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Wirksamkeit betriebsbedingte Kündigung wegen Umstrukturierung

ArbG Düsseldorf – Az.: 7 Ca 5255/16 – Urteil vom 19.01.2017

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten ohne Datum, persönlich ausgehändigt am 15.09.2016, nicht mit Ablauf des 31.03.2017 endet.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger über den 31.03.2017 hinaus zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Senior IT Network Administrator bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

4. Der Streitwert beträgt 17.972,00 EUR.

5. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen, soweit sie nicht von Gesetzes wegen zulässig ist.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

Der am 04.08.1977 geborene Kläger war seit dem 15.02.2001 zunächst bei der N. und nach einem Betriebsübergang ab dem 01.03.2015 bei der Beklagten beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag ist er als Anwendungs- und Verfahrenssupporter für die Beklagte tätig. In einem Zwischenzeugnis vom 24.07.2016 bezeichnete die Beklagte die Tätigkeit des Klägers als „Senior IT Administrator Network“. Das monatliche Bruttoentgelt des Klägers betrug zuletzt 4.493,00 EUR.

Am 03.09.2016 schlossen die Beklagte und der bei ihr gebildete Gesamtbetriebsrat wegen der beabsichtigten Transformation der Beklagten im Zuge der Einführung des sog. „G.“ einen Interessenausgleich und einen Sozialplan. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Interessenausgleichs samt Anlagen und des Sozialplans (Bl. 68-102 der Gerichtsakte) verwiesen.

Am 06.09.2016 fasste die Beklagte wegen der beabsichtigten Einführung des „G.“ einen Geschäftsführungsbeschluss. Sie entschied die Einstellung sämtlicher Tätigkeiten auf bestimmten Arbeitsplätzen – variierend nach Regionen – (Nr. 1 und 2 des Beschlusses) sowie die Verlagerung anderer Tätigkeiten von der Region X. auf andere Arbeitsplätze in den anderen vier Regionen der Beklagten (Nr. 3 des Beschlusses). Unter Ziffer 4. des Geschäftsführungsbeschlusses sind verschiedene Ausnahmen zu den Regelungen unter Ziffern 1-3 festgelegt.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Geschäftsführungsbeschlusses (Bl. 63-67 der Gerichtsakte) verwiesen.

Am 06.09.2016 hörte die Beklagte den bei ihr für die Region X. gebildeten Betriebsrat zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers an. Wegen der Einzelheiten wird auf das Anhörungsschreiben – ohne Datum – (Bl. 104-105 der Gerichtsakte) verwiesen.

Der Betriebsrat widersprach der Kündigung mit Schreiben vom 13.09.2016. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben des Betriebsrats vom 13.09.2016 (Bl. 112-114 der Gerichtsakte) verwiesen.

Am 15.09.2016 erklärte die Beklagte dem Kläger gegenüber eine ordentliche Kündigung des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses mit Wirkung zum 31.03.2017.

Mit Klageschrift vom 21.09.2016, eingegangen beim Arbeitsgericht Düsseldorf am 22.09.2016 und der Beklagten am 28.09.2016 zugestellt, wandte sich der Kläger gegen die Kündigung vom 15.09.2016.

Der Kläger behauptet, dass die Beklagte die von ihr vorgetragene unternehmerische Entscheidung nicht getroffen habe. Jedenfalls würden aber 29 Mitarbeiter als „IT-Specialists“ in der Region X. weiter beschäftigt werden. Die Tätigkeit des Klägers sei mithin nicht entfallen.

Er ist der Auffassung, dass die streitgegenständliche Kündigung unwirksam sei. Es bestehe bei der Beklagten weiterhin Beschäftigungsbedarf für ihn. Die fünf bei der Beklagten eingerichteten Regionen seien keine selbstständigen Betriebe, sondern als ein einheitlicher Betrieb anzusehen. Vor diesem Hintergrund hätte eine Sozialauswahl durchgeführt und er als sozial schutzwürdiger Mitarbeiter weiterbeschäftigt werden müssen.

Gemäß § 5.2 des (Haus-)Entgeltrahmentarifvertrags der Beklagten bestünden im Falle des betriebsbedingten Wegfalls eines Arbeitsplatzes die Verpflichtungen der Beklagten dem betroffenen Arbeitnehmer einen gleichwertigen Arbeitsplatz anzubieten und diesen gegebenenfalls umzuschulen. Dem sei die Beklagte nicht hinreichend nachgekommen.

Schließlich sei die Betriebsratsanhörung nicht ordnungsgemäß erfolgt. Es sei nicht zutreffend, dass alle Tätigkeiten auf dem Arbeitsplatz des Klägers wegfallen würden. Auch die Information dem Betriebsrat gegenüber, dass es keiner Sozialauswahl bedürfe, sei fehlerhaft. Eine Auseinandersetzung mit der Regelung des § 5.2 des Entgeltrahmentarifvertrags fehle gänzlich.

Der Kläger beantragt – nach Rücknahme des ursprünglich angekündigten Schleppnetzantrags – zuletzt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten ohne Datum, persönlich übergeben am 15.09.2016, nicht mit Ablauf des 31.03.2017 endet;

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn über den 31.03.2017 hinaus zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Senior IT Network Administrator bis zum rechtkräftigen Abschluss des vorliegenden Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass sie eine sogenannte Delivery-Einheit innerhalb des J. sei. Der Gegenstand der erbrachten Leistungen werde im Konzern unter dem Begriff Global Technical Services („GTS“) zusammengefasst. Sie schließe selbst keine Verträge mit Kunden ab, sondern erbringe ihre Leistungen fast ausschließlich gegenüber ihrer 100%igen Gesellschafterin, der J., die ihrerseits Verträge über IT-Services mit großen Unternehmen und der öffentlichen Hand schließe. Die J. beziehe die vertraglich vereinbarten Leistungen teilweise von ihr, teilweise aber auch von anderen Unternehmen der J. oder von konzernexternen Drittunternehmen.

Anfang 2016 habe das (rechtsträgerübergreifende) J.-Team die Einführung eines Zukunftsmodells für die Erbringung der Beratungs- und IT-Services beschlossen. Dieses Modell sehe vor, dass zukünftig grundsätzlich nur noch definierte sog. „strategische Tätigkeiten“ lokal in Deutschland ausgeführt würden. „Nicht-strategische Tätigkeiten“ würden verlagert und zukünftig von anderen Unternehmen innerhalb der J. Gruppe und im Einzelfall von externen Vertragspartnern bezogen werden.

Als strategische Tätigkeiten seien solche Dienstleistungen einzuordnen, die ein spezielles Know-How erfordern, über welches Wettbewerbsunternehmen nicht oder jedenfalls nicht im selben Umfang verfügen. Nicht-strategische Tätigkeiten seien demgegenüber Dienstleistungen, die nicht zur Differenzierung geeignet seien, weil es den Kunden im Ergebnis egal ist, ob sie aus Deutschland oder einem anderen Land heraus erbracht werden oder von einem „No-Name-Dienstleister“.

Von ihr seien im Ergebnis zukünftig nur noch strategische Tätigkeiten zu erbringen. Vor diesem Hintergrund habe sie am 06.09.2016 die vollständige Einstellung sämtlicher Tätigkeiten beschlossen, die im Beschluss vom 06.09.2016 aufgezählt werden. Insgesamt fielen durch die beschlossene Einstellung von Tätigkeiten unternehmensweit 346 Arbeitsplätze weg. Sämtliche Tätigkeiten, die auf den in der Anlage 1 zum Interessenausgleich vom 03.09.2016 aufgeführten Arbeitsplätzen erbracht werden, würden von ihr nicht mehr wahrgenommen. Die im Geschäftsführungsbeschluss genannten Tätigkeiten würden jeweils abhängig vom individuellen Kündigungstermin der betroffenen Mitarbeiter, spätestens zum 31.12.2016 oder zum 31.03.2017, eingestellt. Hiervon sei auch der Kläger als „IT Specialist – Network Support Specialist – IT Voice (Band 7)“ erfasst. Die Aufgabe des Klägers sei Geschäftsführungsbeschluss unter Ziffer 2 benannt und er sei nicht mit einer Tätigkeit befasst, welche von der Einstellungsentscheidung ausgenommen ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Ergebnis der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien wird nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 15.09.2016 zum 31.03.2017 aufgelöst. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt. Sie ist nicht durch betriebsbedingte Gründe gerechtfertigt. Vor diesem Hintergrund ist der Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des hiesigen Kündigungsschutzverfahrens weiter als „Senior IT Network Administrator“ von der Beklagten zu beschäftigen.

1. Zunächst findet das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Die Beklagte beschäftigt im Einsatzbetrieb des Klägers regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Der Kläger ist auch bereits seit mehr als sechs Monaten bei der Beklagten beschäftigt.

2. Die Kündigung ist auch nicht bereits gem. §§ 7, 4 KSchG rechtswirksam. Die Kündigung ging dem Kläger am 15.09.2016 zu. Er hat binnen drei Wochen, nämlich mit Klageschrift vom 21.09.2016, eingegangen beim Arbeitsgericht Düsseldorf am 22.09.2016 und der Beklagten am 28.09.2016 zugestellt, Kündigungsschutzklage erhoben.

3. Die Kündigung ist aber nicht sozial gerechtfertigt und damit unwirksam. Ein Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG liegt nach dem Vortrag der Beklagten nicht vor.

a. Die Beklagte beruft sich auf einen betriebsbedingten Kündigungsgrund. Es sei wegen der Einführung des G. Models absehbar, dass sie in Zukunft von ihrer Muttergesellschaft – ihrem einzigen Auftraggeber – nur noch mit bestimmten Arbeiten beauftragt werde. Daher fielen zahlreiche bisher von ihr erbrachte Dienstleistungen in Zukunft nicht mehr an. Sie habe unterschieden zwischen strategischen und nicht-strategischen Aufgaben und sich entschieden, in Zukunft nur noch die strategischen zu erbringen. Entsprechend wolle sie kein Personal mehr vorhalten für diese bislang ausgeübten nicht-strategischen Tätigkeiten. Dadurch würden 346 Arbeitskräfte überflüssig, so dass entsprechend viele Arbeitsverhältnisse zu beenden seien. Da sie nicht linear in allen fünf Regionen das überflüssige Personal abbauen wolle, habe sie sich weiter entschieden, das Personal in vier Betrieben oder Regionen weitest möglich zu halten und dafür in der Region X. mehr Personal abzubauen. Dies sei möglich, indem bisher dort erledigte strategische Aufgaben in einen anderen Betrieb bzw. eine andere Region verschoben würden. In den übrigen vier Regionen oder Betrieben würden 272 Arbeitskräfte frei, die u.a. strategische Aufgaben von bisherigen Mitarbeitern der Region X. übernehmen könnten.

Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung im Sinne der Vorschrift des § 1 Abs. 2 KSchG können sich aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben. Eine Kündigung ist aus innerbetrieblichen Gründen gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitgeber im Unternehmensbereich zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren innerbetrieblicher Umsetzung das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt (vgl. BAG, 13.03.2008 – 2 AZR 1037/06, NZA 2008, 878; BAG, 13.02.2008 – 2 AZR 543/06, NZA 2008, 821; BAG, 14.08.2007 – 8 AZR 1043/06, NZA 2007, 1431; BAG, 18.10.2006 – 2 AZR 676/05, ArbuR 2006, 408; BAG, 24.08.2006 – 8 AZR 317/05, AP Nr. 152 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG, 04.05.2006 – 8 AZR 299/05, NZA 2006, 1096). Dabei ist nicht auf den bestimmten räumlich fixierten Arbeitsplatz abzustellen, sondern darauf, ob unter Respektierung einer etwa bindenden Unternehmerentscheidung aufgrund eines geringeren oder veränderten Arbeitsanfalls das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung für den gekündigten Arbeitnehmer entfallen oder innerhalb einer Gruppe der vergleichbaren Arbeitnehmer das Bedürfnis gesunken ist (BAG, 13.06.2002 – 2 AZR 589/01, NZA 2003, 608).

Die zum Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses führende unternehmerische Entscheidung ist nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unvernünftig oder willkürlich ist (vgl. BAG vom 13.03.2008 – 2 AZR 1037/06 AP Nr. 176 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung).

Vom Gericht voll nachzuprüfen ist aber, ob die unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt und ob durch ihre Umsetzung das Beschäftigungsbedürfnis entfallen ist. Nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG hat der Arbeitgeber insoweit die tatsächlichen Voraussetzungen zur Annahme eines betrieblichen Erfordernisses zu beweisen. Das Gericht muss erkennen können, ob im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung, der für die Beurteilung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung maßgebend ist, feststeht, dass das Bedürfnis zur Beschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers bis zum Ablauf der Kündigungsfrist entfallen wird (vgl. BAG vom 13.03.2008 – 2 AZR 1037/06 AP Nr. 176 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung).

Diesen, in der Rechtsprechung gefestigten, Grundsätzen schließt sich die entscheidende Kammer vollumfänglich an.

b. Der Vortrag der Beklagten wird den Anforderungen an die Darlegung eines betriebsbedingten Kündigungsgrundes vorliegend nicht gerecht. Aus ihrem Sachvortrag kann nicht auf einen Wegfall des Beschäftigungsbedarfs des Klägers geschlossen werden.

aa. Dies gilt zunächst einmal soweit die Beklagte vorträgt, dass sie ihre Leistungen „fast ausschließlich gegenüber ihrer 100%igen Gesellschafterin“ erbringe. „Fast ausschließlich“ ist gerade nicht „ausschließlich“. Es bleibt daher unklar, wie die Einstellung der nicht-strategischen Tätigkeiten vollzogen wird, soweit diese Dienstleistungen eben nicht gegenüber der 100%igen Gesellschafterin erbracht werden. Wie man die unternehmerische Entscheidung insoweit umsetzt, also welche weiteren Dienstleistungsverträge man mit wem geschlossen hatte und ob und zu welchem Zeitpunkt diese beendet wurden oder werden ergibt sich weder aus dem Vortrag der Beklagten noch aus den Anlagen.

Darüber hinaus ist fraglich welche Maßnahmen zu wann umgesetzt werden sollen bzw. umgesetzt werden. Wenn und soweit die Beklagte darauf hinweist, dass Tätigkeitseinstellungen bis zum 31.12.2016 erfolgen sollen, wenn die entsprechenden Kündigungsfristen dies hergeben, eine Einstellung aber bis spätestens zum 31.03.2017 erfolgen soll, so lässt dies jedenfalls Fragen hinsichtlich der zeitlichen Umsetzung. Es ist nicht nachvollziehbar, welche Tätigkeit zu wann nicht mehr von der Beklagten oder jedenfalls nicht mehr am Standort „Region X.“ erbracht werden wird.

bb. Entscheidend ist aus Sicht der Kammer jedoch, dass sich aus dem von der Beklagten zur Akten gereichten Geschäftsführungsbeschluss vom 06.09.2016, aus dem zur Akte gereichten Interessenausgleich vom 03.09.2016 und auch aus dem Vortrag der Beklagten im hiesigen Verfahren ergibt, dass auch im nicht-strategischen Bereich nicht alle Tätigkeiten wegfallen, jedoch nicht nachvollzogen werden kann, welche Tätigkeiten nicht wegfallen, sondern verbleiben.

Nach Ziffer 4 des Geschäftsführungsbeschlusses sind von der Einstellung bzw. Verlagerung ausgeschlossen die Mitarbeitergruppen „U.“ sowie „N.“, die „Mitarbeiter, die von U. übernommen wurden und mit denen ein derzeit geltender Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen vereinbart ist“ sowie die „Mitarbeitern die zum 1. April 2014 im Rahmen des Projekts I. übernommen wurde“.

Darüber hinaus sind die Tätigkeiten der in der Anlage 2 zum Interessenausgleich vom 03.09.2016 namentlich benannten Mitarbeiter von der Einstellung bzw. Verlagerung ausgenommen. Dies betrifft unstreitig und ausdrücklich auch Tätigkeiten von Mitarbeitern am Standort „Region X.“.

In Ziffer 4 des Geschäftsführungsbeschlusses werden ausweislich des Wortlauts ausdrücklich Ausnahmen von den in Ziffern 1-3 geregelten Einstellungen und Verlagerungen festgeschrieben. Damit Fallen gerade nicht sämtliche in den Ziffern 1-3 benannten Tätigkeiten bzw. Arbeitsplätze (ausnahmslos) weg.

Welche Tätigkeiten die benannten ausgenommenen Mitarbeiter(gruppen) ausüben ergibt sich aber weder aus dem Geschäftsführungsbeschluss, noch aus dem Interessenausgleich und seinen Anlagen und auch nicht aus dem Vortrag der Beklagten im hiesigen Verfahren. Es ist der Kammer auf Grundlage dieser Informationen nicht möglich einzuschätzen, welche Tätigkeiten von der Beklagten im gesamten Unternehmen grundsätzlich und/oder konkret in der Region X. weiter wahrgenommen bzw. ausgeführt werden. Hierzu konnte die Beklagte im Kammertermin am 19.01.2017 auch keine weitergehenden Auskünfte erteilen. Vor diesem Hintergrund kann nicht beurteilt werden, ob bzw. in welchem Umfang die unternehmerische Entscheidung des Geschäftsführungsbeschlusses zu einem Wegfall der Tätigkeiten des Klägers führt. Wie sich der Geschäftsführungsbeschluss also konkret auf die in Zukunft zu erbringende Tätigkeit auswirkt bzw. wie er umgesetzt wird, kann nicht beurteilt werden. Allein der Umstand, dass u.U. der konkrete Arbeitsplatz des Klägers entfällt kann nicht zur Annahme eines betriebsbedingten Kündigungsgrundes führen, wenn und soweit nicht absehbar ist, ob und in welchem Umfang die Tätigkeiten des Klägers auf anderen Projekten bzw. für andere Kunden weiter von der Beklagten erbracht werden. Der pauschale Hinweis der Beklagten, dass der Kläger nicht mit Tätigkeiten befasst ist, die von der Einstellungsentscheidung ausgenommen sind (Seite 5 des Schriftsatzes vom 24.11.2016; Bl. 61 der Gerichtsakte), ist als reine Wertung von der Kammer anhand des vorgetragenen Sachstandes gerade nicht zu beurteilen.

Es verbleiben also auch im nicht-strategischen Bereich Tätigkeiten, ohne dass die Beklagte substantiiert dargestellt hätte, welches Arbeitsvolumen vorhanden war und welches Arbeitsvolumen nun wegfällt bzw. verbleibt. Jedenfalls kann nicht beurteilt werden, ob bzw. dass dies nicht der Fall ist.

Auch aus den Anlagen zum Interessenausgleich vom 03.09.2016, insbesondere der „Übersicht über den Wegfall von Arbeitsplätzen in der C.“ (Anlage 1 zum Interessenausgleich) ergibt sich nichts anderes. Die Beklagte bezog sich darauf, dass dort die Anzahl der wegfallenden Arbeitsplätze genannt sei, bzw. es heißt „Vollständiger Wegfall von Arbeitsplätzen“. Dies ist aber letztlich das Ergebnis einer Subsumtion, welche der Vortrag der Beklagten eben nicht ermöglicht. Hierfür wäre es erforderlich gewesen, dass die Beklagte vorträgt, wie viele entsprechende Arbeitsplätze tätigkeitsbezogen vorhanden sind und wie viele Arbeitnehmer bei den jeweiligen Kunden eingesetzt werden, welche Kunden verbleiben bzw. wegfallen und welche Arbeitsplätze daher wegfallen. Insbesondere hätte es einer entsprechenden Darstellung hinsichtlich der von der Maßnahme ausgenommen Arbeitnehmer(gruppen) und deren Tätigkeiten bedurft.

cc. Entgegen der von der Beklagten im Kammertermin vertretenen Ansicht ist dies weder eine Frage der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, noch der sozialen Auswahl der zu kündigenden Mitarbeiter. Wenn nach dem Vortrag der Beklagten nicht festgestellt werden kann, welches Arbeitsvolumen tätigkeitsbezogen überhaupt in Wegfall gerät, dann kann auch nicht auf den Wegfall des Arbeitsbedarfs für den Kläger geschlossen werden. Es geht also nicht um die Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz und auch nicht um die Frage der sozialen Auswahl für die verbleibenden Arbeitsplätze.

4. Dem Kläger steht ein Anspruch gegen die Beklagte zu, bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Kündigungsrechtsstreits als „Senior IT Network Administrator“ weiter beschäftigt zu werden.

a. Nach der Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG Beschluss vom 27.02.1985, Az. GS 1/84, Juris Rn. 82) ist zur Beurteilung der Frage der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Zeitraum zwischen Ablauf der Kündigungsfrist und der rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsschutzprozesses eine Abwägung zwischen dem Nichtbeschäftigungsinteresse des Arbeitgebers und dem Interesse des Arbeitnehmers an seiner tatsächlichen Beschäftigung vorzunehmen. Bis zu einem der Kündigungsschutzklage stattgebenden erstinstanzlichen Urteil begründet grundsätzlich die Ungewissheit über den Ausgang des Kündigungsschutzprozesses ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers. Nach einem der Kündigungsschutzklage stattgebenden Urteil ändert sich die Interessenlage allerdings. Ergeht im Kündigungsschutzprozess zugunsten des Arbeitnehmers in erster Instanz ein obsiegendes Urteil, müssen besondere Umstände hinzutreten, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen (LAG Düsseldorf Urteil vom 15.03.2007, Az.: 11 Sa 1273/06, Juris Rn. 51 ff.). Solche Umstände sind vorliegend weder von der Beklagten vorgetragen worden, noch sonst ersichtlich. Vor diesem Hintergrund ist der Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Rechtsstreits weiter zu beschäftigen.

b. Hinsichtlich der Art der Beschäftigung war der Inhalt der Tätigkeit des Klägers zwischen den Parteien nicht streitig. Lediglich die Bezeichnung des Arbeitsplatzes des Klägers variiert. Der Arbeitsvertrag spricht zunächst von „Anwendungs- und Verfahrenssupporter“, das Zwischenzeugnis vom 24.07.2016 bezeichnet die Tätigkeit des Klägers als „Senior IT Administrator Network“ und die Beklagte ordnet den Kläger der Tätigkeit „IT Specialist – Network Support Specialist – IT Voice (Band 7)“ zu.

Der Kammer ist eine Unterscheidung der verschiedenen Tätigkeiten bei der Beklagten allein anhand der Bezeichnung des Arbeitsplatzes / der Tätigkeit nicht ohne weiteres möglich. Angesichts der zahlreichen unterschiedlichen Kunstbegriffe für die einzelnen Tätigkeiten oder Arbeitsplätze bei der Beklagten ist es nicht abschließend möglich, Tätigkeiten diesen Kunstbegriffen zuzuordnen.

Der Kläger hat jedoch deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er unverändert zur bisherigen Handhabung tatsächlich beschäftigt werden möchte. Die Kammer ist davon überzeugt, dass diese Art der (unveränderten) Beschäftigung im Zwischenzeugnis vom 24.07.2016 am besten bezeichnet ist. Die Bezeichnung stammt von der Beklagten und der Kläger nimmt diese Bezeichnung an bzw. in seinem Antrag auf. Es handelt sich somit um eine konsensartige Bezeichnung der Tätigkeit des Klägers. Anhaltspunkte dafür, dass sich zwischen dem 24.07.2016 und dem Zeitpunkt der Entscheidung an der Tätigkeit des Klägers etwas geändert hat sind weder vorgetragen, noch ersichtlich.

Der Umstand, dass der Kläger statt „Senior IT Administrator Network“ (Zwischenzeugnis) in seinem Antrag „Senior IT Network Administrator“ formuliert ist für die Kammer ohne Bedeutung, da es sich in beiden Fällen um eine Administratorentätigkeit im Bereich „Network“ handelt.

c. Der Beklagten ist die Beschäftigung des Klägers auch nicht unmöglich geworden. Es kann gerade nicht festgestellt werden, dass der Beschäftigungsbedarf für Tätigkeiten des Klägers entfallen ist (siehe oben unter Ziffer I. 3. b.). Daher ist es der Beklagten auch möglich, den Kläger weiter zu beschäftigen. Dies gilt insbesondere auch deshalb, da jedenfalls 29 Mitarbeiter unstreitig weiter am Standort der „Region X.“ (Anlage 2 des Interessenausgleichs) weiter beschäftigt werden.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 ZPO. Den Streitwert hat das Gericht gem. § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil mit drei Bruttomonatsgehältern für den Kündigungsschutzantrag und mit einem Bruttomonatsgehalt hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsantrags festgesetzt.

III.

Gründe, die Berufung gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG zuzulassen, soweit sie nicht von Gesetzes wegen zulässig ist, lagen nicht vor.

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