre Ausbleiben am 18.10.2015 telefonisch ab dem Zeitpunkt, ab dem sie erkannte, dass sie weiter krank ist, informieren müssen. Eine Information der Beklagten erst am 19.10.2015 ist nicht mehr unverzüglich, jedenfalls dann nicht, wenn wie vorliegend keine konkreten Hinderungsgründe von der Klägerin vorgebracht wurden. Diese Pflichtverletzung konnte die Beklagte daher mit der streitgegenständlichen Abmahnung rügen.

2. Im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes, der im vorliegenden Streitfall unstreitig eröffnet ist (§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG) bedarf eine ordentliche Arbeitgeberkündigung der sozialen Rechtfertigung (§ 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG).

Soweit die Beklagte die Kündigung darauf stützt, dass die Klägerin am 9.11. und 10.11.2015 nicht zur Frühschicht erschien und erst 15 Minuten nach Schichtbeginn mitgeteilt hat, dass sie nicht zur Schicht kommen könne, liegt in diesem Verhalten ein Verstoß gegen eine die Klägerin betreffende Nebenpflicht eine Arbeitsverhinderung unverzüglich mitzuteilen. Dabei kann zu Gunsten der Klägern davon ausgegangen werden, dass es sich bei ihrer Aussage, sie könne aufgrund von Schlafstörungen nicht zur Schicht erscheinen, um eine Krankmeldung gehandelt hat, auch wenn dies mit der gleichzeitigen Bitte um Urlaub nur schwer zu vereinbaren ist, denn ansonsten wäre von einem unentschuldigten Fehlen der Klägern an diesen Tagen auszugehen und damit von einer über die Verletzung einer Nebenpflicht hinausgehenden Verletzung der Hauptleistungspflichten.

Eine wiederholte Verletzung der Nebenpflicht zur unverzüglichen Mitteilung einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit kann den Arbeitgeber, jedenfalls dann, wenn die Pflichtverletzung zuvor erfolglos abgemahnt wurde, zur ordentlichen Kündigung berechtigen. Dies hat das erstinstanzliche Urteil zutreffend berücksichtigt.

Durch das Erfordernis einer Abmahnung bei Pflichtverletzungen, die auf einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers beruhen, soll eine positive Beeinflussung des zukünftigen Verhaltens des Arbeitnehmers bereits durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses herbeigeführt werden, um eine Kündigung zu vermeiden. Die Abmahnung ist dabei zugleich Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und stellt das mildere Mittel zur Beseitigung der Vertragsstörung dar. Hieraus folgt, dass die Abmahnung Pflichtverletzungen zum Gegenstand haben muss, die der späteren Kündigung zugrunde liegen, denn nur eine erfolglose einschlägige Abmahnung eröffnet die Annahme zukünftiger weiterer Vertragsstörungen, die zur Beendigung des Vertragsverhältnisses berechtigen. Entgegen der Annahme der Klägerin handelt es sich bei der Abmahnung vom 21.10.2015 um eine einschlägige Abmahnung, denn es genügt, dass ein gleichartiger Pflichtenkreis die Vertragsverletzungen umfasst. Vorliegend geht es in allen Fällen und die rechtzeitige Mitteilung einer Arbeitsverhinderung durch die Klägerin, so dass die weiteren Pflichtverletzungen am 9.11. und 10.11.2015 die Beklagte grundsätzlich zur Kündigung berechtigen. Hinsichtlich der Prognose, dass für die Klägerin aufgrund ihres gezeigten Verhaltens auch in Zukunft mit gleichartigen Pflichtverletzungen zu rechnen ist und zur Interessenabwägung zu Lasten der Klägerin, wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

Im Ergebnis blieb der Berufung daher der Erfolg versagt.

II.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Arbeitsrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Arbeitsrecht. Vom Arbeitsvertrag bis zur Kündigung. Nehmen Sie noch heute Kontakt zu uns auf.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Arbeitsrecht einfach erklärt

Weitere interessante arbeitsrechtliche Urteile

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!