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Wirksamkeit Befristungsvereinbarung – Vorbeschäftigungsverbot

ArbG Berlin – Az.: 21 Ca 7999/19 – Urteil vom 12.02.2020

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

III. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 14.600,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristungsvereinbarung und hilfsweise über einen Anspruch der Klägerin auf Weiterbeschäftigung.

Die Klägerin schloss mit dem M.-D.-Centrum für molekulare Medizin, Stiftung des öffentlichen Rechts, unter dem 01.09.1999 einen befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 01.09.1999 bis zum 28.02.2001 über die Tätigkeit als Tierpflegerin. Auf die Vertragsniederschrift wird Bezug genommen (Anlage K3, Bl. 11 ff. d. A.). Unter dem Datum des 06.08.2000 hoben die Vertragsparteien auf Bitten der Klägerin ihr Arbeitsverhältnis zum 09.07.2000 auf. Auf die Niederschrift des Aufhebungsvertrages wird ebenfalls Bezug genommen (Bl. 14 d. A.).

Vom 10.07.2000 bis zu ihrem Widereintritt bei der Beklagten war die Klägerin bei der S. T. AG, einem privaten kommerziellen Pharmaunternehmen, tätig. Mit Errichtungsgesetz vom 09.04.2015 wurde die Beklagte zusammen mit der Charité eine rechtsfähige Gliedkörperschaft des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung.

Unter dem 15.09.2017 schloss die Klägerin mit der Beklagten, M.-D.-CENTRUM FÜR MOLEKULARE MEDIZIN (MDC), Körperschaft des öffentlichen Rechts, einen befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 01.10.2017 bis zum 31.07.2019 über die Tätigkeit der Klägerin im tierexperimentellen Servicebereich. Auf die Vertragsniederschrift wird ebenfalls Bezug genommen (Anlage K1, Bl. 7 ff. d. A.).

Mit ihrer am 01.07.2019 bei Gericht eingegangenen Klage greift die Klägerin die Befristung im Arbeitsvertrag vom 15.09.2017 an und macht für den Fall, dass die Befristungskontrollklage erfolgreich sei, einen Weiterbeschäftigungsanspruch geltend.

Die Klägerin ist der Auffassung, die sachgrundlose Befristung im Vertrag vom 15.09.2017 sei unwirksam aufgrund der Vorbeschäftigung in der Zeit vom 01.09.1999 bis zum 09.07.2000.

Die Klägerin beantragt,

1) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der Befristungsabrede im Vertrag vom 15.09.2017 zum 31.07.2019 beendet ist, sondern als unbefristetes Arbeitsverhältnis über den 31.07.2019 hinaus fortbesteht,

2) hilfsweise, für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1), wird die Beklagte verpflichtet, die Klägerin über den 31.07.2019 hinaus zu den bisherigen Arbeitsvertragsbedingungen als Tierpfleger in Vollzeit in Berlin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Prozesses weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass das Verbot der sachgrundlosen Befristung bei nochmaliger Einstellung bei demselben Arbeitgeber unter Berücksichtigung der erforderlichen verfassungskonformen Auslegung der streitgegenständlichen Befristung nicht entgegenstehe, weil die die Vorbeschäftigung – so sie denn beim selben Arbeitgeber erfolgt sei – sehr lang zurückliege.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle vom 24.07.2019 und vom 02.02.2020 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Befristungsabrede im Vertrag vom 15.09.2017 ist wirksam.

Die Befristung ist nach § 14 Abs. 2. TzBfG ohne Vorliegen eines Sachgrundes zulässig.

Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von 2 Jahren zulässig. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.

Die Dauer des streitgegenständlichen Arbeitsvertrages überschreitet nicht die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG genannte Höchstdauer von 2 Jahren. Die Parteien konnten trotz des vorausgegangenen Arbeitsvertrages vom 01.09.1999 eine sachgrundlose Befristung vereinbaren. Ungeachtet der Frage, ob es sich bei den arbeitgeberseitigen Vertragspartnern um denselben Vertragsarbeitgeber handelt, erfasst das Verbot in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht ausnahmslos jede frühere Beschäftigung des Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber. Im Jahr 2011 hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG erfasse in verfassungskonformer Auslegung nicht solche Vorbeschäftigungen, die länger als 3 Jahre zurücklägen. Diese Rechtsprechung konnte jedoch aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.06.2018 (1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14, NZA 2018, 774 ff.) nicht aufrechterhalten werden. Danach habe das Bundesarbeitsgericht durch die Annahme, eine sachgrundlose Befristung sei nur dann unzulässig, wenn eine Vorbeschäftigung weniger als 3 Jahre zurückliege, die Grenzen vertretbarer Auslegung gesetzlicher Vorgaben überschritten, weil der Gesetzgeber eine solche Karenzzeit erkennbar nicht habe regeln wollen. Soweit das Verbot der sachgrundlosen Befristung unzumutbar sei, weil eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht bestehe und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich sei, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten, müssten die Fachgerichte durch verfassungskonforme Auslegung den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2. Satz 2 TzBfG einschränken. Ist das Verbot der sachgrundlosen Befristung aus den o.g. Gründen unzumutbar, so kann der mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfolgte Schutzzweck das Verbot einer sachgrundlos befristeten Wiedereinstellung nicht rechtfertigen, soweit das legitime Interesse der Arbeitssuchenden an einer auch nur befristeten Beschäftigung und das ebenfalls legitime Flexibilisierungsinteresse der Arbeitgeber entgegensteht (Vergleiche Bundesverfassungsgericht 06.06.2018 am angegebenen Ort). Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist.

Danach liegen die Voraussetzungen einer verfassungskonformen Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im Streitfall vor. Die Anwendung des Verbots wäre für die Parteien unzumutbar im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

Nach einem Zeitraum von mehr als 22 Jahren ist regelmäßig anzunehmen, dass die Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt (Vergleiche BAG 21.08.2019 – 7 AZR 452/17- NZA 2020, 40 ff.). Liegt ein vorangegangenes Arbeitsverhältnis ca. 15 Jahre zurück, ist dies in der Regel kein sehr langer Zeitraum in diesem Sinne (Vergleiche BAG 17.04.2019 – 7 AZR 323/17 – NZA 2019, 1271 ff.). Für eine Grenze von 18 Jahren spricht, dass bei einem Regelerwerbsleben von 40 Jahren nur zwei sachgrundlose Befristungen möglich sind (2 Jahre + 18 + 2 Jahre +18). Ein derartiger Abstand könnte gegen eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung einer strukturellen Unterlegenheit sprechen und nicht das Verbot der Befristung ohne Sachgrund nach Vorbeschäftigung beim selben Arbeitgeber zur Sicherung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses als Regelfall erforderlich machen.

Zwischen der Vorbeschäftigung der Klägerin bis zum 09.07.2000 und dem Beginn des streitgegenständlichen Arbeitsverhältnisses am 01.10.2017 liegen 17 Jahre und knapp 3 Monate.

Nach einer solchen Zeitspanne ist es nach Auffassung der Kammer geboten, § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG in verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift nicht anzuwenden. Die Beschränkung der sachgrundlosen Befristung bei der erneuten Einstellung eines Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber bleibt dennoch auf Ausnahmefälle beschränkt. Bei einer solchen Zeitspanne besteht keine Gefahr der Kettenbefristung. Es ist nach Auffassung der Kammer zu berücksichtigen, dass die zulässigerweise für die Zeit vom 01.09.1999 bis zum 28.02.2001 vereinbarte Befristung auf Wunsch der Klägerin nicht die zulässige Höchstdauer für eine sachgrundlose Befristung ausgeschöpft hat.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1 Zivilprozessordnung, 46 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG).

C.

Der Wert des Streitgegenstands war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen und beträgt nach § 42 Abs. 2 Gerichtskostengesetz den dreifachen Wert einer Monatsvergütung der Klägerin. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung ist der Kammer nicht zur Entscheidung angefallen, da die Klägerin mit dem Antrag zu 1) nicht obsiegt hat.

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