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Wirksamkeit arbeitsrechtlicher Weisung zum Umzug in Großraumbüro

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 7 Sa 380/19 – Urteil vom 13.05.2020

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 3. September 2019, Az.: 3 Ca 281/19, wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über die Wirksamkeit einer Weisung vom 11. Juli 2018, die vorsieht, dass der Kläger seinen Arbeitsplatz in einem Einzelbüro zu räumen und in ein Großraumbüro umzuziehen hat.

Der 1970 geborene Kläger ist seit dem 1. März 2001 bei den US Stationierungsstreitkräften für die American Forces Network – Europe als Elektrotechniker für den Rundfunk der US Stationierungsstreitkräfte aufgrund eines Arbeitsvertrags vom 20. Februar 2001 (Bl. 3 d. A.) beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TV AL II Anwendung. Das monatliche Grundgehalt des Klägers beträgt 4.763,46 € brutto entsprechend der Gehaltsgruppe C7/E bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden.

In der Abteilung AFN Europe Tech Services Maintenance Shop befinden sich Arbeitsplätze im Tech Services Shop („Großraumbüro“) sowie in insgesamt zehn Einzelbüros, die einzelnen Mitarbeitern explizit zugewiesen sind. Im Tech Services Shop befinden sich fünf Werkbänke sowie zwölf weitere Arbeitstische. In seiner Funktion als Elektrotechniker gehört es zur Hauptaufgabe des Klägers, die AFN-Übertragungen mit technischen Arbeiten und Wartungsarbeiten zu unterstützen. Diese Unterstützung erfolgt sowohl vor Ort in den einzelnen Übertragungsstudios, an der Werkbank – einschließlich telefonischer Begleitung oder durch Fernwartung – sowie im Freien.

In der Dienststelle des Klägers ist eine aus einem Mitglied bestehende Betriebsvertretung errichtet. Der Kläger war in den Jahren 2014 bis einschließlich 2018 Betriebsvertretungsmitglied. In dieser Zeit war ihm ein Einzelbüro zugeteilt. Im Mai 2018 wurde der Kläger für den darauffolgenden Zeitraum nicht wiedergewählt. Dem nunmehr gewählten Betriebsvertretungsmitglied Y. wurde nunmehr ein Büro für Betriebsvertretungstätigkeiten zugeteilt.

Mit E-Mail vom 11. Juli 2018 (Bl. 25 d. A.) wurde dem Kläger die Weisung erteilt, sein Büro zu räumen und in ein Großraumbüro umzuziehen („You will need to relocate from the office that you currently occupy to one of the desks in the tech shop“).

Der Kläger informierte die US Stationierungsstreitkräfte über gesundheitliche Einschränkungen, weswegen diese ein betriebliches Eingliederungsmanagement einleiteten und durchführten. Der Kläger legte eine ärztliche Bescheinigung der ihn behandelnden Ärztin Dr. B. vom 13. Juli 2018 vor. Ausweislich dieses Attestes wurde „im Namen“ des Klägers aus ärztlicher Sicht dringend darum gebeten, den Kläger nicht in ein Großraumbüro/Werkstatt zu versetzen.

An 29. Oktober 2018 wurde der Kläger arbeitsmedizinisch untersucht. In dem Schreiben der X GmbH, Frau Dr. P. T. vom 5. November 2018 (Bl. 26 d. A.) heißt es auszugsweise:

„Herr A. kann seine Tätigkeit als Elektrotechniker unter Berücksichtigung folgender Einschränkung ausüben:

– Büroraum mit max. zwei Beschäftigten, kein Großraumbüro/Werkstatt

Diese Maßnahme dient zum Erhalt seiner Arbeitskraft und zur Reduzierung der daraus folgenden Krankheitstagen.“

Der Kläger wurde mit Schreiben vom 11. Dezember 2018, 9. Januar 2019 und zwei Schreiben vom 8. Januar 2019 abgemahnt.

Der Kläger war – soweit im Berufungsverfahren noch von Bedeutung – der Ansicht, die Weisung der US Stationierungsstreitkräfte, sein Büro zu räumen und in ein Großraumbüro umzuziehen, sei unwirksam, jedenfalls unbillig. Bei der Ausübung des Weisungsrechts müsse der Arbeitgeber auf die Interessen des Arbeitnehmers im Sinn von § 241 Abs. 2 BGB Rücksicht nehmen und in diesem Fall eine Neuausübung des Weisungsrechts zur Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes vornehmen.

Der Kläger hat vorgetragen, die Werkbänke seien nur an zwei Steckdosen angeschlossen, hätten jedoch keine Netzwerkanbindung und keine sonstigen Verbindungen. Jedoch verfüge jedes Büro über vier bis acht Netzwerkanschlussmöglichkeiten und auch über ein bis zwei Satellitenanschlüsse. Die Werkbänke seien mit einer Größe von ca. 1 x 2 m nicht viel größer als die L-Tische im Büro (Schenkelmaße ca. 1,65 m x 1,65 m). Er habe auch nie darum gebeten, die technischen Aufgaben im Büro zu verrichten. Das Büro, das ihm vier Jahre bis zur streitgegenständlichen Weisung zugewiesen worden sei, sei kein Betriebsvertretungsbüro gewesen. Er habe dort und von dort aus seine arbeitsvertraglichen Arbeiten erledigt.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, die ihm mit Schreiben vom 11. Dezember 2018 erteilte Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen;

2. die Beklagte zu verurteilen, die ihm mit Schreiben vom 9. Januar 2019 erteilte Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen;

3. die ihm mit Schreiben vom 8. Januar 2019 erteilte Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen;

4. die Beklagte zu verurteilen, die ihm mit Schreiben vom 8. Januar 2019 erteilte Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen;

5. festzustellen, dass die ihm gegenüber ausgesprochene Weisung vom 11. Juli 2018 unwirksam ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, da dem neuen Betriebsvertretungsmitglied ein Büro habe zugeteilt werden müssen, habe der Kläger „sein“ Büro verlassen und seine Tätigkeit wieder – wie auch jeder andere in der Abteilung beschäftigte Elektrotechniker – in vollem Maße, mithin überwiegend vor Ort, an der Werkbank oder im Freien ausüben müssen. Sie war der Ansicht, die Weisung habe sich innerhalb des den US Stationierungsstreitkräften zustehenden Direktionsrechts bewegt. Auch die Grenzen billigen Ermessens seien gewahrt. Abzustellen sei auf den Zeitpunkt der Ausübung des Direktionsrechts.

Zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der technischen Aufgaben eines Elektrotechnikers bedürfe es der Werkbänke, insbesondere um die elektrischen Geräte zu warten und Audio- und Videokabel zu installieren. In den Werkbänken, welche jeweils mit mehreren Stromanschlüssen ausgestattet seien, seien Messgeräte integriert. Die Werkbänke bedürften zwingend der Anbindung sowohl an das Stromnetz als auch an das Netzwerk der US Stationierungsstreitkräfte. Es sei bereits aufgrund der Anbindung an die bestehenden Netze sowie aufgrund der Größe der Werkbank nicht möglich, eine der Werkbänke in einem der bestehenden Einzelbüros aufzustellen.

Die Einzelbüros seien überwiegend den Vorgesetzten, aufgrund deren Aufgaben und Verantwortlichkeiten sowie deren hierarchischen Positionen vorbehalten: dem Chief Engineer Office, dem IT-/Netzwerkadministrator-Supervisor, dem Senior Broadcast Maintenance Supervisor, dem Senior IT/Network Maintenance Supervisor, dem Broadcast Maintenance Supervisor und dem IT/Network Maintenance Supervisor. Darüber hinaus benötigten auch der Information System Security Officer (ISSO), der Telephone Control Officer (TCO)/Government Credit Card Holder (GGPC), der Standard Manager und das jeweilige Mitglied der Betriebsvertretung aufgrund der Verantwortlichkeiten und den damit einhergehenden Sicherheitsbestimmungen jeweils ein Einzelbüro. Dabei könne der Standard Manager das Büro sowohl von den Aufgaben als auch den Räumlichkeiten her mit einer weiteren Person gemeinschaftlich nutzen.

Der Kläger könne lediglich zwei Prozent der von ihm wahrzunehmenden Aufgaben (zweimaliges Prüfen eingegangener E-Mails am Tag, Teilnahme an Online-Schulungen, Onlinerecherche) tatsächlich am Arbeitstisch selbst erledigen.

Erst nach erfolgter Erteilung der streitgegenständlichen Weisung im Juli 2018 hätten die US Stationierungsstreitkräfte von den gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers erfahren, sodass diese im Rahmen der streitgegenständlichen Weisung (noch) nicht zu berücksichtigen gewesen seien.

Ungeachtet dessen hätten die US Stationierungsstreitkräfte, nachdem diese im Rahmen des durchgeführten betrieblichen Eingliederungsmanagements von den gesundheitlichen Einschränkungen erfahren hätten, dem Kläger die Ausübung seiner Aufgaben, soweit sich diese auf Bürotätigkeiten erstreckten, entsprechend der ärztlichen Vorgaben in einem Büro angeboten, welches mit nicht mehr als zwei Beschäftigten, einschließlich des Klägers, besetzt sei. Der Kläger habe sich geweigert, seine Tätigkeit in dem zugewiesenen Büro auszuüben.

Der Kläger werde aufgefordert, darzustellen, wie er sich die Umsetzung zur Ausübung seiner Tätigkeit unter Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Einschränkungen vorstelle.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte durch Urteil vom 3. September 2019 verurteilt, die mit Schreiben vom 11. Dezember 2018 erteilte Abmahnung sowie die mit Schreiben vom 9. Januar 2019 erteilte Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Es hat – zusammengefasst – zur Begründung ausgeführt, die Weisung vom 11. Juli 2018, in einem Großraumbüro zu arbeiten, sei nicht rechtswidrig. Grundsätzlich sei auf den Zeitpunkt abzustellen, an dem die Weisung ausgesprochen worden sei. Zu diesem Zeitpunkt sei der Arbeitgeberin unstreitig eine gesundheitliche Einschränkung hinsichtlich einer Tätigkeit im Großraumbüro nicht bekannt gewesen. Allerdings bestehe die Weisung zumindest teilweise nach wie vor fort. Die Arbeit im Großraumbüro sei aber nur ein Teil der Tätigkeit, die dem Kläger zugewiesen werde. Daneben habe er noch Tätigkeiten außerhalb des Großraumbüros oder in einem Büro mit dem Kollegen und Vorgesetzten V. auszuüben. Mit diesem wolle der Kläger aber das Büro nicht teilen. Im Kammertermin habe sich herausgestellt, dass das fehlende Tageslicht und die Möglichkeit Pausen zu machen, den Tinnitus des Klägers verschlechterten. Die Beklagtenseite habe darauf hingewiesen, dass dies im bEM-Gespräch kein Thema gewesen sei. Nur schwerbehinderte Arbeitnehmer hätten einen Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz. Es könne der Beklagten nicht zum Nachteil gemacht werden, wenn der Kläger sich weigere, einen Arbeitsplatz in einem kleineren zur Verfügung gestellten Raum auch nur zeitweise auszuüben. Das mache die Zuweisung nicht unbillig. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts (Bl. 96 ff. d. A.) Bezug genommen.

Wirksamkeit arbeitsrechtlicher Weisung zum Umzug in Großraumbüro
(Symbolfoto: Von GaudiLab/Shutterstock.com)

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 20. September 2019 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit einem am Montag, 21. Oktober 2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt. Er hat die Berufung mit – innerhalb der durch Beschluss vom 19. November 2019 bis einschließlich 20. Dezember 2019 verlängerten Berufungsbegründungsfrist – am 20. Dezember 2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag begründet.

Zur Begründung der Berufung macht der Kläger nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 128 ff. d. A.), unter ergänzender Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen zusammengefasst geltend, er weise einen GdB von 30 auf. Er habe seiner Vertragsarbeitgeberin bereits vor dem 11. Juli 2018 mitgeteilt, dass er Tinnitus habe und aus diesem Grund eine Arbeit im Großraumbüro aus gesundheitlichen Gründen vermieden werden solle. Der Vertragsarbeitgeber habe bei der Ausübung seines Weisungsrechts nach billigem Ermessen eine Abwägung unter Berücksichtigung der Interessenlage, wozu auch die gesundheitliche Situation des Arbeitnehmers gehöre, vornehmen müssen. Angesichts der fehlenden betrieblichen Erforderlichkeit und Notwendigkeit, dass er seine vertragsgemäßen Aufgaben nicht im Großraumbüro erledigen müsse, und der Tatsache, dass er gesundheitlich beeinträchtigt sei und diese Beeinträchtigung mit der Tätigkeit im Großraumbüro zusammenhänge, falle die Abwägung zu Lasten des Arbeitgebers aus, mit der Folge, dass die streitgegenständliche Weisung unwirksam sei. Das Arbeitsgericht habe prüfen müssen, ob die Weisung, die Arbeiten im Großraumbüro vorsehe und damit bis heute gelte, wirksam sei vor dem Hintergrund der arbeitsmedizinischen Untersuchung und dem entsprechenden Untersuchungsergebnis. Es hätte berücksichtigt werden müssen, dass sein Vertragsarbeitgeber über § 315 Abs. 3 S. 1 BGB und § 241 Abs. 2 BGB zur Rücksichtnahme ihm gegenüber verpflichtet sei, insbesondere auf seine schutzwürdigen Interessen, wozu auch die arbeitsmedizinisch festgestellten Einschränkungen gehörten, habe Rücksicht nehmen müssen. Er habe im bEM-Verfahren geäußert, dass er die Arbeit im Großraumbüro vermeiden solle.

Der Kläger beantragt, auf seine Berufung das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 3. September 2019, Az. 3 Ca 281/19, teilweise abzuändern und festzustellen, dass die ihm gegenüber ausgesprochene Weisung vom 11. Juli 2018 unwirksam ist.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 21. Februar 2020, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 142 ff. d. A.), unter ergänzender Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen als rechtlich zutreffend. Sie bestreitet, dass der Kläger einen GdB von 30 aufweist.

Das den US Stationierungsstreitkräften grundsätzlich zustehende Direktionsrecht nach § 106 GewO sei arbeitsvertraglich – insbesondere nicht mit Blick auf einen konkreten Büroraum – eingeschränkt worden. Auch die Grundsätze billigen Ermessens seien seitens der US Stationierungsstreitkräfte gewahrt worden. Abzustellen sei auf den Zeitpunkt der Ausübung des Direktionsrechts.

Die US Stationierungsstreitkräfte hätten erst nach erfolgter Erteilung der streitgegenständlichen Weisung im Juli 2018 von den gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers erfahren. Sie hätten insoweit ihr Ermessen erneut in ordnungsgemäßer Weise ausgeübt und dem Kläger angeboten, seine Aufgaben, soweit sich diese auf Bürotätigkeiten erstrecken, entsprechend der ärztlichen Vorgaben in einem Büro, welches mit nicht mehr als zwei Beschäftigten, einschließlich des Klägers, besetzt sei, auszuüben. Insoweit habe der Kläger sehr wohl ein Wahlrecht gehabt und zwar dergestalt, entweder das Büro mit Herrn V. zu akzeptieren, sodass die Weisung nicht mehr aufrechterhalten bleibe, sondern einvernehmlich für gegenstandslos erklärt werde, oder dass die Weisung insgesamt aufrechterhalten bleibe. Der Kläger habe sich geweigert, seine Tätigkeit in dem Büro mit Herrn V. auszuüben.

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 13. Mai 2020 (Bl. 150 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

B.

In der Sache hatte die Berufung des Klägers keinen Erfolg. Der Feststellungsantrag des Klägers ist unbegründet. Die Weisung der US Stationierungsstreitkräfte vom 11. Juli 2018 an den Kläger, sein Einzelbüro zu räumen und in ein Großraumbüro umzuziehen, ist von deren Direktionsrecht gedeckt.

Nach § 106 S. 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt ist.

I.

Das Weisungsrecht der US Stationierungskräfte, dem Kläger einen Arbeitsplatz wahlweise in einem Einzel-, Zweier- oder Großraumbüro zuzuweisen, ist arbeitsvertraglich nicht beschränkt.

II.

Der Arbeitsort des Klägers hat sich auch nicht auf das Einzelbüro, im dem er während seiner Mitgliedschaft in der Betriebsvertretung tätig war, konkretisiert. Den Arbeitsvertrag hinsichtlich der Versetzungsklausel abändernde Vereinbarungen haben die Parteien nicht – auch nicht stillschweigend – getroffen. Allein die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum genügt für die Annahme einer Konkretisierung nicht (BAG 24. Mai 2018 – 6 AZR 116/17 – Rn. 19; 18. Oktober 2017 – 10 AZR 330/16 – Rn. 31, jeweils mwN.). Auch erfüllt die Zeitdauer von 4 Jahren vorliegend nicht das dazu erforderliche Zeitmoment. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass dem Kläger das Einzelbüro gerade in der Zeit seiner Mitgliedschaft in der Betriebsvertretung zur Verfügung stand. Die besonderen Umstände dafür, dass der Kläger dauerhaft auch zukünftig, insbesondere nach Beendigung seiner Mitgliedschaft in der Betriebsvertretung, in diesem Einzelbüro hätte tätig werden sollen, fehlen.

III.

Die streitgegenständliche Direktionsrechtsmaßnahme hat auch die Grenzen billigen Ermessens (§ 106 GewO, § 315 BGB) gewahrt.

1. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 106 GewO, § 315 Abs. 1 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb dieses Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem Gericht obliegt nach § 106 GewO, § 315 Abs. 3 S. 1 BGB die Prüfung, ob der Arbeitgeber als Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat (BAG 26. September 2012 – 10 AZR 311/11 – Rn. 28). Bei dieser Prüfung kommt es nicht auf die vom Bestimmungsberechtigten angestellten Erwägungen an, sondern darauf, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den gesetzlichen Anforderungen genügt. Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung der Grenzen hat der Bestimmungsberechtigte (BAG 24. Mai 2018 – 6 AZR 116/17 – Rn.39).

Maßgeblich für die Ausübungskontrolle ist nicht die Interessenlage der Parteien zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, sondern diejenige im Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hatte (st. Rspr., BAG 24. Mai 2018 – 6 AZR 116/17 – Rn. 39; 18. Oktober 2017 – 10 AZR 330/16 – Rn. 45; 26. September 2012 – 10 AZR 311/11 – Rn. 34; 23. September 2004 – 6 AZR 567/03 – Rn. 19, zitiert nach juris, jeweils mwN.).

2. Die US Stationierungsstreitkräfte haben mit ihrer Weisung billiges Ermessen gewahrt.

Nach Beendigung der Mitgliedschaft des Klägers in der Betriebsvertretung benötigte der Kläger für die Tätigkeit als Mitglied der Betriebsvertretung kein Einzelbüro mehr. Dagegen wird ein Einzelbüro für das nunmehr gewählte Betriebsvertretungsmitglied benötigt.

Nach Wegfall seiner Funktion als Betriebsvertretungsmitglied hat der Kläger – wie auch jeder andere in der Abteilung beschäftigte Elektrotechniker – in vollem Maße die Tätigkeit eines Elektrotechnikers auszuüben, mithin auch vor Ort, an der Werkbank oder im Freien tätig zu sein. Unstreitig werden die Tätigkeiten des Klägers an verschiedenen Orten ausgeübt. Für die Zuweisung eines Arbeitsplatzes im „Großraumbüro“ sprechen Gründe der Gleichbehandlung mit den übrigen in der Abteilung beschäftigten Elektrotechnikern sowie der Gesichtspunkt des hierdurch erleichterten Austauschs von Informationen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger nach Ende seiner Amtszeit wieder verstärkt Aufgaben eines Elektrotechnikers auszuüben hat. Als Elektrotechniker hat der Kläger weder eine Vorgesetztenfunktion inne noch unterliegt er besonderen Geheimhaltungsvorschriften, die die Erbringung seiner Arbeitsleistung in einem Einzelbüro erfordern würden.

Infolge des Umzugs des Klägers vom Einzel- in das „Großraumbüro“ ändert sich für diesen beispielsweise der Weg zur Arbeit und die hierfür aufzuwendende Zeit nicht. Mehraufwendungen entstehen für den Kläger nicht.

Gesundheitliche Beeinträchtigungen des Klägers hätten die US Stationierungsstreitkräfte bei der Ausübung des Direktionsrechts nur dann berücksichtigen können und müssen, wenn ihnen solche im Zeitpunkt ihrer Ermessensentscheidung am 11. Juli 2018 bekannt gewesen wären. Soweit der Kläger behauptet hat, er habe seinem Vertragsarbeitgeber bereits vor dem Zeitpunkt der Weisung mitgeteilt, er habe Tinnitus und aus diesem Grund solle eine Arbeit im Großraumbüro vermieden werden, hat er nicht angegeben, wann genau er wem eine entsprechende Mitteilung welchen genauen Inhalts gemacht haben will. Auch soweit der Kläger im bEM-Verfahren geäußert haben will, dass er die Arbeit im Großraumbüro vermeiden solle, bleibt offen, zu welchem genauen Zeitpunkt eine solche Mitteilung erfolgt sein soll, insbesondere ob diese Äußerung vor oder nach dem 11.Juli 2018 erfolgte. Die vom Kläger vorgelegte ärztliche Bescheinigung der ihn behandelnden Ärztin Dr. B. datiert auf den 13. Juli 2018, also auf einen Zeitpunkt nach der streitgegenständlichen Weisung. Die arbeitsmedizinische Untersuchung durch die X. erfolgte erst am 29. Oktober 2018, die schriftliche Stellungnahme stammt vom 5. November 2018. Die am 13. Juli 2018 und 5. November 2018 attestierten gesundheitlichen Einschränkungen konnten daher bei der Ausübung des Direktionsrecht durch die US Stationierungsstreitkräfte noch nicht berücksichtigt werden. Der Kläger hat auch selbst nicht behauptet, dass die von ihm behaupteten, einer Beschäftigung im Großraumbüro entgegenstehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen offensichtlich oder aus einem anderen Grund der Beklagten bekannt gewesen wären. Ob der Kläger über einen Grad der Behinderung von 30 und gegebenenfalls ab welchem Zeitpunkt hat, ist zwischen den Parteien streitig, einen genaueren Vortrag hat der Kläger nicht gehalten, einen Nachweis nicht erbracht.

Bei Abwägung aller im Zeitpunkt der Ermessensentscheidung zu berücksichtigenden Gesichtspunkte wahrt die Entscheidung der US Stationierungsstreitkräfte, dass der Kläger das von ihm in der Zeit als Mitglied der Betriebsvertretung genutzte Einzelbüro zu räumen und in ein „Großraumbüro“ umzuziehen hat, billiges Ermessen.

IV.

Die Frage, ob der Kläger aktuell gegen seine Arbeitgeberin im Hinblick auf eine Leistungsminderung einen Anspruch auf eine anderweitige Konkretisierung seiner Arbeitspflicht aus § 241 Abs. 2 BGB hat, ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht streitgegenständlich. Der Kläger hat – auch im Berufungsverfahren – wiederholt betont, dass sein Klageziel ist, dass festgestellt wird, dass die Weisung vom 11. Juli 2018, die das Arbeiten im Großraumbüro vorsehe, unwirksam ist.

Die Berufung des Klägers hatte daher keinen Erfolg.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

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